Fragen an ...

Braucht Europa eine Bankenunion?

... Gerhard Schick

In den USA sind nicht die einzelnen Mitgliedstaaten für die Rettung der Banken zuständig, sondern die Federal Deposit Insurance Corporation (FDIC) - ein Einlagensicherungs- und Bankenrestrukturierungsfonds auf Bundesebene, der über eine Bankenabgabe finanziert wird und umfangreiche Kompetenzen bei der Abwicklung von Instituten hat. Das macht die Stabilisierung des Bankensektors bei Schieflagen einzelner Institute wesentlich billiger, da frühzeitig und nachhaltig agiert werden kann. 2008 musste aufgrund unterschiedlicher Rechtsrahmen die irische HRE-Tochter Depfa mit deutschen Steuermilliarden gerettet werden. Während selbst finnische Sparer Anlass haben, über das Schicksal der spanischen Bankia zu debattieren, sind in den USA allein dieses Jahr bereits 31(! ) Banken von der FDIC restrukturiert oder abgewickelt worden, ohne dass dies eine Krise befeuert hätte - weder für Staaten noch für Sparer. Im Gegenteil: Bankstabilisierungen werden dort prioritär an den Interessen der Einleger und Steuerzahler ausgerichtet.

Europaweites Restrukturierungsrecht

In Europa hingegen führte die Angst vor Ansteckungsgefahren und das Fehlen eines europaweiten Restrukturierungsrechts dazu, dass die Bankenrettungen wesentlich teurer wurden. Aktionäre, Nachrangkapitalgeber und Gläubiger wurden in großem Umfang bedient. Das ist ein Grund dafür, dass Irland und Spanien europäische Hilfen brauchten. Beispielsweise standen bei spanischen Banken am Beginn der Krise 100 Milliarden Euro an Nachrangkapital zur Verfügung. Diese wurde aber nicht genutzt für die Stabilisierung des Sektors, vielmehr wurden diese bedient - zum Schaden des Steuerzahlers. Außerdem sind kriselnde Banken, die sich an schwächelnde Staaten lehnen, ein Alarmsignal für Sparer und führen zu einer gefährlichen Kapitalflucht von schwachen zu starken Staaten. Um spanische oder italienische Sparer davon abzuhalten, ihr Geld auf einem deutschen Konto zu horten, wird eine europäische Einlagensicherung bald das einzige verbliebene Mittel sein. Drastischere Maßnahmen wären Kapitalverkehrskontrollen - und damit wohl der Anfang vom Ende des europäischen Binnenmarktes.

Die Europäische Währungsunion kann deshalb ohne Bankenunion auf Dauer nicht reibungslos funktionieren. Nötig sind drei Bausteine: Erstens braucht es ein einheitliches Restrukturierungsrecht, damit grenzüberschreitende Banken in der Schieflage so günstig wie möglich stabilisiert oder abgewickelt werden können. Zentraler Kern dieser Normen muss sein, dass Aktionäre, Nachrangkapitalgeber und Gläubiger über ein Bail-in für die Stabilisierung von Instituten herangezogen werden können, um den Steuerzahler zu schützen.

Keine Belastung der Steuerzahler

Zweitens bedarf es einer Institution, die die Rettung und Abwicklung vornehmen kann - analog der US-amerikanischen FDIC. Das monatelange Gefeilsche um die Rettung von Dexia kann so bei künftigen Fällen ebenso vermieden werden wie die Schwierigkeiten bei der Depfa-Rettung. Außerdem kann vermieden werden, dass einzelne Staaten - wie im Falle Spaniens die Lösung von Bank-Problemen verschleppen und so die Finanzmärkte immer wieder in Unruhe versetzen.

Drittens brauchen wir einen europäischen Einlagensicherungs-Fonds, der über eine Umlage der Banken finanziert wird. Das überwindet Schwächen der deutschen Systeme: Die Einlagensicherung des Bundesverbandes deutscher Banken (BdB) etwa ist eine Werbeaussage ohne Rechtsanspruch. Die Deutsche Bank beziffert die Sicherungsgrenze für Einlagen pro Einzelkunde auf über 814 Millionen Euro - was bei einer Gesamtgröße des Einlagenfonds in nur einstelliger Milliardenhöhe (über genaue Zahlen herrscht Stillschweigen) nicht überzeugen kann. Letztlich sind die Einlagen der Deutschen Bank über die Einlagen der Deutschen Bank abgesichert - das ist doch Finanzmagie. Es sei denn, man rechnet mit dem Eingreifen des Steuerzahlers. Doch diese implizite Subventionierung durch den Steuerzahler ist eine Wettbewerbsverzerrung, die beendet werden muss.

