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RICS - Professionalität verkörpern, Standards befolgen, Integrität leben

Judith Gabler, Director of Operations Europe und Regional Manager, DACH, RICS Deutschland, Frankfurt am Main

Quelle: RICS

Eine professionelle Ausbildung und Berufsausübung in sämtlichen Bereichen der Immobilienwirtschaft ist das Kernanliegen der Royal Institution of Chartered Surveyors (RICS), die weltweit rund 125000 Immobilienexperten repräsentiert. Die Autorin des folgenden Beitrags erörtert die Eigenschaften, über die ein Immobilienexperte anno 2017 verfügen muss. Eine besonders wichtige Zutat, um von echter Professionalität sprechen zu können, sieht sie im Angebot von Qualifikationen und Standards, die weltweit relevant und anwendbar sind. Um diesem Ziel näher zu kommen, haben sich gleichgesinnte Organisationen rund um den Globus in der Absicht zusammengetan, alle in den verschiedenen Immobilienmärkten bislang existierenden Standards einer Überprüfung zu unterziehen. Ausführlich schildert sie die dabei verfolgten Ansätze zur Entwicklung internationaler Standards. Red.

In einer Zeit, die von rascher Urbanisierung, schnelleren Datenströmen, technologischen Entwicklungen und zunehmender Komplexität infolge der Globalisierung geprägt ist, sollten Interessengruppen den Märkten, in denen sie agieren, mehr denn je mit Vertrauen und Zuversicht begegnen. Berufliche Standards zu bewahren, weiterzuentwickeln und sicherzustellen, dass diese Standards vom Markt und den wichtigsten Interessengruppen geschätzt werden, sind zentrale Themen, die immer wieder diskutiert werden.

Vor diesem Hintergrund haben Marktführer und erfahrene Fachkräfte der Immobilienbranche an einen weltweit tätigen Berufsverband eindeutige Erwartungen, derentwegen den folgenden Punkten eine besondere Bedeutung zukommt:

1. Professionalität als Herausforderung, der sich ein Experte stellen muss.

2. Definition von Professionalität: Die Theorie der vier Säulen.

3. Professionalität und internationale Standards.

Ohne Professionalität kein Erfolg

Zu Punkt 1: Ohne tief verwurzelte Professionalität können Akteure in den heutigen Märkten nicht erfolgreich sein. Es scheint vielleicht, als sei der hohe Stellenwert beruflicher Qualifikationen und Standards bereits seit vielen Jahren in den meisten Teilen der Welt anerkannt und akzeptiert; dennoch mangelt es Berufsverbänden und Vertretern unseres Berufsstandes zuweilen an Einfluss und Fähigkeiten zur Vermittlung der Bedeutung und Vorteile von Professionalität in Theorie und Praxis.

In einer Zeit zunehmender Forderungen nach Transparenz, Sachkenntnis, Innovation und Best Practice erweisen sich Zeit, Kosten und letztlich auch Ethik als miteinander konkurrierende Faktoren. Um den Herausforderungen und Ansprüchen des 21. Jahrhunderts begegnen zu können, müssen wirtschaftlicher Erfolg und Professionalität Hand in Hand gehen.

Ausführliche Gespräche mit Experten und Kunden

Zu Punkt 2: Steckt noch mehr in Professionalität als "nur" ethisch einwandfreies Verhalten und fachlich kompetente Berufspraxis? In den letzten 18 Monaten hat die RICS ausführliche Gespräche mit zahlreichen Experten und Kunden aus der Baubranche geführt, um insbesondere ein besseres Verständnis über das Konzept der Professionalität in einem sich wandelnden globalen Umfeld zu erlangen, und neue Erkenntnisse darüber zu gewinnen, wie Standards aktualisiert und angepasst werden müssen, um Markt vertrauen und -zuversicht zu fördern. Einige Ergebnisse der dort geführten Diskussionen lassen sich in vier Hauptpunkten zusammenfassen:

1. Beim Thema Professionalität geht es um Standards, die für eine ethische Arbeitsweise unabdingbar sind; hierbei kann es sich um eine Kombination aus Ausbildung, praktischer Tätigkeit und einem Regelwerk handeln.

2. Ein Experte beziehungsweise Fachmann kann ein Spezialist sein, das heißt eine Person mit einem speziellen Fachgebiet, die über hervorragende Fachkenntnisse und langjährige Erfahrungen bei der Ausführung ihrer beruflichen Aufgaben verfügt. Diese Person hat in der Regel eine grundlegende Ausbildung in verschiedenen Fachbereichen absolviert, sich danach jedoch zusätzlich auf ein bestimmtes Gebiet spezialisiert.

3. Ein Experte kann jedoch auch ein Generalist sein, das heißt eine Person mit einer allgemeiner ausgerichteten, ganzheitlichen Sichtweise, die komplexe Situationen erfassen kann, mit Schnittstellen vertraut ist und versteht, wie diese Schnittstellen miteinander agieren.

