Recht und Steuern

Mietrecht in den USA: Was institutionelle Investoren wissen sollten

Thomas Gütle, Geschäftsführender Gesellschafter, US Treuhand, Bad Homburg

Quelle: US Treuhand

Immer mehr deutsche Immobilieninvestoren weichen angesichts des Preis- und Margendrucks in Europa wieder auf den US-Immobilienmarkt aus. Dieser ist hochprofessionell, transparent und aufnahmefähig. Es gibt allerdings einen großen Unterschied zum europäischen Immobiliengeschäft. Und das ist die Fülle an Gesetzen und Vorschriften, die sich in den USA längst nicht nur auf die Bundesebene beschränkt, sondern auf Länder- und sogar kommunaler Ebene zu großen regionalen und lokalen Unterschieden führt. Das muss nicht zum Nachteil der Investoren sein, wie die Autoren wissen. Es ermögliche breite Diversifizierungsmöglichkeiten und sowohl hinsichtlich Nebenkosten als auch bei der Höhe der Kaltmiete existiere eine breite Palette von Gestaltungsmöglichkeiten. Die kürzere Vertragslaufzeit mache Planung zwar etwas schwieriger, erhöhe aber aufgrund einseitiger und weitgehend unbeschränkter Kündigungsrechte die Flexibilität. Ohne Rechtsbeistand sollte man sich aber nicht auf den US-Markt trauen - natürlich nicht. Red.

Die USA haben weltweit den größten und einen der transparentesten Immobilienmärkte. Doch wer hier - beispielsweise in Immobilien-Spezialfonds - investieren will, sollte sich vorab mit den Besonderheiten des Marktes beschäftigen. Dabei geht es nicht nur um Kennzahlen, sondern auch um die unterschiedlichen rechtlichen Rahmenbedingungen - bei Immobilieninvestments betrifft das insbesondere das Mietrecht. Im Unterschied zu Deutschland bestehen in den Vereinigten Staaten wesentlich größere regionale und lokale Unterschiede in der Gesetzgebung, da neben dem einheitlichen Rechtssystem auf Bundesebene (federal level) jeweils bundesstaatliche (state level) und sogar kommunale (municipal/ city level) Gesetze und Verordnungen bestehen, die sich zum Teil erheblich unterscheiden. Dennoch überwiegen die Gemeinsamkeiten sowie die Vorteile einer starken Professionalisierung und Transparenz des US-Immobilienmarktes. Gepaart mit einem hohen Grad an Rechtssicherheit bieten sie ein gutes Investitionsumfeld. Die Vielseitigkeit der USA im Hinblick auf verschiedene Teilmärkte, Regionen und Assetklassen sowie die dabei anzutreffenden unterschiedlichen wirtschaftlichen und rechtlichen Rahmenbedingungen ermöglichen eine breite Diversifizierung von Investitionen. So sind beispielsweise Retail-Mietverträge relativ mieterfreundlich, während Wohnungsmietverträge dem Vermieter größere Flexibilität als etwa in Deutschland bieten. Durch diese Divergenzen entstehen interessante Möglichkeiten zur Renditeoptimierung und Risikostreuung.

Im Allgemeinen ist die gesetzliche Regelungsdichte in den USA geringer als in Deutschland. Bei der Vertragsgestaltung herrscht dementsprechend eine größere Freiheit. Die direkte Folge daraus ist, dass der Inhalt der Verträge in noch größerem Maße den Marktgegebenheiten und dem Verhandlungsgeschick der Vertragsparteien unterworfen ist. Das ist hilfreich für Eigentümer und Investoren, die diese Gestaltungsfreiheit für sich zu nutzen wissen. Durch die Unterschiede zwischen den einzelnen Bundesstaaten eröffnet zudem die Möglichkeit, auch legislative und juristische Risiken regional zu diversifizieren. Die höheren Freiheitsgrade der Vertragsparteien sind jedoch ein generelles Kennzeichen des gesamten US-amerikanischen Marktes.

Geringere Regelungsdichte als in Deutschland

Ein Beispiel für diese Gestaltungsfreiheit ist die Umlage von Nebenkosten: Insbesondere bei Gewerbeimmobilien gibt es hier eine große Bandbreite. Beim sogenannten Triple Net Lease verpflichtet sich der Mieter, die drei Posten Steuern, Versicherungen und Betriebskosten komplett zu übernehmen. Das resultiert zwar normalerweise in einer niedrigeren Gesamtmiete. Da jedoch ein Großteil der laufenden Kosten vom Mieter bezahlt wird, bleibt die Nettomiete, die beim Eigentümer ankommt, gleich hoch oder liegt sogar höher als bei vergleichbaren Objekten mit Bruttomietverträgen. Für institutionelle Investoren ist diese Form des Mietvertrages besonders attraktiv, weil sie das finanzielle Risiko für den Eigentümer beziehungsweise Anleger verringert. Allerdings ist der Anspruch an den Assetmanager höher, weil Kosten wie beispielsweise die Steuern beim Eigentümer erhoben werden und dem Mieter erst weiterberechnet werden müssen. Zudem sollte darauf geachtet werden, was im Mietvertrag zu außergewöhnlichen Schäden am Objekt steht, wie sie zum Beispiel durch Naturkatastrophen verursacht werden können. Je nach Standort kann das ein ernst zu nehmendes Risiko sein. Viele Triple-Net-Mietverträge enthalten zudem einen sogenannten Cap, also ein Maximum an laufenden Kosten, zu denen der Mieter pro Jahr verpflichtet ist und für die er haftbar gemacht werden kann.

