Gespräch des Tages

Discount-Zertifikate - Weichspüler für die Börse

Nichts gelernt, diese Zocker! So oder so ähnlich dürfte (müsste?) nach den Erfahrungen der vergangenen Monate wohl die Reaktion auf eine Anlageempfehlung in Derivate ausfallen. Und doch boomen Discount-Zertifikate: Fast 110000 davon gibt es bereits und die verwalteten Volumina steigen stetig, verkündet der Deutsche Derivate Verband pünktlich zum 15. Jubiläum der Papiere. Von Brandmarken also keine Spur? Ganz so einfach ist es sicherlich nicht. Denn tatsächlich haben solche Papiere ihren Reiz und ihre Verbreitung ist nicht unbegründet: So lange der (Basis-)Aktienwert zum Umwandlungszeitpunkt über dem Wert des Zertifikats liegt, darf sich der Anleger auf eine solide Rendite freuen. Gleichzeitig sind die Verluste begrenzt. Betrachtet man die Kurven etwa des Dow Jones Euro-Stoxx 50 und eines entsprechenden Discount-Indexes, ist Letzterer deutlich weichgespült. Kurzfristige Veränderungen fallen deutlich geringer aus und durch die gesetzten Grenzen werden Abstürze der Basiswerte aufgefangen. Da die Entwicklung nach oben meist in weniger radikalen Schritten stattfindet, profitieren die Papiere und ihre Anleger also am stärksten bei Seitwärtsbewegungen, wie sie den Markt derzeit prägen.

Die eingebauten Haken lassen sich dabei leicht verkennen. Denn zum einen ist mit der "Wette" eine Laufzeit verbunden, die durchschnittlich etwa 200 Tage beträgt, wie der Verband für die Top- 10 -Basiswerte ermittelt hat, in einigen Fällen deutlich länger. Das macht ein rechtzeitiges Reagieren auf Marktveränderungen unmöglich - wie schnell diese aber stattfinden können, haben 2008ff. gezeigt. Zum anderen geht mit dem Discount gleichzeitig eine Begrenzung nach oben einher. In starken Wachstumsphasen liegt die Rendite der Discount-Papiere also mitunter deutlich unter dem Basiswert. Zwar lässt sich dieser Schwellenwert den Bedürfnissen der Anleger anpassen, genug Varianz gibt das sechsstellige Produktangebot im Markt locker her. Doch verändert sich mit dem Spielraum nach oben auch der nach unten. Und das bedeutet ein größeres Verlustrisiko.

Damit liegt die Verantwortung einmal mehr bei der Finanzindustrie. Für die Institute spielen dabei zum einen die betriebswirtschaftlichen Notwendigkeiten eine Rolle - je nach Konstruktion lassen sich mit Zertifikaten bessere Margen erreichen als mit Direktinvestments. Zum anderen gilt es, die wachsenden Anforderungen des Verbraucherschutzes zu würdigen. Mit entsprechender Aufklärungsarbeit sind Discount-Zertifikate ein durchaus probates Mittel für Privatanleger, die zwar an Gewinn, aber nicht dem maximalen Profit interessiert sind. Rendite vom Risiko zu entkoppeln, schaffen aber auch diese Papiere nicht. Ob die Banken diese Erkenntnis zwischen Vernunft und (Ver-)Kaufsdrang auch ihren Kunden vermitteln können - und wollen?

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