Internationale Immobilienmärkte

Finanzierungsrisiken deutscher und europäischer Immobilienfinanzierer im Vergleich

Roberto Carrera European, Head of Debt Financing Europe, LaSalle Investment Management, München

Trotz Klagen über Margendruck, ein niedriges Margenniveau im europäischen Vergleich und zunehmender regulatorischer Belastung sind deutsche Immobilienfinanzierer höchst aktiv, insbesondere auf ihrem Heimatmarkt. Von einer Kreditverknappung bei der Finanzierung von Gewerbeimmobilien kann deshalb nach Einschätzung des Autors gegenwärtig keine Rede sein. Im folgenden Beitrag beleuchtet er die wichtigsten aktuellen Trends auf dem hiesigen Finanzierungsmarkt für Gewerbeimmobilien und vergleicht sie mit denen in Frankreich und Großbritannien. Red.

Egal ob aus dem Sparkassen- oder dem Volks- und Raiffeisenbankenverbund, ob Landes- oder Geschäftsbank - in der Immobilienfinanzierung hierzulande sind eine Vielzahl von Vertretern aller Bankengattungen tätig. Ein Blick in die Bilanz der zehn führenden Immobilienbanken aus Deutschland verrät, dass sie gemeinsam um die 62 Milliarden Euro an Neukreditvolumen für die Finanzierung von Immobilien im Jahre 2016 ausgereicht haben. Über die Hälfte davon in Deutschland.

Sehr günstige Bedingungen für Investoren ...

Aufgrund der starken Korrelation zwischen Immobilieninvestments und der dazugehörigen Finanzierungen ist davon auszugehen, dass auch im Jahr 2017 ähnlich hohe Neukreditausreichungen für Immobilienfinanzierungen wie im Vorjahr zu sehen sein werden. Allein die Übernahme des Officefirst-Immobilienportfolios durch den Finanzinvestor Blackstone, die nachrichtlich zu 3,3 Milliarden Euro im März abgeschlossen wurde, soll durch einen Kredit in Höhe von zwei Milliarden Euro refinanziert werden.

Für Immobilieninvestoren, die Fremdkapitalfinanzierung bei ihrer Investmentstrategie nutzen, herrschen hierzulande außerordentlich günstige Bedingungen. Kein anderes europäisches Land verfügt über die hiesige Vielzahl an Finanzierern für Gewerbeimmobilien, die mit großem Finanzierungsappetit zu moderaten Margen unterwegs sind. Dominieren immer noch maßgeblich Banken dieses Feld, runden seit einigen Jahren auch sogenannte alternative Kreditgeber wie Versicherungen, Pensionskassen und Debt-Fonds das Finanzierungsangebot für Gewerbeimmobilien ab.

Die Vermutung, es drohe das Risiko eines erbarmungslosen Verdrängungswettbewerbs zwischen Immobilienfinanzierern liegt nahe. Aber sie entspricht nicht der Realität. Deutsche Immobilienbanken haben längst ihre jeweilige Nische gefunden und sind trotz Niedrigmargen solide und profitabel unterwegs. Zum einen verfügen deutsche Immobilienbanken über vergleichsweise niedrige Kapitalkosten. Deutsche Immobilien werden als sicher eingestuft, weil Kredite auf deutsche Immobilien historisch gesehen geringere Ausfälle als Immobilienkredite in anderen europäischen Ländern erlitten haben.

... und Immobilienbanken

Zum anderen können deutsche Immobilienbanken auf sehr günstige Refinanzierungsquellen wie den Pfandbrief zurückgreifen. Wer zudem im Passivgeschäft aktiv ist, wird auch Spar- und Sichteinlagen als günstige Refinanzierungsquelle für Immobilienkredite nutzen. Drittens werden die Fixkosten, die mit der Kreditvergabeplattform einhergehen, über hohe Kreditvolumina abgefedert. Hohe Kreditvolumina dienen nicht nur der Marktanteilswahrung im Heimatmarkt, sondern sind ebenfalls notwendig, um die Pfandbriefemissionen zu unterlegen.

Auch lässt sich kein Risiko aus einer ungezügelten Kreditvergabe erkennen. Deutsche Immobilienbanken sind nach wie vor wählerisch und finanzieren maßgeblich Immobilien der Kategorien Core und Core+ in den Top-7-Städten. Die fragmentierte Marktstruktur Deutschlands sorgt zusätzlich für Risikostreuungseffekte bei der Kreditvergabe im Heimatmarkt. Finanzierungsrisiken bleiben natürlich nicht aus. Sie sind ein integraler Bestandteil des Geschäfts. Historisch betrachtet erwirtschaften Immobilienfinanzierer gute Erträge während der ersten zwei Drittel des Immobilienzyklus und büßen einen Teil der Krediterträge infolge von Abschreibungen auf Problemfinanzierungen im letzten Drittel des Immobilienzyklus ein. Die Herausforderung für Immobilienfinanzierer besteht also darin, durch maßvolle Kreditvergabepraktiken im Allgemeinen und über die Ausgestaltung der Covenantstruktur einer Finanzierung im Besonderen die Finanzierungsrisiken weitestgehend abzumildern, um den Abschreibungsbedarf zu minimieren.

