Immobilienmärkte in Ballungszentren - das Beispiel Rhein-Main

Und morgen? - Wie die Zukunft des Wohnens aussieht

Wolfgang Ries

Die sich wandelnde Gesellschaft stellt auch die Immobilienbranche vor neue Herausforderungen. Ebenso wie bei der Nutzung von Büros gewinnen Themen wie Flexibilität und Individualität auch bei Wohnimmobilien zunehmend an Bedeutung. Die Käufer wollen keine starren, uninspirierten Gebäude mehr. Stattdessen müssen sich die Planer und Entwickler mit Immobilien für alle Lebensphasen, international ausgerichtete Strukturen mit offenen Küchen oder großen Küchen oder flexiblen Wänden auseinandersetzen, um künftige Anforderungen schon vor der eigentlichen Bauphase vorwegzunehmen. Der Autor nennt das Beispiel der Nachhaltigkeit, mit dem vor wenigen Jahren kaum ein Investor, Anleger oder Eigenheimkäufer etwas anfangen konnte, das aber aufgrund von gesetzlichen Anforderungen heute längst zum Standard gehört. Red.

Grundsätzlich gilt in der Immobilienbranche: Wir bauen heute für die Nutzer und Anleger von morgen. Dies gilt insbesondere für Wohnimmobilien. Marktteilnehmer, die die Wohntrends von morgen nicht verschlafen möchten, sind dazu angehalten, vorausschauend zu planen und innovative Quartiere zu realisieren, die eine gewisse Flexibilität hinsichtlich ökonomischer, ökologischer und sozialer Entwicklungen gewährleisten. Denkbar sind hierbei Wohnkonzepte mit Grundrissen, welche sich individuell gestalten lassen und sich diversen Lebensabschnitten der unterschiedlichen Zielgruppen anpassen. Daher ist es wichtig, sich der folgenden Frage zu stellen: Wie werden Wohnungen von morgen aussehen?

Individuelle Angebote

Es ist bedeutsam, bereits im Zuge des Projektanstoßes von Wohnimmobilien individuelle Wohnangebote vorzusehen und bei der weiteren Planung zu beachten. Ziel ist es, unterschiedliche Wohngrundrisse zu entwickeln sowie eventuelle Grundrissanpassungen zu ermöglichen, sodass die Individualität eines jeden Nachfragers ausreichend Beachtung findet.

Die übliche Bauzeit von Wohnimmobilien beträgt je nach Größe und bautechnischen Anforderungen des Projektes meist 1,5 bis 2 Jahre. Grundlegend für die Realisierung eines Projekts ist allerdings die Planungs- und Konzeptphase vor Baubeginn.

Bereits zu Beginn der Entwicklung eines Neubauprojektes werden mithilfe von Markt- und Standortanalysen sowie der Berücksichtigung von Marktreporten und Prognosen die Wohntrends von morgen für die weitere Planung berücksichtigt. Wobei neben der eigentlichen Wohnung das Wohnprojekt als ganzheitliches Quartier mehr und mehr an Bedeutung gewinnt und meist ausschlaggebend für die positive Entscheidung der Nutzer, aber auch der Anleger ist.

Es wird deutlich, dass aufgrund der Notwendigkeit einer umfassenden Betrachtung von der Projektidee bis zur abschließenden Fertigstellung problemlos drei bis fünf Jahre verstreichen können. Solch eine Projektdauer ist in der immer schnelllebiger werdenden Zeit verhältnismäßig lang und zeigt auf, dass bereits frühzeitig die prognostizierten Trends Berücksichtigung finden sollten.

Nachhaltiges Bauen als Standard

Ein Beispiel für einen Trend, der inzwischen Standards gesetzt hat, ist die Nachhaltigkeit. Der Begriff der Nachhaltigkeit gewinnt immer mehr an Bedeutung und betrifft den Wohnimmobilienmarkt ebenso wie andere Immobilienmärkte. Ein Teilaspekt hiervon sind die hohen Gebäudeanforderungen hinsichtlich der Energieeffizienz, die unerwartet rasch zum Standard geworden sind.

Dabei liegt es nur wenige Jahre zurück, dass Selbstnutzer und Kapitalanleger von Wohnimmobilien mit dem Begriff Nachhaltigkeit kaum in Berührung gekommen sind und mit diesem nichts anzufangen wussten. Heutzutage wird das nachhaltige Bauen, mit seiner großen Bandbreite an verschiedensten Facetten, groß geschrieben. Grund hierfür sind unter anderem die diversen gesetzliche Vorgaben, welche nach und nach verschärft wurden und ein Ende ist noch nicht abzusehen.

