Aufsätze

Anlegerschutz - Stärke des Fondsstandorts?

Können hohe Anlegerschutz-Standards ein Standortvorteil sein? Fest steht: Das Niveau an Anlegerschutz, das der Investmentfondsstandort Deutschland bietet, wurde in der Vergangenheit kontinuierlich ausgebaut. Hierzu haben gleichermaßen der gesetzliche Rahmen (zuletzt die Novellierung des Investmentgesetzes) und die Selbstregulierung der Branche (Wohlverhaltensregeln des BVI) beigetragen. Im Ergebnis kann vorab festgestellt werden: Die An-legerschutz-Standards deutscher Fondsgesellschaften sind auf dem besten Wege, sowohl im internationalen Vergleich als auch im Wettbewerbsvergleich eine führende Position einzunehmen.

Transparenzstandards

Die Transparenz von Investmentfonds wird auf wichtigen Feldern weiter steigen. Damit werden Markt- und Wettbewerbsmechanismen verbessert, die es letztlich dem Anleger erleichtern, Angebote zu vergleichen und seine Interessen zu vertreten. Einige wesentliche Maßnahmen:

Gesamtkostentransparenz: Die Gesamtkostenquote (TER) wird schon seit einigen Jahren angegeben. Künftig wird, zur Vermeidung von Missverständnissen, explizit darauf hingewiesen, dass Transaktionskosten, die bei der Ausführung von Anlagegeschäften für den Fonds entstehen, nicht in der Gesamtkostenquote enthalten sind. Das heißt nicht, dass die deutsche Fondsbranche dem Ausweis von Transaktionskosten ablehnend gegenübersteht. Ein wesentlicher Teil der Transaktionskosten, vor allem bei sogenannten Nettogeschäften, lässt sich nicht der Rechnungslegung des Fonds entnehmen. Dem Ausweis der Transaktionskosten stehen deshalb derzeit noch signifikante technische Probleme entgegen. Erst wenn einheitliche Standards für die Erfassung und Berechnung der kompletten Transaktionskosten bestehen, wird ein Ausweis der kompletten Gesamtkosten realistisch sein.

Vertriebskostentransparenz: Seit jeher ausgewiesen werden Verwaltungskosten und der Ausgabeaufschlag, der im Wesentlichen der Deckung der Vertriebskosten dient. Dagegen wurde der Teil der Verwaltungsvergütungen, der Vertriebspartnern zufließt, bisher nur qualitativ angegeben. Mit der Umsetzung der europäischen Finanzmarktrichtlinie (MiFID) werden allerdings seit Ende 2007 Banken und andere Vermittler von Investmentfonds verpflichtet, dem Anleger alle erhaltenen Vergütungen offenzulegen. Das ist ein wichtiger Schritt. Sobald alle Vermittler der MiFID oder vergleichbaren Standards unterliegen, werden Vertriebskosten durchgängig transparent sein.

Risikotransparenz: Die EU-Kommission will noch 2008 eine überarbeitete Fassung des vereinfachten Verkaufsprospekts vorschlagen, die zu einer wirklichen Vereinfachung, aber auch neuen Transparenzstandards führen soll. Geplant ist vor allem eine strukturierte Darstellung von Chance-Risiko-Profilen, die Fonds nach diesem Kriterium besser vergleichbar machen soll. An entsprechenden Standards wird derzeit durch die europäischen Wertpapieraufseher unter Mitwirkung der Investmentbranche gearbeitet.

Produktbezogene Transparenzstandards sind wichtig und ein Element des marktwirtschaftlichen Wettbewerbs. Sie können allerdings für sich alleine nicht gewährleisten, dass der Anleger richtig auswählt. Denn das Interesse der Anleger an Finanzthemen und die Aufnahmebereitschaft für Produktinformationen dürfen nicht überschätzt werden. Mindestens ebenso wichtig wie Produktpublizität sind Marktvergleiche von Informationsdienstleistern, vor allem aber die Qualität der Anlageberatung.

Verhaltensstandards

Investmentfondsgesellschaften unterliegen besonderen Sorgfalts- und Treuepflichten bei der Verwaltung des Fondsvermögens. Verhaltensstandards sind interne Leitlinien (Rules of Conduct), die eine Wahrnehmung der treuhänderischen Verantwortung dort gewährleisten, wo es sich um komplexe interne, einer allgemeinen Transparenz weniger zugängliche Sachverhalte handelt. Weiterentwicklungen kündigen sich auch hier an.

Risikomanagement: Fondsgesellschaften können heute wesentlich komplexere Anlageinstrumente einsetzen als noch vor einigen Jahren, insbesondere gilt dies für Derivate und strukturierte Wertpapiere. Die deutsche Investmentbranche hat deshalb erhebliche Investitionen in Risikosteuerung und -controlling getätigt. Sie ist hier gut aufgestellt, das bestätigen Analysen auch vor dem Hintergrund der jüngsten Kapitalmarktkrise. Investmentgesetz und Derivateverordnung definieren die wesentlichen Anforderungen auf der regulatorischen Seite. Die Fondsbranche selbst will noch in diesem Jahr Risikomanagement-Standards im Rahmen der Wohlverhaltensregeln weiter ausarbeiten.

Orderausführung: Bei der Ausführung von Anlageentscheidungen in Form von Handelsgeschäften darf ausschließlich das Kundeninteresse beziehungsweise der Anlageerfolg des Sondervermögens im Vordergrund stehen. Die MiFID hat - nicht bezogen auf Fondsmanager, sondern ganz generell - eine Reihe zusätzlicher Kriterien und Konkretisierungen gegeben. Die deutschen Fondsgesellschaften sind hier vorbereitet, denn sie haben ihre Grundsätze bestmöglicher Ausführung seit Jahren weiterentwickelt. Hierzu gehört vor allem die sorgfältige Auswahl der Broker nach Kriterien der Ausführungs- und Researchkompetenz und die Überwachung der von den Intermediären gelieferten Qualität.

