Umfrage

. . . bei den finanzpolitischen Sprechern der Bundestagsfraktionen - Hedgefonds und Zertifikate: Bedarf es strengerer (europäischer) Regulierungen?

Otto Bernhardt

"Hedgefonds und Zertifikate als Chance für den deutschen Kapitalmarkt begreifen"

Otto Bernhardt, MdB, Finanzpolitischer Sprecher, CDU/CSU-Bundestagsfraktion, Berlin

"Jedenfalls in ihren ökonomisch bedeutsamen Zügen und Phänomenen wird [die Welt] angelsächsischer: wettbewerblicher, offener, individualistischer, universaler, liberaler im klassischen Sinne", so die Frankfurter Allgemeine Zeitung bereits im Juni 1999. Seit dem Ende der neunziger Jahre hat sich diese Entwicklung auf dem Kapitalmarkt mittels innovativer Produkte weiter verfestigt. Dennoch können wir in Deutschland dem weltweiten Fortschritt nicht unbedacht zuschauen - weder durch eine vollkommene Abschottung des deutschen Finanzmarktes vor diesen Innovationen, noch durch eine Überregulierung, noch durch eine vollkommene Laisser- faire-Haltung, die meint, der Kapitalmarkt würde es allein schon am besten richten.

Kein nationaler Alleingang

Mit dem am 1. Januar 2004 in Kraft getretenen Investmentmodernisierungsgesetzes führte der Deutsche Bundestag den Begriff des so genannten Sondervermögens mit zusätzlichen Risiken ein, Hedgefonds sind seitdem von der Regulierung erfasst. Die gesetzliche Ausgestaltung trägt der Absicht Rechnung, lediglich Hedgefonds unter bestimmten Voraussetzungen aus dem Grauen Kapitalmarkt herauszulösen und in den Anwendungsbereich des Investmentgesetzes einzuführen. Der Gesetzgeber hatte sich in der vergangenen Legislaturperiode für einen abschließenden Katalog der Anlagegegenstände und Regeln zur Auswahl der Zielfonds für die Dachfonds entscheiden müssen, um - bei Beibehaltung des liberalen Grundansatzes - im Übrigen zu verhindern, dass Anbieter von Produkten mit anderer Ausrichtung nur zur Teilhabe an den steuerlichen Privilegierungen sich als "Hedgefonds" gerieren. In Fachkreisen wurde dieser Schritt begrüßt; nichtsdestotrotz bleibt der Marktanteil von Hedgefonds in Deutschland - ganz anders als in Großbritannien - noch immer gering.

Nicht zuletzt mit dem Fall Deutsche Börse und mit den Milliarden Verlusten bei Amaranth Advisors vor wenigen Wochen in den USA ist der Ruf nach einer stärkeren Regulierung von Hedgefonds wieder angewachsen. Schuldig geblieben ist man aber bislang die Antwort, wie dies geschehen könne. Ohne jeden Zweifel, ein nationaler Alleingang wäre die absolut falsche Reaktion. Auch auf europäischer Ebene kann man Hedgefonds, die oftmals global und

zum Teil von Offshore-Regionen agieren, nicht allein nahe kommen. Daher ist es der richtige Schritt, dass Bundeskanzlerin Merkel für die kommende G8-Präsidentschaft Hedgefonds als ein zentrales Thema auf die Tagesordnung gesetzt hat. Unser Ziel muss es sein, die Transparenz von Hedgefonds zu erhöhen, damit Banken, Anleger und Aufsichtsbehörden frühzeitig bei Missständen reagieren können.

Freiwilliger Verhaltenskodex?

Dies könnte zum einen durch erhöhte Meldepflichten der Hedgefonds und der so genannten Prime Broker, der Banken, gegenüber den Aufsichtsbehörden geschehen, oder etwa - wie von der Bundesbank vorgeschlagen - durch ein externes Rating der Hedgefonds. Bevor wir national einzelne Maßnahmen ergreifen, muss aber gewissenhaft überlegt werden, wie wir eine global abgestimmte Regelung etwa über die internationale Vereinigung der Wertpapieraufseher, die IOSCO, erzielen können. Anzudenken wäre, ob auf diesem Wege ähnlich wie bei Rating-Agenturen - ein freiwilliger Verhaltenskodex für Hedgefonds erarbeitet wird.

