Kreditwesen aktuell: Bundesbank/BaFin

Ein geschickter Spieler

Im Schach gewinnt meist derjenige, der die entscheidende Lücke in der Verteidigung des Gegners erkennt und zur richtigen Zeit den richtigen Zug macht. Dann müsste Axel A. Weber eigentlich ein ausgesprochen guter Schachspieler sein. Überzeugte der Bundesbank-Präsident bislang vor allem durch seine geldpolitische Kompetenz, seine internationale Präsenz sowie sein selbstbewusstes Auftreten ("Ich als Präsident der Bundesbank ..."), hat er nun bewiesen, dass er auch auf der politischen Spielfläche alle Tricks und Kniffe beherrscht. Kaum dass der Wahlsieg von Union und FDP die "BaFin-Freunde" aus dem SPD-geführten Finanzministerium entmachtet hatte, signalisierte die Bundesbank ihre Bereitschaft zur seit Langem diskutierten Übernahme der Bankenaufsicht. Dies war so gut vorbereitet, dass zwischen entsprechendem Vorstandsbeschluss und der in den Koalitionsverhandlungen von CDU und FDP getroffenen Grundsatzentscheidung nur wenige Tage vergingen.

Dass Jochen Sanio in den Bundesbank-Vorstand einziehen wird, ist nur allzu unwahrscheinlich. Trotz gegenseitigen Respekts zwischen Weber und Sanio sind zwei solche "Alpha-Männchen" in einem Gremium wahrlich einer zu viel. Darüber hinaus ist beim BaFin-Präsidenten ziemlich viel Verbitterung und Enttäuschung zu spüren. Es schmerzt sehr, dass gerade er und seine Behörde zum Hauptschuldigen der Finanzkrise abgestempelt werden. Hier hätte man sich ein wenig mehr politische Rückendeckung sicherlich vorstellen können. Diesen Rückhalt hatte Sanio in der Union stets nur teilweise und in der FDP gar nicht. Und es zeigt sich, dass die schützende Hand Peer Steinbrücks keineswegs Sanio galt, sondern lediglich der BaFin und damit dem Machterhalt des eigenen Ministeriums.

Doch bleibt spannend, wer künftig in der Zentralbank den aufgewerteten Bereich Bankenaufsicht verantworten wird. Bleiben die Rollen so verteilt wie bisher, obliegt dies dem Vizepräsidenten Franz-Christoph Zeitler. Sollte dagegen wie durchaus angedacht der Staatssekretär Jörg Asmussen in die Bundesbank eintreten, wäre das sachlich und fachlich sicherlich zu begrüßen, bedürfte jedoch einiger Umbaumaßnahmen. Schließlich kann der Vorstand nicht aufgestockt werden. "Der Vorstand besteht aus dem Präsidenten und dem Vizepräsidenten und vier weiteren Mitgliedern", heißt es in § 7 Abs. 2 des Gesetzes über die Deutsche Bundesbank. Im kommenden Jahr scheidet Hans-Helmut Kotz aus, dessen Vertrag nach acht Jahren ausläuft. Freiraum könnten aber auch durch den Rücktritt Thilo Sarrazins geschaffen werden. Dieser ist angreifbar und für eine Bundesbank vielleicht sogar untragbar geworden. Noch nie jedenfalls wurde einem Vorstandsmitglied vom Präsidenten in so eindeutigem Ton der Rücktritt nahegelegt. Ob Sarrazin wirklich so unsteuerbar ist wie immer behauptet wird, was naheliegt, oder ob ein kleines bisschen schachspielerisches Geschick hinter all dem steckt, man wird es vermutlich nie erfahren. Dass an Axel A. Weber bei der Besetzung der Ressortverantwortung kein Weg vorbeiführt, hat nicht nur er selbst stets deutlich gemacht, sondern auch das ist gesetzlich verankert. "Bei der Verteilung der Zuständigkeiten innerhalb des Vorstands kann nicht gegen den Präsidenten entschieden werden." § 7 Abs. 5 des Bundesbank-Gesetzes.

