PFANDBRIEFE UND COVERED BONDS

IMMOBILIENFINANZIERUNG IN GROSSBRITANNIEN - STATUS QUO UND PERSPEKTIVEN

Thomas Köntgen, Foto: pbb

In einer Studie Mitte März warnte Moody's vor potenziellen Belastungen für deutsche Immobilienfinanzierer im Rahmen des Brexit. Namentlich genannt wurden dabei die Aareal Bank, die Deutsche Pfandbriefbank und die Deutsche Hypothekenbank, für die Großbritannien traditionell ein wichtiger Auslandsmarkt ist. Dass die Meldung der US-Ratingagentur dennoch zu keinerlei nennenswerten Verunsicherungen führte, hat mehrere Gründe. Erstens präsentiert sich der britische Gewerbeimmobilienmarkt allen Unkenrufen zum Trotz als unverändert stabil. Zweitens wurden unlängst wichtige rechtliche Anpassungen im Pfandbriefgesetz getroffen, die unter anderem die Deckungsfähigkeit britischer Immobilienkredite auch nach dem Brexit lückenlos sicherstellt. Und drittens agieren die deutschen Immobilienbanken betont umsichtig und risikoavers, wie auch die Ausführungen im folgenden Beitrag nahelegen. Red.

Die gewerbliche Immobilienfinanzierung in Großbritannien ist seit der Brexit-Entscheidung von vielfältigen Unsicherheiten geprägt. Sie betreffen insbesondere die Frage nach den möglichen Auswirkungen auf die Qualität des vorhandenen Finanzierungsbestandes und damit nach der künftigen Strategie im Hinblick auf Finanzierungsaktivitäten in Großbritannien. Für Pfandbriefbanken stellte sich zusätzlich die Frage nach der weiterhin bestehenden Deckungsfähigkeit von UK-Assets.

Erste Hürde genommen

Ohne entsprechende Regelungen hätten britische Forderungen nach einem Brexit gemäß dem deutschen Pfandbriefgesetz ihre Deckungsfähigkeit verloren. Dieses Szenario wurde mit Inkrafttreten des Brexit-Steuerbegleitgesetzes im März 2019 verhindert. Damit ist - zumindest für Pfandbriefbanken - eine erste, außerordentlich wichtige Hürde genommen: Bezogen auf die Deckungsmasse wurde Großbritannien in die Liste der deckungsfähigen Drittländer aufgenommen. Damit entfällt in erster Linie die Notwendigkeit, bestehende UK-Deckungswerte aus der Deckung zu nehmen und für entsprechende Ersatzdeckung zu sorgen.

Dies wäre erforderlich geworden, um Deckungsmassenhöhe, -diversifikation und -qualität sowie die gesetzlich erforderliche Mindestüberdeckung gewährleisten zu können. Ebenfalls hätte dies - in Abhängigkeit vom Volumen britischer Immobilien in der jeweiligen Deckungsmasse - unter anderem höhere Refinanzierungskosten beziehungsweise zusätzlichen Liquiditätsbedarf für Pfandbriefemittenten bedeutet.

Sicherung des Bestandsschutzes

Die neuen Regelungen bieten auf der einen Seite Bestandsschutz, der auch für britische Finanzierungen, die bis zum Austrittstermin aufgenommen werden, gilt. Denn diese werden nicht auf die geltende 10-Prozent-Grenze angerechnet. Diese Grenze gilt grundsätzlich für Forderungen gegen Schuldner mit Sitz in Nicht-EU-Ländern beziehungsweise dort belegenen und mit Grundpfandrechten belasteten Immobilien. In diesen sogenannten Drittstaaten ist das Vorrecht der Pfandbriefgläubiger in der Regel nicht sichergestellt und ihr Anteil an Deckungsmassen daher auf 10 Prozent begrenzt.

Das Vereinigte Königreich hat die Richtlinie umgesetzt, die der EU-weiten Berücksichtigung des Insolvenzvorrechts von Pfandbriefgläubigern zugrunde liegt. Mit dem Austritt aus der EU besteht Ungewissheit darüber, ob und wie lange die bestehende insolvenzrechtliche Regelung im Vereinigten Königreich bestehen bleibt. Um dieses Rechtsänderungsrisiko zu adressieren, wird derzeit an einem vertraglichen Regelungswerk zur Sicherstellung des Insolvenzvorrechts in Bezug auf UK-Hypothekendeckungswerte gearbeitet.

