Markt- und Objektbewertung

Automatisierung der Immobilientransaktion - Machine Learning zur Prozessoptimierung

Jan Hoffmeister, Mitgründer und Geschäftsführer, Drooms AG, Zug

Quelle: Drooms AG

Der Einsatz virtueller Datenräume ist im Rahmen der Due-Diligence-Prüfung bei Immobilientransaktionen längst keine Seltenheit mehr. Dass sich dieser Bereich derzeit im Wandel befindet, weiß der Autor des folgenden Beitrags zu berichten. Konkret geht es um die steigende Bedeutung des sogenannten "Machine Learning", eine Technologie, die seiner Ansicht nach vor allem im Risiko- und Prozessmanagement große Potenziale birgt. Die maschinelle Auslese sei weniger fehleranfällig als der Mensch und könne deshalb gerade bei der Risikoidentifizierung und -bewertung hilfreich sein. Der positive Nebeneffekt der voranschreitenden Prozessautomatisierung: Anwälte und Immobilienprofis könnten ihre Tätigkeit künftig mehr auf Beratung und Beaufsichtigung ausrichten als auf die langwierige Sichtung von Dokumenten. Red.

Als der Mathematiker Alan Turing 1950 fragte "Können Maschinen denken?", konnte er sicher nicht vorhersehen, dass diese Frage Jahrzehnte der Forschung und den Aufstieg eines völlig neuen Marktes auslösen würde. Im Jahr 2014 jedoch investierte Google 400 Millionen US-Dollar in das Start-up Deep Mind, das sich auf die Programmierung von Künstlicher Intelligenz (KI) spezialisiert hat. Obwohl KI immer noch die Aura einer Zukunftstechnologie umgibt, zeichnet sich ein neuer Trend ab, der die Interaktion zwischen Menschen und Maschinen verbessert.

Physisches Durchkämmen der Dokumente war gestern

Die Diskussion in den Medien über KI kreisen oft darum, dass Maschinen bald menschliche Arbeitsabläufe ersetzen werden. Wenn die technologischen Entwicklungen den Arbeitsmarkt umwälzen, indem sie einige Arbeitsplätze obsolet machen und gleichzeitig neue schaffen, zielt Künstliche Intelligenz vielmehr darauf ab, den Menschen und sein Wissen zu ergänzen.

Die Zukunft der Immobilienbranche ist digital - in der Real-Estate-Branche steckt dieser Wandel allerdings teilweise noch in den Kinderschuhen. Ob im Transaktions-, Asset-, Property- oder Facility Management - die digitale Transformation zieht sich nur langsam durch alle Bereiche der Immobilienbranche. Die Prozessdigitalisierung ist im Transaktionsmanagement vergleichsweise weit fortgeschritten.

Die Nutzung virtueller Datenräume für die Abwicklung der Due Diligence bei großen Gewerbeimmobilientransaktionen ist hier bereits etabliert. Dieser Bereich ist aktuell im Wandel - Machine Learning wird zukünftig die Prozesse mitgestalten, Dokumente unmittelbar im virtuellen Datenraum analysieren und sich so vor allen Dingen auf das Risiko- und Prozessmanagement auswirken.

Risiken und Chancen im Lebenszyklus identifizieren

Die Menge und Bandbreite der mit Immobilien-Due-Diligence verbundenen Dokumentation nimmt exponentiell zu. Deshalb wird es für Nutzer immer wichtiger, sich schnell und effizient einen Weg durch die Dokumentenfülle zu bahnen, um sich auf das Wesentliche konzentrieren zu können. Investmentprofis suchen nach Möglichkeiten, manuelle Prozesse zu reduzieren und Technologien wie Machine Learning zu nutzen, um Schlagwörter und sogenannte "Red Flags" zu identifizieren, anstatt Papierdokumente physisch durchkämmen zu müssen.

