PRIVATE WOHNUNGSBAUFINANZIERUNG

"100-PROZENT-FINANZIERUNGEN GEHÖREN AUSDRÜCKLICH NICHT ZUM STANDARD IN UNSEREM KREDITGESCHÄFT"

Eva Wunsch-Weber, Foto: Frankfurter Volksbank

Selbst erfolgreichen Primärbanken fällt es zunehmend schwerer, gegen die negativen Folgen der EZB-Geldpolitik und der steigenden Belastungen aus Regulierung und Digitalisierung anzuwirtschaften. Traditionell spielt die Immobilienfinanzierung sowohl mit Privat- als auch Firmenkunden ein gewichtige Rolle, die in diesen Zeiten noch steigt. Dabei zahlt sich aus, nicht nur auf die Finanzierung zu setzen, sondern sich entlang der Wertschöpfungskette möglichst breit aufzustellen. Für die Frankfurter Volksbank hat das eine lange Tradition, wie die Vorstandsvorsitzende im Redaktionsgespräch erläutert. Neben der reinen Baufinanzierung ist ihr Haus schon seit Längerem in der Immobilienvermittlung ebenso wie der Immobilienverwaltung tätig. Seit Kurzem betreibt die Frankfurter Volksbank nun sogar noch eine eigene Kreditvermittler-Plattform. Mit dem Unternehmensstart ist sie sehr zufrieden, so Frau Wunsch-Weber, die auch keine Konkurrenzsituation zur genossenschaftlichen Plattform Baufinex sieht. Trotz der hohen Bedeutung der Immobilienfinanzierung betont sie die Wichtigkeit von strengen Kreditstandards. Red.

Frau Wunsch-Weber, ein bewegtes Jahr liegt hinter allen Banken. Für die Frankfurter Volksbank ist es - einmal mehr - sehr gut gelaufen. Was zeichnet Ihr Haus aus?

Service und Kundennähe und die Bereitschaft auch mal Neues zu wagen, zeichnen unser Haus aus. Darüber hinaus haben wir unsere Multikanalstrategie konsequent weiter ausgebaut, um für unsere Kundinnen und Kunden auf allen Wegen erreichbar zu sein.

Das Geschäftsfeld Immobilien ist immer schon sehr wichtig für die Primärbanken gewesen, das nimmt in Niedrigstzinszeiten immer noch zu. Mittlerweile ist Ihr Haus rund um das Thema Immobilie sehr breit aufgestellt. Wie hat sich das Geschäftsfeld zu dem entwickelt, was es heute ist?

Immobilien gehören für die Frankfurter Volksbank schon immer zu ihrem Kerngeschäftsfeld. Dabei geht es längst nicht nur um die klassische Baufinanzierung. Über unsere Tochter, die Immobilien Gesellschaft mbH, vermitteln wir auch Immobilien in unserem Geschäftsgebiet. Darüber hinaus verwalten wir ein umfassendes Immobilienportfolio, was sich zum einen aus den Bankgebäuden unserer Fusionspartner und zum anderen aus Investitionen in Vermietungsobjekte zusammensetzt. In all diesen Bereichen profitieren wir von unserem Wissen über den attraktiven Immobilienmarkt in unserem Geschäftsgebiet in einer der wirtschaftlich prosperierenden Regionen Deutschlands.

Viele Banken und Sparkassen hatten in den vergangenen Jahren ein sehr dynamisches Wachstum in der privaten Immobilienfinanzierung zu verzeichnen. Wie war das im Fall der Frankfurter Volksbank?

Auch wir konnten in den vergangenen Jahren ein dynamisches Kreditwachstum, insbesondere bei den privaten Baufinanzierungen verzeichnen. Sie sind seit Jahren unverändert ein wesentlicher Teil unseres Kreditgeschäftes. Aufgrund der anhaltend niedrigen Zinsen und des steigenden Mietniveaus haben viele unserer Kunden die Entscheidung getroffen, eine Immobilie zur Eigennutzung oder als Kapitalanlage zu erwerben. In den vergangenen Jahren konnten wir auch vermehrt Neukunden gewinnen, die eine Immobilienfinanzierung über einen Kreditvermittler suchten.

Inwieweit hat Corona daran etwas geändert?

Ehrlich gesagt, waren wir etwas überrascht, dass Corona nicht wirklich etwas an der Nachfrage nach privater Immobilienfinanzierung geändert hat. Zu Beginn des ersten Lockdowns war ein kurzes "Atem-Anhalten" zu verspüren. Aber dann setzte sich die Nachfrage nach ein paar Wochen unverändert fort. Die Rahmenbedingungen haben sich aber auch nicht wirklich verändert. Aufgrund der EZB-Politik ist weiterhin mit niedrigen Zinsen zu rechnen. Der Immobilienmarkt, insbesondere im Wohnungsbau, zeigt sich in unserer Region weiterhin sehr stabil. Die Nachfrage hat sich vielleicht aufgrund der Konsequenzen aus dem Lockdown etwas zugunsten des Umlandes verschoben.