Wie auch für die Drittstaaten Japan, USA, Kanada, Schweiz und Singapur soll dieses Vertragswerk auf schuldrechtlicher Ebene sicherstellen, dass Vollstreckungsversuche von Nicht-Pfandbriefgläubigern gegen Deckungswerte nicht erfolgen können. Der Verband deutscher Pfandbriefbanken (vdp) begleitet diese Fragestellung, wie alle anderen Themen rund um die Deckungsmassen, sehr eng.

Ökonomische Unsicherheiten und Risiken

Mit deutlich mehr Unsicherheit behaftet ist die zukünftige ökonomische Entwicklung im Vereinigten Königreich. Insbesondere wenn die Austrittsverhandlungen mit der EU scheitern, könnte die hieraus möglicherweise resultierende Abschwächung der gesamtwirtschaftlichen Nachfrage beispielsweise in Rezession, fallenden Immobilienwerten und sinkender Transaktionszahl im gewerblichen Immobilienmarkt münden.

Diese Faktoren könnten sowohl im Bestandsportfolio als auch im Neugeschäft aus unterschiedlichen Gründen zu einer Qualitätsverschlechterung britischer Finanzierungen führen. Das wiederum könnte über Kurz oder Lang in steigenden Problemkrediten und möglichem Wertberichtigungsbedarf resultieren.

Vor diesem Hintergrund rücken folgende Faktoren bei der Kreditentscheidung noch stärker in den Vordergrund: die Beobachtung relevanter Marktindikatoren, die Bonität und Stabilität der Mieter und Mieten, die Immobilienart, die Professionalität und Leistungsfähigkeit des Sponsors, die nachhaltige Wettbewerbsposition der Immobilie insgesamt sowie mögliche Wertschwankungen - mithin auch der Eigenkapitaleinsatz.

Bislang relativ stabile Marktverhältnisse

Bislang zeigt sich der britische Markt für Gewerbeimmobilien allerdings - entgegen der Erwartung vieler Marktteilnehmer - relativ stabil. Die Investmentvolumina waren im Jahr 2018 im langfristigen Vergleich weiterhin auf stabilem Niveau, wenn auch unterhalb der Topwerte vor dem Brexit-Referendum. Auffallend ist das hohe Niveau des Cross-Border-Investmentanteils, insbesondere aus dem amerikanischen und asiatischen Raum.

Dies war vermutlich unter anderem getrieben durch günstige Währungskurseffekte und der Tatsache, dass dieser Markt - und hier insbesondere London - aufgrund seiner hohen Transparenz, Liquidität und Internationalität traditionell eine hohe Bedeutung bei ausländischen Investoren hat und wohl auch weiterhin haben wird. Hierbei dominiert London den Investmentmarkt und der größte Umsatz wird weiterhin mit Büroimmobilien erzielt. Dagegen ist der Anteil von Einzelhandelsimmobilien am Investmentumsatz sehr gering. In den vergangenen Jahren bestand zudem starke Nachfrage nach Logistikimmobilien.

Höchst unterschiedliche Performance der Assetklassen

Der britische Büromarkt zeigt sich trotz der Brexit-Unsicherheiten in immer noch guter Verfassung: Die Vermietungsleistung in Zentral-London lag im Jahr 2018 auf dem höchsten Niveau der vergangenen fünf Jahre und dies bei stabilen beziehungsweise sogar noch leicht steigenden Mieten. Die Renditen bewegen sich allerdings seitwärts, was darauf hindeutet, dass die Immobilienpreise nicht weiter steigen.

Die im Jahr 2018 am besten performende britische Assetklasse war Logistik: Hohe Nachfrage bei geringem Angebot resultierte in steigenden Mieten und weiter sinkenden Yields. Dagegen war der Einzelhandel im vergangenen Jahr die Assetklasse mit den größten Schwierigkeiten. Unter anderem sinkende Konsumausgaben aufgrund der Brexit-Unsicherheiten sowie der generelle strukturelle Wandel im Einzelhandel in Richtung E-Commerce setzen den Einzelhandel unter Druck.

