Markt- und Objektbewertung

Bedeutung der Nachhaltigkeit für Objektbewertung und Investoren

Rüdiger Hornung

Nachhaltige Immobilien sind mehr wert als weniger nachhaltige. In dieser wichtigen Frage legt sich der Autor fest. Das mag auch den Boom an grünen Objekten erklären, der die große Nachfrage der Investoren allerdings keineswegs decken kann. Die eigentlichen Fragen für den Autor sind aber: Sind auf Nachhaltigkeit zertifizierte Immobilien nachhaltiger als andere Immobilien. Halten die Zertifikate, was sie versprechen?

Und sind manche nicht zertifizierte Immobilien unter Umständen genauso nachhaltig, nur hat es noch niemand gemerkt? Die Beweise hierfür stehen noch aus und die Fragen können wohl nur mit einer regelmäßigen Zertifizierung von Bestandsgebäuden abschließend beantwortet werden. Red.

Das Thema Nachhaltigkeit hat sich hartnäckig in der Immobilienwirtschaft festgesetzt. Zwar ist die anfängliche Euphorie gewichen, der ein oder andere Verfechter hat sich stillschweigend aus dem Markt zurückgezogen und die Medienwirksamkeit des Schlagwortes hat gelitten. Ein Gros von Marktteilnehmern hat die Prinzipien des nachhaltigen Erstellens, Bewirtschaftens und Handelns von Immobilien jedoch ohne großes Aufheben in seinen Geschäftsalltag integriert. Und zwar nicht nur in Bezug auf den Neubau, sondern gerade im Hinblick auf das Management großer Immobilienbestände.

Versinnbildlichen kann dies die Karriere der Nachhaltigkeit in den Veröffentlichungen der RICS zum Thema Bewertung. Von dem eher nachrichtlichen "Valuation Information Paper No. 13" im Jahr 2009, über die Empfehlung der "Guidance Note" in 2012 ist die Nachhaltigkeit im Jahr 2014 schließlich und endlich in den "Global Valuation Practice Statements" des Red Books, verbindlich im Alltag der RICS-Bewerter angekommen. Und so passiert das, was vielleicht der eigentliche Charakter von Nachhaltigkeit ist. Es ist nicht mehr die Frage ob man Nachhaltigkeit betreibt oder nicht, sondern vielmehr wie nachhaltig man das tut, was man tut.

Ein Markt für Nachhaltigkeit

Wenn man vom Markt für Nachhaltigkeit in der Immobilienwirtschaft spricht, so ist in der Regel das Transaktionsgeschäft mit auf Nachhaltigkeit zertifizierten Immobilien gemeint. Es gibt grüne Immobilienfonds und grüne Immobilienanleihen (Green Bonds), die sich einer hohen Nachfrage bei Investoren erfreuen. Auf der Nutzerseite sind die Themen Corporate Social Responsibility, die damit einhergehenden Ratings wie GRI und GRESB oder die Aufnahme in einen Nachhaltigkeits-Index, wie den bereits seit 15 Jahren operierenden Dow Jones Sustainability Index, die treibende Motivation.

Die Zahl der zertifizierten Immobilien steigt weiterhin stark an. Das US-Label Leed meldet aktuell 75 000 angemeldete und zertifizierte Gebäude weltweit auf der eigenen Webseite (i82n dem auf derselben Seite veröffentlichten Leed Directory sind es 25 000, 10 000 davon mit abgeschlossener Zertifizierung). In Europa ist das britische System BREEAM mit 17 000 zertifizierten gewerblichen Gebäuden seit 1990 führend, nicht zuletzt wegen des sehr erfolgreichen Bestandssystems mit aktuell knapp 200 zertifizierten Gebäuden allein in Deutschland. Und trotzdem liegt in Deutschland der Anteil zertifizierter Gebäude, gemessen am Gesamtbestand auch über alle relevanten Systeme (Leed, BREEAM und DGNB) bei einem verschwindend niedrigen Anteil. Wenn Nachhaltigkeit jedoch als "wie" und nicht als "was" verstanden wird, dann lässt sich schnell erkennen, dass Nachhaltigkeit mehr ist als eine Plakette am Eingang eines Büroturms. Neben auf Nachhaltigkeit zertifizierten Gebäuden gibt es, gerade in Deutschland, sehr viele sehr nachhaltige Gebäude die einfach (noch) nicht zertifiziert sind. Außerdem gibt es nachhaltige Bauprodukte, Mieter die ihre Flächen nachhaltig ausbauen und bewirtschaften, Green Leases und nachhaltiges Property Management.

