Markt- und Objektbewertung

Green-Building-Zertifikate für Einzelhandelsimmobilien: Bedeutung für die Wertermittlung

Abbildung 1: Was möchte der Bauherr/Projektentwickler mit einer Zertifizierung seines Projektes erreichen? (Angaben in Prozent)

Sogenannte Green-Building-Zertifikate von Organisationen wie BREEAM, LEED und DGNB spielen im Segment Einzelhandelsimmobilien zunehmend eine Rolle. Auch medial erlangt die Gebäudezertifizierung in jüngster Zeit größere Aufmerksamkeit. Handelt es sich um einen vorübergehenden Trend oder wird die Gebäudezertifizierung mittelfristig zum "Standard" und "Must-Have". Da es zum Umgang mit zertifizierten Objekten in der Immobilienbewertung bislang an konkreten Handlungsempfehlungen mangelt, hat die Hypzert-Fachgruppe Einzelhandel*) eine Umfrage unter allen Hypzertzertifizierten Immobiliengutachtern durchgeführt. Red.

Ziel der Umfrage war es, herauszufinden, welche Relevanz die Gebäudezertifizierung derzeit bei den unterschiedlichen Einzelhandelsimmobilientypen hat, welche Beweggründe für eine Zertifizierung ausschlaggebend sind und vor allem bei welchen Wertermittlungsparametern die Gutachter/ innen möglicherweise andere Ansätze im Vergleich zu nicht-zertifizierten Einzelhandelsimmobilien wählen würden.

Repräsentative Umfrageergebnisse

Insgesamt wurden den Teilnehmern elf Fragen gestellt. Die Beteiligung von rund 15 Prozent (etwa 200 Teilneh-mer) aller Hypzert-zertifizierten Gutachter/innen stellt einen guten repräsentativen Querschnitt beziehungsweise ein belastbares Ergebnis dar.

Wegen des derzeit noch geringen Anteils zertifizierter Immobilien im All gemeinen und zertifizierter Einzelhandelsimmobilien im Speziellen (Gesamtzahl zertifizierter Einzelhandelsimmobilien in Deutschland < 100) ist der Anteil an der Gesamtzahl der durchgeführten Wertermittlungen gering, was sich in folgendem Umfrageergebnis entsprechend widerspiegelt: Mehr als die Hälfte aller Umfrageteilnehmer hat bereits Green Building zertifizierte Immobilien bewertet, wobei nur ein geringer Teil (3 Prozent) angibt, dies "oft" zu tun. 45 Prozent gaben an, noch nie zertifizierte Immobilien bewertet zu haben.

Gefragt nach den wichtigsten Beweggründen des Bauherrn für eine Zertifizierung, halten 43 Prozent der Umfrageteilnehmer die bessere Vermietbarkeit/ Verkäuflichkeit des Objektes für den wichtigsten Faktor, gefolgt vom positiven Image, das immerhin noch gut 21 Prozent der Befragten für "besonders wichtig" halten.

Quantitative Faktoren mit untergeordneten Rollen

Eine weniger wichtige Rolle spielen dagegen quantitative Faktoren: Die Senkung der Betriebskosten halten 13 Prozent, die Erzielung einer höheren Nettokaltmiete 11 Prozent sowie die Werthaltigkeit der Immobilie 6 Prozent für den wichtigsten Einflussfaktor ("besonders wichtig"). So gut wie keine Rolle für den Bauherrn spielt der Beitrag zum Klimaschutz.

Kern der Umfrage und aus Bewertungssicht besonders interessant sind die Fragen nach dem konkreten Einfluss der Gebäudezertifizierung auf die Wertermittlungsparameter. Als Vergleichsmaßstab dient jeweils eine konventionell errichtete Immobilie (nach aktuell gültiger EnEV).

Zertifizierte Immobilien tendenziell besser bewertet

Grundsätzlich gaben 70 Prozent der befragten Gutachter an, eine Immobilie mit Zertifikat tendenziell besser zu bewerten als eine konventionell errichtete. 17 Prozent gehen von einem gleichen Wert aus, der Rest der Befragten machte hierzu keine Angaben. Zudem halten zwei Drittel aller Befragten zertifizierte Immobilien für besser vermietbar und verkäuflich.

Auf die Frage nach dem Umgang in den einzelnen Wertermittlungsparametern bei einer Green Building zertifizierten Immobilie im Vergleich zu einer konventionell errichteten ergibt sich folgendes Bild: 84 Prozent würden eher höhere Baukostenansätze wählen, 59 Prozent gehen von einer eher höheren zu erzielenden Nettokaltmiete aus.

Knapp die Hälfte aller Befragten würden eher niedrigere Bewirtschaftungskosten und Liegenschaftszinssätze ansetzen. Den für den Beleihungswert relevanten Kapitalisierungszinssatz würde dagegen eine Mehrheit von 60 Prozent unangetastet lassen.

Liegenschaftszins versus Kapitalisierungszinssatz

Im Liegenschaftszinssatz als durchschnittlicher, marktüblicher Verzinsung des stichtagsbezogenen Marktwertes lässt sich die vermutete bessere Vermietbar- und Verkäuflichkeit zertifizierter Objekte aus Sicht der Umfrageteilnehmer also eher abbilden, als im für den langfristig orientierten, nachhaltigen Beleihungswert maßgeblichen Kapitalisierungszinssatz.

