Aufsätze

Basel IV - Erste Konturen der nächsten Reform

Thilo Kasprowicz, Klaus Ott, Daniel Quinten, alle Partner, Consulting - Financial Services, KPMG AG Wirtschaftsprüfungsgesellschaft, Frankfurt am Main - Während die Kreditwirtschaft unter der permanenten Belastung der Umsetzung laufender regulatorischer Vorgaben stöhnt und immer mal wieder eine Atempause anmahnt, registrieren die Autoren längst Anzeichen für die These der Regulierung als Daueraufgabe. Sie verweisen dabei auf eine ganze Reihe neuer Empfehlungen sowie Konsultations- und Diskussionspapiere, die bereits auf Konkretisierung harren. In diesem Sinne diskutieren sie jeweils den aktuellen Diskussionsstand und absehbare Folgen der Leverage Ratio, der internen Modelle und nicht zuletzt der Vereinfachung und Offenlegung. Auf dem Weg zu einer vielfach angemahnten Reduktion der Komplexität plädieren sie der Tendenz nach für eine bessere Abstimmung zwischen internem und externem Reporting sowie zwischen den relevanten Daten für Risikomanagement und Bankenaufsicht sowie der Rechnungslegung. Als Voraussetzung dazu halten sie in vielen Instituten weitere Investitionen in eine leistungsfähige IT-Architektur für notwendig. (Red.)Noch bevor Basel III vollständig umgesetzt ist, wirft Basel IV seine Schatten voraus. Der Baseler Ausschuss hat nach Fertigstellung der Basel-III-Standards bereits eine Reihe neuer Empfehlungen, Konsultations- und Diskussionspapiere entwickelt. Deren Konkretisierungsgrad ist teils weit fortgeschritten, teils stehen noch Evaluierungen an, bei anderem wiederum handelt es sich um Grundsatzdiskussionen, deren mögliche Auswirkungen zunächst perspektivisch zu erfassen sind. Ein auch qualitativ neuer Ansatz? Entsprechend klar lassen sich zum Ersten finale Standards oder bereits im Überarbeitungsstatus vorliegende Konsultationen zu Höchstverschuldensquote1), Großkrediten2), Kontrahentenrisiko3), Verbriefungen4) und Handelsbuch5) unter ein "Basel 3,5" klassifizieren. Zum Zweiten wird die Diskussion über elementare Entwicklungstendenzen im Regulierungsansatz noch zu vertiefen sein, welche hin zu einem auch "qualitativ neuen" Ansatz in Basel IV führen könnten. Gemeinsam ist all diesen Weiterentwicklungen, dass ihnen durchaus vergleichbare Anstöße und damit Zusammenhänge zugrunde liegen, die letztlich eben über Basel III hinaus denken. Nicht von ungefähr werden auch unter Aufsichtsbehörden mittlerweile zunehmend Bedenken hinsichtlich der Komplexität und Vergleichbarkeit bankinterner Risikomodellierungen und der Verlässlichkeit der ermittelten risikogewichteten Aktiva (RWA) in Säule I geäußert. Im Kern damit verbunden ist der Ruf nach einer generellen Vereinfachung von aufsichtsrechtlichen Vorschriften.6) Dies wiederum läuft auf eine höhere, möglicherweise neu zu bewertende Bedeutung nicht-risikogewichteter Kapitalvorschriften, zum Beispiel einer Leverage Ratio, hinaus. Was also kommt nach "Basel III"? Bei der Höchstverschuldungsquote, die vom Ansatz her als Gegengewicht die risikobasierten Eigenkapitalregelungen ergänzen soll, ist weiterhin erst einmal von einem Wert von mindestens drei Prozent auszugehen - im Verhältnis einer ungewichteten Eigenkapitalmessgröße zu einer Messgröße für die gesamten Engagements (bilanzwirksame, außerbilanzielle, derivative und Engagements im Rahmen von Wertpapierfinanzierungsgeschäften). Leverage Ratio: Diskussionsstand ... Der Baseler Ausschuss hat in seinem überarbeiteten Rahmenwerk zur Leverage Ratio vorgeschlagen, dass während einer "Parallelphase" (2013 bis 2017) diese Drei-Prozent-Grenze für die Leverage Ratio "getestet" und in dieser Zeit zugleich die Wirkung auf Basis unterschiedlicher Kapitalgrößen nachvollzogen werden soll - sowohl für das gesamte regulatorische Eigenkapital (T-1) als auch für das harte Kernkapital (CET-1). Das Baseler Papier