Gespräch des Tages

BaFin Selbstkritisch in schweren Zeiten

Wenn der Präsident der Bundesanstalt für Finanzdienstleistungsaufsicht Anfang 2007 vor die Presse tritt, so ist eines garantiert: Aufmerksamkeit. Denn zu spannend, zu verworren war das Jahr 2006 für Jochen Sanio und die gesamte BaFin. Ein von der Behörde selbst angezeigter Betrugsfall wurde zum Härtetest für die gesamte BaFin und zu einer zermürbenden Hängepartie für ihren Chef. Das Ganze wurde immer wieder von feinen medialen Nadelstichen begleitet. Dass auch hier, wie schon bei der Adlon-Affäre rund um den früheren Bundesbank-Präsidenten Ernst Welteke, das Bundesfinanzministerium ein steter Quell an Informationen war, ist offensichtlich.

Auch hat die der BaFin vorgelagerte Behörde wohl den Wirtschaftsprüfern von PwC einen etwas härteren Ton abgefordert, denn nach einem zu wenig Angriffsfläche bietenden ersten Bericht folgte kurz darauf ein zweiter, der Sanio erhebliche Kontrollmängel vorwarf. Dass damit nur der Präsident geschädigt werden sollte, wäre zu einfach. Vielmehr verfolgt man in Berlin vermutlich das Ziel, die ganze Organisationsstruktur der BaFin als überholungsbedürftig darzustellen - da passt natürlich auch der familiär motivierte Abschied vom Chef der Sparte Bankenaufsicht, Helmut Bauer, gut ins Konzept. Ein Vorstand soll her, der anstelle des Präsidenten und des Vizepräsidenten die Verantwortung übernimmt. Dass dieser nicht nach den mageren Beamtengehältern entlohnt werden würde, macht die Sache auch für viele Ministeriale interessant.

Nicht allerdings für die Deutsche Bundesbank. Deren Präsident Axel Weber ließ provoziert von den ersten zarten Gerüchten über eine mögliche Umstrukturierung der BaFin umgehend und richtigerweise mitteilen, die Bundesbank stehe für einen Vorstandssitz zurzeit nicht zur Verfügung. Zu unklar ist noch die tatsächliche Ausgestaltung. Die Sorge der Währungshüter ist offensichtlich: Würde die künftige Arbeit der Bankenaufsicht vor allem in einem solchen Gremium bestimmt werden, wäre die Gefahr sehr groß, überstimmt zu werden. Die Eigenständigkeit der Bundesbank in der Bankenaufsicht wäre also in Gefahr. Diese zu bewahren ist Weber aber ein verständliches Anliegen.

Doch natürlich wird sich die Bundesbank einer besseren Arbeitsteilung in der Bankenaufsicht sicherlich nicht verwehren, ob mit oder ohne Vorstandssitz. Aber klar ist auch: eine bessere Arbeitsteilung vor allem in der Fläche müsste zulasten der BaFin gehen. Doch vielleicht mag hier das Angebot des Bundes, einen Teil der Finanzierung der Aufseher zu übernehmen, schon eine wenig helfen.

Dass Jochen Sanio in seiner Rede anlässlich des Neujahrsempfanges für diese Machtkämpfe nicht allzu viel Zeit verschwenden wollte, war spürbar und ist sicherlich verständlich und vielleicht auch richtig. Dass er stattdessen einmal mehr den drohenden und warnenden Zeigefinger in Richtung der deutschen Banken hob, darf ebenfalls nicht überraschen. Sicherlich, das Jahr 2006 war das beste in der noch jungen deutschen Bankengeschichte dieses neuen Jahrhunderts und der Präsident lobte, dass der Abstand zur europäischen Konkurrenz wieder ein Stück weit geringer geworden sei. Doch haben halt die Rahmenbedingungen in Form einer anziehenden Konjunktur und prosperierender Kapitalmärkte ihren - wesentlichen - Teil zum Erfolg beigetragen. Sorge bereitet den Aufsehern aber der mit äußerster Härte geführte, "irrsinnige" Konditionenwettbewerb - der weder auskömmliche noch risikoadäquate Margen zulässt. Doch wo soll das Neugeschäft sonst herkommen? Und auch die bestenfalls flache Zinsstrukturkurve wurde als echter Malus ausgemacht, denn, so Sanio, "alle Welt weiß: German bankers do it with interest".

Neu - und sicherlich auch ein bisschen von den Vorgängen im vergangenen Jahr beeinflusst - war die ungewohnt selbstkritische Haltung des sonst doch sehr souverän, manchmal sogar zu selbstbewusst auftretenden obersten deutschen Bankenaufsehers. Sicherlich, man freue sich darüber, dass der Ruf der BaFin bei den Banken deutlich besser sei, als von einer Handvoll hartnäckiger Kritiker behauptet: 40 Prozent der Institute gaben an, dass die Aufsicht der BaFin seit Gründung besser geworden sei. Dagegen schmerzt verständlicherweise sehr, dass sich die heimische Branche im internationalen Verhandlungsgeschäft nicht gut genug vertreten fühlt. Denn gerade hier hat Jochen Sanio samt seiner Mitstreiter doch am meisten erreicht - sei es der Grundsatz der doppelten Proportionalität, sei es die Verhinderung noch deutlich umfangreicherer Aufsichtsregeln im Rahmen des Lamfalussy- Prozesses oder die Zusammenarbeit der europäischen Aufsichtsbehörden.

Dass Jochen Sanio aber ganz offen Versäumnisse seiner Institution in der Kommunikation mit den beaufsichtigten Banken anspricht, ist ob seiner früher zur Schau gestellten Unnahbarkeit bemerkenswert. Es sei bislang nicht gelungen, gerade den kleinen Instituten zu vermitteln, welch positive Auswirkungen die qualitative, dezidiert risikoorientierte Aufsicht für diese habe, und dass die BaFin stets bemüht sei, die Belastungen gerade für die kleinen Häuser so gering wie möglich zu halten. Es mag ein schwacher Trost sein, dass diese Diskussion nicht nur die Bundesbehörde, sondern auch alle Verbandsprüfer, sei es im Sparkassen- oder im kreditgenossenschaftlichen Lager, betrifft.

Ob die Charmeoffensive hilft, ist fraglich. Doch muss sie es überhaupt? Sind niedrigere Kosten wirklich maßgebliche Bewertungskriterien für eine funktionierende Aufsicht oder sollte man dies auch künftig nicht eher nach dem Nutzen für die Stabilität des Bank- und Finanzsystems beurteilen?

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