Redaktionsgespräch mit Markus Michel

"Wir möchten der Politik helfen, Lösungen für ihre Ziele zu finden"

Markus Michel, Foto: www.stefangroepper.com

Der Bundesverband Investment und Asset Management (BVI) hat die Einführung eines European Impact Fund (EIF) vorgeschlagen, um das Thema Nachhaltigkeit voranzubringen. Der BVI regt an, dass diese als Publikumsfonds ausgestalteten Produkte in die von der EU emittierten Anleihen nach dem Green Bond Standard investieren. Damit soll privates Kapital in die Transition der Wirtschaft zu mehr Nachhaltigkeit fließen. Unternehmen aus dem Finanzsektor sollen davon allerdings ausgenommen sein. Dadurch würden eigentlich dafür eingeplante EU-Haushaltsmittel frei werden und weitere Projekte oder mehr Investitionen in Corona-Hilfsmaßnahmen fließen. Weiterhin sieht Michel die Möglichkeit, dass die EIFs auch die Kapitalmarktunion vorantreiben, da die Finanzierungsmöglichkeiten für KMU steigen. Der BVI befinde sich bereits in Gesprächen mit der EU-Kommission und Berlin und sein konstruktiver Lösungsvorschlag stoße dort auch auf offene Ohren. (Red.)

Herr Michel, der BVI hat das Konzept des "European Impact Fund" (EIF) entwickelt und der EU-Kommission vorgeschlagen. Erläutern Sie bitte doch einmal genauer, was hinter der Idee steckt. Wie soll dieser aussehen?

Der European Impact Fund, kurz EIF, ist unsere Idee für einen neuartigen nachhaltigen Publikumsfonds. Wir wollen damit eine Diskussionsgrundlage schaffen, wie durch ein Fondsvehikel mit einer festgelegten Anlagepolitik zentrale politische Maßnahmen auf europäischer Ebene unterstützt werden können. Ein wesentliches Thema für die Politik, aber auch für viele Anleger, ist die Bekämpfung des Klimawandels. Deshalb sollen nach unseren Vorstellungen mindestens 50 Prozent des Fondsvermögens von EIFs in grüne Anleihen investiert werden, die ihrerseits ökologische und soziale Transformationsprojekte finanzieren. Gleichzeitig sollen durch die Einbeziehung privater Investoren kurzfristig Mittel zur Finanzierung der Corona-Hilfsprogramme auf europäischer Ebene frei werden und die Kapitalmarktunion vorangetrieben werden.

Der Fonds soll also in ökologische und soziale Langfristprojekte investieren. Soll es sich bei den EIFs um geschlossene Fonds handeln?

Nein, auch wenn wir das zwischenzeitlich überlegt haben. Wir haben die EIFs aber aus gutem Grund stark an den europäischen Rechtsrahmen für offene Publikumsfonds (OGAW) angelehnt. Dadurch ergibt sich eine problemlose Einbindung in die aktuelle Fondswelt - mit allen Vorteilen: Der juristische Rahmen ist schnell gesetzt, die technische Umsetzung bei den Anbietern und den Vertrieben folgt eingespielten Mustern und Anleger profitieren von den Vorzügen eines offenen Fonds, insbesondere der grundsätzlich börsentäglichen Rückgabemöglichkeit. Für die notwendige Liquidität ist die Projektfinanzierung über Wertpapiere wichtig. Das heißt: Von der EU - entsprechend dem sich gerade entwickelnden EU Green Bond Standard - emittierte An leihen finanzieren die Transformationsprojekte. Wir nennen diese spezielle Form der grünen Anleihen analog zum Fondsprodukt "European Impact Bonds". EIFs kaufen diese Anleihen dann je nach ihrem Investitionsschwerpunkt.

Was genau macht diese European Impact Bonds aus?

