STADTENTWICKLUNG

50 JAHRE STÄDTEBAUFÖRDERUNG: EIN ERFOLGSMODELL MIT GROSSER ZUKUNFT

Norbert Portz, Foto: Deutscher Städte- und Gemeindebund

Der erste Bundeskanzler der Bundesrepublik Deutschland, Konrad Adenauer, hat einmal gesagt: "Ein Blick in die Vergangenheit hat nur Sinn, wenn er auch der Zukunft dient." Dasselbe gilt für das 50-jährige Jubiläum der Städtebauförderung. Die Städtebauförderung wird von Bund, Ländern und Kommunen in den alten Ländern seit dem Jahre 1971 gemeinsam getragen. Städte und Gemeinden setzen die Städtebauförderungsmittel nach dem Motto "Tue Gutes und rede darüber" unter enger Mitwirkung der Bürgerinnen und Bürger in konkrete Projekte um. Wie die Ausführungen des Autors verdeutlichen, muss das Instrument dabei stets an die sich wandelnden Herausforderungen, etwa dem Klimaschutz, angepasst werden. Erst so trage sie dazu bei, die Gegenwarts- und Zukunftsaufgaben in der Stadtentwicklung zu bewältigen. Red.

Die Städtebauförderung in Deutschland ist auch im europaweiten Vergleich ein einzigartiges Erfolgsmodell. Dies liegt nicht zuletzt daran, dass es kaum eine zweite öffentliche Investition gibt, die derart hohe private Folgeinvestitionen auslöst. So führt 1 Euro öffentlicher Städtebauförderung zu 7 Euro an Folgeinvestitionen Privater. Mit dieser großen Anstoßwirkung ist die Städtebauförderung insbesondere zur Schaffung von Arbeitsplätzen für den Mittelstand und für das Handwerk vor Ort unverzichtbar.

Ein Segen für die neuen Bundesländer

Die Städtebauförderung generiert zudem wichtige Steuereinnahmen in den Städten und Gemeinden. Diese Einnahmen können für die kommunale Infrastruktur und für Aufgaben der kommunalen Daseinsvorsorge wie für die Bildung, Krankenhäuser oder die Wasserversorgung und die Abfallbeseitigung eingesetzt werden.

Mit dem 50-jährigen Jubiläum der Städtebauförderung geht ihr 30-jähriges Jubiläum in den neuen Bundesländern einher. Hier war die Städtebauförderung mit einer kaum für möglich gehaltenen Aufwertung verbunden. Sie war wesentliche Voraussetzung für den wirtschaftlichen Strukturwandel und sie führte zur Erneuerung des oft kaum mehr nutzbaren Altbaubestands und der desolaten technischen Infrastruktur.

Die damalige Opposition drückte den starken Verfall der Städte mit dem Ausdruck "Ruinen schaffen ohne Waffen" plastisch aus. Heute belegt ein Besuch von Städten wie Erfurt, Görlitz, Potsdam, Wismar, Quedlinburg, Köthen oder Weimar den deutlich sichtbaren positiven Wandel, der durch die Städtebauförderung in den Kommunen der neuen Länder erreicht wurde.

Abbildung 1: Köthen (Sachsen-Anhalt) vor und nach der Sanierung mit Städtebauförderungsmitteln Fotos: Jürgen Leindecker

Steigende Herausforderungen für die Kommunen

Die Herausforderungen für die Städte und Gemeinden werden künftig steigen. Dafür spricht nicht nur das aktuelle Defizit von 149 Milliarden Euro bei der kommunalen Infrastruktur, wie der Sanierung von Schulen und Kitas. Dieses Defizit dürfte angesichts der wirtschaftlichen Folgen der Corona-Pandemie nämlich noch größer werden.

Abbildung 2: Investitionsrückstand der deutschen Kommunen (in Milliarden Euro) Quelle: KfW-Kommunalpanel 2021

Auch die Herausforderungen beim Klimaschutz und bei der Klimafolgenanpassung sowie der Gestaltung des nötigen Wandels unserer Innenstädte erfordern eine starke Städtebauförderung. Weiter stellen die Bereitstellung bezahlbaren Wohnraums und die Aktivierung des Wohnungsleerstands, der gerade strukturschwache Gemeinden trifft, etwa durch Programme wie "Jung kauft alt", ebenso eine Daueraufgabe dar wie der Erhalt und die Sicherung unseres gebauten kulturellen Erbes. Hinzu kommen als Herausforderungen die Gestaltung des demografischen Wandels und des Wandels infolge der Digitalisierung. Wenn die Städtebauförderung sich hier als schlagkräftiges Instrument zur Unterstützung des Wandels versteht, wird sie auch in der Zukunft ein Erfolgsmodell bleiben.