enthält im Übrigen auch detailliertere Anweisungen dafür, wie Forderungen genau zu bemessen sind und wie die Offenlegungspflicht der Leverage Ratio in Säule III ab 2015 gestaltet werden soll. "Die endgültige Kalibrierung und eventuelle weitere Anpassungen der Definition sollen bis 2017 abgeschlossen werden, damit die Höchstverschuldungsquote per 1. Januar 2018 in Säule 1 (Mindestkapitalanforderungen) integriert werden kann."7) Die vom Baseler Ausschuss im Vergleich zur vorhergehenden Konsultation vorgenommenen Modifikationen in der Rahmenregelung werden zwar von ihm selbst als "technisch" bezeichnet. Sie können aber durch Anpassungen im Nenner der Verschuldungsquote faktisch durchaus entlastende Auswirkungen für Institute - abhängig vom Geschäftsmodell - mit sich bringen, geht es doch unter anderem um die Zulässigkeit der Saldierung von Aktiv- und Passivpositionen und dabei um die Anrechnung von zum Beispiel Repos, Kreditderivaten, Exportfinanzierungen oder in gewissem Umfang außerbilanziellen Positionen. In Deutschland wird die Einführung einer nicht-risikogewichteten Leverage Ratio trotzdem immer noch kontrovers diskutiert. Wie diversen Beiträgen zu entnehmen ist, lehnt ein Großteil der Kreditinstitute die Höchstverschuldungsgrenze in der Form eines verbindlichen "Back-Stop" unter Säule I weiterhin ab; allenfalls wird eine Beibehaltung in Säule II befürwortet. Einige Stimmen sprechen sich für differenzierte Quoten in Abhängigkeit von Geschäftsmodellen aus. Die Befürworter halten dagegen, dass einfach zu ermittelnde und direkt nachvollziehbare Kennziffern als besserer Indikator für das drohende Scheitern eines Kreditinstituts gelten könnten als kompliziertere risikogewichtete Alternativen. Nicht wenige der Befürworter in anderen Ländern schlagen sogar eine Erhöhung der Quote vor. ... und potenzielle Folgen einer stärkeren Gewichtung Es ist nicht von der Hand zu weisen, dass schon heute Ratingagenturen, ohne dass eine verbindliche Leverage Ratio in Säule I bereits gelten würde, erhebliches Augenmerk auf diese Kennziffer legen. Durch Erhöhung und Härtung der Eigenkapitalanforderung geriete sie als verbindliche Grenze in Säule I endgültig vom "Back-Stop" zum "Front-Stop"-Instrument für die Berechnung von Kapitalanforderungen. Zudem bekäme eine höhere Leverage Ratio auch unmittelbar ein höheres Gewicht innerhalb der regulatorischen Kapitalquoten. Gerade im Hinblick auf die Leverage Ratio sollten also zunächst deren Auswirkungen als "Back-Stop"-Korrektiv in Relation zu den risikobasierten Eigenmittelanforderungen analysiert und die für 2017 avisierte Evaluation abgewartet werden. Vor einem übermäßigen Vertrauen in die Leverage Ratio ist ohnehin zu warnen. Kreditinstitute könnten sich dadurch dazu veranlasst sehen, Forderungen mit höheren Risiken einzugehen oder Geschäft mit bestimmten Kundengruppen oder OTC-Derivaten zu Sicherungszwecken einzustellen. Auch die Finanzierungskosten für Portfolios mit gering risikogewichteten Aktiva könnten sich deutlich erhöhen. Kalibriert auf acht Prozent Mindestkapital wäre jede Risikoposition, der ein Risikogewicht von weniger als 37,5 Prozent zugewiesen wird, bei einer Leverage Ratio von drei Prozent unattraktiv. Dies wiederum könnte grundsätzlich das Eingehen von Positionen mit niedrigem Risikogewicht, wie zum Beispiel die Vergabe von Hypothekendarlehen und das Halten von Staatsanleihen, verzerren und zu Finanzierungsengpässen oder höheren Kreditkosten in den benannten Bereichen führen. Aus dieser Perspektive wirkt die Leverage Ratio wie ein "Floor" für das Risikogewicht. Wenn sich bestimmte Geschäfte unter einer verschärften Leverage Ratio für Banken nicht mehr rechnen, könnte sie am Ende ungewollt gar zur Auslagerung von Finanzgeschäften in den nicht regulierten Schattenbankensektor beitragen, wo sich bereits