Unser Konzept ist darauf angewiesen, dass ausreichend grüne oder soziale Projektanleihen am Markt verfügbar sind. Trotz zuletzt großem Wachstum ist das leider noch nicht der Fall. Deshalb machen wir einen Vorschlag, wie kurzfristig European Impact Bonds mit einem Volumen von potenziell mehreren Hundert Milliarden Euro emittiert werden können. Ansatzpunkt sind die von der EU im Rahmen der Regional- und Kohäsionspolitik geförderten Projekte. Viele davon erfüllen die Kriterien des Green Bond Standards. Außerdem bestehen Berichtspflichten, die sich an die Anforderungen für grüne Anleihen anpassen lassen. Die Finanzierung könnte also in Zukunft über Projektanleihen geschehen, die zum Beispiel von der Europäischen Investitionsbank aufgelegt werden. Das löst das konkrete Problem der zu geringen Zahl von Anleihen, hat aber auch einen weiteren Vorteil: Durch die Zwischenfinanzierung über private Investoren werden die eigentlich für diese Projekte eingeplanten EU-Haushaltsmittel frei und können zum Beispiel zur Finanzierung der Corona-Hilfsmaßnahmen oder weiterer grüner Projekte genutzt werden. In einem zweiten Schritt könnten European Impact Bonds dann auch von Unternehmen begeben werden.

Was macht das EIF-Modell für Anleger attraktiver als herkömmliche Fonds, die sich das Thema Sustainability auf die Fahnen geschrieben haben?

Die European Impact Funds bieten eine Art EU Siegel für Anleger. Sie sind außerdem durch ihre Anlagepolitik praktisch automatisch sogenannte "Impact-Produkte" nach Artikel 9 der Offenlegungsverordnung, die im Markt als strengste Kategorie nachhaltiger Produkte angesehen wird. Anleger können also davon ausgehen, dass sie mit einem Investment in einen EIF gezielt helfen, nachhaltige und soziale Ziele in Europa zu erreichen. Das heißt aber nicht, dass es nicht auch außerhalb des EIF-Rahmens hervorragende Nachhaltigkeitsfonds geben kann. Letztlich bleibt es aber immer dem Anleger überlassen, ob er sich angesichts seiner Einstellung und Lebensumstände für einen bestimmten nachhaltigen oder konventionellen Fonds entscheidet.

Bei den EIFs soll es den Fonds überlassen werden, in welche Projekte, Aktien oder Anleihen sie investieren. Aber dabei einem Regelwerk zu folgen, wäre doch sinnvoll, allein schon, um den Kunden eine bessere Vergleichbarkeit und Überprüfbarkeit zu geben. Wäre die EU-Taxonomie ein geeignetes Rahmenwerk?

Es sollte eine ausgewogene Balance aus einem für alle EIFs geltenden Rahmen und unterschiedlichen Anlagestrategien geben. Deshalb schlagen wir einerseits eng gefasste Anlagegrenzen vor: Investierbar sind ausschließlich Wertpapiere von nichtfinanziellen EU Emittenten, mindestens 50 Prozent müssen in grüne Anleihen, mindestens 20 Prozent in Wertpapiere von Small and Mid Caps investiert werden. Andererseits sind keine konkreten Projekte festgelegt. Dadurch können sich EIFs auf spezielle Themen fokussieren und voneinander abgrenzen. Ein Fonds kann sich zum Beispiel auf Projekte zur Verringerung des Ausstoßes von Treibhausgasen in der Industrie konzentrieren, ein anderer nur Unternehmen und Projekte im Bereich Elektromobilität fördern. Im Übrigen gilt der rechtliche Rahmen für nachhaltige Publikumsfonds - darunter die EU-Taxonomie - auch für EIFs.

Sie schlagen vor, dass die EIFs ausschließlich in Unternehmen der EU investieren sollen. Wäre es nicht sinnvoller global zu denken, schließlich ist der Klimawandel auch ein nur global zu lösendes Problem?

Unser Konzept ist als Diskussionsgrundlage konzipiert und deshalb bewusst einfach gehalten, dazu gehört auch der Fokus auf die EU. Neben den Themen "Klimawandel" und "Corona Hilfsmaßnahmen" ergibt sich aus dieser Beschränkung auch ein Impuls für die geplante Kapitalmarktunion: Die Finanzierungsmöglichkeiten europäischer Unternehmen werden durch die größere Nachfrage nach ihren Aktien und Anleihen verbessert. Außerdem gibt es auch in Europa ausreichend Möglichkeiten, Wirtschaft und Gesellschaft nachhaltiger zu gestalten. Trotzdem sind Erweiterungen zu einem global investierenden Produkt denkbar.

Sie schlagen zudem explizit vor, Unternehmen aus dem Finanzsektor als Anlageziele auszuschließen. Warum?

