Aufsätze

Zur KMU-Initiative der EU: Per aspera ad disastra

Per Beschluss des EU-Ministerrates vom 19./20. Dezember 20131) wurde eine bereits im vergangenen Juni gemeinsam von EU-Kommission und der Europäischen Investitionsbank (EIB) unterbreitete Initiative2) zu einer Wiederbelebung des Verbriefungsmarktes für Mittelstandskredite endgültig verabschiedet. Der KMU-Fokus ist nicht mehr ganz so scharf wie am Anfang, sondern verschwimmt leicht hinter der Zielsetzung "Umsetzung der Übereinkunft für Wachstum und Beschäftigung".

Umfangreich eingesetzt werden soll gleichwohl die noch immer in politischen Kreisen und bei Regulatoren ungeliebte Verbriefungstechnik, allerdings nobilitiert durch die politisch breit anerkannte Zielsetzung, den zögerlichen EU-Wiederaufschwung zu begleiten, die in den EU-Peripherieländern besonders hohe Arbeitslosigkeit zu bekämpfen und die Fragmentierung der Kreditmärkte zu reduzieren. Dazu soll die zum Jahresanfang 2013 bereits durchgeführte Eigenkapitalerhöhung der EIB um zehn Milliarden Euro genutzt werden, und es sollen Mittel aus dem für 2014 bis 2020 verabschiedeten EU-Struktur- und Investitionsfonds (ESIF) in Richtung KMU-Förderung umgewidmet werden.

Ausweitung des Repogeschäftes

Was wird passieren und was nicht? In diesem Zusammenhang, und das übrigens schon seit Jahren, ist der mehrheitlich der EIB gehörende Europäische Investitionsfonds (EIF) im Wege unterschiedlicher, direkter wie auch indirekter Voll- oder Teilgarantieformen dabei behilflich, Kredite an KMUs auszureichen, entsprechende Kreditportfolios zu besichern und sie in einer Weise zu verbriefen, also auch ihre Bonität so zu "enhancen", dass sie als Besicherung in Repogeschäften von der EZB akzeptiert werden können. Damit wird solchen Banken ein unschlagbar kostengünstiges Refinanzierungsvehikel verschafft, die von sich aus aufgrund eines schwachen Standings keinen oder nur noch schwierigen Zugang zum Interbankenmarkt finden. Das Repogeschäft mit der Zentralbank ermöglicht diesen Banken dann die Ausreichung weiterer Firmenkundenkredite und sonstiges Geschäft.

Da EIB und EIF als multilaterale Entwicklungsbanken (MDBs) von risikogewichteten Eigenkapitalunterlegungen ihrer Aktiva nach Basel II ausgenommen sind, können sie ihre Eigenmittel über fremdfinanzierte Aktivitäten besonders wirksam hebeln.

Weil aber ansonsten Banken, Versicherungen und andere institutionelle Anleger hohen Eigenkapitalunterlegungsanforderungen auf verbriefte Wertpapiere unterliegen, ist von deren Seite nicht mit Anlageinteresse zu rechnen. Folglich ist bei einer selbst bedeutenden Erhöhung der KMU-Förderung über EIB/EIF und die nationalen Förderbanken die Wiederbelebung eines Verbriefungsmarktes - die Betonung liegt auf Markt - ausgeschlossen. Lediglich das Repogeschäft wird sich parallel zur ansteigenden Förderung entsprechend ausweiten.

Was bedeutet eine bloße Ausweitung des Zentralbank-Repogeschäfts statt Wiederbelebung des KMU-Verbriefungsmarktes? Das derzeit größte Hindernis für die Wiederbelebung eines wirklichen Verbriefungsmarktes ist nicht das Fehlen erst neu zu entwickelnder Instrumente. Wie Verbriefung geht ist bekannt, ihre möglichen Tücken sind es allerdings auch. Wohl deswegen schreiben die Finanzmarkt regulatoren in einer Art enthusiastischer Grundsatzablehnung nach wie vor3) prohibitiv hohe Eigenkapitalunterlegungsanforderungen auf Verbriefungsaktiva vor.