Zertifikate sind das neue Boom-Geschäft im Asset Management. Kritisch gesehen wird auch hier die mangelnde Transparenz der Produkte. Zudem haben Zertifikate gegenüber Fonds etwa erhebliche Wettbewerbsvorteile, da sie keine monatelangen Genehmigungsverfahren benötigen; vielmehr können sie innerhalb von Tagen auf den Markt gebracht werden. Auch ist eine Vergleichbarkeit der Produkte aufgrund ähnlicher Namen und einer unterschiedlichen Preisgestaltung nicht immer zweifelsfrei möglich.

Erhöhte Transparenz durch die MiFID

Diesen vielleicht ein wenig negativ anmutenden Einschätzungen stehen zwei wichtige positive Aspekte für den Finanzplatz Deutschland sowie für die deutschen Sparer und Privatanleger gegenüber. Zum einen sind die deutschen Zertifikate-Anbieter sehr innovativ und haben auf den internationalen Märkten die Nase vorne. Entsprechend hoch ist ihre volkswirtschaftliche Bedeutung für den Finanzplatz Deutschland, von der Schaffung hoch qualifizierter Arbeitsplätze einmal ganz abgesehen.

Zum anderen können Privatanleger mittels Zertifikaten in jeder Marktphase Renditen erzielen und dabei ihr individuelles Chan-ce-Risiko-Profil optimieren. Zertifikate befriedigen sehr individuelle Bedürfnisse im Hinblick auf Sicherheit, Anlagehorizont und Ertrag, was insbesondere auf eine verbesserte Altersvorsorge von erheblicher Bedeutung ist.

Sicher wird durch die MiFID ein weiterer Schritt zur Erhöhung der Transparenz von Zertifikaten vollzogen, den der Deutsche Bundestag zunächst abwarten sollte. Nichtsdestotrotz sollten die Zertifikateanbieter zeitnah im Wege der Selbstregulierung tätig werden, um den Beschwerden über diesen Markt entgegenzuwirken; Produkt- und Preistransparenz sind so zu verbessern.

Hedgefonds und Zertifikate bilden einen wesentlichen Beitrag, zur Produktvielfalt auf dem deutschen Kapitalmarkt. Begreifen wir ihre Risiken als Chancen, und werden wir als Gesetzgeber nur dort tätig, wo es an Transparenz mangelt. Anstatt nationaler Alleingänge bedarf es international abgestimmter Ansätze.

Christine Scheel

"Wir brauchen eine einheitliche Regulierung für Hedgefonds im Rahmen der Fondsrichtlinie"

Christine Scheel, MdB, Sprecherin für Finanzpolitik, Bundestagsfraktion Bündnis 90/Die Grünen, Berlin

Seit 2004 können Hedgefonds in Deutschland von der Bundesanstalt für Finanzdienstleistungsaufsicht (BaFin) zugelassen werden. Die Grünen haben diese Liberalisierung mitgetragen, denn sie ist wichtig um den Finanzmarkt Deutschland zu stärken und um den national überhaupt möglichen Kontrollrahmen auszuschöpfen. Es ist jedoch klar, dass nur weltweit abgestimmte Regeln und die grenzüberschreitende Kooperation der nationalen Aufsichtsbehörden, insbesondere auf der Ebene des Europäischen Binnenmarkts, zu einer funktionsfähigen Aufsicht der Hedgefonds führen können. Denn die meisten der weltweit rund 7 000 Hedgefonds haben ihren Sitz in Off-Shore-Zentren, wo sie für nationale Kontrollbehörden faktisch unerreichbar sind.