jetzt die praktischen Schwierigkeiten bei der Regulierung zeigen. Darüber hinaus ist anzumerken, dass die Implementierung einer nicht-risikogewichteten Schuldenquote als faktisch vorge ordnete Kapitalkennziffer in Säule I der gesamten bisherigen Arbeit des Baseler Ausschusses für eine risikoadäquatere Eigenmittelunterlegung eigentlich entgegensteht. Auch das Problem der länderübergreifenden Vergleichbarkeit dieses vermeintlich einfach zu ermittelnden Quotienten (Eigenkapital in Relation zu außer-/bilanziellem Gesamtvolumen) bleibt in Anbetracht unter anderem unterschiedlicher Bilanzierungsstandards weiterhin nicht final gelöst. Dies legt eigentlich nahe, eine Leverage Ratio vielmehr dauerhaft als zusätzliches Säule-II-Instrument zu positionieren. Abstrahiert betrachtet - um die Problemlage noch einmal zu verdeutlichen - ist eine Leverage Ratio kaum etwas anderes als ein extrem vereinfachter Standardansatz. Fraglich bleibt, ob dagegen die Vorteile einer erhöhten Risikosensitivität wirklich ausreichend in Betracht gezogen sind, wenn man auf dieser Argumentationslinie Standardansätze per se als einfacher zu handhabende, schließlich ja immerhin auch teilweise risikosensitive Modelle propagiert. Die Nachteile "einfacherer" Standardansätze, die ja eigentlich nur für kleinere Institute mit eben auch einfacher Risiko- beziehungsweise Geschäftsstruktur geeignet sind, sollten nicht unterschätzt werden. So könnten vermeintliche Standardisierungen bei nicht konservativer Anwendung sogar zu Risikounterzeichnungen führen. Gerade eine alle Positionen "über einen Kamm scherende" Leverage Ratio prononciert genau dieses Problem offenkundig. Interne Modelle: Diskussionsstand ... In der Vergangenheit hatten sich der Baseler Ausschuss und andere Aufsichtsbehörden zunehmend auf die Risikogewichtung mittels bankinterner Modelle konzentriert. Jetzt steht aber die Komplexität und vermeintliche Undurchsichtigkeit dieser Modelle im Fokus der Kritik. Der sich hier abzeichnende Schwenk in den regulatorischen Rahmenbedingungen kommt für die betroffenen Kreditinstitute einem Paradigmenwechsel gleich. Folgende Aspekte betrachten die Aufsichtsbehörden mit Sorge: - Das Ausmaß, in dem Kreditinstitute an der RWA-Optimierung zur Reduzierung von Eigenkapitalanforderungen arbeiten - Bedenken werden selbst dort laut, wo sich ein Großteil solcher Optimierungsmaßnahmen auf Datenbereinigungen und geplante Roll-Outs von Risikomodellen auf weitere Portfolios bezieht. - Die Bedeutung von langen Niedrigzinsphasen, die es schwachen Schuldnern erlauben, einen Kreditausfall über einen längeren Zeitraum zu verzögern - hier kommen Zweifel auf, ob damit über die verwendete Datenhistorie in die Berechnung von Ausfallwahrscheinlichkeiten im längeren Zeitablauf unangemessen niedrige Annahmen eingehen könnten. - Immer noch zu geringe Risikogewichte für Forderungen an andere Kreditinstitute - und ob die systemischen Risiken, die dieser Vernetzung zwischen den Instituten inhärent sind, tatsächlich ausreichend abgebildet werden. - Die Unsicherheit, inwieweit auf die Marktdisziplin bezüglich interner Modelle Verlass ist - und die Herausforderungen bei der Schaffung von wirklicher Transparenz. In diesem Zusammenhang identifizierte der Baseler Ausschuss als Reaktion auf Ergebnisse eigener Untersuchungen drei Handlungsschwerpunkte: - Zusätzliche Regelungen und Handlungsempfehlungen, um Unterschiede zwischen der in den Instituten gelebten Praxis und aufsichtsrechtlichen Vorgaben abzubauen. - Einschränkung der Flexibilität von fortgeschritten Ansätzen, etwa über "Benchmarks" für interne Risikoparameter (als Orientierungspunkte für Aufsichtsbehörden im Rahmen von Prüfungen interner Modelle) oder Definition strengerer Rahmenbedingungen, wie weiterer "Floors" (oder sogar Fixgrößen) für einzelne Risikoparameter. - Verbesserung