Schatten auf der Aktivastruktur der Banken

Die Ratingagentur Fitch hat die Auswirkungen der Schatten, welche die noch gesteigerten Anforderungen von Basel III bereits auf die Aktivastruktur der Banken vorauswerfen, zum Gegenstand einer Untersuchung gemacht. Diese Untersuchung betrifft die 16 vom Baseler Financial Stability Board designierten europäischen global systemrelevanten Banken (G-SIBs) - darunter aus Deutschland die Deutsche Bank - und deren Änderungen in der aggregierten Risikoexposure (Exposure at Default/EAD) seit 2010 nach Assetkatego rien.4)

Wie in Abbildung 1 dargestellt, stellen sich die Banken auf Basel III bereits ein, indem sie Aktivaklassen mit hohen Risikogewichten, das heißt mit auch hohen Eigenkapitalunterlegungsanforderungen, abbauen zugunsten solcher mit niedrigen Risikogewichten. Die Banken investieren also vermehrt in Staatspapieren, die den Regulatoren (noch immer) als risikolos gelten und in Wohnimmobilien, die im Niedrigzinsumfeld Wertzuwachs versprechen, und ziehen sich dagegen aus Kreditrisiken, insbesondere aus dem Unternehmenskreditrisiko zurück.

Wenn also eine durch EIF und EZB ermöglichte Ausweitung des KMU-Kreditgeschäftes den EU-Wirtschaftsaufschwung tatsächlich unterstützen und Arbeitslosigkeit abbauen sollte, würde die Bremswirkung von Basel III in erfreulicher Weise kompensiert und es könnten eine Reihe weiterer wohltätiger Folgewirkungen eintreten. Wenn jedoch zuvor oder zwischendurch eine empfindliche Verschärfung der Krise der Staatsfinanzen in beispielsweise Griechenland oder Italien eintreten würde, könnte im Gegenteil eine Negativspirale ausgelöst werden, weil zum Beispiel die EZB bei einem Staats-Bail-in erhebliche Wertberichtigungen auf ihre hohen Bestände als Gläubiger von europäischen Staatsanleihen hinnehmen müsste, weil dann zum Beispiel EIB/EIF ihren bevorzugten AAA-Status auf den Kapitalmärkten verlieren könnten. Diese Risiken sind aber nicht Gegen stand dieser Überlegungen und vielleicht hebt ja tatsächlich ein kräftiger Aufschwung der gesamten Eurozone mit gestärkter Binnennachfrage und dann sprudelnden Steuereinnahmen auch die schwächeren Länder aus der Gefahrenzone.

Verdeckte Risikounterschiede

Die deutsche Position war allerdings bisher und ist offiziell weiterhin, Hilfeleistungen gegenüber anderen Ländern der Eurozone davon abhängig zu machen, dass dort im Gegenzug geeignete Anstrengungen zum Abbau von Krisenrisiken unternommen werden. Dieses Prinzip der Gegenseitigkeit von Leistung nur bei Gegenleistung wird bei der KMU-Initiative der EU nicht beachtet, denn die Konditionendifferenzierung für Kreditnehmer aus den Peripherieländern wird durch das Risk Sharing über den EIF und die Repo-Akzeptanz der von ihm über Garantien geadelten KMU-Kreditportfolios eingeebnet.

Eine Überwindung der gegenwärtig ausgeprägten Fragmentierung der europäischen KMU-Kreditmärkte wird bei Ausweitung des Repogeschäftes der Zentralbanken der Euroländer als Folge einer wie beschrieben gesteigerten KMU-Förderung also zwar tendenziell erreichbar sein. Ist das aber nicht eher kontraproduktiv?

Es liegen Vergleiche nahe mit dem Ankauf von Staatsanleihen der Euroländer durch die EZB, ebenfalls mit der Zielsetzung einer Nivellierung des Renditeniveaus von An leihen gleicher Laufzeit der verschiedenen Mitgliedsländer der Euro zone. Allerdings wird der Kapitalmarkt für Staatstitel noch nicht so weit von der EZB dominiert, dass diese Nivellierung vollkommen gelingen könnte. Zehnjährige Staatstitel Deutschlands rentieren per Ende Januar 2014 um 1,8 Prozent. Bei Spanien und Italien liegen die vergleichbaren Renditen über 3,8 Prozent, für Portugal über fünf Prozent. Ohne die Kapitalmarktinterventionen der EZB wäre diese Renditespreizung, in der sich die Risikowahrnehmungen des Marktes spiegeln, sicher noch ausgeprägter.

