Aufsätze

Das Deutsche Aktieninstitut – dem Kapitalmarkt verpflichtet

Funktionierende Kapitalmärkte sind grundlegende Voraussetzung für Wohlstand und Entwicklung einer Volkswirtschaft. In den Unternehmen sind sie eine wesentliche Finanzierungsquelle für Wachstum und Beschäftigung. Zudem hat die Finanzmarktkrise eindrucksvoll gezeigt, wie wichtig die Eigenkapitalbeschaffung über effiziente Aktienmärkte ist, um ohne größere Einschnitte bei Investitionen und Beschäftigung wirtschaftlich schwierige Zeiten durchstehen zu können. Funktionierende Kapitalmärkte sind darüber hinaus eine vermögenspolitische Notwendigkeit. Insbesondere die Aktienanlage sollte bei nachlassender Leistungsfähigkeit des gesetzlichen Rentensystems unverzichtbarer Bestandteil der privaten Altersvorsorge sein. Aktienakzeptanz rückläufig Die Aktienakzeptanz bei Unternehmen und Privatanlegern sind zwei Seiten ein und derselben Medaille: Je mehr Privatanleger bereit sind, in Aktien zu investieren, desto besser sind die Möglichkeiten der Unternehmen, kostengünstig Aktien an der Börse zu platzieren und damit das Eigenkapital zu stärken. Je mehr Unternehmen an der Börse notiert sind, desto größer sind die Auswahlmöglichkeiten für die Privatanleger bei der Aktienanlage. Allerdings ist die Aktienakzeptanz in Deutschland nach teils heftigen Turbulenzen an der Börse in den letzten zehn Jahren rückläufig. Dies lässt sich auch an den Aktionärszahlen ablesen, die das Deutsche Aktieninstitut (DAI) regelmäßig veröffentlicht. Nach den Rekordständen um die Jahrtausendwende mit fast 13 Millionen Aktienanlegern hat das Platzen der Internetblase für Ernüchterung gesorgt. Die drastischen Kurseinbrüche infolge der globalen Finanzmarktkrise haben das Vertrauen der Anleger in die Aktie weiter geschwächt. Insgesamt haben seitdem rund vier Millionen Anleger der Aktie den Rücken zugekehrt. Ferner haben sich auch die institutionellen Anleger, insbesondere die Versicherer, weitgehend aus der Aktienanlage zurückgezogen. Der Anteil der Aktien am Gesamtbestand der Kapitalanlagen deutscher Lebensversicherer ist von über 20 Prozent auf drei Prozent im Jahr 2010 geschmolzen. Zuversichtlich stimmt aber, dass sich die Aktionärszahlen im vergangenen Jahr wieder leicht erholen konnten. Dies deutet darauf hin, dass sich zunehmend wieder die Erkenntnis durchsetzt, wie wichtig die Anlage in Substanzwerte wie Aktien gerade in unsicheren Zeiten ist. Die wechselhafte Entwicklung an den Börsen hat sich auch deutlich auf die Bereitschaft der Unternehmen ausgewirkt, den Aktienmarkt als Finanzierungsquelle in Anspruch zu nehmen. Die Zahl der Neuemissionen ist noch längst nicht auf dem Vorkrisenniveau. Bei bereits an der Börse notierten Unternehmen sieht es dagegen besser aus: Das Volumen der Kapitalerhöhungen ist unverändert hoch. Zu undifferenzierte Regelungen Neben dem allgemeinen Marktumfeld prägt der gesetzliche Rahmen entscheidend die Bereitschaft, an die Börse zu gehen und in Aktien zu investieren. Für eine Kapitalmarktregulierung einzutreten, die eine ökonomisch sinnvolle Balance zwischen Anleger- und Emittenteninteresse herstellt, ist daher Grundanliegen des Deutschen Aktieninstituts. Dabei ist es Interessenverband, Politikberater, Think Tank, Veranstaltungsmanager sowie Ansprechpartner für Presse, Öffentlichkeit und Anleger zugleich. Im Fokus der unterschiedlichen Tätigkeitsschwerpunkte stehen die Interessen seiner Mitglieder, Emittenten und nicht-börsennotierte Unternehmen, die an einer positiven Kapitalmarktentwicklung interessiert sind. Darüber hinaus hat sich das DAI die Förderung des Finanzplatzes Deutschland auf die Fahnen geschrieben. Beides geht Hand in Hand: Hoch entwickelte Aktien- und Kapitalmärkte sind Grundvoraussetzung