Gespräch des Tages

Bundesgerichtshof - "Transmortale" Kontobevollmächtigung des Ehepartners

Rechtsanwalt Dr. Claus Steiner, Wiesbaden, schreibt der Redaktion: "Finanzkrise hin oder her - das Alltagsgeschäft der Kreditinstitute am Schalter oder im Backoffice wird davon nur wenig berührt, und die im Kundenverkehr entstehenden Rechtsfragen bleiben klärungsbedürftig, selbst wenn es in den , oberen Führungsebenen' gerade um Sein oder Nichtsein geht. Daher darf auch in diesen Zeiten berichtet werden, wenn der Bundesgerichtshof (BGH) über ein bankrechtliches Alltagsproblem entschieden und damit die bisher uneinheitliche Gerichtspraxis auf eine Linie gebracht hat. Es ging um folgenden Sachverhalt: Ein Ehemann hatte seiner Ehefrau eine , transmortale' (also über seinen Tod hinaus wirkende) Vollmacht , zur unbeschränkten Verfügung' über sein Girokonto bei einer Sparkasse erteilt. Als Alleinerben setzte er testamentarisch seinen Sohn ein. Nach dem Tod des Ehemanns schrieb die Sparkasse auf Weisung der bevollmächtigten Ehefrau das mit einem Guthaben geführte Konto auf ihren Namen um. Zeitlich nachfolgende Auszahlungsverlangen des Sohnes wies die Sparkasse mit der Begründung zurück, dass sie erst jetzt von seiner Erbenstellung erfahren habe und dass sie außerdem aufgrund der umfassenden Vollmacht zur Umschreibung des Kontos berechtigt gewesen sei. Der Sohn erhob Klage gegen die Sparkasse mit der Forderung, das Guthaben an ihn auszuzahlen.

Wie so oft waren die Gerichtsinstanzen dazu unterschiedlicher Auffassung: Das Amtsgericht wies die Klage ab, und das Landgericht als Berufungsinstanz gab ihr statt, ließ aber im Hinblick auf die uneinheitliche Rechtspraxis die Revision der Sparkasse zum BGH zu. Dieser bestätigte den Auszahlungsanspruch des Sohnes gegenüber der Sparkasse. Im Leitsatz seines Urteils* formulierte der BGH: , Die einem Ehepartner erteilte transmortale Kontovollmacht berechtigt grundsätzlich weder zu Lebzeiten des Erblassers noch nach seinem Tod zur Umschreibung des Kontos auf den Bevollmächtigten'. Schließlich sei der Girovertrag des Erblassers, in den der Sohn als Alleinerbe kraft Gesetzes (§ 1922 I BGB) eintrete, durch die von der Bevollmächtigten veranlasste Umschreibung des Kontos nicht aufgelöst worden. Der damit von ihr beabsichtigte Gläubigerwechsel werde von der , transmortalen' Vollmacht nicht erfasst.

Auf die rechtsdogmatische Begründung muss hier nicht näher eingegangen werden. Es genügt zu berichten, dass der BGH die Auffassung vertritt, der Inhaber einer Kontovollmacht, der - anders als etwa der Mitinhaber eines Oder-Kontos - selbst nicht Inhaber der Forderung gegen die Bank sei, habe grundsätzlich nicht das Recht, die vertragliche Rechtsstellung des vertretenen Kontoinhabers aufzuheben oder zu verändern. Das gelte auch für eine 'transmortale' Kontovollmacht unter Eheleuten. Der BGH lehnte damit die in der Rechtsprechung teilweise vertretene Meinung ab, dass der transmortal bevollmächtigte Ehepartner in aller Regel das Konto des verstorbenen Vollmachtgebers auf sich umschreiben lassen dürfe, weil dabei der Wille der Ehepartner im Vordergrund stehe, den Überlebenden mittels dieser Vollmacht finanziell sowie gegen die Gefahr des Vollmachtwiderrufs durch die Erben abzusichern.

Mit dem Erbfall werde der Erbe (hier also der Sohn) , Herr des Nachlasses'. Er könne die , transmortale' Vollmacht jederzeit widerrufen und sich somit auch gegen Handlungen des Bevollmächtigten wehren, die , den schutzwürdigen Interessen des Erben zuwiderlaufen oder deren Kenntnis diesen vermutlich zum vorzeitigen Widerruf der Vollmacht veranlasst hätte'. Die finanzielle Absicherung des überlebenden Ehepartners könne weitaus geeigneter, zum Beispiel durch Erbeinsetzung, durch ein Vermächtnis oder durch Schenkung unter Lebenden oder von Todes wegen erfolgen. Dass der , transmortal' bevollmächtigte Ehepartner das gesamte Kontoguthaben ohne Weiteres auf sein eigenes Konto überweisen und sich damit wirtschaftlich ebenso stellen könne, wie wenn das Konto auf ihn umgeschrieben worden wäre, führe zu keiner anderen rechtlichen Beurteilung. Ein Bevollmächtigter dürfe den Kontoinhaber (und seinen Erben) nicht durch Umwandlung des Kontos aus der girovertraglichen Rechtsstellung verdrängen und einen Gläubigerwechsel herbeiführen.

Die aus diesem Urteil folgende , Moral' für das Girogeschäft der Banken und Sparkassen lautet damit eindeutig: Sofern vom Kontoinhaber nicht ausdrücklich oder sonst wie erkennbar zugelassen, darf der auch 'transmortal' über das Konto bevollmächtigte Ehepartner nach dem Tod des Inhabers zwar über das Guthaben unbeschränkt weiter auch zu seinen eigenen Gunsten verfügen (es sei denn, der Erbe widerrufe zuvor die Vollmacht! ). Aber er darf das Konto weder auf sich noch auf einen Dritten umschreiben lassen oder den Girovertrag auflösen. Die Mitarbeiter der Banken und Sparkassen sollten daher , transmortal' Bevollmächtigte, die die unzulässige Umschreibung des Kontos ihres Vollmachtgebers begehren, auf die grundsätzlich (abgesehen etwa von Fällen des , Vollmachtmissbrauchs') legale Möglichkeit der Überweisung des Kontoguthabens auf das eigene Konto verweisen. Die Grenzlinie ist in Bezug auf das wirtschaftliche Ergebnis zwar relativ unbedeutend, dafür aber rechtsdogmatisch durchaus scharf gezeichnet und plausibel."

* BGH Urteil vom 24. März 2009 - XI ZR 191/08 abgedruckt in ZIP 2009 Seite 1000.

Noch keine Bewertungen vorhanden


X