Bei der KMU-Initiative der EU erfolgt dagegen die Refinanzierung von (in der Regel vom Interbankmarkt schlecht akzeptierten) Banken über Repogeschäfte mit KMU-Kreditportfolios, deren Bonität durch das Risk Sharing seitens EIF in der Verbriefung auf Akzeptanzniveau als Collateral bei den Zentralbanken nivelliert wird. Die tatsächlich bestehenden Risikounterschiede oder sich entwickelnden Risiken sowohl der "originierenden" Banken wie der KMU-Kreditportfolios (vergleiche Abbildung 2 zu den stark unterschiedlichen Unternehmenskreditrisiken je nach EU-Mitgliedsland) werden durch die EIB/EIF- und EZB-Aktivitäten verdeckt, absorbiert und damit vollständig dem Markt entzogen, dessen disziplinierende Anreizwirkungen damit beseitigt werden. Damit drängt sich die Einschätzung auf, dass negative Wettbewerbsauswirkungen überwiegen könnten, weil sowohl bei den Banken wie bei den KMUs schwache zulasten starker Wettbewerber gestärkt werden.

Durchwachsene politische Gemengelage

Warum macht Deutschland trotzdem mit? Natürlich stellt sich die Frage, warum Deutschland die KMU-Initiative der EU mitträgt trotz ihrer ordnungs- und wettbewerbspolitischen Mängel. Die Antwort wird man eher im politischen als im ökonomischen Bereich suchen müssen. Denn es ist auch so, dass der enorme Erfolg der exportorientierten deutschen Wirtschaft Kritik auf sich zieht. Diese Kritik kommt aus den europäischen Nachbarländern, aus Brüssel, aus Washington und aus Teilen der angelsächsischen Finanzpresse und argumentiert mit einer ökonomischen Notwendigkeit, Ungleichgewichte abzubauen. Die auf niedrigen Lohnkosten/hoher Produktivität beruhende deutsche Wettbewerbsfähigkeit erdrücke die europäischen Nachbarn, die ohnehin schon unter den von der Troika auferlegten Sparzwängen bis an die Grenze des Zumutbaren zu leiden hätten und verstärke auf diese Weise deflationäre Risiken.

Gleichzeitig macht sich das europäische Parlament anheischig, die Strukturreformauflagen der Troika in Griechenland, Portugal und Spanien als intransparent und demokratisch nicht legitimiert infrage zu stellen. Weil innerhalb der Eurozone das währungspolitische Anpassungsventil von Abwertungen/Aufwertungen nicht zur Verfügung steht, bauen sich also politische Zentrifugalkräfte auf. Dass diese auch ihren Niederschlag in den zum Mai 2014 bevorstehenden Neuwahlen zum EU-Parlament finden werden, ist nicht unwahrscheinlich. Zu Grundfragen der weiteren europäischen Integration wie einer einheitlichen europäischen Bankenaufsicht, eines einheitlichen Bankenrestrukturierungsregimes und eines einheitlichen europäischen Einlagensicherungssystems konnte Deutsch land außerdem bereits Ausnahme- und Sonderregelungen durchsetzen.

Angesichts dieser durchwachsenen politischen Gemengelage wird man auf deutscher Seite eine gewisse Bereitschaft vermuten dürfen, nicht immer gleich Nein zu sagen, wenn bei neuen gesamteuropäischen Initiativen eher nur Schönheitsfehler festzustellen sind und es sozusagen nicht gleich an die Substanz geht. In diese Kompromisskategorie des zwar nicht ganz Erfreulichen, aber gerade noch Erträglichen könnte auch die neue KMU-Initiative in Berlin eingeordnet worden sein: Die Kapitalerhöhung der EIB ist seit Januar 2013 ohnehin schon über die Bühne, und die ESIF-Mittel 2014 bis 2020 sind im EU-Budget sowieso bereits verabschiedet worden, sodass ein bisschen Umwidmung im Rahmen der bereits genehmigten Mittel keine Konzept- oder Grundsatzdebatten in Berlin ausgelöst hat.