Es stellt sich also die Frage, was kommt möglicherweise noch auf uns zu? Was könnte in Zukunft eine erheblich höhere Relevanz für Wohnimmobilien haben, als wir heute annehmen?

Lebensphasenübergreifende Wohnungen

Es lässt sich nicht vermeiden, die demografische Entwicklung in Deutschland zu berücksichtigen, welche eine der größten, gesellschaftlichen Herausforderungen unserer Zeit darstellt. Die Menschen werden zunehmend älter und entwickeln ihre eigenen Anforderungen an den Markt der Wohnimmobilien. Ferner nehmen speziell in der Rhein-Main-Region die Anzahl der Single-Haushalte und der Trend zu kleineren Wohnungen zu, sodass der Bedarf nach geeigneten Wohnimmobilien die Nachfrage weiter steigen lässt. Ferner zieht es Studierende und Berufsstarter in die Städte und auch "Best Ager" gewinnen immer mehr Gefallen am städtischen Leben.

Ein Ziel der Wohnimmobilienwirtschaft sollte also sein, lebensphasenübergreifende Wohnungen, die den Bedarf verschiedenster Nachfrager decken und sich den diversen Trends anpassen können, zu konzipieren. Die Idee hierbei ist, ein Wohnkonzept zu entwickeln, das sich dem Alter der Bewohner und ihren Lebensumständen anpasst - bei Bedarf täglich. Ein Ansatz hierzu könnten lebensphasenflexible Wohnungen mit beispielsweise verschiebbaren Wänden sein. Eine Herausforderung ist allerdings der Schallschutz, die Stabilität und vor allem eine einfache Bedienbarkeit dieser Modulwände.

Die Einrichtung sollte ebenfalls möglichst flexibel sein. Von Interesse sind integrierbare Möbel wie beispielsweise ein "unsichtbares Bett" oder auch eine Küche, die nur bei Bedarf sichtbar und benutzbar wird. Tagsüber ließe sich der Wohnbereich vergrößern und abends ermöglicht das System eine flexible Umgestaltung zu einem Speisebereich für ein Essen mit Freunden. Ganze Zimmer könnten hinzugefügt werden oder auch wieder verschwinden. Der modulare Aufbau inklusive innovativer Möbelierungskonzepten ist dabei entscheidend.

Bevölkerungswachstum als Herausforderung

Außerdem ist es möglich für die Familienphase zwei eigenständige Wohnungen so zu verbinden, dass sie mit der Familie genutzt und nach dem Auszug der Kinder wieder getrennt werden kann. Hierbei ist es jedoch notwendig, diese Möglichkeiten bereits in der Planung vorzusehen und die reale Teilung der Wohnung als solche vorzunehmen. Somit steht den Eigentümern frei, die nicht mehr benötigte Wohnfläche zu verkaufen oder zu vermieten. Sie sind nicht mehr gezwungen, durch die familiäre Veränderung umzuziehen. Damit lässt sich Wohnraum für die gesamte Lebenszeit schaffen.

Ein anderes Thema bildet einen weiteren Trend im Rhein-Main-Gebiet ab. Die Region ist extrem wirtschaftsstark und entwickelt sich sehr dynamisch. Sprich, sie wächst. Das ist auch am Bevölkerungswachstum der Finanzmetropole Frankfurt am Main abzulesen. Gab es dort in den sechziger Jahren einen Spitzenwert von rund 690 000 Einwohnern, so schwankte die Einwohnerzahl in den letzten Jahrzehnten zumeist zwischen 640 000 und 660 000 Einwohnern. In den letzten Jahren explodierte die Einwohnerzahl allerdings regelrecht auf inzwischen rund 720 000 Menschen. Die Stadtverwaltung rechnet in den nächsten 15 Jahren mit einem deutlichen Überschreiten der 800 000er-Marke. Die Erklärung hierfür ist leicht nachvollziehbar: Zum einen werden Städte für die sich verändernde Bevölkerung wieder interessanter, da das urbane Leben für viele Bürger wieder einen besonderen Reiz darstellt. Der starke Trend aus den neunziger Jahren, raus aus der Stadt und rein ins Grüne, scheint schon lange nicht mehr für alle Bevölkerungs- und Altersgruppen zu gelten.