Unterstützung des Wandels in Innenstädten und Ortskernen

Vor allem der durch die Pandemie als Brandbeschleuniger forcierte Wandel in den Innenstädten und Ortskernen impliziert eine dauerhafte Herausforderung. Wesentliche Ursache für den Umbruch ist der durch die langen Geschäftsschließungen nochmals stark gewachsene Onlinehandel. Sein Umsatz ist laut Handelsverband Deutschland (HDE) auf 72 Milliarden Euro netto im Jahre 2020 gestiegen.

Dabei gilt auch für die Zukunft: Der Internethandel ist irreversibel. Der Grundsatz für den örtlichen Handel muss daher lauten: "Es geht nur mit und nicht ohne das Internet." Auch wenn wir Innenstädte und Ortskerne zu attraktiven Quartieren mit Erlebnis- und Aufenthaltsqualität entwickeln müssen, werden die Leerstände bei den stationären Händlern zunehmen. Der HDE hat die Schließung von bis zu 120 000 Läden mit über 400 000 Verlusten an Arbeitsplätzen prognostiziert. Demnach waren die Schließungen der über 50 Karstadt-/Kaufhof-Warenhäuser nur der Anfang.

Die Schließungen bergen aber nicht nur die Gefahr eines Niedergangs unserer Innenstädte und Ortskerne und in der Folge eines massiven Arbeitsplatzverlustes. Im Wandel unserer Innenstädte kann zugleich die Chance für eine durch die Städtebauförderung unterstützte größere Nutzungsmischung und Lebendigkeit, auch nach Ladenschluss, liegen. Dazu beitragen können bei sinkenden Immobilienpreisen mehr Kultureinrichtungen und mehr attraktive Gastronomie, aber auch mehr bezahlbare Wohnungen.

Eine größere Vielfalt führt aber nur dann zu mehr Vitalität für die Innenstädte, wenn die neue Nutzungsmischung auch Frequenzbringer mit "Glamourfaktor" beinhaltet. Mit anderen Worten: Menschen fahren in eine Innenstadt, um einzukaufen, in Restaurants oder Kinos zu gehen, also um die typischen innenstadtrelevanten Angebote wahrzunehmen und nicht primär, um sich dort Wohnungen anzuschauen.

Städte und Gemeinden haben bei der Gestaltung des Innenstadtwandels eine Schlüsselrolle. Sie sind gefordert, attraktive Innenstädte mit Erlebnischarakter, guten Fußgänger- und Fahrradinfrastrukturen, ÖPNV-Anbindungen und Erreichbarkeiten zu schaffen. Auch attraktive, sichere und saubere öffentliche Wege und Plätze, auf denen etwa Wochenmärkte mit einem Angebot regionaler Produkte abgehalten werden, stärken die Innenstädte ebenso wie Spielmöglichkeiten für Kinder, eine Barrierefreiheit für Ältere sowie Aufenthalts- und Sitzmöglichkeiten. Zur Bewältigung dieser Herausforderungen in der Stadtentwicklung ist die Städtebauförderung unverzichtbar.

Leipzig-Charta 2020: "grüne, gerechte und produktive Stadt"

Die Ende November 2020 im Rahmen der deutschen Ratspräsidentschaft von den Ministern auf EU-Ebene verabschiedete neue Leipzig-Charta benennt mit dem integrierten, partizipativen und lokalen Ansatz wichtige Grundsätze auch für die Städtebauförderung. In den Fokus ihrer Leitlinien stellt die neue Leipzig-Charta die "grüne Stadt", die "gerechte Stadt" und die "produktive Stadt." Zudem betont sie den wichtigen Handlungsrahmen der Quartiersebene für eine gute Stadtentwicklung. Als weiteren Teil einer nachhaltigen Stadtentwicklung nennt sie die urbane Resilienz, also die Fähigkeit eines städtischen Systems und seiner Bevölkerung, bei Krisen und Katastrophen widerstandsfähig zu reagieren und sich anzupassen. Die Bedeutung der urbanen Resilienz zeigt die aktuelle Corona-Pandemie.

Die Leipzig-Charta ist mit dem Postulat einer gemeinwohlorientierten Stadtentwicklungspolitik sowie mit ihrem integrierten und ortsbezogenen Weg eine Handlungsanleitung für die Gestaltung kommunaler Lebenswirklichkeit in ganz Europa. In Deutschland bedarf es zur Umsetzung auch insoweit der Unterstützung durch die Städtebauförderung.