Gibt es aktuell erhöhte Risiken oder Herausforderungen beim Abschluss einer Baufinanzierung?

Nein, im Rahmen unseres Beratungsansatzes ist es immer wichtig, dass unsere Kundinnen und Kunden mit hoher Wahrscheinlichkeit in der Lage sein werden, den Kredit für ihre/seine Immobilie zu bedienen. Hierzu gehört es natürlich auch, mögliche und wahrscheinliche Einkommenseinbußen in der Beratung zu berücksichtigen. Dies haben wir auch schon vor den aktuellen wirtschaftlichen Herausforderungen der Corona-Pandemie berücksichtigt.

Stichwort Risiko: Die Bankenaufsicht warnt seit geraumer Zeit vor steigenden Risiken für Banken im Kontext der Wohnungsbaufinanzierung. Was ist dran an aufgeweichten Kreditstandards? Steigt zum Beispiel der Anteil von 100-Prozent-Finanzierungen oder Ähnliches?

Wir sind weder vor noch nach der Pandemie von unseren bewährten Kreditstandards abgewichen. Wir bewahren diese aus eigener Risikobetrachtung, aber auch aus Verantwortung unseren Kundinnen und Kunden gegenüber. So gehört zu einer soliden Baufinanzierung nach unserem Verständnis auch ein angemessener Eigenkapitaleinsatz. Sicherlich haben wir auch die eine oder andere 100-Prozent-Finanzierung im Portfolio. Diese Finanzierungen sind dann aber gekoppelt mit einem hohen Tilgungssatz, zusätzlicher Besicherung oder der ausgezeichneten Bonität des Kunden. Diese Art der Finanzierung zählt aber ausdrücklich nicht zum Standard in unserem Kreditgeschäft.

Wie haben Sie in den vergangenen Pandemie-Monaten die Themen Service und Beratung in der Baufinanzierung gehandhabt?

Die Verunsicherung war sowohl bei Kunden als auch Mitarbeitern zu spüren. Selbstverständlich hatte in der gesamten Pandemie die Sicherheit unserer Kunden und Mitarbeiter immer höchste Priorität: Deshalb haben wir bei einem ausdrücklichen Kundenwunsch nach einem Präsenztermin in unseren Filialen besonders intensiv auf die Einhaltung der Hygiene- und Abstandsregeln geachtet. Parallel dazu haben wir unser Videoberatungsangebot ausgebaut und unsere Beratungstools noch wesentlich fokussierter auf die Videoberatung ausgerichtet. Viele unserer Kunden - auch solche, die bislang der Videoberatung skeptisch gegenüberstanden - haben dieses Angebot gerne angenommen. Natürlich hatten wir auch kleinere technische Hindernisse zu bewältigen, die aber Kunden wie Berater souverän meisterten.

Rechnen Sie in diesem Zusammenhang mit einem nachhaltigen Schub für die Digitalisierung von Prozessen in der Baufinanzierung in Ihrem Haus wie in der Genossenschaftlichen Finanzgruppe?

Wir haben während der Pandemie die Erfahrung gemacht, dass vieles über digitale Wege funktioniert. Diese Entwicklung wird nach unserer Auffassung auch nicht mehr umkehrbar sein. Im Genossenschaftlichen Finanzverbund wird aktuell gerade die Digitalisierung der Prozesse vorangetrieben. Hierzu gehört auch die Baufinanzierung. Allerdings zeigen sowohl unsere Erfahrungen als auch Marktbefragungen, dass Kundinnen und Kunden insbesondere in für sie so wesentlichen Entscheidungen wie einer Baufinanzierung die persönliche Beratung mit einem direkten Gegenüber sehr schätzen. Wir gehen also davon aus, dass künftig für eine Baufinanzierung eine Beratung und Abwicklung über alle Kanäle (persönlich und digital) angeboten werden muss.

Stichwort Digitalisierung: Im Juni ist Ihre Plattform-Tochter LifeCredit - Die Kreditvermittler GmbH an den Start gegangen. Wie genau funktioniert diese und wie zufrieden sind Sie mit der bisherigen Entwicklung?