Außergewöhnliches Risikopotenzial

Es ist nicht von der Hand zu weisen, dass Hedgefonds mit einem außergewöhnlichen Risikopotenzial verbunden sind. Und zwar nicht nur für den Anleger selbst, sondern auch für den Gesamtmarkt. Jüngstes Beispiel sind die Milliardenverluste des US-Hedgefonds Amaranth. Wegen unerwartet stark fallender Gaspreise in den USA fuhr er riesige Verluste ein.1) Die Bundesbank nahm das Beispiel zum Anlass, erneut härtere Kontrollen für Fonds zu fordern, die mittlerweile weltweit ein Vermögen von rund 1,2 Billionen Dollar kontrollieren.2) Sie schlägt vor, die Hedgefonds von anerkannten Ratingagenturen bewerten zu lassen. Dabei müsste dann aber sichergestellt werden, dass sich auch Ratingagenturen einer Qualitätskontrolle stellen müssen.

Risiko erhöhend kommt hinzu, dass die Großbanken bei ihrem Eigenhandel ähnlich wie ein Hedgefonds vorgehen.3) Auf der Jagd nach steigenden Renditen können sich die Finanzmarktakteure leicht verspekulieren. Platzt die Spekulationsblase, kann das auf Realinvestitionen und damit auf die Arbeitsplätze negativ durchschlagen. Mangelnde Transparenz von Hedgefonds und erhebliche Risiken für das internationale Finanzsystem werden zu Recht kritisiert. Es wäre im Sinne von mehr Finanzmarktstabilität, wenn Hedgefonds offenlegen müssen, in welchem Umfang sie kurzfristige und spekulative Aktiengeschäfte getätigt haben. Dass könnte für die anderen Anleger ein erhellendes Licht auf plötzliche Kursbewegungen werfen. Ebenso könnten Informationen zum Verschuldungsgrad der Hedgefonds die Risikoabschätzung der anderen Marktteilnehmer erleichtern und auf eine realistischere Grundlage stellen.

Es ist unerlässlich, dass sich der G8-Gipfel über eine Initiative der Europäischen Union einigt. Wir brauchen eine einheitliche Regulierung für Hedgefonds im Rahmen der Fondsrichtlinie, die über die auf internationaler Ebene diskutierten Transparenzpflichten hinausgeht. Nur so kann die schwache Risikokontrolle, die aus dem Wettbewerb der Finanzplätze entsteht, überwunden sowie wirksamer Anlegerschutz und effiziente Finanzmärkte garantiert werden.

Schutz der Anleger durch mehr Transparenz

Betrachtet man Hedgefonds als Investoren, wie bei der Deutsche Börse AG, so geht es auch hier vor allem um den Schutz der anderen Anleger durch mehr Transparenz und bessere Informationen. Europa und Deutschland sind hier auf einem guten Weg. So beschließt der Bundestag am 9. November über die Umsetzung der EU-Transparenzrichtlinie in deutsches Recht. Damit sinkt die Meldeschwelle, bei der eine Stimmrechtsänderung veröffentlicht werden muss, von fünf auf drei Prozent. Diese Regelung sorgt für mehr Transparenz über die Aktionärszusammensetzung, und die Anleger können ihre Anlagestrategie danach ausrichten. Wünschenswert wären Verbesserungen, wie ein konkretes Zusammenwirken verschiedener Investoren bei der Übernahme eines Unternehmens nachgewiesen werden kann, damit die Rechte der anderen Aktionäre auf ein Übernahmeangebot bei Erreichen der 30-Prozent-Grenze auch tatsächlich durchsetzbar sind.

Zertifikate: Der Markt der Zertifikate boomt. Das investierte Kapital hat in 2006 erstmals 100 Milliarden Euro überschritten.4) Zertifikate sind von Banken ausgegebene Inhaberschuldverschreibungen, deren Rückzahlungsbetrag von der Kursentwicklung anderer Finanzmarktprodukte abhängt. Zertifikate sind strukturierte Finanzmarktprodukte, die von den Banken auf Aktien, Anleihen und Indizes, aber auch auf Zinsen, Währungen und Rohstoffe aufgelegt werden. Der Anleger kann dabei an der Entwicklung eines Basiswertes gewinnen oder verlieren. Er kann auf steigende oder fallende Werte eines Produkts setzen. Das bedeutet, die Wertentwicklung eines Zertifikats kann von sehr komplexen Konstellationen abhängen. Für den Schutz der Anleger ist es wichtig, dass diese Komplexität ausreichend transparent gemacht wird.

