Aufsätze

Die Debatte um Qualität und Risikobeteiligung in der Kreditverbriefung

Rein technisch - wenngleich noch sehr kostenintensiv - wäre es in der zivilen Luftfahrt möglich, die komplette Steuerung vom Start bis zur Landung vom Boden aus durchzuführen. Doch Hand aufs Herz - wer möchte schon in ein Flugzeug steigen, dessen Pilot in einer sicheren Bodenstation sitzt. Allen rationalen Argumenten zum Trotz fühlt man sich sicherer, wenn der Pilot im Falle eines Falles das eigene Schicksal teilt. Man verspricht sich davon ein höheres Maß an Verantwortung und Aufmerksamkeit.

Bewährte Regeln missachtet Zurzeit wird viel über Moral Hazard und fehlende Transparenz auf den Verbriefungsmärkten diskutiert und wenngleich die aktuelle Kreditkrise viele Ursachen hat - wie zum Beispiel die Niedrigzinspolitik, die einen unglaublichen Kredit- und Assetboom bescherte, Risikomodelle, mit denen aus Daten von kurzen, vergangenen Boomzeiträumen langfristige Entscheidungen abgeleitet wurden, Deregulierungen der Kreditpolitik in den USA einerseits und weltweite prozyklische Regulierungen wie Mark-to-Market-Bewertungen im Rahmen von IFRS oder ratingabhängige Eigenkapitalunterlegungen andererseits - es kann nicht geleugnet werden, dass auch der Verbriefungsmarkt seinen Anteil an der Krisenentstehung hatte und insbesondere im amerikanischen Markt dazu beitrug, dass hier althergebrachte und bewährte Regeln der Kreditvergabe und Risikosteuerung über Bord geworfen wurden. In den USA haben sich in den Jahren nach 2000 unter dem Einfluss radikaler Deregulierung der Kreditmärkte diese immer weiter von dem entfernt, was man hierzulande gemeinhin unter "banküblicher Sorgfalt bei der Kreditvergabe" versteht. Die Kreditprodukte wurden für die Kreditnehmer immer undurchschaubarer, die hohe Arbeitsteilung im Kreditprozess in Vertrieb, Kreditentscheidung, Kreditbearbeitung und Risikoübernahme, die alleinige Steuerung der beteiligten Akteure über Provisionen, das wiederholte Wiederverpacken einmal verbriefter Kredite, das blinde Vertrauen auf Ratings bei Investoren - all dies hatte in der Endphase des Kreditbooms, das heißt den Jahren 2004 bis 2006 dazu geführt, dass die in den Staaten herausgelegten Subprime-Kredite einfach schlecht und entsprechend auch die darauf aufbauenden Verbriefungen schlecht und intransparent waren. Jeder verdiente daran, aber keiner hatte richtig die Verantwortung für die verbrieften Kreditportfolios. Die amerikanische Finanzaufsicht in einem unergründlichen Vertrauen auf die Marktkräfte schaute nur zu oder besser gesagt weg. So wundert es nicht, dass die Krise hier ihren Anfang nahm und alle in Mitleidenschaft zog, die in diese Produkte investiert hatten.

Selbstbehalt bei Verbriefungen

Viel ist seitdem über die Verbriefungsmärkte diskutiert worden - mehr als über alle anderen Krisenursachen. Daher lassen sich für die Verbriefungsmärkte die wesentlichen Lehren bereits jetzt ziehen:

1. Investoren sollten nicht nur im Vertrauen auf Ratings kaufen, sondern auch ein grundlegendes Verständnis des verbrieften Kreditportfolios, dessen Risiken im Konjunkturzyklus sowie der Transaktionsstruktur haben. Damit dies möglich ist, muss die Transaktionsstruktur nachvollziehbar sein; Transaktion und Kreditportfolio müssen transparent gestaltet und ihre Entwicklung und Performance im Zeitablauf deutlich gemacht werden.

2. Die verbriefende, das heißt Kreditrisiko an die Kapitalmärkte weitergebende Bank, sollte verbriefte Kredite bei ihrer Vergabe beziehungsweise ihrer Bearbeitung nicht schlechter behandeln als nicht verbriefte Kredite, für die sie weiterhin das Risiko trägt. Auch ihre Anreizstruktur sollte entsprechend ausgerichtet sein. In der öffentlichen Diskussion wird dies in der Regel als Ausschaltung von Moral Hazard diskutiert.

Die EU-Kommission hat diese Lehren aufgegriffen und in dem aktuellen Vorschlag zur Änderung des Art.122a der Capital Requirement Directive (CRD) einfließen lassen. So ist vorgesehen:

- Investitionsverbot, soweit nicht der Originator mindestens fünf Prozent des Risikos einbehält.

