NACHHALTIGKEIT

"NUR AKTIVES ENGAGEMENT UND DER DIALOG MIT DEN STAKEHOLDERN KÖNNEN VERÄNDERUNGEN HERBEIFÜHREN"

Mirjam Raschka, Foto: Fidelity

Der noch junge Markt für Green Buildings boomt gewaltig: Nach Angaben von BNP Paribas Real Estate fließt inzwischen mehr als jeder fünfte Euro des jährlichen Transaktionsvolumens in Deutschland in nachhaltig zertifizierte Immobilien - egal ob Neubau oder Bestand. Bei Bürogebäuden liegt der Anteil sogar bei über 30 Prozent. Investment und Asset Manager haben also die Zeichen der Zeit erkannt. Auch bei Fidelity genießt das Thema höchste Priorität. Im Redaktionsgespräch mit "Immobilien & Finanzierung" erörtert Mirjam Raschka, Head of European Asset Management, unter anderem die Integration von Nachhaltigkeitskriterien in Investment- und Vermietungsprozessen sowie die konkreten Vorteile, die sich aus Bewertungssystemen wie GRESB ergeben. Red.

Frau Raschka, das Thema Nachhaltigkeit ist in aller Munde. Welchen Stellenwert nimmt es im Immobilien-Asset-Management von Fidelity ein?

Es ist absolut elementar für uns! Nachhaltigkeit ist vollständig in den Investmentprozess integriert. Wir führen bei jeder Ankaufsprüfung eine Nachhaltigkeitsanalyse der Immobilie durch, um Risiken aber auch Verbesserungspotenziale zu identifizieren. Das machen wir mithilfe unabhängiger externer Spezialisten, aber auch mit unserem eigenen Fidelity-Research.

Im laufenden Asset Management setzen wir dann gezielt Energieeffizienzmaßnahmen um. Das kann von kleineren Maßnahmen bis zu umfassenden Sanierungen reichen. Einen sehr hohen Stellenwert nimmt die Zusammenarbeit mit unseren Mietern und Dienstleistern ein, denn wir können nur einen Teil des laufenden Betriebes und der Lieferketten kontrollieren. Bis wir Nachhaltigkeitserwägungen vollständig in Mietverträge und Dienstleistungsverträge integrieren können, wird noch Zeit vergehen. Das ist ein Prozess. Wir setzen daher auf den kontinuierlichen Dialog, um gemeinsam positive Veränderungen zu erzielen.

Wo steht Ihr Portfolio hinsichtlich der CO2-Verbräuche aktuell und wo soll die Reise hingehen?

Wir arbeiten sehr hart daran, die Verfügbarkeit und Qualität der Verbrauchsdaten kontinuierlich zu verbessern. Das schließt auch die durch unsere Mieter kontrollierten Verbräuche ein. 2019 haben wir erstmals quantitative Reduktionsziele festgelegt, nicht nur für CO2, sondern auch für Energie, Wasser, Abwasser und Abfall. Im Vergleich zum Basisjahr 2018 konnte die CO2-Intensität gemessen in Kilogramm CO2-Äquivalenten pro Quadratmeter im Jahr 2019 um rund 12 Prozent gesenkt werden.

Unser Ziel muss es sein, für jede Immobilie im Portfolio einen Pfad in Richtung Netto-Null-Emissionen festzulegen und zu verfolgen - und dies systematisch in zukünftige Investitionsentscheidungen einzubeziehen. Das schließt Ankäufe, Verkäufe und Sanierungen im Bestand ein.

Schätzen Ihre Mieter solche Bemühungen überhaupt? Schließlich steigen durch die Maßnahmen deren Mieten ...

Im Gegenteil: Die Mieter profitieren von Energieeinsparpotenzialen im laufenden Betrieb, was die Immobilien wettbewerbsfähig hält und hilft, das Mietniveau zu sichern. Außerdem muss man sehen: Der überwiegende Teil der Investitionen in Energieeffizienzmaßnahmen erfolgt im Rahmen von investiven Mehrjahresplänen oder Sanierungen. Das sind Lebenszykluskosten, die nicht von den Mietern getragen werden.