Den gesamten Lebenszyklus einer Immobilie betrachtend, zeigen sich Risiken ganz unterschiedlicher Art - sei es in der Bauphase, in der Transaktion oder in der Bewirtschaftung beispielsweise durch die von allen gefürchteten Leerstände. Diese Risiken lassen sich nicht vollkommen ausschalten, alle Beteiligten sind jedoch an der Minimierung und vor allen Dingen der Kenntnis der Risiken interessiert.

Die Vorzüge virtueller Datenräume

In der Ankaufsphase einer Immobilie können bei der Due Diligence einige dieser Risiken minimiert werden. Die technische Due Diligence beispielsweise soll Stärken und Schwächen des angestrebten Kaufobjekts hinsichtlich der Infrastruktur und der technischen Ausstattung feststellen. Für potenzielle Käufer ist der Einsatz moderner Technik am Kaufobjekt ein wichtiges Kriterium und beeinflusst den Wert und die Attraktivität einer Immobilie maßgeblich. Das Ziel einer Due Diligence ist es, die Annahmen und Voraussetzungen sowie alle relevanten Risiken, auf die sich ein Kaufangebot für eine Immobilie bezieht, zu identifizieren.

Das bestehende Risiko bei der Weitergabe und Austausch vertraulicher Informationen wird über den Einsatz virtueller Datenräume minimiert - als hochsichere Cloud-Lösung ermöglichen virtuelle Datenräume allen Beteiligten einer Transaktion den sicheren und standortunabhängigen Zugriff auf alle transaktionsrelevanten Dokumente. Innerhalb des Datenraums können dank der Vergabe individueller Nutzungs- und Zugangsrechte ausschließlich die jeweiligen Experten Einsicht in ihren Bereiche erhalten. Der anschließende Q & A-Prozess ermöglicht eine zentrale Steuerung der Fragen und Antworten. Um auf der Verkäuferseite das Haftungsrisiko einer Transaktion zu reduzieren, wird der Inhalt des Datenraums als Bestandteil des Kaufvertrags angehängt. So ist sämtliche Dokumentation aller Datenrauminhalte inklusive des Q& A-Prozesses Bestandteil des Kaufvertrages.

Projektleiter oder Anwälte haben ständig alle Vertragsanlagen unter Kontrolle und teilen diese mit der Gegenpartei. Oft wird hier mithilfe eines Excel-Spreadsheet versucht, den Überblick über die aktuellen Fassungen oder aber Endversionen zu behalten. Die Verwaltung der Vertragsanhänge einer Transaktion kann unmittelbar im Datenraum organisiert werden und für größtmögliche Transparenz sorgen. Die Vorteile für die Sell-Side sind neben der Transparenz durch die Dokumentation der Disclosures die systematische Übergabe der Dokumente an das Post-Closing-Management und die Absicherung und Risikominderung für den Streitfall. Das Risiko des Datenverlusts ist ebenfalls minimiert. Auch der weitere Zugriff auf die Daten ist sicherer im Vergleich zur Archivierung auf einer DVD. Die Käuferseite profitiert ebenfalls, da sie direkt gut vorbereitet in die Integration geht.

Legal Tech zur Risikobewertung

So weit das Vorgehen in den vergangenen Jahren - Risiken können innerhalb der Due Diligence aufgedeckt und entsprechend behandelt werden. Die Plattform zur Identifizierung der Risiken, der virtuelle Datenraum, entwickelt sich aktuell weiter. Die zunehmende Automatisierung der Sorgfältigkeitsprüfung soll vor allen Dingen den Aufwand für die beteiligten Drittparteien minimieren und Zeit sparen. Im Endeffekt stellt sich so auch ein positiver Effekt auf die Transaktionskosten ein. Anwälte stellen in diesem Gefüge einen sehr zeit- und kostenintensiven Teil dar. Mehr und mehr Unternehmen ist daran gelegen, die juristische Prüfung auch durch automatisierte Analysen zu optimieren.