Weil in der Eurozone diese Elemente fehlen, findet die Stabilisierung auf einem anderen Weg statt, nämlich über die intransparenten, unkonditionierten Hilfen in Milliardenhöhe für südeuropäische und irische Banken über die EZB. Diese sind für den Steuerzahler eindeutig die schlechtere Alternative: intransparent, teuer, ohne Konditionen oder Auflagen. Die von Gegnern der Bankenunion abgelehnte Vergemeinschaftung von Risiken findet also längst statt. Die Frage ist allerdings, zu welchen Konditionen. Deswegen gilt es genau zu wägen, bei welcher Lösung die Steuerzahler am besten vor hohen Lasten der Bankenrettung geschützt werden. Dafür reicht es nicht aus, die Bankenunion zu kritisieren. Man muss sie in den Vergleich mit den realen Alternativen stellen, mit denen eine Stabilisierung des europäischen Bankensektors gelingen kann, ohne die Währungsunion einem gefährlichen Zerfallsprozess auszusetzen. In diesem Vergleich ist meines Erachtens die Bankenunion die bessere Alternative gegenüber der derzeitigen Vergemeinschaftung von Risiken auf der EZB-Bilanz.

... Hans Reckers

Die Europäische Kommission hat Anfang Juni 2012 ihre Grundposition für eine europäische Bankenunion vorgestellt. Der Europäische Gipfel Ende Juni hat dann weitere Eckpunkte dieses Vorhabens festgelegt und dabei vor allem die Schaffung einer zentralen Bankenaufsicht priorisiert. Ich sehe dieses Projekt kritisch. Dabei stützt meine Position auch nicht zuletzt der vergangenene Woche veröffentlichte Brief von etwa 170 Volkswirten, weil auch ich in der geplanten Bankenunion neue Haftungsrisiken für deutsche Steuerzahler erkennen kann. Wenngleich ich die Linie der deutschen Bundesregierung in der Bewältigung der Staatsschuldenkrise grundsätzlich voll unterstütze, so ist in meinen Augen die Bankenunion die falsche Antwort. Das Projekt trägt mehr den Anschein des politischen Aktionismus, als dass es in der Lage wäre, Beiträge zur Lösung der akuten Probleme in den Euro-Problemstaaten und im Euroraum insgesamt zu leisten.

Zentrale EU-Bankenaufsicht

Den Gedanken einer besonders engen, zentralen Beaufsichtigung von Großbanken und von Banken, die EU-Hilfsgelder in Anspruch nehmen, halte ich zunächst für prüfenswert. Diese Aufgabe bei der Europäischen Zentralbank (EZB) anzusiedeln, ist aber problematisch. Die EZB ist für die Geldversorgung und die Preisstabilität zuständig, eine Einbindung in die Bankenaufsicht würde ihre Unabhängigkeit untergraben. Schließlich muss auch die Frage der parlamentarischen Kontrolle einer zentralisierten Aufsicht, die hoheitliche Entscheidungen treffen könnte, geklärt werden. Die EZB ist zudem nur für die 17 Eurostaaten zuständig und kann deshalb keine Aufsicht über alle Banken in den 27 Mitgliedsländern ausüben. Wettbewerbsverzerrungen mit dem Finanzplatz London könnten die Folge sein. Da neue Kompetenzen der EZB ohnehin nur einstimmig übertragen werden können, müssten auch die zehn EU-Mitgliedstaaten zustimmen, die nicht der Euro-Zone angehören. So fehlen für die Schaffung einer mit umfassenden Eingriffsbefugnissen ausgestatteten europäischen Aufsicht für systemisch wichtige Banken elementare Grundvoraussetzungen, etwa ein harmonisiertes Verwaltungsrecht, ein einheitliches Insolvenzrecht und die Angleichung der Regelungen zu möglichen Schadensersatzansprüchen. Solange diese Themen ungelöst sind, macht es wenig Sinn, neue Strukturen in die Debatte einzuführen. Artikel 127 Absatz 6 des EU-Vertrages erlaubt nur die Übertragung von besonderen Aufgaben im Zusammenhang mit der Aufsicht über Kreditinstitute und sonstige Finanzinstitute auf die EZB, stellt aber keine allgemeine Kompetenzgrundlage dar.

