Refurbishment

Projektentwicklung: Verborgene Schätze im Visier

Jens Nietner

Ein unbebautes Grundstück ist nicht unbedingt Voraussetzung für eine Projektentwicklung, auch bestehende Objekte bieten oftmals beachtliches Wertsteigerungspotenzial. In vielen Fällen wäre ein Refurbishment, bei dem Objekte entkernt, saniert oder einfach die Flächen für eine alternative Nutzung umgewandelt werden, das Mittel der Wahl. Etlichen Bestandshaltern stellt sich die Frage, ob ein solches Investment Leerstände vermeiden und konstante Mieteinnahmen garantieren kann, denn nur so kann eine gesicherte Rendite erzielt werden. Dabei sind die Perspektiven für eine Neupositionierung vielversprechend, wenn bestimmte Parameter wie eine solide Bausubstanz, technische Ausbaumöglichkeiten und ein markfähiger Standort gegeben sind. Red.

Seit geraumer Zeit beflügeln die anhaltend niedrigen Zinsen im Euroraum den Immobilienmarkt und sorgen dafür, dass institutionelles Kapital in Billionenhöhe in diese Assetklasse fließt. Insbesondere Deutschland profitiert dank seiner vergleichsweise stabilen wirtschaftlichen Lage und guten Perspektiven am Immobilieninvestmentmarkt von der Gunst der Anleger. Kein Wunder also, dass Projektentwicklungen in diesem Sektor hier nach wie vor en vogue sind.

Seit 2010 befindet sich das Projektentwicklungsvolumen auf dem Wachstumspfad. Laut einer aktuellen Projektentwicklerstudie des Beratungs- und Analysehauses Bulwiengesa ist der Markt im Vergleich zur Vorjahresstudie um 12 Prozent auf 112 Milliarden Euro gewachsen. Die Immobilienexperten haben dabei insgesamt 3 440 Immobilienprojektenwicklungen mit einem Zeitrahmen von 2012 bis 2019 unter die Lupe genommen. In diesem Zuge haben zwar auch die projektierten Flächen zugenommen, jedoch nicht in dem Maße wie das Marktvolumen - sie stiegen im gleichen Zeitraum lediglich um 7 Prozent. Das ist nicht verwunderlich, denn die hohe Nachfrage sorgt für steigenden Wettbewerb, während gleichzeitig die Flächen für Neubauten abnehmen.

Der Zugang zu bezahlbaren und interessanten Flächen in Lagen, die im heiß umkämpften Wettbewerb attraktive Renditen sichern, ist also limitiert. Umso wichtiger ist es, die Potenziale im Bestand optimal zu nutzen. Dass dieses Feld noch weitgehend brach liegt, zeigt sich in der Datenerhebung durch Bulwiengesa: Nur rund 15 Prozent der in der Studie untersuchten Projektentwicklungen bezogen sich auf Revitalisierungen und nicht auf Neubauten.

Büroflächen hoch im Kurs

Für Bestandshalter stellt sich im jetzigen Marktumfeld die Frage, ob ein Investment in bestehende Immobilien Leerstände vermeiden und konstante Mieteinnahmen garantieren kann. Nur dann ist letztlich auch die Voraussetzung für eine gesicherte Rendite gegeben. Insbesondere bei institutionellen Anlegern wie Fondsgesellschaften oder Versicherungen, die in Büroimmobilien investieren, hat die Anlagesicherheit nach wie vor höchste Priorität. Diese ist aber nur dann gewährleistet, wenn eine dauerhafte Vermietung sichergestellt werden kann - und das kann eine Fertigstellung alleine noch nicht leisten.

Eine Faustregel lautet: Je besser der Zustand einer Immobilie und je passgenauer sie auf die jeweilige Nutzungsart zugeschnitten ist, desto höher ist das zu erwirtschaftende Mietniveau. In die Jahre gekommene Immobilien führen je nach Nutzungsart häufig zu einer geringeren Rentabilität und Marktgängigkeit. Neigen sich laufende Mietverträge dem Ende zu, sind neue Nutzer häufig schwierig zu finden - und wenn, nur mit hohen Preisabschlägen.

Gerade ältere Büroimmobilien erfüllen nicht mehr die Anforderungen an moderne Arbeitsplatzflächen. Mal fehlen Computeranschlüsse, Kabelschächte oder Steckdosen, mal sind die Lichtverhältnisse ungünstig oder einfach die Grundrisse nicht mehr zeitgemäß. Dabei ist ein Investment in deutsche Büroflächen für in- und ausländische Investoren unverändert attraktiv. Nach Angaben des Zentralen Immobilien Ausschusses (ZIA) verzeichnete dieses Segment allein im vergangenen Jahr mit 17,3 Milliarden Euro das höchste Investitionsvolumen seit 2008. Damit hatten Büroimmobilien einen Anteil von 43 Prozent am gesamten Gewerbeimmobilienmarkt.