Es gibt Green Due Diligence und Immobilienbewertungen, die zusätzliche Daten und Einschätzungen zu den einschlägigen Nachhaltigkeitskriterien liefern. Hier findet sich der eigentliche Marktplatz Nachhaltigkeit, mit Produkten quer durch alle immobilienbezogenen Berufe und Dienstleistungen.

Nachhaltigkeit ist also nicht nur plakativ in Form von zertifizierten Leuchttürmen in den Markt eingetreten, sondern vielmehr still und heimlich integraler Bestandteil vieler Prozesse der Immobilienwirtschaft geworden.

Standards, Schnittstellen und Big Data

Wie bei jeglicher Innovation von Märkten, bedarf es international anerkannter Standards für eine effektive Integration und Verbreitung von Erkenntnissen. Der Dreiklang von International Property Measurement Standards (IPMS), International Valuation Standards (IVS) und International Financial Reporting Standards (IFRS) verdeutlicht das nur allzu gut. Je grundlegender der Standard, je schwerer die Standardisierung.

Der IPMS ist der letzte im Verbund und wurde erst dieses Jahr veröffentlicht. Und doch ist ohne die standardisierte Bezugsgröße "Quadratmeter" kaum eine ermittelte Kenngröße für Immobilien mit der anderen vergleichbar.

Bei den Unternehmen, die sich mit der Nachhaltigkeit ihrer eigenen Immobilien intensiv auseinandersetzen, ist die größte Aufgabe das Erheben und Aktualisieren von Daten zu den betreffenden Gebäuden. Hier gibt es erhebliche Differenzen zwischen dem, was im Sinne einer nachhaltigen Bewirtschaftung notwendig wäre und was regelmäßig vorliegt, beziehungsweise auf was man Zugriff hat. Denn die ernüchternde Erkenntnis ist, dass selbst, wenn Daten bereits erhoben wurden und vorliegen, sie nicht ohne Weiteres für die diversen Anwendungen wie Bilanz, Reporting, Zertifizierung oder Immobilienbewertung verwendbar sind.

Zum einen besteht die bereits erwähnte Hürde "Standards". Gerade bei den neu hinzugekommenen Daten (zum Beispiel CO2, Wasserverbrauch, Müll ...) fehlt es noch an anerkannten Standards oder Möglichkeiten, die Kennzahlen von einem System in das nächste zu überführen. Somit können einmal erhobene Daten vielleicht bereits für die nächste Anwendung vollkommen wertlos sein. Als nächstes geht es um die Verfügbarkeit der Daten. Da wir über große Immobilienbestände sprechen, benötigen wir gut strukturierte Datenbanken und standardisierte Schnittstellen zwischen den verschiedenen Datenbanken.

Wenn auch die Utopie einer großen allgemeinen Datenbank (hoffentlich) am Thema Datenschutz scheitern wird, so ist es doch zwingend notwendig, Standards und Schnittstellen zu entwickeln, die es ermöglichen, bekannte Informationen problemlos für unterschiedliche Zwecke einsetzen zu können. Nur so kann der steigende Aufwand für Reporting, Zertifizierung und Bewertung in einer sich zunehmend professionalisierenden Immobilienwelt im angemessenen Rahmen gehalten werden.

Reporting, Zertifikat, Wertgutachten?

Wenn diese Punkte geklärt sind, müssen die eigentlichen Daten erhoben und anschließend auch regelmäßig aktualisiert werden. Die Qualität der Rohdaten entscheidet letztendlich, wie in jedem Steuerungsinstrument, über die Qualität der hieraus abgeleiteten Auswertungen.

Immobilienbewertung, Bilanzierung und Bestandszertifizierung auf Nachhaltigkeit werden üblicherweise mindestens im Jahresrhythmus aktualisiert. Dieser zunehmende Aufwand, insbesondere, wenn am Ende auch noch nach unterschiedlichen Systemen parallel bilanziert, geratet und zertifiziert werden muss, ist nur unter zwei Voraussetzungen vertretbar.

Zum einen müssen Zertifizierungs- und Ratingsysteme zum Einsatz kommen, die die Erhebung der Daten auf die entscheidenden und allgemein anerkannten Zahlen beschränken und diese müssen möglichst in den Systemen mehrfach verwendbar sein. Das Green Building Certification Institute (Zertifizierungsstelle für Leed) hat im Oktober 2014 GRESB (The Global Real Estate Sustainability Benchmark) übernommen. Es ist zu erwarten, dass dies im Zuge einer Harmonisierung der beiden Systeme geschehen ist und zum Beispiel Daten aus einer Leed-Zertifizierung direkt in die GRES-Benchmark einfließen können.

