Digitalisierung: kritische Selbsteinschätzung

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Auch wenn das Thema "Digitalisierung" mittlerweile auf keiner Presse- oder sonstigen Konferenz der Immobilienwirtschaft mehr fehlen darf und Begriffe wie "Big Data", "Künstliche Intelligenz" oder "Virtual Reality" den Unternehmensmanagern inzwischen souverän über die Lippen kommen, darf man mitunter den Eindruck haben, dass es einen ordentlichen Dissens zwischen Erkenntnis und Umsetzung gibt. In der täglichen Praxis vieler Immobilienunternehmen wird die Digitalisierung nämlich scheinbar nach wie vor kaum gelebt.

Das haben diverse Studien externer Beratungsunternehmen in den vergangenen Monaten immer wieder herausgearbeitet, die Betroffenen selbst sehen das aber ganz genauso. Zumindest wenn man der Studie "Digitale Transformation und Innovation in der deutschen Immobilienbranche 2017" Glauben schenkt. In der "umfangreichsten und akademisch fundiertesten" Analyse zu dem Themenkomplex im deutschsprachigen Raum hat CBRE Research in Kooperation mit dem Future Real Estate Institute 190 Akteure aus 163 Unternehmen befragt. Die Ergebnisse stimmen wenig zuversichtlich: Nur elf Prozent der Befragten sind der Meinung, dass die digitale Transformation für ihre Unternehmen kein Problem darstellt. In höchstens 30 Prozent der Unternehmen wurden bislang überhaupt erst Grundlagen für diesen Prozess geschaffen. Eine digitale Strategie? Oftmals nicht vorhanden. Digitale Talente und Führungskräfte beziehungsweise der Wille, diese auszubilden? Anno 2017 noch immer längst keine Selbstverständlichkeit. Knapp die Hälfte ist der Auffassung, dass es an Veränderungsbereitschaft, digitaler Kompetenz und einer klaren Strategie mangelt. Auch das Management nimmt vielerorts keine Vorbildfunktion für Digitales ein.

Soweit, so schlecht. Der Blick auf die einzelnen Technologien liefert noch weniger Anlass zu Optimismus, das Wissen über zukunftsträchtige Themenfelder ist oftmals nur rudimentär beziehungsweise nicht existent. Hinsichtlich der Blockchain etwa erachten auf Unternehmensebene nur 9 Prozent den Wissensstand als solide, bei Virtual Reality (17 Prozent), Building Information Modeling (20 Prozent) und Big Data (25 Prozent) sind es nicht viel mehr. Wenn Daten wie so oft zitiert das "Öl des 21. Jahrhunderts" sind, stimmt gerade letzterer Punkt bedenklich. Der Anteil von Immobilienunternehmen, die datengetriebene strategische Entscheidungen treffen, ist gering und laut Studie "nicht zeitgemäß". Hemmend beim zu Nutze machen der internen Datenschätze wirken möglicherweise die strengen deutschen Datenschutzgesetze. Trotzdem: Bei der Etablierung intelligenter Datenverarbeitungssysteme sollte man definitiv nicht den Anschluss verlieren.

Ein Umstand, der die Studienergebnisse ein Stück weit relativiert, ist die fehlende Trennschärfe der Analyse. So wurde eine Untergliederung der Umfrageteilnehmer nach Wohnungsunternehmen, Projektentwicklern, Asset Managern (und vielen mehr) nicht vollzogen. Ein klares Manko, schließlich wird der Heterogenität der Branche dadurch nicht Rechnung getragen. Während tradierte Geschäftsmodelle etwa von Maklern (bedroht durch Robotik) oder Immobilienbewertern (bedroht durch Künstliche Intelligenz) vielleicht stärker unter Druck geraten, ist für Finanzierer oder Wohnungsunternehmen nicht zwangsläufig eine umfassende digitale Transformation vonnöten. Bei Letzteren ist ein punktuelles und sanfteres Vorgehen möglicherweise viel klüger. Innovieren und Digitalisieren, nur um sagen zu können, man sei dabei gewesen, ist wohl kaum des Rätsels Lösung. Und im Übrigen ziehen - entgegen des medialen Eindrucks - nicht in jedem Teilbereich der Branche neue digitale Konkurrenten (Stichwort "Proptechs") herauf, die ernsthaft an den Thronen der Etablierten rütteln. Wenn überhaupt sind viele von ihnen nur in Form von Kooperationen überlebensfähig, auch weil ihnen die historisch gewachsenen Kundenbeziehungen schmerzlich fehlen.

Umfang und Tiefe der Digitalisierung müssen am Ende von jedem Immobilienunternehmen individuell und in dem für sich als richtig befundenen Tempo gewählt werden. Grundsätzlich wären die derzeit herrschenden, wirtschaftlich überwiegend hervorragenden Rahmenbedingungen aber ideal für ein bisschen mehr Elan. Doch bekanntlich fällt es gerade in relativ sorglosen Zeiten schwer, die eigene Komfortzone zu verlassen und sich einem ungewissen und mitunter fehleranfälligen Anpassungsprozess zu stellen. ph

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