Leitartikel

E-Bilanz: Weniger Bürokratie - nur für wen?

Allein der Name flößt bereits Respekt ein: Steuerbürokratieabbaugesetz, kurz SteuBAG. Wer auch nur einmal seine Einkommensteuererklärung selbst ausgefüllt hat, weiß, wie hoffnungsvoll ein solches Vorhaben der Bundesregierung zunächst stimmen muss. Oder in gängigem Wirtschaftsdeutsch ausgedrückt: Hier besteht deutlich erkennbares Potenzial. Als eine wesentliche Neuerung sieht das Gesetz vor, dass neben Steuererklärungen auch Steuerbilanzen und Ertragsrechnungen zukünftig nicht mehr in Papierform, sondern elektronisch beim Finanzamt eingereicht werden müssen. Das ist im hochtechnologisierten Jahr 2011 nicht nur ein sinnvoller, sondern vor allem auch ein längst überfälliger Schritt. Vorgesehener Anwendungsbeginn wären die Abschlüsse für laufende Geschäftsjahre seit 1. Januar gewesen.

"Wären" deshalb, weil dieser nun aufgrund einer in der Breite nicht rechtzeitig fertig gestellten Umsetzung um ein Jahr verschoben werden musste. Wie so manches nämlich, das zu gut ist um wahr zu sein, hat auch das SteuBAG - derzeit - mehr als nur einen Fehler. Zumindest empfinden es die Banken so. Ginge es lediglich darum, die Steuerbilanz im bislang bekannten Umfang elektronisch abzuliefern, hätten weder Institute noch Verbände und auch nicht der ZKA Grund gehabt, sich derart vehement zu beschweren. Doch hier zeigt sich der (erste) Haken: Das SteuBAG ermächtigt die Finanzverwaltung, den Inhalt von elektronisch eingereichter Bilanz sowie GuV neu zu bestimmen. Das hat sie auch ausgiebig getan. Künftig sind von Kapitalgesellschaften rund 400 sogenannte "Muss-Felder" auszufüllen, bislang sah die Steuerbilanz nach HGB nicht einmal ein Viertel davon an Pflichtfeldern vor. Verlangt werden nunmehr zusätzliche Unterpositionen (Vergütung für Geschäftsführer oder auch Forderungen an Personengesellschaften, mit denen ein Beteiligungsverhältnis besteht). Aus Verwaltungssicht hat die erweiterte Erfassung Hand und Fuß, lässt sich so doch besser beurteilen, wer einer Betriebsprüfung unterzogen werden sollte. Gerade im Hinblick auf Finanzinstitute fehlt dabei allerdings bisweilen der Sinn: Sie werden ohnehin regelmäßig geprüft, und die Finanzämter haben Zugriff auf die bankinternen Daten.

Folgt man der Argumentation der Banken, liegen diese zusätzlichen Informationen in der verlangten Form oftmals gar nicht vor. Daraus folgt auch direkt Problemfall Nummer zwei. Die notwendigen Zahlen manuell zusammenzusuchen, dürfte schon bei mittelgroßen Instituten ein zeitraubendes Unterfangen sein. An Automatisierung wäre dann erst zu denken, wenn die neue Taxonomie bereits beim Geschäftsabschluss berücksichtigt wird. Dazu müssten die Institute ihre Abläufe anpassen. Hinzu kommt, dass für einen Großteil der zukünftig abgefragten Positionen Kontennachweise geliefert werden müssen - die mitunter allerdings gar nicht einzeln geführt werden. Zwar zwingt das BMF kein Unternehmen direkt, seine Buchhaltung umzustellen. Faktisch könnten aber neue Buchungsrahmen notwendig werden. Daher befürchten besonders die Großbanken einen möglichen Zusatzaufwand, weil ihre Konzernbilanz längst auf die internationale Rechnungslegung nach IFRS ausgerichtet ist.