- Pflicht für investierende Bank zu belegen, dass sie ein gründliches Verständnis hat für die Risikocharakterisitik, für die Historie, den Kreditvergabeprozess und die Sicherheitenbewertung des Originators der Transaktion sowie für die Verbriefungsstruktur und darüber hinaus in der Lage ist die Performance der Verbriefungspositionen anhand von Daten zu bewerten. Sponsoren und Originatoren dürfen zudem verbriefte und nicht-verbriefte Krediten nicht unterschiedlich behandeln.

Viel wurde in Europa seitdem darüber gestritten, ob es fünf Prozent oder zehn Prozent oder 20 Prozent Risikobeteiligung sein sollen. Doch die einseitige Fixierung auf eine Prozentdiskussion greift zu kurz, denn es geht damit verloren, dass die EU-Kommission mit dem vorliegenden Vorschlag neben der Risikobeteiligung auch die qualitativen Aspekte der Verbriefung und der Investition in Verbriefungsprodukte regelt, deren sachgerechte Umsetzung wesentlich dazu beitragen wird, das Vertrauen in die Verbriefungsmärkte wiederherzustellen.

Traditionell höhere Verbriefungsstandards in Deutschland

Die deutschen Erfahrungen belegen dies, denn die Kreditverbriefungen deutscher Banken folgten schon immer derartig qualitativ hohen Standards. Deutsche Banken halten in der Regel Kredite zunächst auf ihrer Bilanz und verbriefen nur einen kleinen Teil ihres Kreditbuchs. Bei der Kreditvergabe wird daher kein Unterschied gemacht, ob der Kredit später verbrieft werden könnte oder nicht. Verbriefte Kredite unterliegen somit den gleichen rechtlichen Regeln in der Kreditvergabe wie nicht-verbriefte Kredite.

Zudem regelt ein bereits vor zehn Jahren herausgegebenes Rundschreiben der BaFin (4/97), dass die "Auswahl der zu veräußernden Forderungen (...) innerhalb der vertraglich vereinbarten Auswahlkriterien nach dem Zufallsprinzip erfolgen" muss. Es gibt somit keinen Qualitätsunterschied zwischen verbrieften oder einbehaltenen Krediten.

So verbleiben in Deutschland allein schon aufgrund der regulatorischen und zivilrechtlichen Rahmenbedingungen in der Regel alle wesentlichen Prozessschritte vor allem auch die Pflege der Kundenbeziehung und das Servicing - bei der Kredit vergebenden Bank. Bank und Kunde bleiben somit eng miteinander verbunden. In Deutschland dient die Kreditverbriefung ausschließlich der Refinanzierung, der regulatorischen und ökonomischen Eigenkapitalentlastung und dem Risikomanagement.

Risikobeteiligung als flankierendes Steuerungsinstrument

Auch das Thema Transparenz wurde in Deutschland bereits in den Anfängen der Verbriefungsindustrie betont. Mit den Verbriefungsplattformen Promise (Mittelstandskredite) und Provide (Immobilienkredite) der KfW Bankengruppe wurden in den Jahren 2000 und 2001 am deutschen Verbriefungsmarkt Standards für einfach strukturierte synthetische Verbriefungen geschaffen. Mit der kostenlosen Bereitstellung von umfangreichen Informationen zu allen über die Plattformen durchgeführten Transaktionen (zum Beispiel das Informationsmemorandum beziehungsweise den Prospekt, die Presale-Berichte der Ratingagenturen sowie den jeweils neuesten Investorenreport) auf ihrer Homepage schaffte die KfW von Anfang an für ihre Verbriefungsprogramme Transparenz für den Investor.

Einen wesentlichen Anteil an der Entwicklung des deutschen Verbriefungsmarktes hat die True Sale International GmbH (TSI), zu der sich 2004 dreizehn Banken zusammengeschlossen hatten. Von der TSI zertifizierte Transaktionen sind heute europaweit Musterbeispiele transparenter Verbriefungen.

Darüber hinaus behalten deutsche Banken auf freiwilliger Basis in der Regel Teile des First Loss Pieces ein oder sind durch Beteiligungen am Excess Spread beziehungsweise andere Mechanismen direkt mit dem Erfolg der Verbriefungstransaktion verbunden. Sie haben daher starke positive Anreize für eine ordentliche Kreditvergabe und -überwachung, unabhängig von der Frage, ob ein Kredit später verbrieft wird oder nicht.

Dieses Zusammenspiel aus Qualitätsprozessen in der Kreditvergabe und -bearbeitung sowie Transparenz für den Investor ist die Basis deutscher Verbriefungen zu der die Risikobeteiligung der Originatoren als zusätzliches Element hinzukommt. Auch in Europa sollte der Fokus auf Qualität und Transparenz liegen, die durch Risikobeteiligung lediglich flankiert wird. Risikobeteiligung für sich genommen ist kein hinreichendes Steuerungsinstrument. In der Raumfahrt übrigens wird die Steuerung von der Bodenstation aus schon seit Jahren angewendet. Weil es sicherer ist.

Dr. Hartmut Bechtold , Global Writers Group GmbH
Noch keine Bewertungen vorhanden


X