Die Anwendungen von Machine Learning im Rechtsgebiet sind bereits zahlreich und reichen von der Rechtsforschung bis hin zur Dokumentenverwaltung und administrativen Unterstützung. Legal Tech zielt auf viele der repetitiven und arbeitsintensiven Aufgaben, die Juristen täglich durchführen, mit dem Ziel der Arbeitserleichterung. Due Diligence ist eine der zeitaufwendigen Aktivitäten, mit denen sich Anwälte innerhalb einer Transaktion beschäftigen. Der Einsatz von Machine Learning setzt genau an dieser Stelle an für die Automatisierung manueller und sich wiederholender Prozesse. Neben der Automatisierung der Identifikation potenzieller Risiken und Chancen ist außerdem zukünftig die anschließende monetäre Bewertung durch die Spezialisten möglich. Das macht den Anwalt von morgen nicht überflüssig, sondern lässt ihm mehr Zeit für die Ausarbeitung und strategische Beratung.

Immer öfter ist vom Einsatz von "Natural Language Processing" (NLP) die Rede. Es handelt sich dabei um eine Technologie, die Sprachmuster erkennt und auswertet. NLP ist die Entwicklung von Systemen, die in der Lage sind, menschliche Sprachen zu lesen und zu verstehen. Im Mittelpunkt dieser Technologie steht die Interpretation einer großen Menge sogenannter "unstrukturierter Daten" (zum Beispiel Daten wie PDF-Dateien oder Bilder). Die meisten Dokumente, die in einen Datenraum hochgeladen werden, sind unstrukturierte Textdaten, die für die bisherige Technologie schwer analysierbar war.

Dank NLP können diese Informationen analysiert und kategorisiert werden. Im virtuellen Datenraum sorgt die Technologie dafür, dass Wörter, Synonyme und Kontext in der gesamten Datenraumdokumentation erfasst werden, ungeachtet des jeweiligen Formats, wodurch ein präziseres Durchforsten des Materials im Datenraum möglich ist.

Zudem ermöglicht die Übersetzungsfunktion die Echtzeitübertragung von Dokumenteninhalten aus einer Fremdsprache. Aus Sicht der Nutzer macht dies eine schnellere Prüfung möglich, als es manuell zu leisten ist. Das ermöglicht außerdem die Analyse immer größerer Datenmengen. Anhand eines vordefinierten Kriterienkatalogs wird maschinell der gesamte Inhalt durchsucht. Drooms hat hier eng mit Anwälten aus der Branche zusammengearbeitet, um diese Kriterien für eine Real-Estate-Red-Flag-Analyse aufzustellen. Die Eingabe individueller Kriterien vervollständigt die Suche nach Red Flags.

Großer Schritt in der Entwicklung der Due Diligence

Es ist ein großer Schritt in Richtung Risikominimierung, denn je mehr Daten überprüft werden, desto besser. Für Anwälte bedeutet der Einzug dieser Technologie einen klaren Wettbewerbsvorteil, da sie in der Lage sind, mehr Daten in kürzerer Zeit zu prüfen.

Der nächste Schritt für die Weiterentwicklung dieser Technologie wird neben der automatisierten Analyse der potenziellen Risiken und "Dealbreaker" auch die Bewertung dieser Risiken sein. Mithilfe von Machine Learning werden die künftigen Red-Flag-Reports unmittelbar im Datenraum erstellt und beinhalten eine erste Bewertung der potenziellen Risiken und Chancen innerhalb einer Transaktion. Die maschinelle Auslese ist dabei weniger fehleranfällig als der Mensch. Virtuelle Datenräume sollen also mehr und mehr zum unverzichtbaren Werkzeug werden und den Nutzern vor allen Dingen bei der Risikoidentifizierung und -bewertung helfen.

Mit zunehmender Digitalisierung des Transaktionsprozesses können Due-Diligence-Prüfungen heute viel schneller durchgeführt werden als früher. Transaktionsanwälte und Immobilienprofis können ihre Tätigkeit künftig somit mehr auf Beratung und Beaufsichtigung ausrichten als auf die langwierige Sichtung von Dokumenten.

Der Autor Jan Hoffmeister, Mitgründer und Geschäftsführer, Drooms AG, Zug
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