Gespräch des Tages

Castell-Bank - Expansion - aber mit Vorsicht

4500 Hektar Wald, 450 Hektar Landwirtschaft, 70 Hektar Weinanbau - und eine seit 1774 bestehende Privatbank samt ausgeprägtem regionalem Filialnetz. Damit dürfte das Firmenprofil der beiden Fürstengeschlechter Castell-Castell und Castell-Rüdenhausen sicherlich einzigartig sein. Dass dabei alle vier Bereiche profitabel arbeiten, spricht gleichermaßen für den seit jeher gelebten Fokus auf die Bedürfnisse der Kunden in der Region wie auch für die selbst auferlegte Beschränkung auf unmittelbar zum Kerngeschäft gehörende Engagements, sowohl in geografischer wie auch in strategischer Hinsicht.

Interessantes fördert der Blick auf den Geschäftsabschluss 2009 der Bank zutage. Denn wenn diese ihrem andauernden Ziel, das Verhältnis der beiden Ertragskomponenten Zins- und Provisionsüberschuss auszugleichen - beziehungsweise gar von bislang rund 60 zu 40 Prozent umzukehren - im zurückliegenden Jahr nicht näher gekommen ist, begründet sich dies kaum durch eine falsche Geschäftstaktik. Eine geringere Abhängigkeit vom Zinsgeschäft ist in modernen Bankjahren sicherlich ein angemessenes Ziel. Vielmehr lassen sich die Realitäten des Marktes auch bei der vermögenden mittelständischen Klientel nicht ausblenden. Dank der Abwartehaltung der Kunden im Wertpapiergeschäft nach den Negativerfahrungen im Jahr 2008 ist nicht nur der Provisionsüberschuss von 12,3 auf 10,9 Millionen Euro gesunken. Aufgrund der für die Bank guten Zinskonditionen hat sich auch der entsprechende Gewinn von 21,8 auf 23,5 Millionen Euro erhöht. Damit waren es also die guten Möglichkeiten bei der Fristentransformation, die das Minus im angestrebten Wachstumssegment auffing und für einen im Vergleich zum Vorjahr nur unwesentlich geringeren Rohertrag sorgten.

Am grundsätzlichen Vorhaben, zusätzlich zum traditionellen Geschäft die Vermögensverwaltung weiter auszubauen, will man derweil nichts ändern. Ganz im Gegenteil: antizyklisches Handeln heißt das Gebot der Stunde. Zu den bestehenden, auf das Wealth Management ausgerichteten Niederlassungen in Nürnberg, München, Mannheim und Heilbronn sollen in den kommenden Monaten neue Standorte außerhalb des angestammten Geschäftsgebiets in Bayern und Baden-Württemberg kommen - alles mit moderaten Absichten und ohne das Kerngeschäft zu vernachlässigen versteht sich, wie es sich für eine traditionsbewusste Privatbank gehört. Diese Vorsicht ist auch geboten, schon zuvor haben sich Privatbankiers mit allzu schnellem Wachstum übernommen. Dass man das Rhein-Main-Gebiet und Nordhein-Westfalen auf dem Radar hat, liegt wohl weniger am Prestige der Finanzplätze in Frankfurt und Düsseldorf als an den soliden Wachstumserwartungen für die umliegenden Mittelstädte. Bei merklich von 26,3 auf 30,5 Millionen Euro angestiegenen Verwaltungsaufwendungen - die Zunahme liege im Wesentlichen an der Umsetzung gesetzlicher Anforderungen, einmaliger IT-Aufwendungen sowie Kosten für neue Mitarbeiter in der Vermögensverwaltung - wird wie im Vorjahr ein Gewinn von zwei Millionen Euro ausgewiesen. Anders als im Vorjahr allerdings wurde dieser nicht komplett in eine Stärkung der Einlagen investiert, sondern hälftig an die Eigentümer ausgeschüttet. Auf ihren Teil konnten die Fürstenfamilien im Jahr 2009 nicht verzichten, schließlich will auch die jüngst abgeschlossene Renovierung der beiden Familienschlösser bezahlt werden. Adel verpflichtet eben - nicht nur gegenüber der Region.

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