Moderate Kreditausläufe

Je höher der Abschreibungsbedarf der Immobilienfinanzierer in einer Abschwungsphase, desto geringer fällt die Bereitschaft zur Neukreditvergabe aus. Ohne Zugang zu Fremdkapital versiegt ein wesentlicher Treibstoff des Immobilienanlagemotors, wie wir es in den Jahren 2008 und 2009 erlebt haben. Die Transaktionsgeschwindigkeit sinkt, Anlagevolumina werden rückläufig und Immobilienpreise fallen. Es liegt also weder im Interesse der Immobilieninvestoren noch im Interesse der Immobilienfinanzierer, dass sich die Geschichte wiederholt.

Neben Standortqualität, technischer Zustand, Vermietungsniveau, Mietvertragslaufzeiten und Mieterbonität einer Immobilie sind für die Widerstandsfähigkeit von durch Fremdkapital finanzierten Immobilieninvestments in Abschwungsphasen des Immobilienzyklus zwei Faktoren mitentscheidend: Der Deckungsgrad des Cashflows aus der Immobilie im Verhältnis zum Schuldendienst und die Höhe des Eigenkapitaleinsatzes. Solange der Schuldendienst aus den Mieteinnahmen bedient werden kann und eine ausreichende Eigenkapitalausstattung verbleibt, ist die Wahrscheinlichkeit hoch, dass das Immobilieninvestment durch die nächste Krise durchkommt.

Unsicherheitsfaktor EZB

Immobilieninvestoren und -finanzierer haben aus den Exzessen der Vorkrisenjahre gelernt. Anders als beim letzten Immobilienzyklus sind die Kreditausläufe, die im gegenwärtigen Immobilienzyklus praktiziert werden, wesentlich moderater. Das Gros der Immobilienfinanzierungen in Deutschland überschreitet selten die 60-Prozent-Marke hinsichtlich Loan-to-Value, also das Verhältnis zwischen Kreditbetrag zum Marktwert der Immobilie. Wenn sie das tun, hört der Kreditappetit der Banken in der Regel bei einem Loan-to-Value von 75 Prozent auf, sofern die Qualität der Immobilie es rechtfertigt. Da bleibt ausreichend Eigenkapitalpuffer um die Gefahr von Kreditausfällen geringer als beim letzten Abschwung zu halten. Damals waren Loan-to-Values von 85 Prozent und mehr keine Seltenheit.

Die geldpolitisch induzierten historischen Tiefzinsstände zusammen mit den niedrigen Kreditmargen auf Immobilienkrediten in Deutschland bescheren der hiesigen Immobilienwirtschaft außerordentlich günstigste Kreditaufnahmebedingungen für alle gängigen Zeithorizonte, die bei einer Vielzahl von Immobilienkäufen auch genutzt werden. Ein Kurswechsel der äußerst expansiven Geldpolitik im Euroraum könnte Anpassungsprozesse auslösen, die auf dem Immobilienmarkt für Turbulenzen sorgen könnten.

Seit Beginn des erweiterten Programms der EZB kauft sie monatlich Anleihen für 60 Milliarden Euro ein, neuerdings auch Unternehmensanleihen. Bis Jahresende 2017 wird die EZB voraussichtlich 2,3 Billionen Euro an Anleihen gekauft haben. Die daraus resultierende Verzerrung auf den Eurokreditmärkten ist enorm und ohne Präzedenzfall. Unklar ist, wann und in welchem Ausmaß der Ausstieg aus dem Anleihekaufprogramm eingeläutet wird. Die resultierenden Effekte für die Höhe und Geschwindigkeit des zu erwartenden Zinsanstiegs werfen große Schatten an Unsicherheit für die künftige Ausgestaltung der Zinslandschaft der Eurozone voraus. Die Unsicherheit wiegt umso schwerer, da weder die EZB noch die Marktteilnehmer über Erfahrungswerte verfügen, welche Auswirkungen eine wie auch immer gestaltete Drosselung der beispiellosen Anleiheankäufe auf die Kreditmärkte und auf die Zinskurve haben kann.