Krisenmanagement

Die Europäische Kommission hat ihren Richtlinienvorschlag zum Krisenmanagement vorgelegt. Das Ziel, die Geschäftsfortführung und geordnete Abwicklung von Banken zu ermöglichen, geht grundsätzlich in die richtige Richtung. Es vollzieht auf europäischer Ebene die bereits seit zwei Jahren in Kraft befindliche deutsche Restrukturierungsgesetzgebung nach. Insofern wird die Richtlinie zur Wiederherstellung eines level-playing-field in der EU beitragen. Die von der Kommission vorgeschlagene Pflicht zur gegenseitigen grenzüberschreitenden Hilfeleistung von nationalen Bankenabwicklungsfonds lehnen wir jedoch ab. Die von deutschen Kreditinstituten in den deutschen Abwicklungsfonds gezahlten Gelder dürfen nicht zur Sanierung von Banken in den Euro-Krisenstaaten genutzt werden. Das Ergebnis wäre sonst eine Haftungsgemeinschaft ohne Einwirkungs- und Kontrollmöglichkeiten.

Besonders wichtig bleibt hier die Ausnahme der Förderbanken vom Anwendungsbereich der Richtlinie. Denn die Anwendung von Sanierungs- oder Abwicklungsregelungen auf Banken mit staatlichen Garantien oder vergleichbaren Haftungsinstrumenten ist weder sachgerecht noch erforderlich. Ich plädiere für eine praxisgerechte Ausgestaltung der Eingriffsbefugnisse bei frühzeitigem aufsichtlichen Tätigwerden; ein automatisiertes Eingreifen der Aufsichtsbehörden bei Nichteinhaltung bankaufsichtlicher Regeln halte ich für ungeeignet. Zudem meine ich, dass die in dem Richtlinienvorschlag geforderten Sanierungs- und Abwicklungspläne zur Überregulierung tendieren; sie müssen sich auf einen praxisgerechten Detaillierungsgrad beschränken. Die Einrichtung nationaler Abwicklungsfonds darf nicht zu Redundanzen mit den bereits bestehenden Einlagensicherungsfonds führen. Es ist nicht sachgerecht, dass der Kommissionsvorschlag den Mitgliedstaaten bei der Organisation der Abwicklungsfonds innerhalb oder außerhalb bestehender Einlagensicherungsstrukturen größtmögliche Entscheidungsfreiheit lässt.

Einlagensicherung

Die EU-Kommission hat ihr Projekt, die Sicherheit von Kundeneinlagen in den Mitgliedstaaten weiter zu verbessern, im Juli 2010 mit viel Elan gestartet. Der zuletzt in Brüssel diskutierte Entwurf berücksichtigt auch weitgehend deutsche Positionen. Insbesondere erlaubt er, unser im Interesse unserer Kunden besonders leistungsfähiges System aus gesetzlicher und freiwilliger Einlagensicherung sowie den Haftungsverbünden fortzuführen. Der Harmonisierungsdruck bei der Einlagensicherung wird zweifelsfrei weiter bestehen. Insofern werden wir weitere Brüsseler Überlegungen in diesem Kontext sehr genau beobachten. Insbesondere dürfen europäische Regeln nicht dazu führen, dass die Einlagen deutscher Bankkunden künftig weniger gut geschützt werden, als dies bereits heute der Fall ist. Es wäre geradezu absurd, wenn unsere über viele Jahre aufgebauten Einlagensicherungssysteme für die Absicherung von Spareinlagen in Euro-Krisenstaaten herangezogen werden könnten. Eine solche Sozialisierung von Risiken geht deutlich über den europäischen Solidaritätsgedanken hinaus und ist überdies rechtlich sehr zweifelhaft. Letzten Endes könnte dies zu einer Zweckentfremdung unserer Fonds führen mit der Folge, dass unsere Banken diese wieder auffüllen müssten.

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