Am anderen Ende der Skala liegt die Bruttomiete, in den USA als Gross Lease bezeichnet. Hierbei zahlt der Mieter monatlich einen festen Betrag, von dem der Eigentümer auch Steuern, Versicherungen und Betriebskosten finanzieren sowie eine Instandhaltungsrücklage bilden muss. Ebenso wie in Deutschland können jedoch einzelne Nebenkosten, beispielsweise Strom oder Wasser, davon ausgenommen und vom Mieter direkt bezahlt werden. Welche Kostenpositionen das sind, kann im Vertrag festgelegt werden. Dazwischen liegen hybride Varianten, insbesondere der Single- und Double-Net-Mietvertrag, bei denen zur Nettomiete die Steuern beziehungsweise Steuern und Versicherungen hinzukommen. Bei der Festsetzung der Miethöhe von Gewerbeimmobilien kann zudem ein Umsatzfaktor einfließen - der Mieter zahlt also mehr, je besser sein Geschäft läuft.

Die Miethöhe kann eine Umsatzkomponente enthalten

Bei Wohnimmobilien müssen Investoren beachten, dass der Mietmarkt in den USA sich stark vom deutschen unterscheidet. Einerseits ist die Wohneigentümerquote mit insgesamt mehr als 63 Prozent deutlich höher als in der Bundesrepublik, die mit ihrer niedrigen Eigentumsquote auch innerhalb Europas eine Sonderstellung einnimmt. Dank der zunehmenden Urbanisierung sowie dem veränderten Verhalten der Millennial-Generation findet in den USA derzeit ein Wandel hin zu mehr Mietwohnungen vor allem in den Städten statt. Andererseits trifft ein Investor auch dabei auf ein Mosaik aus landesweiten, einzelstaatlichen und kommunalen Regelungen. Das treibt mancherorts seltsame Blüten: Nicht nur Nutzung, Kündigungsschutz, Miethöhe und Mietanpassungen sind je nach Standort unterschiedlich geregelt - hinzu kommen Detailregelungen wie ein Rauchverbot in der Wohnung, das in Kalifornien ausdrücklich in einer Vertragsklausel hinterlegt werden darf, oder der Kühlschrank, der in New York zu den gesetzlich vorgeschriebenen Bedarfsgütern gehört, die ein Vermieter bereitstellen muss.

Die Regelungen bei Büroimmobilien dürften einen in Deutschland erfahrenen Anleger nur wenig überraschen. Zwar besteht grundsätzlich das Recht zur Untervermietung, doch dank der Gestaltungsfreiheit bei Verträgen kann auch dieses modifiziert oder gar vertraglich komplett ausgeschlossen werden. Eine Besonderheit kennt das US-amerikanische Büromietrecht jedoch: Der Vermieter kann ein sogenanntes Estoppel Certificate (auch als Estoppel Letter bezeichnet) verlangen. In diesem rechtlich bindenden Dokument bestätigt der Mieter den Inhalt und die Gültigkeit des Mietvertrages und versichert, dass keine offenen Forderungen oder Rechtsstreitigkeiten zwischen ihm und dem Vermieter bestehen. Das ist wichtig für den Investor, denn das Estoppel Certificate wird bei Immobilientransaktionen ebenso wie bei der Finanzierung und Refinanzierung von Objekten benötigt. Kaufinteressenten und Kreditgeber wollen es im Rahmen der Due-Diligence-Prüfung sehen, um so einen Überblick über den Bestand der Mietverträge und damit die Qualität des Cashflows zu erhalten. Meist sind die Fristen, die der Mieter für diese Auskunft hat, sehr kurz.

