Aufsätze

Die Bedeutung der Steuer- und Abgabenfreiheit für die Zukunft der betrieblichen Altersversorgung

Der Wirtschaftsweise Rürup bezeichnet ihn als achtes Weltwunder, andere sprechen ganz lapidar vom Zins-und-Zinseszins-Effekt. Er führt zu umso beachtlicheren Ergebnissen, je länger er wirkt, je höher der Zins und je größer der Kapitalstock ist, auf den der Zins wirken kann. Für die Entgeltumwandlung bedeutet dies, dass sie effizienter ist, wenn der Betrag des Gehaltsverzichts ungeschmälert, das heißt ohne Steuer- und Sozialabgabenabzüge in das jeweilige Versorgungswerk eingebracht werden kann und dort verzinst wird. Die ursprünglich für das Jahr 2009 vorgesehene Beitragspflicht bei der Entgeltumwandlung hätte somit zu einer Schmälerung des Zinsträgers geführt und die Effizienz der Systeme für sozialabgabenpflichtige Gering- und Durchschnittsverdiener so stark beeinträchtigt, dass sie sich von dieser Form der Altersversorgung verabschiedet hätten.

Drohende Doppelbelastung

Damit drohte ab dem Jahre 2009 die unhaltbare Situation, dass die arbeitnehmerfinanzierte betriebliche Altersversorgung sowohl in der Anwartschaftsphase (dort in allen Sozialversicherungszweigen) als auch in der Leistungsphase (dann in Kranken- und Pflegeversicherung) mit Beiträgen für die Sozialversicherung belastet worden wäre. Eine solche (teilweise) doppelte Belastung mit Sozialabgaben wäre einmalig im System der ergänzenden privaten und betrieblichen Altersversorgung gewesen. Arbeitnehmerfinanzierte betriebliche Altersversorgung wäre im Vergleich zu allen anderen Spar- und Vorsorgeformen schlechter gestellt worden. Das wäre in Europa einmalig gewesen.

Trotz der hohen Effizienz der betrieblichen Altersversorgung wäre es kaum mehr möglich gewesen, eine vergleichbare Beitragsrendite wie in der privaten Altersvorsorge zu erzielen. Dies hätte umso mehr gegolten als eine Ausweitung der Riesterförderung vorgesehen ist. Schließlich müsste die betriebliche Altersversorgung eine Mehrrendite in Höhe des vollen Beitragssatzes zu Kranken- und Pflegeversicherung erreichen. Nach aktuellen Werten wäre somit ein Mehrertrag in Höhe von 16,6 Prozent notwendig gewesen, um die beitragsrechtliche Benachteiligung auszugleichen. Es wundert daher nicht, dass Stiftung Warentest den Beziehern niedriger und mittlerer Einkommen für diesen Fall die Beendigung der Entgeltumwandlung empfohlen hätte. Arbeitgeber hätten aufgrund ihrer Fürsorgepflicht die Arbeitnehmer über diese Situation informiert, und es wäre zu einem Massenexodus aus der dann beitragspflichtigen Entgeltumwandlung gekommen.

Um die genauen Folgen der ursprünglich vorgesehenen Beitragsbelastung abschätzen zu können, sind die Untersuchungen des Mannheimer Hochschullehrers Axel Börsch-Supan sehr aufschlussreich. Er zeigt, dass mehr Beiträge abgeführt worden wären, aber nicht ansatzweise in dem von den Kassen erhofften Umfang. Ausweichreaktionen in Arbeitgeberfinanzierung, wie Zeitwertkonten, wären erfolgt. Zudem, darauf hat der Wirtschaftsweise Bert Rürup stets hingewiesen, wäre es nur zu einer kurzfristigen Verbesserung der Liquidität der Rentenkassen gekommen.

Gleichzeitig wären neue Rentenanwartschaften entstanden, die wiederum die jüngere Generation zu schultern gehabt hätte. Kurzum: Eine nachhaltige Verbesserung der Situation der gesetzlichen Rentenversicherung ist so nicht zu erreichen. Nachhaltig wäre allenfalls der Schaden für die betriebliche Altersversorgung. Man darf auch nicht vergessen, dass die Betriebsrentner schon heute jährlich rund 4,5 Milliarden Euro an die Kranken- und Pflegeversicherung zahlen. Ihre diesbezügliche Belastung hat sich seit 2003 verdoppelt.