Eher Abwehrreflexe

Das Thema Verbriefung scheint unter Politikern ohnehin weiterhin eher Abwehrreflexe auszulösen. Also lässt man EIB/EIF und EZB mal in größerem Umfang weitermachen, was dort ohnehin schon seit Jahren getrieben wird, auch wenn es eher in eine problematische Richtung führen könnte.

Warum Europa einen Verbriefungsmarkt für KMU-Finanzierungen braucht: In Bezug auf die Unterversorgung mit Unternehmenskreditfinanzierungen in den EU-Peripherieländern - für Deutschland existiert dieses Problem zumindest nicht akut - liegt die evidente Antwort in Richtung einer Erleichterung des Deleveraging-Drucks auf die Banken durch Risikotransfer, also Ausplatzierung von Kreditforderungen bei den Cashflow-positiven Kapitalsammelstellen (sprich: Versicherungen und Pensionsfonds) im Wege einer geeigneten Bündelung (sprich: Verbriefung). Geeignet heißt strikt standardisiert, transparent und nachhaltig. Dem stehen derzeit nicht nur prohibitive Eigenkapitalunterlegungsanforderungen entgegen, sondern auch politische Reserviertheit gegenüber der Verbriefungstechnik an sich. Der politische Widerwille gegenüber dem Verbriefungsmarkt hat natürlich viel mit den weltweiten Verwüstungen zu tun, die der Kollaps des US-Subprime-Mortgage-Marktes ab Mitte 2007 einleitete. Dieser Kollaps hatte indes weniger mit der Verbriefungstechnik an sich zu tun als mit einem spekulativen Exzess im US-Wohnimmobilienmarkt infolge einer jahrelangen Niedrigzinsphase. Die anschließenden Schäden waren allerdings besonders verheerend, da der Verbriefungsprozess nicht ausreichend reguliert und die Anreizstrukturen in der Vertriebsvergütung falsch gesetzt waren.

Acht Jahre später befinden sich sowohl die USA wie Europa wieder in einer Phase niedrigster Zinsen, expansiver Geldpolitik und steigender Immobilienpreise. Und wieder bilden sich Strukturen - wieder außerhalb des inzwischen strenger regulierten Bankensektors - die von der Spekulation auf anhaltend steigende Immobilienpreise getrieben werden. An dieser Stelle ist hervorzuheben, dass auch gegenwärtig bei Hypothekenverbriefungen wieder nicht von der Verbriefungstechnik als solcher die Risiken ausgehen, sondern vom spekulativen Charakter der Immobiliennachfrage und der überwiegend kurzfristigen Refinanzierung der langfristigen Hypothekenaktiva bei hohem Leverage. Dass bei dieser Risikolage der Baseler Ausschuss für Bankenaufsicht seit 12. Januar dieses Jahres für die Berechnung der künftig zumindest einzuhaltenden Leverage Ratio von drei Prozent nach Basel III die Aufrechnung von Repo-Positionen um den erhaltenen Refinanzierungsbetrag zugelassen hat, ist absurd und ein zusätzlicher Disincentive für ein effektives, marktbasiertes Ausplatzieren von verbrieften Forderungen.6)

Für eine marktbasierte Beförderung der KMU-Verbriefung

Kleine und mittlere Unternehmen in Produktion, Handel oder Dienstleistungen werden von der Geldpolitik zwar auch tangiert wie etwa in ihrem Finanzierungsspielraum oder ihren Exportchancen in Fremdwährungsmärkten, aber sicher nicht so stark, dass spekulative Elemente bei der Bewertung des Unternehmensrisikos im Vordergrund stehen. Dies ist im Vergleich zu Immobilienfinanzierungen ihr alles überragender Vorteil, der sowohl unter stabilitätspolitischen wie unter anlagetechnischen Aspekten ganz entschieden für eine marktbasierte Beförderung der KMU-Verbriefung spricht.