Bürogebäude mit mehreren Einzelhandelsmietern sowie vor allem Shoppingcenter in den USA bieten neben den aus Deutschland bekannten Chancen und Risiken eine besondere Herausforderung: Die sogenannten Going-Dark- und Co-Tenancy-Vereinbarungen. Diese Klauseln dienen unter anderem dazu, kleinere Gewerbemieter zu schützen, wenn ein oder mehrere große Mieter mit hoher Anziehungskraft ihre Türen schließen. Normalerweise sind die Mieter in einem Shoppingcenter vertraglich verpflichtet, ihren Laden während der im Mietvertrag (in der Regel einheitlich) festgelegten Geschäftszeiten offenzuhalten. Sinkt jedoch die Kundenfrequenz wegen der Kündigung oder Geschäftsaufgabe eines Ankermieters, ermöglicht eine Going-Dark-Klausel den Mitmietern, ebenfalls zu schließen und so Personal- und Inventarkosten zu sparen. Je nach Ausgestaltung kann der Mietvertrag auch komplett beendet werden. Co-Tenancy-Klauseln gehen einen Schritt weiter. Sie gestatten eine Mietminderung, einen kompletten Mieterlass oder ein vorfristiges Vertragsende, wenn ein festgelegter Ankermieter auszieht oder zu wenige andere Geschäfte eröffnen beziehungsweise zu viele schließen. Was den Händlern eine gewisse Sicherheit bietet, bedeutet für Investoren, dass Leerstand auf Flächen mit noch laufenden Mietverträgen übergreifen kann.

Die US-amerikanische Gesetzgebung bezüglich der Vertragslaufzeiten unterscheidet sich kaum von der deutschen, die Gepflogenheiten weichen jedoch zum Teil deutlich ab. Gewerbemietverträge laufen meist kürzer als in der Bundesrepublik, auch wenn hierzulande die Tendenz inzwischen ebenfalls nach unten geht. Üblich sind in den USA relativ kurze Verträge ab drei Jahren Gültigkeitsdauer. Bei großen Büroflächen sowie bei Betrieben mit hohen Ausbaukosten, wie beispielsweise im Retail- oder Gastronomiebereich, sind allerdings längere Laufzeiten von bis zu zehn Jahren nicht ungewöhnlich. Außerdem vereinbaren Mieter und Vermieter häufig von Anfang an Verlängerungsoptionen. Wohnungsmietverträge sind, im Unterschied zu Deutschland, ebenfalls sehr oft zeitlich begrenzt - der Normalfall sind Einjahresverträge. Mit deren Ablauf haben beide Seiten dann ein kurzfristiges, weitgehend unbeschränktes Kündigungsrecht. Das gibt Vermietern eine Flexibilität, die viele deutsche Anleger in ihrem Heimatland vermissen, insbesondere in begehrten Wohnlagen.

Kurze Vertragslaufzeiten von etwa drei Jahren sind üblich

Der Verlauf der Miethöhe hängt stark von den Regelungen im Einzelfall ab. Bei Gewerbemietverträgen mit Gross Lease muss der Vermieter bereits im Mietvertrag festhalten, dass er die Bruttomiete erhöhen darf, wenn die dadurch abgedeckten Betriebs- und Nebenkosten steigen. Zudem kann bei Verträgen mit Gross Lease ebenso wie bei Net Lease eine Staffelmiete festgelegt werden, bei der die Miete in festen Abständen um einen vorab vereinbarten Betrag steigt. Das ist zwar auch bei Wohnungsmietverträgen möglich, jedoch nicht die Norm, da diese in der Regel deutlich kurzfristiger sind. Turnusmäßige Anpassungen sind eher bei langfristigen Verträgen üblich. Anstelle einer festen Mietstaffel werden Erhöhungen zudem oft an einen Index gebunden. Der Consumer Price Index (CPI), also das US-Äquivalent zum Verbraucherpreisindex, ist dabei wohl der beliebteste Bezugspunkt.

Insgesamt bieten die USA aufgrund ihrer Größe und der relativen Unabhängigkeit der Legislativen in den Bundesstaaten ein vielfältiges Bild. Vorteil für Investoren ist, dass sich so eine regionale Diversifizierung innerhalb eines einzigen Wirtschaftsraumes mit durchgehend hoher Rechtssicherheit erzielen lässt. Zudem führt die verhältnismäßig freie Vertragsgestaltung zu einer Vielzahl an Optionen. Das bedeutet einerseits eine große Flexibilität und die Möglichkeit für sehr vorteilhafte Mietvereinbarungen, die das Investitionsrisiko verringern. Andererseits ist für jeden Vertragsabschluss die Beratung durch einen im Immobilien- und Mietrecht des Standortes versierten Rechtsanwalt unerlässlich, um diese Vorteile tatsächlich nutzen zu können. Last, but not least sollte der verantwortliche Portfolio Manager ein gutes Verständnis dieser Themen mitbringen, um im Interesse der Anleger die wirtschaftlichen Implikationen richtig einschätzen und die Berater sowie Asset- und Property-Manager entsprechend steuern zu können.

Die Autoren Thomas Gütle, Geschäftsführender Gesellschafter, US Treuhand, Bad Homburg und Florian Carl, Fachanwalt für Handels- und Gesellschaftsrecht, FASSBENDER RECHTSANWÄLTE, München
Thomas Gütle , Managing Partner, PrimeraAdvisors GmbH, München

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