Viele unserer Mieter sind außerdem bereit, die nachhaltige Bewirtschaftung der Immobilie zu priorisieren und neben Umweltaspekten wie etwa dem Energieverbrauch auch soziale Faktoren zu berücksichtigen. Wir sprechen da beispielsweise über die Schaffung lokaler Arbeitsplätze und Unterstützung kleinerer Unternehmungen. Wenn man aktiv in den Dialog geht, erfährt man, wie viel Umdenken hier tatsächlich schon stattgefunden hat.

Beim ESG-Assessment des Global Real Estate Sustainability Benchmark (GRESB) ist Fidelity seit mehreren Jahren vertreten. Wie genau funktioniert dieses Bewertungssystem und welche Ziele verfolgen Sie damit?

Wir möchten unseren Kunden gegenüber transparent sein. Sie sollen uns mit anderen Marktteilnehmern vergleichen können und deswegen stellen wir uns einem standardisierten und international akeptierten Benchmarking wie dem GRESB. Das GRESB-Bewertungssystem bewertet zum einen Managementkomponenten, das heißt die Strategie, Richtlinien, Prozesse, Risikomanagement und Stakeholder-Engagement.

Zum anderen werden Performancekomponenten betrachtet, also die Verfügbarkeit von Verbrauchsdaten auf Immobilienebene und die Entwicklung von Energie-, CO2- und Wasserverbrauch sowie Abfallaufkommen. Auch getätigte Energieeffizienzmaßnahmen und die Verfügbarkeit von Nachhaltigkeitszertifizierungen wie DGNB oder BREEAM finden Berücksichtigung. Dabei berücksichtigt GRESB die relative Performance im Vergleich zur zugewiesenen Peer Group.

Welche konkreten Maßnahmen hat Fidelity bislang infolge der Teilnahme am GRESB-Rating ergriffen?

Das GRESB-Assessment bietet vor allem einen sehr guten Rahmen, alle Nachhaltigkeitsaktivitäten strukturiert zu dokumentieren. In diesem Bereich hat die Teilnahme an GRESB sicherlich den größten Effekt gehabt. Dokumentation klingt vielleicht nicht super aufregend, ist aber extrem wichtig.

Viel wird derzeit auch über die Implikationen der EU-Taxonomie - ein weiteres Klassifikationssystem - spekuliert. Was erwarten Sie davon, insbesondere mit Blick auf Immobilieninvestments?

Wir erwarten speziell zwei Dinge: Erstens mehr Transparenz und zweitens über die kommenden Jahre eine erhebliche Verbesserung der allgemeinen Datenlage zur Nachhaltigkeitsperformance. Das wird letztlich zu besser informierten Allokationsentscheidungen führen, die durch Investitionen ausgelöste positive wie negative Effekte auf Klima und Ökosysteme einbeziehen.

Wird am Investmentmarkt heute denn bereits bewusst zwischen nachhaltigen und energetisch veralteten Gebäuden unterschieden? Sprich gibt es für Letztere eine Art "Brown Discount"?

Ja. Immer mehr Investoren analysieren und bepreisen die erwarteten energetischen Sanierungsmaßnahmen ihres Portfolios und potenzieller Ankäufe und legen dabei das langfristige Ziel von Netto-Null-Emissionen zugrunde. Das schlägt sich in entsprechenden Kaufpreisabschlägen nieder.

Gerade bei Bestandsimmobilien gestaltet sich die Energiewende in Europa bislang sehr schleppend. Wie kann da in Ihren Augen mehr Schwung reinkommen?

Das Angebot an energieeffizienten Gebäuden ist begrenzt und jährlich werden nur in etwa ein bis zwei Prozent des Immobilienbestands erneuert. Die Mehrheit der Immobilien, die bis 2050 klimaneutral sein sollen, existiert bereits heute. Nicht jeder Investor kann oder will Wertsteigerungspotenziale aus Bestandssanierungen realisieren, und der Preis-Spread zwischen "grünen" und "braunen" Immobilien wird größer werden. Diese Preiskorrekturen werden mittelfristig die Investitionen in Bestandssanierungen und sanierungsbedürftige Immobilien wirtschaftlich attraktiver und damit den Immobilienbestand insgesamt nachhaltiger machen.

Bekommen Sie als institutioneller Investor eigentlich Fördermittel aus den diversen Klimapaketen?

Wir erhalten keine Fördermittel.

Und wie verhält es sich am Vermietungsmarkt? Werden hier für Green Buildings gegebenenfalls Mietzuschläge gezahlt?