Ein Grund hierfür ist vermutlich die Unsicherheit, ob sich Green-Building- Zertifikate langfristig im Markt etablieren und gegebenenfalls zum "normalen Baustandard" werden. Möglicherweise spielen auch die Mindestkapitalisierungszinssätze der Beleihungswertermittlungsverordnung (BelWertV) eine Rolle, die nicht unterschritten werden dürfen.

Einfluss auf Marktwert größer

Weitere Umfrageergebnisse legen nahe, dass der Einfluss auf den Marktwert tendenziell größer ist als auf den Beleihungswert: 42 Prozent halten im Marktwert eine durchschnittliche Steigerung von 0 bis 5 Prozent, immerhin 45 Prozent sogar eine Steigerung von mehr als 5 Prozent für zertifizierte Immobilien im Vergleich zu nicht-zertifizierten Immobilien für plausibel. Lediglich 13 Prozent gehen von einem unveränderten Marktwert aus. Den Beleihungswert würden dagegen 34 Prozent unverändert lassen beziehungsweise 43 Prozent um maximal 5 Prozent anheben.

Bezüglich der Relevanz von Green-Building-Zertifizierungen auf unterschiedliche Einzelhandelsimmobilienarten ist das Urteil der Umfrageteilnehmer eindeutig. Mit Abstand die größte Bedeutung wird bei den in der Regel "hochpreisigeren" und komplexeren Shoppingcentern und Geschäftshäusern gesehen: 47 Prozent beziehungsweise 41 Prozent halten die Zertifizierung hier für "besonders wichtig."

Struktur der Marktteilnehmer

Möglicherweise spielt auch die Struktur der Marktteilnehmer eine Rolle: International agierende Investoren sowie sich in der Öffentlichkeit ausdrücklich der Nachhaltigkeit verpflichtende große Unternehmen investieren häufiger in diesen Immobilientyp.

Gefragt nach der Beurteilung der zukünftigen Bedeutung von Green-Building-Zertifikaten, schließen sich 64 Prozent der Aussage an, dass auch nur einzelne Neubauobjekte ein Green-Building-Zertifikat erhalten.

Dagegen sehen 26 Prozent Green-Building-Zertifikate als echten Standard, der Gebäude ohne Zertifikat dann im Markt als "Verlierer" dastehen lässt. Für einen "vorübergehenden Trend" halten die Green-Building-Zertifizierung nur 3 Prozent der Umfrageteilnehmer.

Auch wenn sich die Umfrageteilnehmer einig sind, dass die Green-Building-Zertifizierung nicht "als vorübergehender Trend" zu klassifizieren ist, so ist man im Bereich Einzelhandelsimmobilien angesichts einer immer noch geringen Anzahl zertifizierter Gebäude von einer flächendeckenden Verbreitung weit entfernt. Ein genereller Trend hin zu einer flächendeckenden Zertifizierung ist derzeit nicht zu beobachten.

Vorteilhaft für Immobilienwert

Insgesamt wird die Zertifizierung durchaus als vorteilhaft für den Immobilienwert eingeschätzt. Marketing und Imagegründe sowie eine bessere Vermietbarkeit und Verkäuflichkeit sind derzeit wohl die stärksten Argumente, die aus Sicht des Bauherrn für eine Zertifizierung sprechen. Attraktiv ist die Zertifizierung nach Meinung der Umfrageteilnehmer derzeit vor allem im Bereich tendenziell hochpreisiger und komplexer Shoppingcenter und Geschäftshäuser.

Es bleibt abzuwarten, ob und inwieweit sich Green-Building-Zertifikate im Bereich der Einzelhandelsimmobilien etablieren können und sich gegebenenfalls auf relevante Marktparameter wie Nettomietniveau und Kaufpreise auswirken. Erst dann wird sich zeigen, ob die Green-Building-Zertifizierung in Zukunft als "Add-on" und werter höhend anzusehen ist oder umgekehrt nicht-zertifizierte Immobilien im Markt niedriger bewertet werden.

*) Die Fachgruppe Einzelhandel ist ein Expertengremium, welches sich unter dem Dach der Hypzert GmbH mit der Bewertung von Einzelhandelsimmobilien befasst und zuletzt Anfang 2013 die Aktualisierung ihrer Studie "Bewertung von Einzelhandelsimmobilien" veröffentlichte. Der nachfolgende Text basiert im Wesentlichen auf Ausführungen der Fachgruppe. Mitglieder der Fachgruppe Einzelhandel: Anja Frankemölle (Helaba Gesellschaft für Immobilienbewertung mbH), Manuel Jahn (GfK Geo-Marketing GmbH), Gerd Köpp (KSC GmbH), Carolin Lutz-Herrmann (Unicredit Bank AG), Paul Mattes (Landesbank Baden-Württemberg), Jens Rödiger (Kenstone GmbH), Carsten Vogt (Norddeutsche Landesbank Girozentrale).

Der Autor Matthias Fischer Referent, HypZert GmbH, Berlin
Matthias Fischer , Manager Bewertung , Verband deutscher Pfandbriefbanken (vdp), Berlin

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