DAS ALTE LIED

Philipp Hafner, Quelle: Verlag Helmut Richardi

Am 11. August feierte die digitale Vermietungsplattform Airbnb ihr zehnjähriges Bestehen. Hinter (und voraussichtlich auch vor) dem Start-up liegt eine rasante Expansion. Das US-Unternehmen ist inzwischen mit über fünf Millionen gelisteten Unterkünften in 191 Ländern und rund 81 000 Städten weltweit präsent. Experten schätzen den Unternehmenswert auf rund 31 Milliarden US-Dollar. Davon abgesehen hagelte es zum Ehrentag aber auch reichlich Kritik. Neben den Hoteliers, denen Airbnb seit jeher ein Dorn im Auge ist, haben sich unlängst auch Bürgermeister rund um den Globus dem Kampf gegen den Newcomer verschrieben. Der einhellige Vorwurf: Durch die Vermietungsplattform wird den ohnehin stark angespannten Wohnungsmärkten wertvoller Wohnraum entzogen. Dem versucht man mit heftigen Maßnahmen entgegenzuwirken: In München beispielsweise droht jedem, der seine Wohnung länger als acht Wochen über Airbnb vermietet, ein Bußgeld von 500 000 Euro. In Berlin soll das mit Wirkung zum 1. Mai verschärfte Zweckentfremdungsverbot Einhalt gebieten, derzeit allerdings noch mit mäßigem Erfolg. Dabei ist das Treiben bei genauerem Hinsehen wohl nicht viel mehr als der sprichwörtliche Tropfen auf den heißen Stein. Deutschlandweit sind derzeit rund 130 000 Wohnungen auf dem Vermietungsportal registriert. Der Anteil derjenigen, die ihr Zuhause gelegentlich vermieten, wenn sie verreist sind, aber grundsätzlich selbst bewohnen und daher keinen Wohnraum entziehen, liegt laut Airbnb bei 93 Prozent.

Vor diesem Hintergrund erscheint die Empörung deutscher Kommunalpolitiker wohl doch etwas übertrieben. Man könnte fast den Eindruck gewinnen, das US-Unternehmen würde als (willkommener) Sündenbock herhalten müssen, um von eigenen Versäumnissen abzulenken. Expertenschätzungen zufolge müssen deutschlandweit in den kommenden Jahren jährlich mindestens 350 000 neue Wohnungen entstehen. Davon ist man weit entfernt. Der vor allem in den Großstädten teils immense Nachfrageüberhang führt seit Jahren zu steigenden Preisen und Mieten, was die Politik zu immer neuen Eingriffen in den ohnehin schon stark regulierten Wohnungsmarkt veranlasste.

Mietpreisbremse, Bestellerprinzip, aber auch die Energieeinsparverordnung und der teilweise Zwang zur Fassadenbegrünung - all das schafft keineswegs einfachere Bedingungen für den Wohnungsneubau. Im Gegenteil. Der anhaltende Anstieg der Mieten und Preise ist der beste Beleg für die Wirkungslosigkeit. Entsprechend spricht sich der Wissenschaftliche Beirat beim Bundesministerium für Wirtschaft und Energie (BMWi) in seinem gerade vorgelegten Gutachten "Soziale Wohnungspolitik" für ein spürbares Zurückdrehen der staatlichen Eingriffe in den Wohnungsmarkt aus. Sein Fazit ist ernüchternd: Mietpreisbremse wirkungslos. Sozialer Wohnungsbau verfehlt seine Ziele, weil viele der Wohnungen von Menschen belegt seien, die inzwischen dem sozial bedürftigen Status finanziell durch höhere Einkommen entwachsen sind. Die 34 Ökonomen empfehlen stattdessen, kostentreibende Eingriffe wie die Energieeinsparverordnung zu überdenken, das Wohngeld zu erhöhen, eine Absenkung der Grunderwerbsteuer bundeseinheitlich auf das frühere Niveau von 3,5 Prozent (Einnahmeausfälle könnten durch eine höhere Besteuerung der Bodenwerte aufgefangen werden) sowie eine Reform der Grundsteuer hin zu einer reinen Bodensteuer, damit der Anreiz zur Bebauung steigt.

Hinzu macht das Bundesinstitut für Bau-, Stadt- und Raumforschung (BBSR) ein hausgemachtes Problem der Kommunen aus: In einem Gutachten heißt es, der Wohnungsneubau sei in zunehmend komplexe Abstimmungs- und Abwägungsaufgaben (rechtlich, politisch) eingebunden. Die daraus entstehenden Verzögerungen, Unsicherheiten und die resultierenden inhaltlichen Forderungen an den Wohnungsneubau wirken insgesamt hemmend und zusätzlich preistreibend.

Zusammengefasst heißt all das: Wie immer geht es auf den Wohnungsmärkten um das richtige Zusammenspiel von Staat und Markt (sofern es dies überhaupt geben kann) sowie um die Zwangslage der Kommunen, die zwischen Gewerbe- und Wohnungsbauflächen abwägen müssen, zumindest in den gefragten Regionen immer zu wenig Bauland haben, ihre Planungs- und Vergabeverfahren optimieren können, durch steuerliche Anreize auf Einnahmen verzichten und durch eine Erhöhung der Förderung mehr Ausgaben tolerieren müssen. Und wie immer gibt es ganz offensichtlich vor allem Verlierer: Menschen, die sich Wohnen nicht mehr leisten können, Investoren, die sich gegängelt fühlen, Politiker, die angefeindet werden. Recht machen kann man es niemand. Denn anständig Wohnen wird in Deutschland längst als unantastbares Grundrecht empfunden. Es ist das alte Lied. Aber irgendwie ist es doch auch beruhigend, dass alle paar Jahre über dieselben Themen heftigst gestritten wird und es alles in allem in den vergangenen Jahrzehnten in Deutschland doch ganz gut funktioniert hat mit der sogenannten Wohnungsbaupolitik - egal ob Staat oder Markt, ob sozial oder Rendite. Red.

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