der Offenlegung von Kreditinstituten, zum Beispiel bezüglich der zugrunde liegenden Datensammlungen für das regulatorische Meldewesen, um ein besseres Verständnis für die Berechnung von Risikogewichten anhand interner Modelle zu bekommen. Der Stand der Konkretisierung dieser Baseler Überlegungen spricht dafür, dass eine Anpassung einzelner Bestimmungen gegebenenfalls schon in naher Zukunft geplant ist, was vor allem auf die bisherigen Vorteile der Anwendung interner Modelle zur Berechnung von Risikogewichten zielen würde. Weiterhin würden diese Anpassungen Banken insofern unter Rechtfertigungsdruck setzen, als dass sie zukünftig gegenüber Aufsichtsbehörden und sonstigen "Stakeholdern" die Unterschiede zwischen den Ergebnissen ihrer internen Modelle und standardisierten Risikogewichten zu erläutern haben. ... und Folgen des Zweifels an der internen Modellierung Der Ansatz der Verwendung von aufsichtlich vorgegebenen Referenzportfolios könnte einen Beitrag zur Wiederherstellung des Vertrauens in die Vergleichbarkeit der RWA-Ermittlungen leisten. Dabei sollte die Ausgestaltung solcher Analysen von einer standardisierten Vorgehensweise, einem Ausschluss von Manipulationsmöglichkeiten und der Sicherstellung der Qualität der gelieferten Daten begleitet werden. Daneben sollten die Anforderungen von Ergebnisdaten zu vorgegebenen Referenzportfolios auf zahlreichende parallel laufende Datenerhebungen verschiedener Aufsichtsbehörden abgestimmt sein. Repräsentativität und Risikosensitivität sollten weiterhin als zentrales Ziel eines Risikomanagementansatzes an erster Stelle stehen, um falsche Steuerungsimpulse sowie Regulierungsarbitrage zu vermeiden. Beschränkungen in internen Modellen dürfen nicht dazu gereichen, die mit erheblichen Investitionen erreichte Risikosensitivität der internen Modellierung in Mitleidenschaft zu ziehen. Vielmehr sollte das Vertrauen in die Risikomanagementfähigkeiten von Banken und damit ihre internen Modelle wiederhergestellt und gefördert werden. Aufsichtlich vorgegebene Parameter - mögen sie noch so konservativ ausgestaltet sein - können nie die auf praktischen Erfahrungen beruhende interne Risikoquantifizierung ersetzen, die portfolio- und institutsspezifische Elemente berücksichtigt. Ein Standardansatz - wie der Name schon sagt - ist eben nicht auf die individuelle Portfoliostruktur einer bestimmten Bank zugeschnitten. Insofern kann er bestimmte Risiken nicht oder nur sehr ungenau messen. Damit verbunden ist, dass ein Standardansatz typischerweise nur mit einfacheren Portfolios zurechtkommt. Falls Diversifikations- und Besicherungswirkungen nicht adäquat erfasst werden, können sich auch Risikoüberzeichnungen ergeben. Zu diskutieren bleibt auch, inwieweit Befürworter nicht-risikogewichteter Stellgrößen - und damit verbunden einer Nicht- oder nur noch Teilanwendung von internen Modellen - die Risikomanagement-Fähigkeiten der Kreditinstitute verkennen. Nicht umsonst wurde die Säule I durch ein ökonomisches Risikotragfähigkeitskonzept in Säule II ergänzt. Grundsätzlich ist die Risikobeurteilung eine Kernkompetenz jeder Bank, die auch nicht durch aufsichtliche Regelvorgaben ersetzt werden kann. Schon jetzt ist dagegen erkennbar, dass sich die Anreize zur Entwicklung interner Modelle, die ja ursprünglich der Verbesserung des Risikomanagements dienen sollten, aus Sicht der Kreditinstitute deutlich reduzieren - unter anderem auch wegen der Fortdauer des ursprünglich temporär angelegten "Basel I-Floor". Vereinfachung und Offenlegung: Diskussionsstand ... Der Baseler Ausschuss hat im Juli 2013 das Diskussionspapier über die Balance von "Risikosensitivität, Einfachheit und Vergleichbarkeit" veröffentlicht.8) In diesem Papier wird dargestellt, wie und warum das aktuelle aufsichtliche Komplexitätsniveau und die fehlende