Unsere LifeCredit vermittelt - anbieterunabhängig - private Immobilienfinanzierungen. Wir bieten den Kundinnen und Kunden von LifeCredit den Zugang zu über 450 Banken und Sparkassen in ganz Deutschland. Technisch bedienen wir uns des etablierten Partnernetzwerks "Baufinex", wir haben aber keine eigene Plattform im Aufbau, sondern bedienen uns der beiden etablierten Technikanbieter Hypoport/Europace und Interhyp/ eHyp. Mit unserer neuen Tochter möchten wir gezielt ein Angebot für jene Kunden etablieren, die sonst den Weg nicht in eine Filialbank finden würden, nämlich die Generation "Google" und "Idealo". Die LifeCredit setzt hierbei auf eine hochwertige Beratung, verbunden mit durchgängig digitalen und somit sehr schnellen Prozessen. Dabei ergänzen wir unser digitales Angebot durch die telefonische Beratung oder die Videoberatung unserer Finanzierungsspezialisten. Und falls ein Finanzierungsinteressent persönlich vor Ort beraten werden möchte: Die Life-Credit ist am Standort in Frankfurt auch direkt erreichbar.

Wie sehen Ihre ersten Erfahrungen aus?

Mit der LifeCredit sind wir planmäßig und pünktlich zum 1. Juni gestartet. Der Kauf einer Immobilie und der Abschluss einer Finanzierung will mit Bedacht entschieden werden. Die Entscheidung über eine Immobilienkreditaufnahme treffen Finanzierungssuchende nicht über Nacht. Wir konnten mit LifeCredit jedoch bereits in den ersten Wochen eine Vielzahl konkreter Finanzierungsvorhaben zur Prüfung durch die kreditgebenden Banken verzeichnen. Auch unsere Entscheidung, Förderdarlehen stets aktiv zu prüfen und zu beraten, ist in den Gesprächen ausdrücklich gelobt worden. Nach so kurzer Zeit können wir noch keine aussagekräftigen Zahlen präsentieren, aber: Wir sind mit dem Unternehmensstart sehr zufrieden.

Nutzt Ihr Institut selbst die Plattform?

Unsere Kundinnen und Kunden vertrauen seit mehr als 155 Jahren unserer Frankfurter Volksbank und profitieren damit von der engen Beziehung zu ihren Spezialisten in unserer Bank. Diesem Vertrauen unserer Kundinnen und Kunden tragen wir besonders Rechnung: Die Beraterinnen und Berater der FVB treten nicht als Kreditvermittler auf und wir verzichten ausdrücklich auf den Verkauf von störungsfreien Forderungen an Dritte.

Was genau ist der (monetäre) Nutzen der Kreditvermittlung?

Zunächst schaffen wir ein Leistungsangebot für Kundinnen und Kunden, die sonst nicht mit einem Unternehmen der Frankfurter Volksbank in Berührung gekommen wären. Die LifeCredit erhält für die abgeschlossenen Darlehen eine Vermittlungsprovision. Diese wird von der finanzierenden Bank gezahlt, transparent in den Kundenangeboten ausgewiesen und ist bereits in der Kalkulation der Konditionen enthalten. Für die Kundinnen und Kunden der LifeCredit entstehen keine Kosten für die Beratung und Vermittlung.

Mit Baufinex verfügt die Genossenschaftliche Finanzgruppe bekanntlich bereits über einen digitalen Vermittlermarktplatz für Baufinanzierungen. Inwieweit tritt die Frankfurter Volksbank mit LifeCredit dazu nun in Konkurrenz?

Wie bereits erwähnt, haben wir keinen eigenen Marktplatz im Aufbau. Wir nutzen den bestehenden Marktplatz (Baufinex) aktiv und haben die technischen Möglichkeiten der Plattform durch die Einbindung unserer digitalen Beratungsassistentin "Laura" nochmals hinsichtlich der Wünsche und Fragen unserer Zielgruppe der Finanzierungssuchenden geschärft.

Über Baufinex nutzen wir die etablierten genossenschaftlichen Strukturen und Unternehmen.

Welche Implikationen haben solche virtuellen Marktplätze eigentlich für das genossenschaftliche Regionalprinzip?

Virtuelle Marktplätze und Plattformen sind heute bereits fester Bestandteil unserer digitalen Welt - sowohl beruflich als auch im Privaten. Diesem veränderten Kundenverhalten passt sich auch die genossenschaftliche Finanzgruppe mit ihrem Leistungsportfolio an - siehe Baufinex. Das Regionalprinzip der genossenschaftlichen Kreditinstitute wird dabei auch weiterhin Bestand haben, doch auch wir Genossenschaftsbanken suchen nach Möglichkeiten, Geschäft zu generieren, das über unsere bestehenden Vertriebskanäle noch nicht abgedeckt wird. Digitale Services und persönliche Beratung stehen für uns dabei nicht in Konkurrenz zueinander, sondern ergänzen sich gegenseitig. So sprechen wir mit LifeCredit eben gezielt jene Gruppe an, die wir mit unserem vorhandenen Serviceangebot bislang nicht erschlossen haben.

Bergen solche Konzepte nicht immer auch die Gefahr, die Kundenschnittstelle zu verlieren und zum bloßen Produktlieferanten degradiert zu werden?