Die Sozialkassen auf Kosten der betrieblichen Vorsorge sanieren zu können, ist ohnehin ein Irrglaube. Zum Glück hat man in Berlin noch rechtzeitig festgestellt, dass unter allen denkbaren Lösungen die bestehende doch die sinnvollste und unbürokratischste ist.

Gefahr gebannt

Daher ging ein Aufatmen durch die Republik, als die Bundesregierung verkündete: "Auf Beiträge zur Betriebsrente fallen auch zukünftig keine Steuern und Sozialversicherungsbeiträge an. Beschäftigte können daher weiterhin Teile ihres Einkommens für die betriebliche Altersvorsorge steuer- und sozialabgabenfrei ansparen". Damit wird es ihr gelingen einen Massenexodus aus der eigenfinanzierten betrieblichen Altersversorgung zum Ende des Jahres 2008 zu verhindern. Die gerade erst wahrgenommene Eigenverantwortung der Arbeitnehmer kann so weiter wirken.

Die rund 400 Tarifverträge, die heute die Möglichkeit der Entgeltumwandlung eröffnen, müssen nicht angepasst werden. In vielen Branchen werden die vom Arbeitgeber ebenfalls nicht abzuführenden Sozialabgaben in Form von zusätzlichen Arbeitgeberleistungen in die betriebliche Altersversorgung der Arbeitnehmer eingebracht. Entsprechende Vereinbarungen würden jedoch bei einer Beitragspflicht der Entgeltumwandlung nicht mehr fortgesetzt. In vielen Tarifverträgen ist daher für diesen Fall ein Auslaufen der tarifvertraglichen Vereinbarungen vorgesehen.

Beitragsfreiheit mit langer Tradition

Entgeltumwandlung ist keineswegs, wie vielfach fälschlicherweise angenommen wird, eine Erfindung des Jahres 2001. Es gibt sie bereits seit Jahrzehnten. Vor allem die Direktversicherung war in der Vergangenheit eine Domäne der Entgeltumwandlung. Wenn die Umwandlung aus Jahressonderzahlungen, das heißt aus Urlaubsgeld oder Weihnachtsgeld erfolgte, was der Regelfall war, blieb sie stets beitragsfrei. Die Beiträge zu Direktversicherungen und Pensionskassen blieben bis zu 3 400 DM und in Ausnahmefällen sogar bis zu 4 200 DM sozialabgabenfrei.

In Relation zur früheren Beitragsbemessungsgrenze in der gesetzlichen Rentenversicherung waren so in den siebziger Jahren bis zu zehn Prozent des beitragspflichtigen Entgelts beitragsfrei umwandelbar. Auf diese Umwandlungsbeträge fielen bei den genannten Durchführungswegen auch nur pauschale Steuern an. Diese betrugen zu Anfang nur zehn Prozent und später dann 20 Prozent. Auf laufende Renten fiel dann der halbe Beitragssatz zur Kranken- und Pflegeversicherung an, Kapitalleistungen waren sozialabgabenfrei.

Dies änderte sich mit Wirkung zum 1. Januar 2004 durch eine politische Nacht- und Nebelaktion. Seitdem wird von den Mitgliedern der gesetzlichen Kranken- und Pflegeversicherung stets der volle Beitragssatz verlangt. So werden jährlich etwa 2,5 Milliarden Euro mehr in die Kassen gespült. Von der Entgeltumwandlung wurde jedoch bis 2002, trotz der attraktiven Bedingungen, deutlich geringerer Gebrauch gemacht als heutzutage. Angesichts der hohen Leistungen der gesetzlichen Renten sah man früher nicht die Notwendigkeit zusätzlich vorzusorgen.

Funktionsweise der Entgeltumwandlung

Entgeltumwandlung, also der Austausch von Barlohnbestandteilen gegen ein Versorgungsversprechen des Arbeitgebers, ist steuer- und sozialabgabenfrei bis zu einem jährlichen Betrag von 2 520 Euro (Wert für 2007). Weitere 1 800 Euro pro Jahr sind daneben steuer-, aber nicht abgabenfrei umwandelbar. Auf die späteren Rentenleistungen werden dann im Alter die aktuellen Steuersätze angewandt und, sofern der Betriebsrentner in einer gesetzlichen Kranken- und Pflegeversicherung Mitglied ist, der jeweilige volle Beitragssatz.