4. Professionalität kann eine Kombination aus technischem Wissen und persönlicher Kompetenz sein, das heißt es kommt darauf an, wie effektiv diese Person handelt (zum Beispiel im Rahmen von Führungsaufgaben) oder ob sie die Beschränkungen (Grenzen) ihrer Rolle kennt und selbst Verantwortung für eine solche Grenzziehung übernimmt.

Wie auch immer man Professionalität definieren mag, es muss sich in jedem Falle um eine nachhaltige und langfristig wirkende Eigenschaft handeln, die in von Wandel und Erschütterungen geprägten Zeiten als Stabilitätsanker dienen kann. Im nachfolgend beschriebenen Modell werden vier Kategorien oder Säulen der Professionalität benannt, die zur Systematisierung der bestimmenden Merkmale "eines Experten" dienen können.

Ziel: einheitliche internationale Standards

Einer marktübergreifend immer beliebteren These zufolge besteht eine der großen Herausforderungen der jetzigen ungewissen Zeiten darin, Werte ständig zu überprüfen und gegebenenfalls anzupassen sowie anzuerkennen, dass kontinuierliche Selbstvervollkommnung, weitere Schulung und berufliche Fortbildung (Continuing Professional Development) von entscheidender Bedeutung sind, um auch künftig mithalten zu können.

Eine Möglichkeit, echte Professionalität zu erreichen, besteht darin, Qualifikationen und Standards anzubieten, die weltweit relevant und anwendbar sind. Eine länderübergreifend einheitliche Gewährleistung und Durchsetzung von Standards unterstützt internationale Kapitalflüsse und ermöglicht Investoren, ihre Risiken zu steuern. Immobilienmärkte leiden unter vielen Unterschieden und Widersprüchlichkeiten. Bei der Betrachtung von Gebäuden in unterschiedlichen Ländern wird man zuweilen an den sprichwörtlichen Vergleich von Äpfeln mit Birnen erinnert.

Manchmal ist dies sogar innerhalb von Ländern der Fall. In unserer fragmentierten Welt, die von nationalen Normen und verschiedenen Standards unterschiedlicher Organisationen innerhalb eines Marktes gekennzeichnet ist, haben sich gleichgesinnte Organisationen aus der ganzen Welt zusammengefunden und Koalitionen gegründet, um in gemeinsamer Arbeit alle in den verschiedenen Immobilienmärkten bislang existierenden Standards einer Überprüfung zu unterziehen. Letztlich werden im Rahmen dieser Zusammenarbeit internationale Standards in den folgenden fünf Feldern entwickelt.

Ethik als wichtigstes Einzelmerkmal

Dies ist vielleicht das wichtigste Einzelmerkmal unseres Berufsstandes. Sogar ethische Grundsätze können sich von Markt zu Markt stark unterscheiden. Obwohl es bereits eine Vielzahl ethischer Verhaltensrichtlinien und Standards im Immobiliensektor gibt, existiert derzeit keine international anerkannte Norm. Die International Ethics Standards Coalition, die 2014 auf Ebene der Vereinten Nationen gegründet wurde, vereint in sich 60 Organisationen, die gemeinsam an der Entwicklung des ersten globalen Ethikstandards arbeiten, um die in vielen Verhaltenskodizes einzelner Verbände festgelegten ethischen Grundsätze aufeinander abzustimmen.

Die Initiative Corporate Governance der Deutschen Immobilienwirtschaft e.V. und die RICS sind jeweils Gründungsmitglieder und wichtige Förderer. Die ethischen Grundsätze, die durch die im Dezember 2016 veröffentlichten Standards betont werden, lauten wie folgt: Verantwortlichkeit, Vertraulichkeit, Interessenkonflikt, finanzielle Verantwortung, Integrität, Rechtmäßigkeit, Reflexion, Servicestandard, Transparenz und Vertrauen.

Der Baubranche mangelt es ebenfalls an einheitlichen Begriffen und Rahmenregelungen für die Klassifizierung und Erfassung von Baukosten. Projektkosten werden häufig unter Zugrundelegung verschiedener Standards kalkuliert, bei denen möglicherweise unterschiedliche Komponenten mit einbezogen werden müssen (zum Beispiel Arbeitskosten, Materialien oder Grundstücks- und Rechtskosten), woraus sich erhebliche Probleme für weltweit tätige Baukostenkalkulatoren, Vermessungsingenieure und Bauökonomen ergeben können.

Die International Construction Measurement Standards Coalition (ICMSC) erarbeitet einen Rahmen, mit dem Kosten auf einheitliche und transparente Weise miteinander verglichen werden können, woraus sich wiederum fundiertere Entscheidungen über Ausgestaltung und Standorte von Bauvorhaben ableiten lassen. Selbst die Vermessung von Grundstücken wird nicht weltweit einheitlich gehandhabt; in bestimmten Teilen der Welt spielt zudem die Frage von Landrechten eine wichtige Rolle. Auch wenn diese Thematik in vielen Teilen Europas vielleicht eine geringere Bedeutung hat, werden globale Investoren von einer höheren Transparenz im Zusammenhang mit Grundstücken und Grundstücksrechten profitieren.