Vergleichbarkeit zwischen den von den Instituten gemeldeten Eigenkapitalquoten zustande gekommen sind. Primär wird diese Entwicklung auf die Erfordernisse im Zusammenhang mit risikosensitiven Kapitalanforderungen beziehungsweise im Besonderen auf die schwerlich miteinander vergleichbaren Ergebnisse bankinterner Risikomodelle zurückgeführt. Als Konsequenz aus diesen Überlegungen konturiert sich mit der Aufnahme des Aspekts der "Vereinfachung" quasi ein neues bindendes Leitprinzip für jede anstehende Regulierung heraus: Im Zweifelsfall sollte künftig stets eine Entscheidung zugunsten einfacherer Verfahren getroffen werden, sofern die anderen Zieldimensionen von Risikosensitivität und Vergleichbarkeit mit der angedachten Lösung erreicht werden können. Vor diesem Hintergrund zeigt sich das Diskussionspapier zudem bestrebt, die Gewichtungen zwischen den drei Säulen des Baseler Akkords besser auszutarieren. Nicht zuletzt um die Anforderungen der Säule I zu vereinfachen, soll zukünftig wieder mehr Gewicht auf die Säulen II und III gelegt werden. So soll ein Teil der Komplexität der Mindestanforderungen von Säule I auf Säule II übergehen - insbesondere was risikosensitive Gewichtungen und interne Modellansätze anbelangt. Dieses Diskussionspapier, das für ein besseres Gleichgewicht zwischen weiterhin benötigter Risikosensitivität, Einfachheit von Standards und Vergleichbarkeit von bereitgestellten Informationen plädiert, scheint hiermit grundlegendere Weichen hin zu Basel IV stellen zu wollen. Es formuliert unter anderem deutliche Zweifel an internen Modellen und will der risikosensitiven Quantifizierung für regulatorische Zwecke zukünftig ein deutlich engeres Korsett anlegen. Zudem umfasst es eine erweiterte Offenlegung unter Berücksichtigung zusätzlicher Kennzahlen, eine Verknüpfung von ökonomischen und regulatorischen Modellen sowie eine Stärkung und Verfeinerung der Leverage Ratio. Im Einzelnen stellt der Baseler Ausschuss folgende Ideen für einen ausgewogeneren Regulierungsansatz vor: - Überarbeitung der Leverage Ratio durch die Nachbildung von Elementen, die bereits bei risikogewichteten Kapitalanforderungen gelten; Ergänzung von Puffern und Einführung strengerer Leverage-Ratio-Regeln für systemrelevante Banken. - Minderung der Konsequenzen heutiger Komplexität durch Ergänzung von Bandbreiten und Modellierungsvorgaben für intern ermittelte Kapitalanforderungen, Einführung verfeinerter Tests für Modellberechnungen und Einschränkung nationaler Wahlrechte für interne Modelle. - Verbesserung der Offenlegung über Anreize zur Umsetzung der Vorschläge der Enhanced Disclosure Task Force9); Verpflichtung zur Offenlegung interner Modellergebnisse für vorgegebene hypothetische Portfolios oder Offenlegung einer Gegenüberstellung der Ergebnisse von modellierter und standardisierter Risikogewichtung; Verpflichtung zur (regelmäßigen) Offenlegung von zusätzlichen Kennzahlen, die für Investoren nützlich sein können - zum Beispiel Kapitalquoten unter Berücksichtigung von Marktwerten für Vermögenswerte, Risikokennzahlen unter Berücksichtigung der Eigenkapitalvolatilität, umsatzbasierte Leverage Ratios, historische Ergebnisvolatilität und eine Kennziffer für das Verhältnis von notleidenden zu gesunden Forderungen. ...und potenzielle Folgen erhöhter Transparenz und Vergleichbarkeit In Bezug auf die im Diskussionspapier angestrebten umfangreicheren Offenlegungen unter Säule III, ist zu bedenken, dass die Offenlegungsvorschriften bereits heute einen beträchtlichen Umfang aufweisen. Ein höherer Informationsgehalt sollte nicht zulasten von Transparenz und Lesbarkeit der Offenlegungsberichte gehen: Zu viele Detailinformationen könnten bei unterschiedlichen Adressaten eher zu einem Informationsüberfluss führen, sodass die eigentlich relevanten Informationen aufwendig herausgefiltert