Ein effizienter Klimaschutz ist eine ureigene Aufgabe der Stadtentwicklung. Das gilt auch für die Klimafolgenanpassung, beispielsweise die Anpassung des Stadtraums an zunehmende Starkregen- und Hochwasserereignisse, die Erhaltung von Kaltluftschneisen sowie eine Begrünung von Plätzen und Gebäuden.

Gerade die vergangenen Dürre- und Hitzesommer haben gezeigt, dass wir ein Mehr an "Grün und Blau" in unseren Kommunen, also ein Mehr an "grünen Lungen", an Dach- und Fassadenbegrünungen, aber auch mehr Wasserläufe und Wasserspender, benötigen. All dies ist zur Abmilderung der hohen Temperaturen und zur Klimafolgenanpassung sowie zur Schaffung von Orten mit Lebensqualität nötig.

Zur Erreichung der Klimaschutzziele bedarf es vor allem einer Verbesserung der Energieeffizienz und Energieeinsparung im Gebäudebereich, auf den 35 Prozent des Energieverbrauchs in Deutschland entfallen. Energetische Sanierungen müssen technologieoffen erfolgen. Auch muss das jeweilige Quartier als Handlungsebene im Fokus der mit Städtebauförderungsmitteln unterstützten Klimaschutzstrategien liegen.

Kommunen sind auch bei den Gebäuden Schlüsselakteure für den Klimaschutz. Das gilt für öffentliche, aber ebenso für private Gebäude, wo Kommunen Berater und Vorbild für die energetische Sanierung sind. Für ihre eigenen circa 186 000 Gebäude, wie Schulen, Kindergärten und Verwaltungen sowie für die den kommunalen Wohnungsunternehmen gehörenden rund 1,6 Millionen Wohnungen tragen die Kommunen direkt Verantwortung.

Berücksichtigung in der Bund-Länder-Vereinbarung

Daneben sind Städte und Gemeinden Planungsträger und Gestalter für die "klimagerechte Stadt" der Zukunft. Um dieses Ziel zu erreichen benötigen wir eine starke Städtebauförderung. Dies haben Bund und Länder erkannt und den Klimaschutz in ihrer Verwaltungsvereinbarung und den Förderrichtlinien aufgegriffen. Weitere Anforderungen für die Stadtentwicklung folgen aus der Gestaltung einer klimagerechten Mobilitätswende. Der umweltbelastende Individualverkehr muss reduziert und der ÖPNV gerade nach der Pandemie durch Bezahlbarkeit und Attraktivität (enge Taktung et cetera) gestärkt sowie die Fahrrad- und Fußgängerinfrastruktur ausgebaut werden.

Abbildung 3: Einfluss der Corona-Pandemie auf die Art der Fortbewegung (in Prozent) Quelle: Yougov/DEVK 2020; Basis n = 2 042 Personen/Mehrfachnennungen möglich; Grafik: DStGB 2020

Aufstockung auf 1,5 Milliarden Euro

Die nötigen Umbauaufgaben sind ohne handlungsfähige Kommunen und ohne die Unterstützung der Städtebauförderung nicht zu bewältigen. Das Mehr an kommunalen Herausforderungen erfordert aber auch eine Erhöhung der Städtebauförderung des Bundes von 790 Millionen Euro auf 1,5 Milliarden Euro. Damit einhergehen muss eine Co-Finanzierung der Länder und Kommunen. Zudem müssen die Eigenanteile sehr finanzschwacher Städte und Gemeinden durch die Länder reduziert werden.

Erfolgsfaktor der Städtebauförderung ist ihr wirtschaftlicher, sozialer, ökologischer und integrativer Maßnahmenansatz. Hinzu kommen der Gebietsbezug und die Bürgermitwirkung. Dem integrativen Ansatz der Städtebauförderung entsprechen jedoch die Befristung der Finanzhilfen und der Abschluss jeweils jährlicher Verwaltungsvereinbarungen nicht. Daher sind mehrjährige Verwaltungsvereinbarungen für eine solide Planung und Umsetzung von Maßnahmen durch die Städte und Gemeinden ebenso unerlässlich wie die Verlängerung der Mittelverwendungsfristen.

Die Städtebauförderung sollte außerdem künftig noch mehr zur Herstellung gleichwertiger Lebensverhältnisse beitragen. Sie kann das oft vorhandene wirtschaftliche Gefälle zwischen Stadt und Land beziehungsweise zwischen strukturstarken und strukturschwachen Kommunen abbauen helfen. Dazu gehören Klein- und Mittelstädte und deren Ortskerne noch mehr in den Blickpunkt, speziell durch eine Stärkung des 300-Millionen-Bundesprogramms "Lebendige Zentren".

