Digitalisierung in der Immobilienwirtschaft

Die digitale Transformation erreicht die Immobilienwirtschaft

Alexander Ubach-Utermöhl

Bislang nutze die Branche die Möglichkeiten der Digitalisierung kaum, sagt der Autor und verlangt von den Immobilienunternehmen nichts anderes, als sich neu zu erfinden und ihr Geschäftsmodell zu hinterfragen. Denn viele Proptechs seien schon am Markt und viele kämen in den kommenden Wochen hinzu. Diese würden beispielsweise mit bestimmten Softwarelösungen in direkte Konkurrenz zu den Immobilienunternehmen treten. Als warnendes Beispiel führt er den Privatunterkünfteanbieter AirBnB an. Dieser habe mittlerweile doppelt so viele Unterkünfte im Angebot wie die weltgrößte Hotelkette Marriott Starwood. Als effiziente Plattform für eine mögliche strukturierte Interaktion führt er Akzelerator-Programme auf, die bereits erfolgreich in der Medienbranche zum Einsatz kämen. Obgleich die Branche in längerfristigen Zyklen denke, sei genau jetzt der Zeitpunkt, um die digitale Transformation anzugehen. Red.

Einige Industrien hat die digitale Transformation bereits mit voller Breitseite getroffen. Heute ist es kaum noch denkbar, den Verkaufsstart von physischen Datenträgern der Lieblingsmusiker in Spezialgeschäften abzuwarten. Ein Klick genügt und der gewünschte Titel ist heruntergeladen und zeitgleich synchronisiert mit den verschiedenen "i"-Geräten, möglicherweise auch gleich mit dem Mediasystem des eigenen Automobils. Die Immobilienwirtschaft scheint sich jedoch noch nicht sehr intensiv mit den digitalen Chancen zu befassen. In Zeiten voller Auftragsbücher und eines gut laufenden Marktes verständlich, aber leider die falsche Entscheidung.

Digitalisierung muss Chefsache sein! Denn damit ist nicht die Effizienzsteigerung bestehender Prozesse durch den Einsatz von digitalen Technologien gemeint, denn Effizienzsteigerung sollte grundsätzliches Streben eines jeden Kaufmannes und jeder unternehmerischen Organisation sein. Der Transformationsdruck durch digitale Entwicklungen resultiert aus neuen Geschäftsmodellen, die von IT-Fachleuten ohne Branchenzugang außerhalb des Sichtfeldes entwickelt werden und darauf abzielen, bestehende Geschäftsmodelle durch neue, digitale zu ersetzen. Auf den ersten Blick scheint dies sehr abstrakt, denn den Zugang zum zentralen Rohstoff "Immobilie" haben vermeintlich nur die Etablierten. Seit AirBnB den Markt der Miet unterkünfte umkrempelt und doppelt so viele Unterkünfte im Angebot hat wie die weltgrößte Hotelkette Marriott Starwood sollte offensichtlich werden, dass es nicht notwendigerweise einer physischen Hotelinfrastruktur bedarf, um größter Anbieter von Übernachtungsmöglichkeiten zu sein. Sich der digitalen Transformation zu stellen bedeutet, das eigene Geschäftsmodell zu hinterfragen und neu zu erfinden.

Goldgräberstimmung bei den Proptechs

In Deutschland fristen die etwa 135 Proptechs, von denen 90 erst in den vergangenen zweieinhalb Jahren gegründet wurden, noch ein Nischendasein. Der Blick auf die internationale Szene macht jedoch großen Mut: Laut CB Insights wurden Proptech-Unternehmen 2015 mit insgesamt 1,7 Milliarden US-Dollar Wagniskapital ausgestattet. Die Hoffnung ist, dass auch die deutsche Proptech-Szene in den Fokus der Wagniskapitalgeber rückt. Einige Fonds sondieren bereits den Markt und sorgen für große Motivation unter den Gründern. Die heute bekannten Proptech-Geschäftsmodelle zählen zum größten Teil zur Kategorie der effizienzsteigernden Produkte und Dienstleistungen, auch wenn sich hierdurch Veränderungen in Prozessen und Personaleinsatz ergeben. Greifbar wird dies, wenn man verschiedene Geschäftsmodelle nebeneinander betrachtet.

So bietet das Berliner Unternehmen Timum eine Technologie, welche die Vereinbarung und Koordinierung von Terminen online abwickelt und die bisherigen zeitaufwendigen Koordinierungstelefonate mit Interessenten, Eigentümern und Maklern ersetzt. Durch Automatisierung und Standardisierung werden die Prozesse von Besichtigungsterminen vereinfacht und beschleunigt. Da die Technologie sich leicht in bestehende Prozesse und Exposés integrieren lässt und darauf baut, die Branche als Kunden zu gewinnen, geht hiervon kein zerstörerischer Angriff auf die Branche aus.

Einen Schritt weiter gehen junge Vermittlungsunternehmen wie Maklaro oder McMakler. Diese erfinden den Prozess der Vermittlung nicht neu, sondern standardisieren und digitalisieren sämtliche Prozessschritte, die nicht den Faktor Mensch bedürfen. Damit zwingen sie die etablierten Makler in einen Preis-, Transparenz- und Servicewettbewerb.

Die neuen, marktverändernden digitalen Geschäftsmodelle auf die Vermittlungstätigkeit zu beschränken, greift jedoch zu kurz. Building Radar wertet automatisch Immobilienprojektinternetseiten aus und qualifiziert den Baufortschrift per Echtzeit-Satellitenbild.