Der eigentliche Haken bei KMU-Finanzierungen: Dies ist aber leider auch nur ihr einziger Vorteil. Ihrer Bündelung in im Markt platzierbare und für institutionelle Investoren attraktive und robuste Pools stehen nämlich andere sehr grundsätzliche Hürden im Wege. Das ist einmal die ausgeprägte Heterogenität realwirtschaftlicher Unternehmen, dann die eingeschränkte Verfügbarkeit der für die Einschätzung kleinerer Unternehmen wesentlichen Informationen in schriftlich dokumentierter, zeitnaher Form und nicht zuletzt auch die Sensibilität des privaten Unternehmers in Bezug auf die Weitergabe wettbewerbssensibler Informationen an Dritte. Hypothekenfinanzierung ist dagegen vergleichsweise homogen, sprich simpel. Mit relativ wenigen Merkmalen wie Lage und Loan-to-Value-Verhältnis kann eine zuverlässige Beurteilung erarbeitet werden. Ähnlich homogen sind andere Assetklassen wie Leasingforderungen oder Forderungen aus Ratenkäufen für Automobile oder Studentendarlehen et cetera. Deshalb lassen sich diese Assetklassen ebenfalls leichter verbriefen.

Hieraus folgt, dass die gründliche Bewertung eines KMU-Portfolios erheblich komplexer und daher kostspieliger ist als die Bewertung eines Portfolios mit Krediten einer homogenen Assetkategorie. Weiter folgt, dass die gründliche Bewertung eines KMU-Portfolios von insgesamt beispielsweise 500 Millionen Euro, in dem sich 250 Unternehmenskredite von durchschnittlich zwei Millionen Euro befinden, in den "Herstellkosten" auch bedeutend teurer ist als ein 500 Millionen Euro Portfolio mit nur 25 Mittelstandskrediten von durchschnittlich 20 Millionen Euro.7) Man kann sich natürlich auch mit einer kursorischen Berechnung von Ertragskraft und Bilanzsolidität anhand entsprechender Kennzahlen aus den Finanzausweisen begnügen, aber es bleibt auch dann ein struktureller Finanzierungskostennachteil des kleinen Unternehmens gegenüber dem größeren Unternehmer, der daraus resultiert, dass der Prüfungs-, Bewertungs- und laufende Betreuungsaufwand weitgehend unabhängig von der Höhe des Finanzierungsbetrages ist.

Übernahme nur des strukturellen Finanzierungskostennachteils

Wie die Entwicklung eines KMU-Verbriefungsmarktes aussehen sollte: Wenn man sich wegen der immensen Bedeutung des KMU-Sektors für Beschäftigung, Innovation und Wachstum, also aus guten Gründen, für eine generelle Förderung entschließt, die aber nicht Subventionscharakter haben soll, ist an eine Übernahme allerdings nur dieses strukturellen Finanzierungskostennachteils des kleinen gegenüber dem großen Unternehmen zu denken. Das kann in der Weise geschehen, dass der Prozess der anfänglichen Informationsbeschaffung, fortlaufenden Risikobewertung und proaktiven Betreuung bis hin zur Restrukturierung als kollektives Gut verstanden wird, das in einer Art Public Private Partnership (PPP) zwischen den öffentlichen Förderinstitutionen, den Originators wie den Investoren entwickelt und vorgehalten werden müsste.

Anstöße in diese Richtung kommen von der PCS (Prime Collateralised Securities) Initiative und der European Data Ware house GmbH, die sich bislang allerdings nur auf die Hypothekenverbriefung fokussiert haben. Nachdem der Markt durch die Erfahrung bisweilen unzuverlässiger Ratings gegangen ist, sollte man allerdings der Versuchung widerstehen, irgendwelche neuen Gütesiegel oder Zertifikate zu schaffen, die wieder nur den Investor von seiner Entscheidungsverantwortung entlasten würden. Die muss in der Marktwirtschaft beim Investor bleiben. Aber er muss die Möglichkeit haben, alle für ihn entscheidungsrelevanten Informationen bis herunter auf die Ebene jedes Einzelkredites des gebündelten Portfolios abzurufen (Loan Level Data Transparency), ohne dass das berechtigte Vertraulichkeitsbedürfnis des Einzelunternehmens gegenüber unbefugten Dritten beeinträchtigt wird. In dieser Richtung gibt es sensible Trade-offs, an deren optimaler Berücksichtigung noch gearbeitet werden muss.