Insbesondere die Metropole Frankfurt am Main zieht immer mehr Unternehmen an und die Wirtschaft prosperiert. Frankfurt ist die führende Finanzmetropole Kontinentaleuropas. Fast 400 ausländische Banken sind in der Mainmetropole vertreten. Der Flughafen ist die größte Verkehrsdrehscheibe Europas und die Bereiche Dienstleistungen, Chemie und Pharma sind ebenfalls von internationaler Bedeutung.

Die Anzahl internationaler Unternehmen und damit auch internationaler Arbeitnehmer ist enorm und wächst täglich. Laut der jährlichen Studie von Cushman & Wakefield hält Frankfurt seit 20 Jahren unangefochten den dritten Platz als bester europäischer Unternehmensstandort für internationale Konzerne und wird nur von den Millionen-Hauptstädten Paris und London geschlagen.

Die Rhein-Main-Region und hier allen voran Frankfurt am Main ist extrem international - wirtschaftlich und gesellschaftlich. In der Wolkenkratzer-Hauptstadt Europas haben fast 30 Prozent der Menschen keinen deutschen Pass. Hinzu kommt ein großer Anteil von Bürgern mit deutschem Pass aber anderem kulturellen Hintergrund. Kurz: Die gesamte Region ist extrem wirtschaftsstark und lockt viele nationale sowie internationale Unternehmen und Arbeitnehmer mit ganz unterschiedlichen nationalen, kulturellen und religiösen Wurzeln an. Was lässt sich nun aus diesen Fakten schlussfolgern?

Das Publikum wird international und multiethnisch

Die heutigen Wohnkonzepte - ob Bestand oder Neubau - sind meist uniform ausgerichtet und tragen den unterschiedlichen Bedürfnissen der vielfältigen Nutzergruppen kaum Rechnung. Die Frage ist: Kann man Wohnungen konzipieren, die ein internationales und multiethnisches Publikum ansprechen können, ohne die lokale Bevölkerung außen vor zu lassen? Ja, man kann.

Eine Wohnung die beispielsweise nach den Regeln des Feng Shui geplant wird, ist selbst auf den zweiten Blick für einen Europäer als solche kaum erkennbar. Die derzeit im Rhein-Main-Gebiet besonders aktive asiatische Kundschaft merkt den Unterschied hingegen sofort.

Verschiedene Grundrisse und Einrichtungen sorgen für zusätzliche Individualisierungen und Flexibilität. So wird bei vielen chinesischen Käufern gern und intensiv im Kreise der Familie abends gekocht. Bei einer eventuell gewünschten offenen Küche sollten deshalb die Gerüche mittels einer optional erhältlichen, überproportional starken Belüftung gefiltert werden.

Kommt eine Nachfrage von US-Amerikanern sollte bei der Grundriss-Gestaltung klar sein, dass der Speisebereich vor der in der Regel offenen Küche enorm wichtig ist. Italiener und auch Franzosen bevorzugen hingegen geschlossene Küchen, die allerdings so groß sein müssen, dass auch unmittelbar darin mit Freunden und der Familie gespeist werden kann. Dies ist nur ein kleiner Bruchteil von vielen Beispielen und Möglichkeiten.

Ein Stück Zuhause

Mit Konzepten wie kulturell individualisierbaren Wohnungen oder auch Wohnimmobilien für die gesamte Lebenszeit betritt man Neuland. Eines ist aber unbestreitbar: wer sich solchen Trends gänzlich verschließt, vergibt nicht nur Chancen, sondern verpasst unter Umständen Standards der Zukunft. Dabei ist zu bedenken, dass sich ein schlecht durchdachtes Wohnkonzept nach Baufertigstellung nicht mehr grundlegend ändern lässt.

Aus diesen Gründen ist es empfehlenswert und hat etwas mit gesellschaftlicher Verantwortung zu tun, schon heute auf die Wünsche der Bewohner von morgen einzugehen. So bleibt nicht nur der Wert der Wohnimmobilie erhalten, sondern auch deren Nutzungsfähigkeit und vor allem der Wohlfühlfaktor für die Nutzer. Denn die Wohnimmobilie stellt an erster Stelle ein Zuhause, ein Stück Heimat für Jedermann dar, heute, aber auch in Zukunft.

Der Autor

Wolfgang Ries Vorstand, BIEN-RIES AG, Hanau

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