Laufende Kredite sind durch Festzinsvereinbarungen oder durch Zinssicherungsinstrumente gegen steigende Zinsen bis zur Fälligkeit geschützt. Aber Neufinanzierungen oder Refinanzierungen von auslaufenden Krediten, die in einem steigenden Zinsumfeld stattfinden, werden Immobilieninvestoren vor kleineren oder größeren Herausforderungen stellen, je nach Ausschlag der Zinsbewegung. Eine geldpolitisch induzierte Veränderung der Zinslandschaft im Euroraum, die auch eine Änderung der Euroanleiherenditen verursachen könnte, ist nicht nur für die Immobilienfinanzierung relevant, sondern auch für die Renditespanne zwischen Anleihen und Immobilien aus der sich die relative Attraktivität zwischen diesen Anlageklassen ableitet.

Entwarnung für Frankreich und Großbritannien

Das Vereinigte Königreich, Frankreich und Deutschland sind die drei größten Immobilienanlagemärkte in Europa. Zusammengenommen finden überschlägig rund zwei Drittel der gesamten gewerblichen Immobilienanlagetätigkeit Europas in diesen drei Märkten statt. Ein wesentlicher Unterschied zu Deutschland liegt in der geografischen Konzentration der Immobilienanlageaktivität im Vereinigtem Königreich und Frankreich. Dort spielen sich in etwa um die 70 Prozent der Immobilieninvestitionen und der dazugehörigen Finanzierungen im Großraum London und Paris ab.

Was Finanzierungsrisiken in Frankreich und im Vereinigten Königreich angeht, kann zum gegenwärtigen Zeitpunkt eindeutig Entwarnung gegeben werden. Die praktizierten Kreditausläufe für Gewerbeimmobilien fallen dort deutlich moderater aus als in Deutschland. In Frankreich wird die Luft für Immobilieninvestoren dünn, die für die Finanzierung ihrer Immobilieninvestments einen Loan-to-Value jenseits der 65 Prozent suchen. Lagen die maximal praktizierten Kreditausläufe im Vereinigten Königreich im ersten Halbjahr 2016 bei einem Loan-to-Value zwischen 60 und 65 Prozent, sind Immobilienfinanzierer nach dem Brexit-Referendum vorsichtiger geworden. Die seitdem praktizierten Loan-to-Value-Werte erreichen höchstens 55 bis 60 Prozent.

Folgen des Brexit weiter schwer abschätzbar

Noch sind die Folgen des Brexit für die Immobilienmärkte des Vereinigten Königreichs, insbesondere für die Londoner City, schwer abschätzbar. Wie viele Arbeitsplätze wann aus der Finanzwirtschaft Londons und aus anderen Sektoren der Wirtschaft in andere EU-Städte übersiedeln werden, lässt sich Stand heute nicht vorher sehen. Infolge dieser Unsicherheiten neigen Immobilieninvestoren zur Vorsicht. Das Anlagevolumen in Gewerbeimmobilien im Vereinigten Königreich ging 2016, laut JLL, um 28 Prozent auf 44,4 Milliarden britische Pfund gegenüber dem Vorjahr zurück.

Unklarheit besteht auch darüber, was mit den "Passporting"-Rechten, die Finanzdienstleistern aus EU-Länder uneingeschränkten Zugang für die Bereitstellung von Finanz- und Kapitalmarktdienstleistungen auf EU-Märkte ihrer Wahl ermöglichen, im Zuge des Brexit geschehen wird. Blickt man beispielhaft auf den Immobilienfinanzierungssektor, drängt sich auch die Frage auf, was mit den Marktzugangsrechten im Zuge des Brexit geschehen wird, die deutsche, französische und andere Immobilienfinanzierer aus EU-Ländern für das Vereinigte Königreich haben?

Zwar dominieren lokale Kreditanbieter das Immobilienfinanzierungsgeschehen, aber auch EU-stämmige Immobilienfinanzierer, darunter auch sehr wettbewerbsfähige deutsche Immobilienfinanzierer, sind im Vereinigten Königreich aktiv. Wird der Zugang der Finanzdienstleister aus dem Vereinigtem Königreich zu EU-Märkten eingeschränkt oder gar ausgesetzt, könnte im Umkehrschluss auch der Zugang für deutsche, französische und andere EU-stämmige Immobilienfinanzierer zum Vereinigten Königreich eingeschränkt oder gar ausgeschlossen werden. Der Wettbewerb und das Angebot von Immobilienfinanzierungen im Vereinigten Königreich könnten dadurch empfindlich beeinträchtigt werden.

Der Autor Roberto Carrera European Head of Debt Financing Europe, LaSalle Investment Management, München
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