In Deutschland ist die volkswirtschaftliche Bedeutung der sehr kleinen Unternehmen nicht ganz so ausgeprägt wie in den Ländern der EU-Peripherie. Außerdem gibt es bereits ein breit gefächertes Förderangebot auch für kleine und junge Unternehmen, sodass von einer KMU-Kreditklemme in Deutschland nicht gesprochen werden kann. Dagegen gibt es auch den nicht allein für Deutschland charakteristischen Typ des bereits etablierten, oft auch international schon sehr erfolgreich tätigen Mittelstandsunternehmens, das theoretisch an die Börse gehen könnte, aber seine Alleinstellungsmerkmale nicht der Öffentlichkeit preisgeben möchte.

Neue Verbriefungsformen testen

Für dieses qualitativ hochstehende Unternehmenssegment sind zur Überwindung von Wachstumsschwellen Mezzaninefinanzierungen attraktiv, wie sie bereits zwischen 2004 und 2007 auch in Verbriefungsform getestet wurden. Für dieses, sich meist bereits auf Investment-Grade-Niveau befindliche Segment, sollte angesichts dessen beschränkter Größenordnung eine europaweite Verbriefungsplattform entwickelt werden, wie sie für sehr kleine, deutlich riskantere Unternehmen wohl erst später kommen kann. Die Attraktivität des qualitativ hochstehenden Mittelstandssegments birgt allerdings die entgegengesetzte Gefahr des ruinösen Wettbewerbs, der sich auch in der Phase 2004 bis 2007 in einer die Mindeststandards korrumpierenden Weise bemerkbar machte. Nur straffeste Standardisierung und Konsolidierung gerade auch der Mittelstands-Mezzanineverbriefung könnte eine Wiederholung dieser Negativerfahrung verhindern.

Man wird neue Verbriefungsformen daher in Deutschland womöglich zunächst mit mittelständischen Unternehmen testen wollen und dann, auf Basis der gemachten Erfahrungen, auf kleinere Unternehmen ausdehnen. In Italien wird man vielleicht eher mit den kleinen Unternehmen beginnen wollen, die aber auch zusätzliche strategische Hilfestellungen brauchen, um zu wachsen und sich im Markt, auch europaweit, nachhaltig zu etablieren.

Der entscheidende Punkt ist, dass der Deleveraging-Druck auf die Banken durch den nächsten Schub von Regulierungen noch stärker werden wird und der naheliegende, natürliche Transfer von Corporate Risk Exposure vom Bankensektor auf den Sektor der institutionellen Investoren durch eine verbriefungsfeindliche und in sich widersprüchliche Grundeinstellung des gegenwärtigen Regulierungsansatzes verhindert wird. Eine Änderung dieser Einstellung wird sich hoffentlich in der Weise ent wickeln, dass die übermäßig komplexe Abstützung auf letztlich willkürliche Risikogewichtungen schrittweise aufgegeben wird zugunsten einfacherer und härterer Leveragebegrenzungen, welche das Eingehen von Risiken erleichtern, aber zugleich die Haftung für das eingegangene Risiko materiell stärken.

Eine Ausweitung des Repogeschäftes über EIB/EIF und EZB kann die jetzt vorhandene Lücke nicht schließen, die darin besteht, dass die vorgenommenen Risikobewertungen keiner kontinuierlichen Marktbewertung ausgesetzt werden und derartige Marktbewertungen durch geeignete KMU-Verbriefungsstrukturen überhaupt erst wieder in Gang gesetzt werden müssten. Hier drehen sich die Dinge leider im Kreise. Es darf nicht der Eindruck entstehen, dass die für den bevorstehenden Bankenstresstest zuständige EZB KMU-Portfolios als Collateral in Repogeschäften akzeptiert, deren zugrunde liegende Kredite ohne zuvor gewährtes Risk Sharing durch EIB/EIF als wertberichtigungsbedürftig hätten eingestuft werden müssen.

Per aspera ad disastra

Die jetzt vom EU-Ministerrat beschlossene KMU-Initiative mit einem Motto zu charakterisieren, welches das bekannte per aspera ad astra umkehrt, wirkt auf den ersten Blick negativ und pessimistisch. Es soll ganz im Gegenteil eine positive, engagierte und optimistische Auseinandersetzung mit dieser Initiative angeregt werden.