Emission und Preisfindung in einer Hand

Außergewöhnlich am Zertifikatemarkt ist, dass die Preisbildung durch die Preissetzung der jeweiligen Emittenten erfolgt. Emission und Preisfindung liegen also in einer Hand. Diese Doppelrolle erlaubt den Emissionsbanken erhebliche Gestaltungsspielräume gegenüber den privaten Marktteilnehmern. Die Emissionsbanken können auf die Preise hohe Margen aufschlagen, aus denen zum Beispiel verdeckte Vertriebsprovisionen finanziert werden können. Im Vergleich zu anderen Finanzprodukten können gegenüber den Anlegern leicht überhöhte Preise durchgesetzt werden, weil es keine ausreichende Transparenz über die Kosten des Finanzmarktprodukts gibt.

Es ist notwendig, dass in den Emissionsprospekten die Vertriebsprovisionen offengelegt werden. Die Emittenten können die Differenz zwischen Kauf- und Verkaufskurs während der Laufzeit des Produkts fast beliebig verändern und damit auch vergrößern, so dass der finanzielle Nachteil letztlich beim Anleger ankommt. Deshalb ist es notwendig, dass die Emissionsbank zukünftig verpflichtet wird, einen garantierten Maximalspread im Verkaufsprospekt anzugeben. Die vorgeschlagenen Verbesserungen der Transparenz für die Anleger führt zwangsläufig zu erweiterten Aufgaben der BaFin. Es bedarf dort einer inhaltlichen Prüfung der Emissionsprospekte, um den Anlegern eine Übersicht über die Kosten, Zusammensetzung und maximale Risiken des Zertifikats zu verschaffen.

Grundsätzlich ist es notwendig, dass die Anforderungen an die Transparenz der Zertifikate im Europäischen Binnenmarkt harmonisiert werden, damit die Emissionshäuser nicht den nationalen Markt einfach umgehen können.

Hermann Otto Solms

"Nationale Regelungen wären wahrscheinlich kontraproduktiv"

Dr. Hermann Otto Solms, MdB, Finanzpolitischer Sprecher, FDP-Bundestagsfraktion, Vizepräsident des Deutschen Bundestages, Berlin

Die Globalisierung der internationalen Finanz- und Kapitalmärkte nimmt ständig zu. Sie eröffnet den Volkswirtschaften einerseits große Chancen für mehr Wachstum und Beschäftigung, birgt andererseits allerdings auch Risiken. Die Globalisierung schlägt sich in Deutschland ganz konkret in Zahlen nieder: Bei einer Bruttowertschöpfung von rund 85 Milliarden Euro trägt der Finanzdienstleistungssektor einen Anteil von etwa 4,5 Prozent zum deutschen Bruttoinlandsprodukt bei. Beschäftigt sind etwa 1,4 Millionen Menschen. Voraussetzung für diese Erfolgszahlen ist die internationale Wettbewerbsfähigkeit des deutschen Finanzplatzes, die nicht zuletzt der Gesetzgebung in Deutschland besonders in den letzten zehn Jahren zu verdanken ist.

Die Politik ist aber auch weiterhin gefragt, wenn es in einer Zeit großer Dynamik auf den Finanzmärkten um die Gewährleistung stabiler Rahmenbedingungen sowie einer effektiven Finanzmarktaufsicht geht: Neue Formen der Unternehmensfinanzierung, der zunehmende Aufbau der privaten kapitalgedeckten Altersvorsorge und die laufende Entwicklung neuer Anlageprodukte sind dabei die Herausforderungen.