Nein. Wir glauben für unsere Frankfurter Volksbank weiterhin an unsere feste Kundenbindung und unser Prinzip der Lebenspartnerschaft. Gerade der Kauf einer Immobilie und die dazugehörige Finanzierung sind für viele Kundinnen und Kunden eine einmalige Entscheidung im Leben, die der Unterstützung von Spezialisten bedarf.

Richtig ist aber auch: Die Möglichkeit, Angebote bequem und zu nahezu jeder Zeit von nahezu jedem Ort der Welt erledigen zu können, hat auch die Finanzierungskunden erreicht. Wir können das Verhalten der Kundinnen und Kunden nicht verändern. Wollen wir die Kunden nicht an Fintechs, Direktbanken oder Ähnliches verlieren, braucht es attraktive Angebote, die den Kunden dort auf seiner "Customer Journey" abholen, wo er gedanklich gerade Unterstützung oder ein Angebot benötigt.

Hierfür bieten wir auch in der Frankfurter Volksbank ein attraktives digitales Angebot, verbunden mit unserer mehrfach ausgezeichneten Baufinanzierungsberatung. Unsere Kundinnen und Kunden haben auch im vergangenen Pandemiejahr diese Beratung aktiv nachgefragt. Mit unserer Videoberatung konnten wir kompetent und sicher deren Finanzierungsvorhaben begleiten und passende Finanzierungs konzepte auch ohne den persönlichen Kontakt in unseren Geschäftsstellen ermöglichen. Mit unserem eigenen, filialgestützten Beratungsangebot und dem digital fokussierten Angebot der LifeCredit sehen wir eine zukunftsweisende Aufstellung für die kommende Generation der Finanzierungskunden.

Wie sieht der typische Baufinanzierungskunde der Frankfurter Volksbank aus (Alter, durchschnittliche Finanzierungssumme, Beleihungsauslauf et cetera)?

Den typischen Baufinanzierungskunden gibt es nicht. Aufgrund unseres Lebenspartnerschaftskonzeptes begleiten wir unsere Kundinnen und Kunden eben auch in allen Fragen, die sich im Zusammenhang einer Immobilienfinanzierung während ihres Lebens ergeben. Dies kann die Finanzierung des Eigenheims einer jungen Familie sein, der Erwerb einer Wohnung oder eines größeren Mietobjektes als Kapitalanlage zum Vermögensaufbau oder die energetische Sanierung eines Bestandsobjektes. Bei den sogenannten "Best Ager" kann die Finanzierung eines altersgerechten Umbaus anstehen oder die Verkleinerung der Wohnsituation durch Umzug aus dem selbstgenutzten Einfamilienhaus in eine neu erworbene Eigentumswohnung. So unterschiedlich der Anlass der Immobilienfinanzierung ist, so verschieden sind Alter, finanzielle Rahmenbedingungen und Finanzierungsbedarf unserer Kundinnen und Kunden.

Und wie ist dabei die Verteilung zwischen Selbstnutzern und Kapitalanlegern? Steigt die Bedeutung der Immobilienanlage im (gehobenen) Privatkundensegment?

Wir haben nach wie vor einen großen Anteil an Kundinnen und Kunden und vor allem an Neukunden (über Vermittler), die eine Immobilie zur Eigennutzung erwerben. Allerdings hat seit der Niedrigzinssituation die Kapitalanlage in Immobilien zur Erzielung konstanter Mieteinnahmen an Bedeutung gewonnen. Zu beachten ist allerdings, dass aufgrund der gestiegenen Kaufpreise die Rentabilität dieser Immobilien gesunken ist, sodass die günstigen Finanzierungskosten zum Teil ausgeglichen werden.

Zum Abschluss: Welche Wünsche hätten Sie mit Blick auf die näher rückende Bundestagswahl? Braucht es beispielsweise ein Baukindergeld 2.0?

Wir hoffen, dass von Politik und Regierung auch zukünftig Angebote und Anreize für junge Menschen und Familien geschaffen werden, in Wohneigentum zu investieren. Hier ist sicher nicht nur die Bundesregierung gefragt, sondern auch die Entscheidungsträger auf Länder- und Kommunalebene sollten mitziehen. Denn der Drang zum Eigenheim ist keine Generationenfrage: Auch für viele jüngere Menschen ist eine eigene Immobilie einer der größten Lebensträume und ein Ziel, auf das - auch mit vorausschauendem Blick auf die eigene Altersvorsorge und Absicherung - lange hingearbeitet wird. Vor allem in den teuren Ballungsräumen wie Frankfurt/ Rhein-Main wird dies jedoch zu einer immer größeren Herausforderung, besonders für Familien.

ZUR PERSON EVA WUNSCH-WEBER Vorsitzende des Vorstands, Frankfurter Volksbank, Frankfurt am Main
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