werden müssen oder letztlich nicht verarbeitet werden. Das Problem für die Leser von Jahresabschluss- und Offenlegungsberichten besteht schon heute nicht darin, dass zu wenige Informationen vorliegen, sondern dass eher die Masse an Informationen die Verständlichkeit und folglich die Bewertung der verfügbaren Informationen erschwert. Die Offenlegung von Zahlen des Meldewesens wäre zur Information einer breiten Öffentlichkeit nur eingeschränkt geeignet. Und Aufsichtsbehörden haben durch umfassende Abfragen schon heute vollen Zugriff auf benötigte Informationen. Aktuell lässt sich eine Dezentralisierung von Offenlegungsanforderungen feststellen: Verschiedene Gremien fordern anscheinend nicht aufeinander abgestimmte Offenlegungen zu unterschiedlichen Themen. Im Ergebnis sollten die Offenlegungsanforderungen eine stärkere Fokussierung auf wesentliche und bedeutsame Informationen in einem übergreifenden und einheitlichen Format haben, abgestimmt auch auf ähnliche Anforderungen der Rechnungslegung. Einen Schritt zu einer Vereinheitlichung der Formate stellt zum Beispiel die Durchführungsverordnung der EU-Kommission zur Eigenmittel-Offenlegung dar.10) Allgemein sollten solche Anforderungen laufend auf ihre Nützlichkeit im Vergleich zum entstehenden Aufwand überprüft und gegebenenfalls auch wieder zurückgenommen werden. Implikationen für Kreditinstitute Im Hinblick auf die ursprüngliche Ausrichtung des Baseler Akkords auf große, international tätige Institute ist gutzuheißen, dass erwogen wird, das Baseler Rahmenwerk so zu gestalten, dass auch die Situation kleiner und mittlerer Institute angemessener berücksichtigt wird. Dies ist für europäische und dabei insbesondere deutsche Banken von besonderer Bedeutung, weil sich die EU-Gesetzgebung stark an den Baseler Vorgaben orientiert, gleichzeitig aber die Vorgaben dann für alle zirka 8 000 europäischen Institute zur Anwendung kommen. Insbesondere aus dem Blickwinkel kleiner und mittlerer Institute erscheint ein Mehr an Offenlegung nur dann zweckdienlich, wenn zum einen damit ein gesicherter Erkenntnisgewinn für die Adressaten und zum anderen ein nicht unverhältnismäßiger Mehraufwand für die Institute einhergeht. Das Ziel der Vereinfachung prinzipiell ist zu begrüßen. Anzahl, Art und Umfang von neuen Regelungen sind für viele Kreditinstitute längst nicht mehr überschaubar und bilden mittlerweile ein regulatorisches Risiko an sich. Bei durchaus gebotenen Vereinfachungen ist jedoch zu unterscheiden zwischen einer Reduzierung "gewünschter" beziehungsweise notwendiger Komplexität einerseits und der Reduzierung "ungewünschter" Komplexität andererseits, welche infolge regulatorischer Inkonsistenzen und Unverhältnismäßigkeiten entstanden ist. Einer Reduzierung unerwünschter Komplexität ist uneingeschränkt beizupflichten; die Komplexität der Finanzwelt allerdings fordert komplexe Modelle zur risikoadäquaten Abbildung. An prominenter Stelle in der Zielhierarchie steht das Vergleichbarkeitsziel. Eine Vielzahl von Kreditinstituten sieht dies am besten realisierbar mit einer Hierarchie der Bewertungsansätze von Standard- hin zu fortgeschritteneren Ansätzen. Dabei sollte es weiterhin möglich sein, besseres Risikomanagement durch erleichterte Kapitalanforderungen für geringere Risiken zu belohnen. Besondere Bedeutung muss hierbei die Wirksamkeit der Risikosteuerung und die Einbindung in die Gesamtbanksteuerung haben. Es erscheint wünschenswert, zukünftige Regelungen so auszugestalten, dass eine modulare Migration im Sinne eines fließenden Übergangs leichter möglich wird - von einfachen, mit pauschalen Indikatoren und Risikogewichten arbeitenden Ansätzen über fortschrittliche Ansätze mit heuristischen Elementen bis hin zu internen Modellen, die auch für regulatorische Zwecke zugelassen sind. Unter Basel IV müssen Kreditinstitute