Es ist erklärtes politisches Ziel, die sogenannte "Realwirtschaft" zu fördern und nichtfinanzielle Unternehmen an die europäischen Kapitalmärkte heranzuführen. Bisher erfolgt ihre Finanzierung zum weit überwiegenden Teil über Bankkredite. Wir möchten mit dem EIF-Konzept ausdrücklich auf diese Herausforderung antworten und haben deshalb den Finanzsektor ausgeschlossen. Eine weniger strenge Alternative wäre ein Mindestanteil für Wertpapiere aus der Realwirtschaft.

Ein weiterer Teil des Vorschlages ist, wenigstens 20 Prozent des Kapitals eines EIFs in KMU mit Sitz in der Europäischen Union zu investieren. In KMU zu investieren ist in der Regel aber eher schwieriger, da diese selten börsennotiert sind und sich auch nicht immer auf den Bondmarkt trauen. Gerade europaweit wäre das bislang noch schwierig aufgrund der vielen unterschiedlichen Regeln. Ist die Vollendung der EU-Kapitalmarktunion daher eine zwingende Voraussetzung für diesen Weg?

Unser Vorstoß und die allgemeine Entwicklung hin zu einer europäischen Kapitalmarktunion befruchten sich gegenseitig. Erklärtes Ziel der EIFs ist, die Finanzierungsbedingungen kleiner und mittelgroßer Unternehmen zu verbessern. Die Unternehmen, die bereits börsennotiert sind oder Anleihen ausgegeben haben, profitieren von der größeren Nachfrage durch EIF-Investoren. Dadurch verringern sich ihre Kapitalkosten, was neue Investitionschancen eröffnet. Außerdem wird ein Börsengang oder eine Anleihe-Emission attraktiver, sodass hoffentlich weitere Unternehmen den Weg an die Kapitalmärkte wagen. Aber natürlich ist es auch richtig, dass der Anteil der für Investmentfonds investierbaren KMU derzeit noch niedrig ist. Andere Maßnahmen, die das ändern, zum Beispiel im Rahmen der Kapitalmarktunion, sind auch für EIF-Manager und-Anleger von Nutzen.

Wäre eine steuerliche Förderung ein geeignetes Mittel, um noch mehr privates Kapital in den nachhaltigen Wandel mittels EIFs zu lenken?

Ja, eine steuerliche Förderung würde dem Konzept sicherlich einen zusätzlichen Schub verschaffen. Aber wir fordern einen solchen Anreiz bewusst nicht. Erstens müsste der Steuervorteil von den Mitgliedsstaaten kommen, was zu einem Flickenteppich von Regelungen führen würde. Und zweitens möchten wir vermeiden, dass das Konzept als Deckmantel für die Forderung nach einem Steuervorteil wahrgenommen wird. Wir sind überzeugt, dass EIFs auch ohne steuerliche Förderung attraktiv sind.

Erhoffen Sie sich auch einen Schub im Fondsvertrieb durch European Impact Funds, falls diese an den Start gehen? Welche Volumina wären Ihrer Meinung nach möglich?

Die Ideen, die das EIF-Konzept tragen, sollen allen Beteiligten dienen. Die Politik profitiert von privaten Geldern für ihre Ziele, Anleger und der Fondsvertrieb von einem durchdachten, risikoarmen Fondsprodukt. Ein Beispiel: Ein EIF-Mischfonds, der zu mindestens 50 Prozent in European Impact Bonds und im Übrigen in europäische Aktien investiert, könnte ein interessantes Einsteigerprodukt für bisher nicht am Kapitalmarkt investierte und nachhaltig orientierte Anleger sein. Das EIF Siegel schafft Klarheit für alle Beteiligten und die hinter den Projektanleihen stehenden Initiativen eine Identifikationsmöglichkeit für die Anleger. Insofern gehen wir von einem großen Potenzial aus, wie viele Milliarden es am Ende sind, hängt auch von der konkreten Ausgestaltung solcher Fonds ab.

Gab es schon ein Feedback von der Kommission der Europäischen Union zum BVI-Vorschlag?

Wir sind in Gesprächen mit der EU Kommission, aber auch mit anderen Ansprechpartnern in Brüssel und Berlin. Unsere Vorschläge stoßen auf Interesse. Ob die Idee letztlich als solche eins zu eins umgesetzt wird, ist nicht entscheidend. Wir möchten vor allem der Politik helfen, Lösungen für ihre Ziele zu finden. Das EIF-Konzept ist ein konstruktiver Vorschlag dazu.

Markus Michel Abteilungsdirektor Statistik und Research, BVI, Frankfurt am Main
 
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