Hedgefonds spielen eine immer wichtigere Rolle auf den internationalen Märkten. Sie dienten ursprünglich der Risikoabsicherung von Wertpapierpositionen, wobei Gewinne unabhängig von steigenden oder fallenden Märkten erzielt werden sollen. Die Anlageformen haben sich allerdings stark ausgeweitet. Einen immer größeren Anteil nehmen direkte Unternehmensbeteiligungen undfinanzierungen ein. Der Handel mit unter Umständen notleidenden Krediten spielt für Hedgefonds ebenfalls eine große Rolle. Gleiches gilt für Kreditderivate und auch Unternehmensanleihen.

Die Zahl der Hedgefonds und das Volumen des von ihnen angelegten Kapitals sind in den letzten Jahren stark angestiegen. Soweit Hedgefonds Märkte mit Liquidität und Unternehmen mit Eigenkapital versorgen, gibt es aus ökonomischer Sicht keinen Anlass zur Kritik. Volkswirtschaftlich problematisch kann es werden, wenn zum Beispiel kurzfristig Unternehmen zerschlagen werden sollen. Fragwürdig sind auch Fälle wie der Amaranth Advisors Fonds, der in kürzester Zeit mehr als die Hälfte seines Vermögens in Höhe von rund 9,5 Milliarden Euro verlor. Der hoch mit Fremdkapital finanzierte LTCM wurde 1998 durch eine Rettungsaktion privater Banken und Wertpapierhäuser rekapitalisiert, auch um die Stabilität der internationalen Finanzmärkte nicht zu gefährden.

Ausgleich zwischen Liquidität und Transparenz

Diese Auswüchse sind natürlich unerwünscht. Notwendig ist im Bereich der Hedgefonds ein größtmögliches Maß an Transparenz, darüber ist sich die Fachwelt einig. Diskutiert wird auch über einen freiwilligen Verhaltenskodex für die Hedge-fonds-Branche im Sinne einer Selbstregulierung und die Beurteilung der Fonds durch Ratingagenturen. Letztlich sind der Gesetzgeber und die Aufsichtsbehörde gefragt, wenn es darum geht, einen Ausgleich zwischen dem Ziel der Liquidität der internationalen Märkte und mehr Transparenz und Verlässlichkeit zu schaffen. Zu definieren sind Mindeststandards für die bis jetzt wenig regulierten Hedgefonds und Anforderungen an das notwendige Maß an Transparenz. Die Arbeiten auf internationaler und auf der Ebene der EU sowie der Umsetzungsprozess in den Mitgliedsstaaten hierzu sind weit fortgeschritten.

Erfolgreich sein können jegliche Aktivitäten nur bei internationaler Zusammenarbeit. Nationale Regelungen können nur wenig erreichen, sie wären wegen der drohenden Kapitalflucht wahrscheinlich sogar kontraproduktiv. Wichtig für die Liberalen ist es in diesem Zusammenhang, dass nicht übers Ziel und die Vorgaben von EG-Richtlinien hinausgeschossen wird, indem auch alle anderen Marktteilnehmer Regulierungen unterworfen werden, die erhebliche Zusatzbelastungen bedeuten. Als aktuelles Beispiel ist die Umsetzung der Transparenzrichtlinie in nationales Recht zu nennen.

Jörg-Otto Spiller

"Die Wirkungen einer nationalen Aufsicht sind beschränkt"

Jörg-Otto Spiller, MdB, Finanzpolitischer Sprecher, SPD-Bundestagsfraktion, Berlin

Hedgefonds leisten positive Beiträge für die Finanzmärkte, da sie Liquidität bereitstellen, Preisbildungsprozesse fördern und Risiken tragen, die andere Marktakteure nicht übernehmen wollen. Sie bilden seit Jahren den am stärksten wachsenden Bereich des Finanzsektors. Es ist aber nicht zu bezweifeln: Je mehr das Anlagevolumen der Hedgefonds zunimmt, um so bedrohlicher wird auch das Risikopotenzial für das internationale Finanzsystem.