für die Fähigkeit eines Finanzstandortes, im globalen Wettbewerb zu bestehen. Gerade in der jetzigen Zeit, in der das Regelwerk von Grund auf überarbeitet wird, sind gute Argumente für eine effiziente Ordnung der Kapitalmärkte unerlässlich. Sicherlich haben die Krisenerscheinungen der vergangenen Jahre ein politisches Eingreifen erforderlich gemacht, um das Finanzsystem in Europa und weltweit zu stabilisieren. Vieles von dem, was jetzt sowohl vom nationalen als auch europäischen Gesetzgeber vorgeschlagen oder schon beschlossen ist, ist aber zu undifferenziert, belastet über Gebühr die Emittenten und schießt damit eindeutig über das Ziel "Systemstabilität" hinaus. Umso notwendiger ist die Arbeit des DAI. Der Rekordwert von 29 Stellungnahmen gegenüber der Bundesregierung in Berlin und der EU-Kommission in Brüssel allein im vergangenen Jahr unterstreicht die Notwendigkeit, den politischen Prozess konstruktiv zu begleiten sowie auf regulatorische Fehlentwicklungen hinzuweisen. Problematisch ist aber nicht nur die Fülle der Regulierungsmaßnahmen, sondern auch die Tatsache, dass der zentralen EU-Ebene immer mehr Kompetenzen zugewiesen werden. Die Maximalharmonisierung verdrängt Mindeststandards, die es den Mitgliedstaaten in Grenzen erlauben würden, einen länderspezifisch zugeschnittenen Regulierungsrahmen zu entwerfen. Zudem erhalten die neuen EU-Aufsichtsbehörden zunehmend direkte Eingriffs- und Regelungskompetenzen. Insgesamt hat es den Anschein, als ob der Gesetzgeber in vielen Fällen unter kurzfristigem politischen oder öffentlichen Druck unbedingt seine Handlungsfähigkeit unter Beweis stellen möchte, ohne die Notwendigkeit einer Regulierung anhand einer umfassenden Kosten-Nutzen-Analyse kritisch zu hinterfragen. Hier muss die Wirtschaft empirisch gegenhalten. Damit wird die Unternehmensfinanzierung via Kapitalmärkte erschwert, und dies in Zeiten, in denen Bankkredite immer teurer und knapper zu werden drohen. Gewollte "Abweichungskultur" Ein Beispiel für eine nicht gerechtfertigte Regulierung sind die Bestrebungen unter anderem seitens der EU-Kommission, bewährte Formen der Selbstregulierung durch gesetzliche Regeln zu ersetzen. Im Fokus steht dabei insbesondere das "Com-ply-or-Explain-Prinzip", das sich in den nationalen Corporate-Governance-Kodizes findet. Eine europaweit geltende gesetzliche Regelung würde nicht nur den Deutschen Corporate Governance Kodex entwerten, der im Jahr 2002 verabschiedet wurde. Darüber hinaus würde den Mitgliedstaaten der Spielraum genommen, diese Regeln nationalen Besonderheiten anzupassen. Hintergrund dieser Diskussion ist die Tatsache, dass die Unternehmen meist nicht allen Kodex-Empfehlungen entsprechen, sondern davon begründet abweichen, wenn sie es für notwendig halten. Eine solche "Abweichungskultur" ist aber gerade gewollt und grundlegendes Prinzip des Kodex. Unternehmen, die nicht den Empfehlungen entsprechen und dies begründen, erfüllen damit die Anforderungen des Kodex zu 100 Prozent. Wer dennoch für die Kodex-Empfehlungen eine Entsprechensquote von 100 Prozent fordert, wird die Flexibilität in den Unternehmen einschränken und die Börsennotiz ungerechtfertigt verteuern. Den gleichen Effekt hätte die Umsetzung der Regulierungsvorhaben zum Wirtschaftsprüfer- und Ratingmarkt. Ohne Not droht die EU-Kommission mit weitreichenden regulatorischen Eingriffen in funktionierende Märkte. Kernvorhaben in beiden Regulierungsvorschlägen ist unter anderem die externe Rotation, das heißt die Prüfungsgesellschaft beziehungsweise Ratingagentur müsste nach einem bestimmten Zeitraum ausgetauscht werden. Dies würde jedoch nicht, wie intendiert, den Wettbewerb unter den Anbietern erhöhen, der in der Tat in beiden Märkten durch ein