mit - unter Umständen - erheblich höheren Eigenkapitalanforderungen rechnen. Diese resultieren aus einer Kombination von höherer Leverage Ratio, Restriktionen hinsichtlich der Verwendung interner Modelle und absehbaren Verschärfungen bei Stresstests und Säule-II-Kapitalanforderungen, die über die bisherigen Säule-I-Mindestkapitalquoten hinausgehen. Für die Institute folgt daraus entweder ein erhöhter Eigenkapitalbedarf oder eine Reduzierung von Geschäftsaktivitäten. Zugleich bedeutet das erhöhte Kosten und somit eine zumindest mittelfristige Belastung der Ertragssituation sowie eine prinzipiell mögliche Reduktion von Finanzierungsmöglichkeiten für Privat-, Geschäfts- und sonstige Kunden. Leistungsfähige IT-Architekturen Ein weniger risikosensitiver Ansatz bei Kapitalquoten und internen Modellierungen wird die Kreditinstitute somit zu einer Re-Evaluierung von Geschäftsaktivitäten hinsichtlich der Balance zwischen niedrigeren oder höheren Risiken zwingen. Deshalb werden Kreditinstitute ihr Kapitalmanagement weiterentwickeln müssen. Das impliziert ein noch tieferes Verständnis für den von den jeweiligen Geschäftsaktivitäten benötigten Kapitalbedarf und für die Verbindung zur Geschäfts- und Risikostrategie. Für das Eigenkapital als zunehmend knappes Gut werden im Rahmen der Gesamtbanksteuerung zukunftsgerichtete Planungsrechnungen nach Säule I und Säule II erforderlich sein, um Engpässe rechtzeitig erkennen und mögliche Gegenmaßnahmen einleiten zu können. Schließlich wird nicht nur eine ausgeweitete Offenlegung ganz neue Anforderungen an die Reporting-Kapazitäten sowie die Kommunikation mit dem Kapitalmarkt stellen. Ohne leistungsfähige IT-Architekturen und effiziente Prozesse im Risiko- und Finanzbereich wird der regelmäßige sowie Ad-hoc-Informationsbedarf von Aufsichtsbehörden und Öffentlichkeit nicht in der geforderten Qualität und Zeit gedeckt werden können. Die Abstimmbarkeit des internen auf das externe Reporting sowie von Risiko- auf Rechnungslegungsdaten ist deshalb schon heute ein erhebliches Investitionsfeld von Instituten. Fußnoten 1) Baseler Ausschuss für Bankenaufsicht, Basel III: Rahmenregelung für die Höchstverschuldungsquote und Offenlegungsanforderungen, Januar 2014 (BCBS 270). 2) Baseler Ausschuss für Bankenaufsicht, Rahmenregelung für die Messung und Begrenzung von großen Engagements, April 2014 (BCBS 283). 3) Basel Committee on Banking Supervision, The standardised approach for measuring counterparty credit risk exposures, March 2014 (rev. April 2014) (BCBS 279). 4) Basel Committee on Banking Supervision, Revisions to the securitisation framework - Consultative Document, December 2013 (BCBS 269). 5) Basel Committee on Banking Supervision, Fundamental review of the trading book: A revised market risk framework - Consultative Document, October 2013 (BCBS 265). 6) Exemplarischer Anstoß durch: The dog and the Frisbee, Andrew Haldane, Bank of England, August 2012; Back to basics: a better alternative to Basel capital rules, speech by Thomas Hoenig, Federal Deposit Insurance Corporation, September 2012. 7) Rahmenregelung für die Höchstverschuldungsquote, Januar 2014 (BCBS 270). 8) The regulatory framework: balancing risk sensitivity, simplicity and comparability, Basel Committee on Banking Supervision, July 2013 (BCBS 258). 9) Enhancing the Risk Disclosures of Banks: Report of the Enhanced Disclosure Task Force, Financial Stability Board, October 2012. 10) Durchführungsverordnung (EU) Nr. 1423/2013 der Kommission zur Festlegung technischer Durchführungsstandards für die Offenlegungspflichten der Institute in Bezug auf Eigenmittel gemäß CRR, 20. Dezember 2013.

Daniel Quinten , Mitglied des Vorstands , Bundesverband der Deutschen Volksbanken und Raiffeisenbanken e.V. (BVR), Berlin
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