Zum anderen benötigt es Dienstleister, die in der Lage sind, bei einer jährlichen Ortsbegehung die verschiedenen Anforderungen unterschiedlicher "Anwendungen" gleichzeitig zu erheben. Die vom Dow-Jones-Sustainability-Index zum "Industry Group Leader" im Bereich Versicherung 2014 gekürte Swiss Re macht dies bereits vor. Hier werden die Immobilienbewerter kurzerhand eingesetzt, im Zuge ihrer wiederkehrenden Bewertung des Immobilienbestandes, die Daten für das interne Nachhaltigkeitsrating gleich mit aufzunehmen.

Der Mehrwert dieser Vorgehensweise ist nicht nur darin begründet, dass man, anstatt zwei Experten getrennt voneinander zur Immobilie zu schicken, den Eigentümer nur einmal behelligt und die zweite Anfahrt des Dienstleisters nicht mehr zahlt. Vielmehr führt diese Vorgehensweise zu einem unmittelbaren Erkenntnisgewinn des Gutachters zu den nachhaltigen Eigenschaften der Immobilie. Nur so kann letztendlich gewährleistet werden, dass die nachhaltigen Immobilieneigenschaften sachverständig in die Immobilienbewertung einfließen.

Höhere Werthaltigkeit?

Wie in der Ausgabe 02-2013 im Artikel "Nachhaltigkeit und die Auswirkung auf die Immobilienbewertung" dargelegt, gibt es unterschiedliche Ansätze, sich dieser Fragestellung zu nähern und diverse Studien, die einhellig zu dem Schluss kommen, dass Nachhaltigkeit einen Einfluss auf den Wert von Immobilien hat. Hieran hat sich auch in den letzten eineinhalb Jahren wenig verändert.

Die geforderten empirischen Nachweise für den genauen Aufschlag für Nachhaltigkeit auf den Immobilienwert, ist die Branche nach wie vor schuldig geblieben. Da dieser sicherlich zeitlich, räumlich und nach Nutzungsarten differenziert ausfallen müsste, wäre dies ja auch mindestens eine "Jahrhundertaufgabe" wie die Ermittlung von belastbaren Marktanpassungsfaktoren auf Sachwerte gemäß ImmoWertV für ganz Deutschland und für alle Nutzungsarten. Aber brauchen wir das denn überhaupt? Wir brauchen ja auch keinen empirischen Nachweis dafür, dass 20 Meter hohe, in Marmor ver kleidete Eingangshallen zu einem höheren Wert von Bürogebäuden führen, um diese Hallen tatsächlich zu bauen.

Und um die Frage dennoch zu beantworten: Natürlich sind nachhaltige Immobilien mehr wert als weniger nachhaltige. Die eigentliche Frage ist aber: Sind auf Nachhaltigkeit zertifizierte Immobilien nachhaltiger als andere Immobilien? Halten die Zertifikate, was sie versprechen? Sind Nutzer in zertifizierten Immobilien zufriedener, gesünder und produktiver? Und sind manche nicht zertifizierte Immobilien unter Umständen genauso nachhaltig, nur hat es noch niemand gemerkt?

Die Beweise hierfür stehen noch aus und es ist derzeit unklar, ob alle Versprechen, die mit einer Nachhaltigkeits-Goldmedaille einhergehen auch in der Praxis eingelöst werden können. Die Neubauzertifikate werden zum Zeitpunkt der Fertigstellung der Immobilie vergeben. Aber kann zu diesem Zeitpunkt schon klar sein, ob die Konzepte der Ingenieure auch den Praxistest der Wirklichkeit, der Mieter und der Nutzer der Immobilie bestehen?

Daher ist es auch so wichtig, dass die regelmäßige Zertifizierung von Bestandsgebäuden gelingt. Basierend auf tatsächlichen Energieverbräuchen und unter Einbezug echter Nutzer, die tagtäglich mit der Immobilie "leben" müssen. Und das bei einer regelmäßigen Überprüfung der Situation, um Veränderungen rechtzeitig zu erkennen und so Anpassungen zu ermöglichen. Erst das liefert die notwendigen und belastbaren Daten, um die Qualität und damit den "inneren" Wert einer Immobilie professionell einschätzen zu können.

Der Autor Rüdiger Hornung FRICS, Mitglied des Vorstands, RICS Deutschland Ltd., Frankfurt am Main
Noch keine Bewertungen vorhanden


X