Die Vermessung als Fundament der Branche

Die Vermessung ist das Fundament der Immobilienbranche. Wert, Fläche, Kosten, Mengen und vieles mehr werden von Menschen gemessen; die dabei verwendeten Standards können sich jedoch stark voneinander unterscheiden. Eine der schwerwiegendsten Beschwerden von Büromietern beruht häufig darauf, dass Gebäudeeigentümer in vielen Ländern unterschiedliche Systeme zur Messung der Nutzflächen von Mietern verwenden, die teilweise bis zu 24 Prozent voneinander abweichende Messergebnisse aufweisen können. Die International Property Measurement Standards Coalition (IPMSC) besteht mittlerweile aus mehr als 80 Berufsverbänden und nicht gewinnorientierten Organisationen, die bei der Entwicklung und Einführung internationaler Flächenermittlungsstandards zusammenarbeiten.

Innerhalb von vier Jahren wurden Ausgaben der IPMS für Bürogebäude (2014) in 13 Sprachen herausgegeben, gefolgt von den IPMS für Wohngebäude (2016). IPMS Industrial steht als Entwurfsfassung zur Diskussion, während IPMS Retail bereits im Druck ist. So wie sich Immobilienbewertungen in den letzten 40 Jahren weiterentwickelt haben, hat sich auch das Rahmenwerk der Standards verändert, nach denen sich Bewertungsgutachten heutzutage richten.

Bewertung: landesbezogene Abschnitte wichtig

Das RICS Red Book wurde etwa erst kürzlich aktualisiert. Da globale Standards stets einen lokalen Kontext erfordern, befassen wir uns zudem seit vielen Jahren mit der Entwicklung landesbezogener Abschnitte, in denen beschrieben wird, wie bestimmte globale Standards auf nationaler Ebene angewendet werden können und welche zusätzlichen Anforderungen hierbei zu berücksichtigen sind. Diese landesbezogenen Abschnitte werden bei Bedarf ebenfalls aktualisiert. Neben dem Erlassen von Standards ist es unabdingbar, für die Durchsetzung dieser Standards zu sorgen. Aus diesem Grund hat die RICS das Valuer Registration-System (VR; Gutachterregistrierung) eingeführt, mit dem unsere Gutachter aktiv überwacht und unterstützt werden können, um die Einhaltung der Standards zu gewährleisten. Zwei andere Entwicklungen, die über die Frage von Standards hinausgehen, sind an dieser Stelle erwähnenswert. Zu Beginn des nächsten Jahres beabsichtigt die RICS, einen Leitfaden zum Thema Beleihungswert für Mitglieder zu veröffentlichen. Dieser Leitfaden, der insbesondere für den deutschen Markt lange überfällig ist, soll Mitgliedern Empfehlungen an die Hand geben, wie mit einer Kundenanfrage zur Ermittlung eines Beleihungswertes im Kontext des Red Book umzugehen ist.

Leitfaden zum Thema Beleihungswert

Im späteren Verlauf dieses Jahres werden wir eine Abhandlung über die künftige Rolle des Wertgutachters veröffentlichen. In Anbetracht bedeutender technologischer Entwicklungen auf Gebieten wie der künstlichen Intelligenz, Big Data und Blockchain sowie den sich wandelnden Kundenerwartungen, zum Beispiel im Bereich des "langfristigen Wertes", muss eine Diskussion über die Zukunft von Bewertungen zwischen Wertgutachtern und Kunden stattfinden.

Die Einführung globaler Standards ist nicht frei von Herausforderungen, insbesondere in progressiven Märkten wie Deutschland, die bereits reguliert sind oder über solide Vorschriften und Leitlinien für die Marktpraxis verfügen. Die Absicht und Bereitschaft, zu einem internationalen Geist der Zusammenarbeit zu finden, um einen einheitlichen Berufsstand zu formen, ist bereits bei den Organisationen zu spüren, die den genannten Koalitionen beigetreten sind: Letztlich kommt es auf die Übernahme und praktische Anwendung dieser Standards an.

Schulungsanbieter beginnen bereits damit, internationale Standards in die Lehrpläne ihrer Kurse zu integrieren - der Experte der Zukunft wird somit nicht nur mit den richtigen (globalen) Fertigkeiten ausgestattet, sondern internationale Standards werden gleich zu Beginn der beruflichen Laufbahn in die Immobilienpraxis eingebettet.

Die Autorin: Judith Gabler, Director of Operations Europe und Regional Manager, DACH, RICS Deutschland, Frankfurt am Main
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