Gerade Klein- und Mittelstädte haben für viele Menschen eine hohe Anziehungskraft. Sie sind oft von einer maßstäblichen Baustruktur, historischen Stadtkernen und einem großen baukulturellen Erbe geprägt. Auch gibt es hier dank vieler Vereine ein engeres soziales Netz als in Großstädten. Hinzu kommen im Vergleich zu den oft überhitzten Metropolen niedrigere Bauland- und Wohnungspreise, speziell für junge Familien und gute Umweltbedingungen mit einer größeren Naturnähe und der Möglichkeit entsprechender Aktivitäten.

Ohnehin könnte durch die Corona-Pandemie und durch die künftig verstärkt genutzten mobilen Arbeitsplätze ein Trend raus aus der Großstadt hinein in Klein- und Mittelstädte erfolgen. Klar ist jedenfalls: Wir werden die Herausforderung zur Schaffung bezahlbaren Wohnraums in Deutschland nicht allein in den überhitzten Metropolen wie München oder Frankfurt am Main lösen.

Daher sollten die (Wohnungs- und Arbeitsmarkt-)Potenziale von Klein- und Mittelstädten, wo speziell im strukturschwachen ländlichen Raum circa 1,8 Millionen Wohnungen leer stehen, auch durch mehr Dezentralität besser gehoben werden. Durch die Zusammenführung von Arbeiten und Wohnen können Ballungskerne entlastet und die Potenziale der bezahlbareren Klein- und Mittelstädten gehoben werden.

Der tägliche Pendlerverkehr, oft mit dem PKW aus den Klein- und Mittelstädten in die Metropolen zur Arbeit und zurück, würde verringert. Folge wäre für die Pendler ein Zeitgewinn und für alle eine reinere Luft und weniger Lärmbelastung. Das hilft Mensch und Umwelt. Mehr Dezentralität bedingt aber, dass Klein- und Mittelstädte für Menschen attraktiv sind und die nötige Infrastruktur (Breitband, Gesundheitsversorgung, Bildung et cetera) aufweisen. Auch das kann die Städtebauförderung unterstützen.

Vereinfachen und fortentwickeln

Eine effiziente Städtebauförderung erfordert einen großen Gestaltungsspielraum für Städte und Gemeinden. Hier war die Reduzierung der Bundesprogramme von sechs auf drei richtig. Aktuell besteht die Städtebauförderung des Bundes in Höhe von 790 Millionen Euro aus den Programmen "Lebendige Zentren" (300 Millionen Euro), "Wachstum und nachhaltige Erneuerung" (290 Millionen Euro) und "Sozialer Zusammenhalt (200 Millionen Euro).

Bund und Länder müssen die Antragstellung, Bewilligung und das Controlling reduzieren. Verwendungsnachweise und Rechnungen müssen digital einreichbar sein. Mehrfachprüfungen sind zu vermeiden. Die Zeiträume zwischen der Bedarfsanmeldung und der Zuweisung der Mittel sind zu reduzieren. Das schafft Planungssicherheit und reduziert den Verwaltungsaufwand. Auch die Prüfung des Schlussverwendungsnachweises ist zu beschleunigen, um die Maßnahme zügig abzuwickeln.

Als Fazit lässt sich somit festhalten: Die Städtebauförderung wird auch nach ihrem 50. Jubiläumsjahr als Gemeinschaftsaufgabe von Bund, Ländern und Kommunen ein Erfolgsmodell zur Schaffung lebenswerter Städte und Gemeinden bleiben. Sie muss auf die aktuellen Herausforderungen reagieren. Dazu gehören neben der demografischen Herausforderung die Gestaltung des Wandels unserer Innenstädte, die Digitalisierung sowie ein effizienter Klimaschutz und die Klimafolgenanpassung. Auch zur Aktivierung leerstehender Wohnungen und von Brachen sowie für ein bezahlbares Wohnen und zur Schaffung einer guten Baukultur ist eine starke Städtebauförderung unverzichtbar.

Zur Bewältigung dieser Herausforderungen brauchen wir finanzstarke Kommunen, die über ausreichend Personal und Gestaltungskraft verfügen. Die Kommunen benötigen zudem schlanke Antrags-, Bewilligungs- und Förderverfahren. Die gewachsenen Anforderungen an die Kommunen erfordern zudem eine finanzielle Aufstockung der Städtebauförderung. Denn es bleibt dabei: Die Herausforderungen für die Kommunen werden nicht weniger, sondern zukünftig mehr!

DER AUTOR NORBERT PORTZ Beigeordneter, Deutscher Städte- und Gemeindebund e.V., Bonn
Norbert Portz , Beigeordneter, Deutscher Städte- und Gemeindebund e.V., Bonn

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