Bewertung des Fondsvermögens: Das vergangene Jahr hat gezeigt, dass die jederzeitige faire Bewertung von Investmentfonds mit komplexen Anlageinstrumenten gerade in schwierigen Kapitalmarktphasen eine erhebliche Herausforderung ist. Die geltenden Grundsätze für die Bewertung des Fondsvermögens haben sich hier bewährt. Dennoch werden diese derzeit weiter verfeinert und ausgearbeitet werden - sowohl auf nationaler Ebene als auch in Gesprächen zwischen europäischem Fondsverband und EU-Kommission. Zielsetzung ist es, für wesentliche Kategorien von Anlageinstrumenten - von äußerst liquiden bis zu wenig gehandelten Instrumenten - geeignete Leitlinien festzulegen, ohne Details vorzugeben.

Fonds-Governance

In die Governance-Systeme von Fondsgesellschaften sind Instanzen eingebaut, welche unabhängig vom Fonds beziehungsweise der Fondsgesellschaft, ihren Gesellschaftern und Geschäftspartnern in der Lage sind, den Schutz der Anlegerinteressen frei von Interessenkonflikten zu überwachen. Hierfür gibt es international verschiedene institutionelle Formen; verbreitete Träger des "Independent Oversight" sind die Depotbank, der Aufsichtsrat sowie der Wirtschaftsprüfer.

Mit der Novellierung des Investmentgesetzes Ende 2007 wird die unabhängige Überwachung in Deutschland auf allen genannten Säulen - Depotbank, unabhängiger Aufsichtsrat und Wirtschaftsprüfer beruhen. Gleichzeitig werden auf allen drei Feldern die Standards ausgebaut.

Wirtschaftsprüfer: Die Aufgaben und Berichtspflichten der Wirtschaftsprüfer reichen in Deutschland seit jeher weit über die klassische Jahresabschlussprüfung hinaus. Künftig wird der Wirtschaftsprüfer explizit auch die Verpflichtung der Fondsgesellschaft, im Interesse des Anlegers zu handeln, in seine Prüfung einbeziehen.

Depotbank: Auch die unabhängig handelnde und dem Anleger verpflichtete Depotbank ist in Deutschland, aber auch nach EU-Recht ein wesentlicher Träger des "Independent Oversight". Künftig wird diese Kontrollfunktion weiter verstärkt. Darüber hinaus ist die Depotbank explizit gehalten, bei sich Vorkehrungen gegen mögliche Interessenkonflikte, die zulasten des Anlegers gehen könnten, zu treffen.

Unabhängiger Aufsichtsrat: Mit dem neuen Investmentgesetz wird die Institution des unabhängigen Aufsichtsrats geschaffen. Zwar ist der gesamte Aufsichtsrat einer KAG dem Interesse der Anleger (wie andererseits auch dem Interesse der Gesellschaft und seiner Aktionäre) verpflichtet. Ein Aufsichtsrat, der explizit nicht mit Aktionären und Geschäftspartnern der Fondsgesellschaft verbunden ist, kann einen zusätzlichen Beitrag im Sinne der Anlegerinteressen leisten.

Damit sind alle Erfordernisse für eine wirksame und unabhängige Kontrolle faktische Unabhängigkeit, Zugriffsmöglichkeiten auf Informationen, fachliche Kompetenz und Eingriffsrechte - gegeben. Die deutsche Fondsindustrie dürfte mit Blick auf Fonds-Governance damit im internationalen Vergleich sogar führend sein, da andere Länder eine Parallelität von unabhängigen Kontrollen in dieser Bündelung nicht kennen.

Weiterentwicklung des Anlegerschutzes

Es soll an dieser Stelle bekräftigt werden, dass die deutsche Investmentbranche den Ausbau des Anlegerschutzes auf allen genannten Feldern positiv begleitet. Zugegebenermaßen ist dieser Eintritt nicht ganz uneigennützig, da Anlegerschutz zu Anlegervertrauen führt und dieses wiederum ein Erfolgsfaktor für Investmentfonds mit ihrer Treuhandfunktion ist.

Dennoch dürfen auch bei Standards, die dem Ziel des Anlegerschutzes hergeleitet sind, Kosten- und Nutzenüberlegungen nicht ausgeblendet werden. Weiterhin ist die wettbewerbspolitische Dimension im Auge zu behalten. Die nunmehr weit entwickelten Standards des Fondsstandorts Deutschland gelten nicht gleichermaßen für konkurrierende Fondsstandorte oder Produkte, die aber gleichwohl Zugang zum deutschen Markt haben. Das kann für den Fondsstandort Vorteile bieten. Allerdings besteht die Gefahr, dass sich in solchen Fällen das Produkt und der Anbieter mit schwächeren Standards durchsetzen, weil sie dem Anleger leichter zu verkaufen sind oder preiswerter produziert werden können. Damit wäre dem Ziel des Anlegerschutzes am Ende kein Dienst erwiesen. Die Regulierung muss künftig isolierte Schritte, die den europäischen und internationalen Kontext oder den Substitutionswettbewerb aus dem Auge lassen, möglichst vermeiden. Die deutsche Fondsindustrie wird die Weiterentwicklung des Anlegerschutzes auch in diesem Sinne konstruktiv, aber auch kritisch begleiten.

Noch keine Bewertungen vorhanden


X