Auch wenn die Grundsatzentscheidung, die Bankenaufsicht bei der Bundesbank anzusiedeln, gefallen ist, sind noch viele Fragen, und zwar nicht nur Details, offen. Was geschieht mit der erst 2000 geschaffenen Bundesanstalt für Finanzdienstleistungsaufsicht, die in die gegenwärtigen Gespräche offensichtlich nicht eingebunden ist und sich nur als Spielball fühlen darf? Wie kann die immer wieder betonte Unabhängigkeit der Bundesbank mit den entsprechenden politischen Wünschen nach größtmöglichem Einfluss vereinbart werden? Klar ist: Ganz nach den Wünschen von Bundesbank-Präsident Weber wird es nicht laufen. Er möchte zusätzlich zur Banken- auch noch die Solvenzaufsicht über die Versicherungsbranche und dem Staat lediglich bei besonders schwerwiegenden Fällen wie Bankenschließungen ein Mitspracherecht einräumen. Doch wie ernst sind diese Forderungen zu nehmen? Es geht der Bundesbank vor allem um eine Verringerung des systemischen Risikos. Dafür scheint eine Kontrolle der Banken wichtiger als die der Versicherungsbranche. Es könnte also auch dies wieder ein kluger Schachzug von Weber sein, zunächst viel zu fordern, um dann das Entscheidende zu bekommen, dem anderen aber das gute Gefühl zu lassen, nicht alles Geforderte gegeben zu haben. Das wiederum böte vielleicht auch Verhandlungsspielraum bei Fragen der Nähe zum Finanzministerium.

Je nachdem, ob auch noch die Versicherungsaufsicht zur Bundesbank kommen wird, stehen zwei Notenbanken in Europa Modell für eine künftige Bundesbank - die Banca d'Italia und die De Nederlandsche Bank (siehe hierzu die Abbildungen auf den folgenden Seiten). Beides sind im feinsten Neudeutsch sogenannte "Twin-Peak-Modelle", mit jedoch kleinen Unterschieden. Die Banca d'Italia ist neben ihrer geldpolitischen Aufgabe auch für die Bankenaufsicht zuständig. Die Aufsicht über den Wertpapierhandel und über das Versicherungswesen finden dagegen außerhalb des unmittelbaren Einflussbereichs der Banca d'Italia statt. Die Marktaufsicht erfolgt durch die CONSOB, das Versicherungswesen wird von der ISVAP kontrolliert. Die De Nederlandsche Bank dagegen überwacht nicht nur Banken, sondern auch Versicherungen sowie Pensionsfonds. Das dürfte den Strukturen geschuldet sein, denn wie anders als aus einer Hand sollte ein Finanzkonglomerat wie die ING zu kontrollieren sein. Da in Deutschland die Allfinanzbemühungen gerade erst kostspielig wieder beendet wurden, bestünde dafür keine Notwendigkeit, was eher auf das italienische Modell hindeuten könnte.

Auch wenn die Kreditwirtschaft hierzulande eine Zusammenlegung der Aufsicht unter dem Dach der Bundesbank grundsätzlich begrüßt, wie die Stellungnahmen der Verbände in dieser Ausgabe zeigen, so muss fairerweise festgehalten werden, dass sich das deutsche Modell mit zwei Aufsichtsbehörden in der Krise durchaus bewährt hat. Die deutsche Aufsicht hat - obwohl stets drei Parteien am Tisch saßen - gut funktioniert. Es gab keinerlei spürbare Reibungs- oder Informationsverluste, was sich in einer entsprechenden Handlungsintensität und Handlungsgeschwindigkeit niederschlug. Dass es stets Verbesserungspotenzial gibt und keineswegs alles unangreifbar richtig gemacht wurde, mag angesichts der Härte der eingetretenen Turbulenzen nicht zu überraschen. Ob eine geeinte Bankenaufsicht im Hause der Bundesbank künftig nun auch das Unvorstellbare vorhersehen kann, bleibt abzuwarten. P. O.

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