Baufortschritt per Echtzeit-Satellitenbild

Die Vertriebsmannschaften der verschiedenen technischen Gewerke erhalten somit eine automatisierte Nachricht, wenn der Abrissbagger losgerollt ist und Vertriebsaktivitäten im Projektablauf Sinn machen. Allthings bietet eine Applösung für die Schnittstelle zwischen Mieter und Verwalter an und Leverton wertet Datenräume mithilfe von künstlicher Intelligenz anstatt Manpower aus. Diese Dienste und Produkte verändern zwar wie die Branche arbeitet, eine Disruption im Sinne einer Zerstörung alter Geschäftsmodelle findet jedoch nur begrenzt statt.

Noch keine disruptiven Konzepte

Im Feld der disruptiven Geschäftsmodelle ist AirBnB derzeit einziger Marktteilnehmer, der mit seinem innovativen digitalen Geschäftsmodell das Geschäft einer etablierten Branche unter massiven Veränderungsdruck setzt. Vergleichbare disruptive Konzepte im immobilienwirtschaftlichen Bereich lassen derzeit noch auf sich warten, können aber jederzeit entstehen. Es lohnt sich also, die Szene im Blick zu haben und die innovativen Geschäftsmodelle zu hinterfragen.

Die Frage ist nun, wie sich die Etablierten dem Thema "Digitalisierung" erfolgreich nähern. Beobachtungen von anderen Branchen haben gezeigt, dass die effizienzsteigernde Innovation oder gar Disruptionen des eigenen Geschäftsmodells in den seltensten Fällen gelingt. Die Annäherung an neue digitale Geschäftsmodelle über den intensiven Austausch mit den branchenfernen Technologieexperten der Proptech-Unternehmen scheint ein vielversprechender Ansatz.

Start-up-Touren durch die einschlägigen Co-working- oder Inkubatoren-Büros sind kurzweilig, vermitteln aber nur einen oberflächlichen Eindruck. Persönliche Gespräche mit den Gründern helfen, sind aber zeitintensiv und geben keinen ausreichenden Einblick in das tatsächliche, mittelfristige Geschäftsmodell. Es braucht also einen qualifizierten Kontakt zwischen den interessierten Etablierten und den Besten der Proptech Szene.

Interaktion mit Akzelerator-Programmen

Eine effiziente Plattform für diese strukturierte Interaktion bieten Akzelerator- Programme. Diese werden durch ein oder mehrere Unternehmen finanziert und bieten über einen Zeitraum von drei bis sechs Monaten den gezielten Zugang zur Branche, zu Industriementoren und Referenz- beziehungsweise Pilotkunden. Die teilnehmenden Teams erhalten außerdem eine Finanzierung für die Zeit der Teilnahme und verkaufen im Gegenzug Anteile ihres Unternehmens.

Die Medienbranche bietet die Vorlage für ein Modell, dass sich auch auf unsere Industrie übertragen lässt. Im Next Media Akzelerator trägt eine Vielzahl von Unternehmen wir Axel Springer, dpa und Zeit Verlag die Kosten des Programms, die Beteiligung an den Unternehmern wird durch den Akzelerator-Betreiber verwaltet. Auf diese Weise sind die etablierten Unternehmen nah dran, die Start-ups bleiben durch die mittelbare Beteiligung frei in ihrem Handel. Die Beschleunigung der Geschäftsentwicklung tritt ein durch den direkten Zugang zu Branchenexperten, deren Bereitschaft für gemeinsame Projekte und den intensiven Austausch.

Ein solch aufgestelltes Programm gibt es derzeit noch nicht in Deutschland, steht jedoch für die zweite Jahreshälfte in den Startlöchern. Das "blackprint Innovation Lab" genannte Programm wird hier die besten etablierten Teilnehmer verschiedener Segmente mit den talentiertesten Proptech-Start-up-Unternehmen zusammenbringen und dann über einen Zeitraum von 6 Monaten intensiv unterstützen und mit der Branche vernetzen.

Mithalten mit den PropTechs ist unbedingt notwendig

Günther Oettinger hat auf dem diesjährigen Wirtschaftstag die anwesenden Unternehmer aller Branchen aufgeweckt, in dem er sinngemäß postulierte, dass die Gewinner und Verlierer der digitalen Transformation in diesem Jahrzehnt ausgemacht werden. Auch wenn die Immobilienwirtschaft in längeren Zyklen denkt und Innovationen sich zögerlicher verbreiten als in anderen Branchen, ist jetzt der richtige Zeitpunkt Digitalisierung auf die C-Level-Agenda zu nehmen, bestehende Prozesse zu digitalisieren und das eigene Geschäftsmodell auf Zukunftsfähigkeit zu hinterfragen.

Die Geschwindigkeit von Innovationen und Entwicklungen in der Proptech-Branche ist enorm und sollte nicht unterschätzt werden. Je mehr Zeit vergeht, umso schwieriger wird es, mit diesen Schritt zu halten. Noch ist es möglich, als etabliertes Unternehmen mit dem Pfund des Marktzugangs strategische Partnerschaften mit den Proptechs einzugehen. Aber wer weiß, ob sich nicht bereits ein neues "AirBnB" formiert, das diese Unterstützung nicht mehr benötigt.

Der Autor Alexander Ubach-Utermöhl Geschäftsführer, blackprintpartners GmbH, Frankfurt am Main
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