Aufreger Nummer drei ist die Tatsache, dass bislang nur eine "allgemeine Taxonomie" veröffentlicht wurde. Da Banken und Versicherungen allerdings anderen Regeln (und Gesetzen! ) folgen als (Real-)Wirtschaftsunternehmen, müssen sie auch bei der Steuerbilanz entsprechend anders behandelt werden. Abweichende Bilanzgliederung, gesonderter Ausweis von Spareinlagen, Eventualverbindlichkeitenum solche fachlichen Belange bei der E-Steuerbilanz umzusetzen, wurde zwar eine gesonderte Bankenarbeitsgruppe eingesetzt. Ein greifbares Ergebnis hat diese bislang allerdings nicht vorgelegt. Nun bleibt der Kreditwirtschaft nicht mehr, als auf die Erfahrungen einer Pilotphase mit freiwilligen Teilnehmern zu hoffen, die im Februar dieses Jahres gestartetwerden soll. Der Zeitplan danach ist ungewiss.

Wie dringend eine für Banken angepasste Regelung gefragt ist, zeigt ein weiterer Punkt- Nummer vier. Denn laut allgemeinem Gesetzesteil müssen jene bis zu 400 Muss-Felder auch für ausländische Niederlassungen erhoben werden. Da das von den Kreditinstituten ex patria erwirtschaftete Ergebnis in Deutschland zwar im Rahmen einer Gesamtbankbilanz ausgewiesen, dann aber in der Regel steuerfrei gestellt wird (um eine Doppelbesteuerung zu vermeiden), sind die Daten mitunter aber gar nicht relevant. Sinnvoll ist ihre Erhebung also wahrlich nicht - und Bürokratieabbau sieht anders aus. Von Problemfeld fünf betroffen sind wiederum alle Banken und Versicherer. So sind alle elektronischen Bilanzen mit einer qualifizierten elektronischen Signatur zu versehen. Schlüsselinhaber können laut geltendem Gesetz nur natürliche Personen sein. Die durch das SteuBAG zur elektronischen Übermittlung Verpflichteten sind jedoch im Bereich der Kreditwirtschaft nahezu ausnahmslosjuristische Personen. Hier hat der Gesetzgeber "gepennt".

Bei all der (richtigen! ) Schelte in Richtung Berlin müssen sich gerade die Finanzinstitute allerdings auch an die eigene Nase fassen. Denn einen gehörigen Teil der Schuld an dem Debakel tragen sie selbst: Viel zu lange haben sie die Umsetzung der neuen Anforderungen auf die lange Bank geschoben. Immerhin stammt das Gesetz vom Jahresende 2008. Die bestehenden Unzulänglichkeiten hätten also viel früher geklärt werden können. Dass dem Vernehmen nach ein volles Jahr verging, bis man sich im Detail mit Umfang und Inhalt der neuen Anforderungen auseinandersetzte, und das Geschrei dann dementsprechend groß wurde, zeugt deutlich vom kreditwirtschaftlichen Schlendrian in Sachen E-Bilanz. Letzterer lässt sich auch nicht damit entschuldigen, dass für die Banken selbst keinerlei (betriebswirtschaftliche) Vorteile mit der Neuregelung einhergehen - von weniger Bürokratie ganz zu schweigen.

Durch Schuldzuweisungen lassen sich Probleme allerdings nicht lösen, und so geht das Plädoyer gleichermaßen an Politik und Finanzwirtschaft, möglichst bald und in Abstimmung untereinander klare Anforderungen und Umsetzungspläne auszuarbeiten. Einige Vorschläge hat die (Finanz-)Wirtschaft schon parat. Etwa könnte durch eine erweiterte Nutzung von sogenannten Auffangpositionen zumindest ein Teil der Belastung reduziert werden. Auch würde man sich für einzelne Unterpositionen längere

Übergangsfristen wünschen. Allem Vernehmen nach bleibt nämlich selbst der verschobene Starttermin ein ambitioniertes Ziel. Vor allem gilt es aufseiten des BMF aber zu klären, ob die gesetzliche Grundlage hinsichtlich der höheren Gliederungstiefe, der Abfrage außerbilanzieller Posten oder der geforderten Kontennachweise richtig gewählt ist. Bislang gibt der Gesetzgeber keine erweiterten Formvorschriften für die Erstellung einer Steuerbilanz vor, die über den Gliederungsrahmen von HGB und RechKredV hinausgehen. Solche nungerade mit einem vermeintlichen Bürokratieabbaugesetz indirekt einzuführen, wie von der Kreditwirtschaft bemängelt wird, widerspricht dem ursprünglichen Ziel des SteuBAG in nahezu grotesker Weise - bei aller Richtigkeit der "Elektronisierung" der Bilanzabgabe.

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