Insbesondere Einkaufzentren in B-Lagen zeigten im Jahr 2018 eine schlechte Performance. Zurückgehende Umsätze der Einzelhändler resultieren in Insolvenzen und vor allem in Restrukturierungen, die in diesem Zusammenhang vor allem in Mietreduktionen münden. Selbst gut funktionierende und annähernd voll vermietete Center und auch gute Einzelhandelslagen leiden daher inzwischen unter sinkenden Mieteinnahmen. Daher halten sich Investoren in diesem Teilsegment momentan stark zurück und die Renditen sind bereits gestiegen.

Covenants im Finanzierungsvertragswerk

Auf die möglichen Entwicklungen über die Laufzeit der jeweiligen Finanzierungen speziell abgestimmte Covenant-Strukturen (Verpflichtungen im Wesentlichen des Kreditnehmers) sind wichtiger Bestandteil der Kreditdokumentation bei gewerblichen Immobilienfinanzierungen. Diese Covenants stellen neben der Verpflichtung, die vereinbarten Zins- und Tilgungszahlungen zu entrichten, zusätzliche Verpflichtungen des Kreditnehmers dar.

Sie umfassen unter anderem neben regelmäßigen Informationspflichten (die weit über die gesetzlich vorgegebenen Verpflichtungen des KWG 18 hinausgehen) auch sogenannte Financial Covenants. Hier handelt es sich um die Vereinbarung bestimmter Finanzkennzahlen wie Loan-to-Value oder Instandhaltungs- und Investitionsverpflichtungen, um die Marktgängigkeit einer Immobilie sicher zu stellen. Diese Kennzahlen werden regelmäßig überwacht.

Möglichkeit zum proaktiven Gegensteuern

Die Nichteinhaltung solcher Verpflichtungen zeigt üblicherweise im Rahmen des Kreditmonitoring frühzeitig ein erhöhtes Risikopotenzial an. In solchen Fällen können beispielsweise Eigenkapitaleinschuss- oder sonstige Verpflichtungen des Kreditnehmers entstehen, wodurch die Finanzierungsrelationen oder der Objektwert wieder in den ursprünglichen, aus Risikosicht vertretbaren Rahmen zurückgeführt werden.

Je nach Ausprägung der Nichteinhaltung der Finanzierungsauflagen beziehungsweise -verpflichtungen kann es auch zu einer Fälligstellung der gesamten Finanzierung kommen. Diese Covenant-Strukturen geben der Bank daher die Möglichkeit, lange vor einem eigentlichen Zahlungsverzug effektiv und proaktiv erhöhte Risiken in einer Finanzierung zu erkennen und ihnen gegenzusteuern.

Vereinigtes Königreich bleibt Zielmarkt

Die Unsicherheiten werden zwar anhalten, zumindest bis die Folgen eines Brexit besser absehbar sind. Mit der Verlängerung der Austrittsfrist bis Ende Oktober 2019 ist das Risiko eines ungeordneten Austritts jedoch einstweilen zumindest theoretisch gesunken. Unabhängig davon gehen wir aber grundsätzlich davon aus, dass auch weiterhin geeignete Rahmenbedingungen für risikoadjustierte und somit attraktive Finanzierungsstrukturen in Großbritannien vorzufinden sein werden. Dies gilt nicht zuletzt aufgrund der - trotz eben dieser Unsicherheiten - insgesamt doch ordentlichen Performance des britischen Immobilienmarkts im Jahr 2018.

Unverzichtbar sind allerdings eine selektive Vorgehensweise sowohl hinsichtlich der Immobiliensegmente, Lagen und Mieter sowie risikomitigierende Finanzierungsstrukturen und Vertragsgestaltungen. Ein enges Monitoring dieser Aspekte sowie der ökonomischen und rechtlichen Rahmenbedingungen hatten schon bisher und werden auch weiterhin sehr hohe Bedeutung für das operative Geschäft haben. Daher ist es als in Großbritannien engagierter Immobilienfinanzierer ratsam, sich auf die weiteren Entwicklungen im Zuge des Brexit flexibel einzustellen.

DER AUTOR THOMAS KÖNTGEN Stellvertretender Vorsitzender des Vorstands, Deutsche Pfandbriefbank AG, Unterschleißheim
Thomas Köntgen , Stellvertretender Vorsitzender des Vorstands, Deutsche Pfandbriefbank AG, Unterschleißheim
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