Ob sich ein Revitalisierungsprojekt lohnt, ist auf den ersten Blick nicht immer erkennbar. Oftmals mangelt es Bestandshaltern an Einschätzungs- und Umsetzungskompetenz zu komplexen Revitalisierungsvorhaben. Etliche tendieren dazu, ihre in die Jahre gekommenen Objekte im bisherigen Zustand zu verkaufen und die Ausschöpfung des Wertpotenzials den Käufern zu überlassen als selbst nach den verborgenen Schätzen zu suchen, die möglicherweise im Bestand schlummern. Das ist verständlich, denn die Sorge vieler Besitzer, bei der Sanierung alter Immobilien unliebsame Überraschungen zu erleben, kommt nicht von ungefähr. Oft liegen Leitungen an anderer Stelle als im Plan verzeichnet, die angeblich solide Bausubstanz ist bei näherer Prüfung marode oder die Verträge mit Bestandsmietern sind lückenhaft.

Starker Partner gefragt

Bei der Frage nach der Rentabilität von Refurbishments sind Umsetzungspartner gefragt, die die risikominimierende Hebung von Wertpotenzialen in einem zeitlich und inhaltlich vorstrukturierten Prozess begleiten können.

Eine gute Möglichkeit für Bestandshalter ist, mit einem Anbieter zu kooperieren, der als One-Stop-Shop von der Objektanalyse über die Projektentwicklung und anschließender Vermietung bis hin zum Exit alle Leistungen aus einer Hand bietet. Dabei begleiten Immobilienexperten aus einem Haus, vom Projektentwickler über den Property Manager, den Asset Manager, den Vermietungsexperten bis hin zum Investment Manager das Projekt von A-Z. Ziel einer Immobilienprojektentwicklung im Bestand ist es, Objekte unter Berücksichtigung der standortbezogenen Marktgegebenheiten neu zu positionieren und dadurch die Wertschöpfung zu optimieren.

Die Perspektiven für eine Neupositionierung sind vielversprechend, wenn bestimmte Parameter gegeben sind: Dazu gehören eine solide Bausubstanz, technische Ausbaumöglichkeiten und ein sehr guter, marktfähiger Standort, möglichst innerstädtische Lagen in Mittel- oder Großstädten. Aber auch die dazugehörigen Randlagen bieten Potenzial, wenn sie verkehrstechnisch sehr gut angebunden sind. Im nächsten Schritt ist eine Machbarkeitsanalyse nötig, und zwar solange die Immobilie noch vermietet ist. Um Leerstand und damit wirtschaftliche Einbußen zu vermeiden, sollten Überlegungen für eine Revitalisierung so früh wie möglich aufgenommen werden.

Für eine Machbarkeitsstudie, die im Schnitt drei Monate dauert, benötigt man die Expertise etlicher Fachleute in den unterschiedlichsten Disziplinen. Neben der marktbezogenen Einordnung des Projekts, der juristischen Prüfung von Verträgen, der Mieterstruktur und Mietdauer spielt der bauliche Zustand von Objekten eine entscheidende Rolle.

Hoher Aufwand, der sich lohnt

Zu den baulichen Maßnahmen, die auf dem Prüfstand stehen, zählen die Neuordnung von Grundrissen, die Gestaltung der Außenfassade, die Modernisierung der Haustechnik oder die energetische Sanierung. Mit der novellierten Energieeinsparverordnung vom 1. Mai 2014 haben sich beispielsweise in Deutschland nicht nur die Standardanforderungen zum Energiebedarf von Neubauten verschärft, auch für Bestandsgebäude gelten insbesondere für Heizungen ab Januar 2016 neue Regeln. Weitere baurechtliche Restriktionen, die es zu beachten gilt, sind der Brandschutz oder Abstandsflächen sowie Lichtrechte. Letztere sind insbesondere in Großbritannien und den USA ein hohes Gut und oftmals mehr wert als die eigentlichen Mietverträge.

Gänzlich andere Hürden gilt es bei der Revitalisierung von denkmalgeschützten Immobilien zu überwinden. Hier hat der Gesetzgeber zahlreiche Vorschriften erlassen. So muss diese Immobilie ihre historische Bausubstanz behalten und darf ihr Erscheinungsbild nicht wesentlich verändern. Bevor das Modernisierungsprojekt überhaupt starten kann, ist eine entsprechende denkmalrechtliche Genehmigung erforderlich. Allerdings belohnt der Staat beispielsweise energetische Maßnahmen an Denkmälern mit Förderprogrammen und Steuervorteilen, wenn die Energiebilanz damit nachhaltig erhöht wird.

Das alles klingt nach erheblichem Aufwand im Vorfeld, doch eine detaillierte Prüfung zahlt sich aus. Ist eine Machbarkeitsstudie im Ergebnis positiv und ein umfangreiches Revitalisierungskonzept aufgestellt, bietet ein Refurbishment gegenüber einem Verkauf oder Abriss oftmals die bessere Alternative mit attraktiven Ertragsperspektiven.

Der Autor

Jens Nietner Geschäftsführer Projektentwicklung, HIH Real Estate GmbH, Hamburg

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