Mieter legen bei ihren Entscheidungen nicht nur die Höhe der Miete, sondern auch die der Betriebskosten zugrunde. Und energieeffiziente Gebäude ermöglichen signifikante Betriebskosteneinsparungen. Immobilien, deren technische Gebäudeausstattung und Betrieb an Nachhaltigkeitskriterien orientiert ist, bieten einen höheren Nutzerkomfort. Diese Faktoren schlagen sich dann auch in den nachhaltig erzielbaren Mieten nieder.

Stichwort Green Buildings: Mitunter gibt es Stimmen, die die Zertifikate als "Greenwashing" bezeichnen. Was entgegnen Sie dem?

Nun, eine Zertifizierung allein macht eine Immobilie in der Tat nicht per se nachhaltiger. Es lohnt in jedem Fall, sich beim Zertifikatshalter nach den mit der Zertifizierung verbundenen Zielen zu erkun digen. Nachhaltigkeitszertifizierungen wie DGNB oder BREEAM sind aber grundsätzlich schon in vielerlei Hinsicht hilfreich und spielen in der Kommunikation mit Kunden, Mietern und potenziellen Käufern der Immobilie deswegen auch eine wichtige Rolle.

Sie können zielgerichtet eingesetzt werden, um den Immobilienbestand im Rahmen einer übergeordneten Nachhaltigkeitsstrategie kontinuierlich zu verbessern und so letzten Endes zur Erreichung der globalen Klimaziele beizutragen. Das tun wir mit unseren Portfolien. Wir lassen zertifizieren und bauen auf den Erkenntnissen aus der Zertifizierung auf, um Energieeffizienzmaßnahmen und Investitionsbedarf für die Zukunft abzuleiten. Die Zertifizierung an sich gibt einen ersten Anhaltspunkt und die Folgezertifizierungen, die bei Bestandsimmobilien in der Regel alle drei Jahre erfolgen, zeigen den in der Zwischenzeit erzielten Fortschritt.

Welchen Einfluss hat die Corona-Pandemie?

Die Corona-Pandemie hat bislang keinen spürbaren Einfluss auf unsere Investitionen in Bestandsobjekte oder auf Neuinvestitionen gehabt. Im Gegenteil haben wir aktiv Gespräche mit unseren Bestandsmietern gesucht, um vorzeitig Verträge zu verlängern. Darin wollen wir dann auch Nachhaltigkeitsklauseln vertraglich verankern, sofern das noch nicht der Fall ist. Das betrifft in erster Linie den Austausch von Verbrauchsdaten, aber auch die Möglichkeit, die Immobilien nachhaltiger zu bewirtschaften. Soziale Verantwortung ist ebenso Teil unserer Nachhaltigkeitsstrategie, weshalb wir besonders von der Pandemie betroffenen kleinen Mietern, deren Existenz akut bedroht war, vorübergehende Mietreduktionen angeboten haben.

Besteht die Gefahr, dass das Thema aufgrund der vielerorts Priorität genießenden Krisenbewältigung in den Hintergrund rückt?

Wir sind in der glücklichen Lage auch 2020, trotz der gegenüber Mietern gewährten Unterstützungen, über 95 Prozent der Mieten eingenommen zu haben. Wir haben in dieser Zeit den Dialog mit unseren Mietern noch weiter intensiviert und dabei auch unsere Nachhaltigkeitsziele vorantreiben können. Insofern hat die Krise auch Fortschritte gebracht.

Wenn Sie sich mit Kollegen aus anderen Bereichen austauschen: Wo steht die Assetklasse Immobilien im direkten ESG-Vergleich?

Fidelity's Nachhaltigkeitsansatz umfasst alle Assetklassen gleichermaßen und wir haben vieles gemeinsam. Alle arbeiten aktiv an mehr Transparenz und an der Schaffung einer qualitativ hochwertigen Datenbasis, die es ermöglicht, Nachhaltigkeitsaspekte mess bar zu machen und so in Investitionsentscheidungen einzubeziehen. Wir teilen viele Herausforderungen, aber auch die Überzeugung, dass nur aktives Engagement und der Dialog mit den Stakeholdern die nötigen positiven Veränderungen herbeiführen können.

ZUR PERSON MIRJAM RASCHKA Head of European Asset Management, Fidelity International, München
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