Das Motto, dessen Latein übrigens nicht korrekt ist,8) hatte sich der bedeutende Ökonom Albert Hirschman, der im Dezember 2012 verstorben ist, als ironische Ermahnung an die eigene Zunft ausgedacht, als er 1972 einen Verein Gleichgesinnter mit Namen "The Four W" gründete, dessen Siegel in Abbildung 3 abgebildet ist. Hirschman meinte damit die unbeabsichtigten Folgen der Umsetzung von wohlmeinenden, aber meist zu abstrakten und daher nicht ganz ins Schwarze treffenden ökonomischen Orthodoxien. Nicht nur Ökonomen haben bisweilen die Unart, ihre eigenen Theorien für allein seligmachend zu halten und alles andere für falsch. Damit kommt man nicht sehr weit. Aber selbst bei größter Behutsamkeit können unbeabsichtigte Folgen auftreten. Vermutlich machen selbst die Entwickler des Regelwerkes zur Stärkung der Finanzmarktstabilität manchmal diese Erfahrung, und auch die KMU-Initiative der EU dürfte, so wie sie jetzt im Raume steht, zu Fehlentwicklungen führen. Aber deswegen muss man sie nicht in Bausch und Bogen verdammen, sondern sollte an ihr feilen und sie weiterentwickeln.

Die Rest-EU ist zwar nicht geneigt, am deutschen Wesen zu genesen. Aber es geht auch nicht nur um Deutschland in Europa, sondern um Europa in der Welt. Eine falsche deutsche Reaktion wäre daher, die KMU-Initiative schlau schweigend hinzunehmen und gleichzeitig einfach so weiter zu machen wie bisher, ohne sich um die Kommunikation konstruktiver Anregungen und eine bessere Verständigung zu bemühen. Eigentlich "desaströs" an der wichtigen Initiative ist eigentlich nur, dass sie bislang noch keine lebhaftere Diskussion entfacht hat. Stattdessen droht das komplexe, sensible und nicht rein administrativ lösbare KMU-Thema zunehmend von Ängsten vor einer vermeintlich drohenden Deflation verdrängt zu werden, gegen die zunehmend groberes und riskanteres Geschütz einer schon jetzt unorthodoxen Geld- und Fiskalpolitik in Stellung gebracht werden müsse.

Fußnoten

1) Siehe Ergebnisse des EU-Ministerrattreffens vom 19./20. Dezember 2013, Punkt 26. unter: http://www. consilium.europa.eu/uedocs/cms_data/docs/pressdata/en/ec/140245.pdf

2) Siehe: http://ec.europa.eu/europe2020/pdf/eib_en.pdf

3) Vgl. Barclays Securitisation Research Note vom 2. Januar 2014: Solvency II/The Regulatory Illiquidity Premium.

4) Fitch Ratings Macro Credit Research vom 4. November 2013: Basel III: Shifting the Credit Landscape.

5) http://www.imf.org/external/pubs/ft/gfsr/2013/02/pdf/text.pdf

6) Basel Committee on Banking Supervision: Basel III Leverage Ratio and disclosure requirements vom 12. Januar 2014: http://www.bis.org/publ/bcbs270.pdf

7) Nimmt man grob an, die vollständigen durchschnittlichen Kreditprüfungskosten eines Portfolios zu zwei Millionen Euro Durchschnittsgröße des Einzelkredits seien 50 000 Euro, bei 20 Millionen Euro Einzelkreditgröße 250 000 Euro, sind die Kosten doppelt so hoch.

8) Das Ausgangsmotto bedeutet sinngemäß, "nur durch Mühsal zu den Sternen", während seine Umkehrung sich an das englische disaster anlehnt, welches vom französischen désastre kommt: = Unglückstern, Unheil, Debakel, für das keine Entsprechung im Lateinischen in Umkehrung von astrum existiert. Hirschman meinte damit so etwas wie "from bad to worse".

9) Quelle: A Bias for Hope, Commemorating the Life of Albert O. Hirschman; Institute for Advanced Studies, Princeton, 24. März 2013, S. 6: http://www.sss. ias.edu/files/papers/paper50.pdf

Michael Altenburg , Luzern, Schweiz
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