Oligopol gekennzeichnet ist. Vielmehr würde das Gegenteil eintreten: Da sich jeder Anbieter aufgrund fehlender Alternativen gewiss sein könnte, nach einem bestimmten Zeitraum vom Emittenten beauftragt werden zu müssen, würde die Intensität des Wettbewerbs deutlich nachlassen. Zudem geht mit einer Zwangsrotation Wissen verloren, das in einer langjährigen Geschäftsbeziehung zwischen dem Emittenten und der Wirtschaftsprüfergesellschaft beziehungsweise Ratingagentur aufgebaut wurde. Es wäre also zu befürchten, dass die Qualität der Ratingeinschätzung beziehungsweise des Abschlusstestats nach Ablauf des Rotationszyklus erst einmal abnehmen würde. Auch das Thema "Derivate" ist in den Fokus gerückt. Diese sind nicht nur - wie in der öffentlichen Diskussion oftmals verkürzt dargestellt - "Spekulationsobjekte". Vielmehr werden Derivate insbesondere von nicht-finanziellen Unternehmen zur Absicherung unter anderem von Wechselkurs- oder Rohstoffpreisrisiken genutzt. Als Lehre aus der Finanzmarktkrise sind nun zahlreiche Initiativen auf den Weg gebracht worden, die eigentlich auf den Finanzsektor zielen und dennoch teilweise dramatische Auswirkungen auf die Realwirtschaft haben können. Beispiele hierfür sind die Umsetzung der Eigenkapitalregulierung für Finanzinstitute (Basel III) in europäisches Recht, die kommende EU- Derivateregulierung, die Überarbeitung der Finanzmarktrichtlinie MiFID und die Pläne zur Einführung einer Finanztransaktionssteuer. Es gilt, negative Nebenwirkungen von Finanzmarktregulierungen auf die Finanzierung und das Risikomanagement der Realwirtschaft in jedem Fall zu vermeiden oder zu verringern. Regulierung muss dazu dienen, dass Finanzmärkte ihre Funktion effizient erfüllen können. Sie darf aber nicht dazu führen, dass die Funktionsfähigkeit der Märkte leidet. Auch im Inland lohnt sich der Einsatz für sachgerechte Kapitalmarktbedingungen. So war im Bundesjustizministerium im Rahmen der Aktienrechtsnovelle 2012 angedacht, nicht-börsennotierte Inhaberaktien abzuschaffen. Mit diesem Verbot sollte den Empfehlungen eines internationalen Gremiums zur Geldwäschebekämpfung entsprochen werden. Betroffen wären auch Unternehmen, die in Segmenten des Freiverkehrs, wie dem Entry Standard der Deutschen Börse, notiert sind. Die kostenintensive Umstellung auf Namensaktien hätte die Attraktivität der Börsennotiz in diesen mittelständischen Segmenten deutlich verringert. Das DAI hat darauf hingewiesen, dass die geforderte Transparenz über die Besitzer von nicht-börsennotierten Inhaberaktien gegenüber den Behörden relativ einfach erreicht werden kann, wenn Aktien einem Clearing-System angeschlossen, also zentral hinterlegt sind. Der aktuelle Regierungsentwurf hat diesen Ansatz nun aufgegriffen. Schleichende Beeinträchtigung der Aktionärsrechte Außerhalb der EU hat das DAI mehrfach die chinesische Wertpapieraufsicht in Finanzmarktfragen beraten. Auf seine Empfehlung hin konstituiert sich nun die "China Association for Public Companies (CAPCO)", die als Emittentenverband die Interessen von 200 börsennotierten chinesischen Unternehmen bündelt. Ferner hat die chinesische Aufsicht den Rat bezüglich der Einrichtung eines internat ionalen Boards an der Wertpapierbörse Shanghai eingeholt. Von einer engeren Vernetzung mit dem chinesischen Wachstumsmarkt in Kapitalmarktfragen profitiert auch der Finanzplatz Deutschland. Die diesbezüglichen Themen sind immer wieder neu und erfordern kreative Lösungsvorschläge oder gegebenenfalls auch Widerstand. Regulierungsdruck führt zu einer schleichenden Beeinträchtigung der Aktionärsrechte. Hier ist frühzeitiges Entgegentreten auch aktive Kapitalmarktpolitik und Finanzplatzförderung.

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