Für Arbeitnehmer oberhalb der Beitragsbemessungsgrenze zur Sozialversicherung liegen die Vorteile vor allem in den Steuerstundungs- beziehungsweise Steuerspareffekten. Bezieher mittlerer und niedriger Einkommen profitieren vor allem von den sozialversicherungsrechtlichen Vorteilen. Der Umwandlungsprozess wird nicht belastet durch Beiträge zur Renten-, Kran-ken-, Pflege- und Arbeitslosenversicherung. Zwar fallen so auch die Ansprüche gegen die gesetzliche Rentenversicherung ein wenig niedriger aus. Diese Differenz wird aber durch die höhere Betriebsrente deutlich überkompensiert. Und auch die Beitragspflicht im Alter mindert zwar die Effizient, hebt sie aber nicht auf.

Seit Einführung des Anspruchs auf Entgeltumwandlung zum 1. Januar 2002 hat sich diese Variante der betrieblichen Altersversorgung zu einer der entscheidenden Triebkräfte des Aufschwungs entwickelt. Zahlen des Jahres 2004 belegen aber, dass der Trend nicht in Richtung der alleinigen Finanzierung der Betriebsrente durch den Arbeitnehmer geht. Vielmehr beteiligen sich 75 Prozent aller Betriebsrentenzusagen die Arbeitgeber ebenfalls an deren Aufbau.

Gemeinsame Finanzierung

In der Praxis entsteht eine betriebliche Altersversorgung in vielen Betrieben zunächst mit der Entgeltumwandlung, erst später entscheiden sich viele Arbeitgeber für zusätzliche Leistungen. Häufig besteht die Beteiligung der Arbeitgeber darin, dass sie den eingesparten Arbeitgeberanteil zur Sozialversicherung als Zuschuss weitergeben. So hat zwar der Anteil der Entgeltumwandlungszusagen an allen Versorgungszusagen deutlich zugenommen, 2004 waren es rund 25 Prozent. Aber die meisten Betriebsrenten werden von Arbeitgebern und Arbeitnehmern gemeinsam finanziert. Solche gemeinsam finanzierten Zusagen machten 2004 bereits 50 Prozent aller Fälle aus.

Oft der Einstieg zur Mischfinanzierung

Seit mehreren Jahrzehnten ist Deutschland weitestgehend von Altersarmut verschont. Aber praktisch alle wissenschaftlichen Prognosen prophezeien, dass das Land in 20 Jahren wieder mit dem Problem konfrontiert sein wird. Dies wird nicht zuletzt ein Kostenproblem der öffentlichen Hand, entweder durch Sozialleistungen oder durch Zuschüsse zur Rentenkasse. Und hier ist jeder Euro, den der Staat ausgibt, für seinen Haushalt vollständig verloren. Wenn aber der Staat - sei es über Steuern oder über Sozialabgaben - die betriebliche Vorsorge forciert, muss er für diese Anreize nur einen Teil der insgesamt so erzielten Versorgung aufbringen. Der größte Teil stammt ja aus Mitteln des Unternehmens, des Arbeitnehmers und des Zinseffektes. Will der Staat mit begrenzten Mitteln ein vernünftiges Versorgungsniveau der Bevölkerung sicherstellen, ist und bleibt die betriebliche Vorsorge der beste Weg dazu.

Die überlegene Effizienz der betrieblichen Altersversorgung resultiert im Kern aus ihrer kollektiven Struktur. Nicht der Einzelne muss sich in einem individualiserten Markt bewegen, sondern Unternehmen engagieren sich in kollektiven, arbeitgeber- und/oder arbeitnehmerfinanzierten Systemen für die Mitarbeiter; Arbeitnehmervertretungen leisten ihren Beitrag. Ohne Gewinnerzielungsabsicht bringen Unternehmen ihr Know-how in Einkauf, Aufbau und Überwachung von Betriebsrenten-Systemen ein und stellen so ihren Mitarbeitern kostengünstige kollektive Strukturen zur Verfügung, die der Einzelne für sich am Markt nicht einkaufen kann. Wo kleine und mittlere Betriebe nicht über eigenes Know-how verfügen, können Versorgungswerke der Tarifparteien und Verbände optimierte kollektive Konzepte bieten.

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