Zweckentfremdung

Philipp Hafner, Quelle: Verlag Helmut Richardi

Digitale Vermittlungsplattformen für Privatunterkünfte erfreuen sich steigender Beliebtheit und wachsen dementsprechend rasant. Vor allem der unangefochtene Marktführer Airbnb hat seit seiner Gründung im Jahr 2008 ein weltumspannendes Netz in 191 Ländern (65 000 Städten) aufgebaut. Das ist eine Entwicklung, die nicht nur der Hotelbranche Kopfzerbrechen bereitet. Auch Städte rund um den Globus, insbesondere stark frequentierte Touristenmagneten, beäugen das Treiben dieser Plattformen inzwischen mit großem Argwohn. Der unisono geäußerte Vorwurf: Die Ferienwohnungsanbieter entziehen den Stadtbewohnern wertvollen Wohnraum. Offensichtlich ist es für immer mehr Vermieter deutlich lukrativer, ihre Wohnungen kurzzeitig an Touristen zu vergeben als langfristig zu vermieten.

Erstmals mit handfesten Fakten untermauert wurden diese Vermutungen kürzlich von einem europäischen Rechercheteam unter Beteiligung der Süddeutschen Zeitung. Die Datenbank umfasst alle Übernachtungsplätze, die Airbnb in den zehn größten deutschen Städten im Angebot hat, insgesamt sind das mehr als 37 000 Zimmer und Wohnungen. Die Quintessenz der Datenauswertung: Mit 58 Prozent macht das Vermieten ganzer Wohnungen oder Häuser inzwischen das Kerngeschäft von Airbnb aus. Die Firma ist laut SZ mittlerweile ein "globaler Tourismus-Anbieter", der mit Hotelketten konkurriere. Von der ursprünglichen, harmlosen Grundidee des "Home Sharing", bei dem Privatpersonen ein Zimmer in ihrem Zuhause günstig und vorübergehend an Touristen vermieten, hat man sich demzufolge also weit entfernt. Es ist ein knallhartes gewerbliches Geschäftsmodell geworden, welches von professionellen Vermietern dominiert wird und dank geschicktem Marketing dennoch weiter unter dem Deckmantel der Sharing Economy läuft.

In dieser Dimension können Städte, die Wohnraum dringend brauchen, dem Treiben kaum zuschauen. Längst versuchen betroffene Städte - auch hierzulande - daher, den unkontrollierten "Vermietungs-Wildwuchs" einzudämmen. Mit mäßigem Erfolg, denn anstatt konzertierter Maßnahmen setzen die Städte auf diffuse Einzelaktionen, Stichwort "Zweckentfremdungsverbote". Beispielhaft zeigt sich dies in Berlin: Dort erhitzen sich die Gemüter an dem seit Mai geltenden, aber ob der unglücklichen Ausgestaltung kontroversen Regelwerk. Die Vorschriften verbieten es, die eigene Wohnung ohne Sondererlaubnis der Stadt gegen Geld als Ferienwohnung anzubieten. Bei Nichtbeachtung droht ein Bußgeld von bis zu 100 000 Euro. Airbnb beklagt - nicht ganz zu Unrecht -, dass das Gesetz nicht unterscheide zwischen Menschen, die ihre eigene privat genutzte Wohnung, "wenn sie beruflich oder privat unterwegs sind, an andere vermieten", und auf der anderen Seite "professionellen Ferienwohnungsanbietern". Allerdings müssen die Betreiber von Onlinevermittlungsportalen den Berliner Behörden Auskunft über die jeweiligen Vermieter erteilen.

Das Unternehmen versucht aktuell, Stimmung gegen die strenge Vorgehensweise des Berliner Senats zu machen. Ermutigt wird es dabei von einer Entscheidung des Berliner Verwaltungsgerichts, das einem Berliner die Vermietung der eigenen Wohnung an 182 Tagen im Jahr - trotz Zweckentfremdungsverbot - erlaubt hatte. Und die Politik scheint zu reagieren: Im Oktober hat die rot-rot-grüne Berliner Landesregierung bekannt gegeben, das Zweckentfremdungsgesetz bis zum Frühjahr 2018 novellieren zu wollen. 60 Tage freie Vermietungstage sind laut Tagesspiegel im Gespräch. (zum Vergleich: In München darf eine Wohnung nur sechs Wochen pro Jahr über Internetplattformen vermietet werden, in Hamburg dagegen ein halbes Jahr.)

Gleichzeitig setzt Airbnb nicht nur auf Konfrontation. In Dortmund etwa wurde der Stadt angeboten, für sie die sogenannte Bettensteuer auf touristische Übernachtungen in Höhe von 7,5 Prozent einzutreiben. Eine nette Geste zum Wohle angespannter kommunaler Haushalte, die die Wogen dennoch nicht nachhaltig glätten dürfte: Denn die Daten derjenigen Mitglieder, die ihre Wohnung öfter vermieten als erlaubt, wird das Unternehmen freiwillig weiterhin nicht herausrücken. Doch gerade das wäre die Transparenz, die das künftige Miteinander der wohnungspolitischen Interessen der Städte auf der einen und den kommerziellen Zielen solcher Vermietungsplattformen spürbar entspannen würde. So drohen zunehmend mehr gesetzliche Regelungen, die wiederum zu mehr Umgehungstatbeständen führen - das kann nicht das Ziel sein. ph

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