Im Fall eines Zusammenbruchs eines oder mehrerer Hedgefonds kann unter Umständen das gesamte Weltfinanzsystem in Mitleidenschaft gezogen werden - diese Gefahr kann wegen der bei diesen Fonds bestehenden Intransparenz ohne Vorwarnung plötzlich entstehen. Nicht zu Unrecht weist die EZB in ihrem Bericht zur Finanzstabilität auf diese Risiken hin. Hedgefonds führen mit dazu, dass im Weltfinanzsystem kaum überschaubar ist, von wem die verteilten Risiken jeweils letztlich getragen werden und wie die verschiedenen Risiken sich wechselseitig beeinflussen.

Gefährlicher Herdentrieb

Gefahren für die Finanzmarktstabilität entstehen nicht in erster Linie durch die Aktionen von Privatanlegern. Professionelle Marktakteure basieren ihre Entscheidungen oft auf ähnlichen quantitativen Modellen. In Anbetracht der in Frage stehenden Anlagevolumina kann der "Herdentrieb" hier beängstigende Dimensionen erreichen.

Institutionelle Anleger müssen sich bewusst sein, dass sie eine besondere Verantwortung für die Gelder, die sie für ihre Kunden anlegen und verwalten, haben. Da der "Herdentrieb" über die Gefährdung des Finanzsystems zu Nachteilen für alle führen kann, gehört zu dieser Verantwortung auch, nicht allein auf kurzfristige Rendite abzuzielen, sondern darauf zu achten, Vorbeugung gegen Anfälligkeiten des Finanzsystems zu betreiben.

Die SPD-Bundestagsfraktion unterstützt, dass die Bundesregierung sich auf internationaler Ebene für eine angemessene Aufsicht und Transparenz von Hedgefonds einsetzt. National unterliegen Hedgefonds in Deutschland bereits einer Aufsicht. Die Wirkungen einer nationalen Aufsicht sind allerdings beschränkt. Auf internationaler Ebene fehlen noch Mindeststandards. Da Hedgefonds meist in Steueroasen residieren und weitgehend frei von gesetzlichen Anlagerestriktionen und staatlicher Kontrolle in Wertpapiere aller Art investieren, können nicht in erster Linie nationale Maßnahmen dafür sorgen, dass die systemischen Risiken von Hedgefonds eingeschränkt werden.

In den zuständigen internationalen Gremien, insbesondere im Forum für Finanzstabilität [Financial Stability Forum - FSF] und bei der internationalen Organisation der Wertpapieraufsichtsbehörden [International Organisation of Securities Commissions - IOSCO] setzt sich die Bundesregierung für eine verbesserte Transparenz der Geschäftstätigkeit von Hedgefonds ein.

Auch die EU sollte in der Debatte über eine stärkere Regulierung von Hedgefonds eine größere Rolle spielen. Leider greift die EU-Kommission das Thema bisher nicht auf. Im Zuge der deutschen G8-Präsidentschaft im nächsten Jahr wird mehr Transparenz bei Hedgefonds auf hoher internationaler Ebene angesprochen werden.

Standards für Hedgefonds sollten - wie viele öffentliche Vorschläge deutlich machen - dazu beitragen, dass nur kontrollierbare Risikopositionen eingegangen werden, dass der Anteil der Fremdfinanzierung in einem verträglichen Verhältnis zu den eingegangenen Risiken steht und dass hohe Anforderungen an die Qualität des Fonds-Managements - Geschäftsführung, Risikocontrolling und Vertrieb - gestellt werden.

Verhaltenskodex

Der Vorschlag, einen Verhaltenskodex für Hedgefonds einzuführen und Hedgefonds - insbesondere deren Risikoaspekte - durch Ratingagenturen beurteilen zu lassen, ist ein sehr überlegenswerter Ansatz. Dieser Vorschlag knüpft an die schon erwähnte Verantwortung der professionellen Marktakteure an. Es muss alles getan werden, damit sich nicht wie so oft bewahrheitet, dass ein solcher Appell an Selbstregulierung leider nicht ausreichend ist.

Der Markt für Zertifikate wird durch die nationale Umsetzung der EU-Richtlinie über Märkte für Finanzinstrumente einen detaillierteren Rechtsrahmen erhalten. Nach der Umsetzung der EU-Richtlinie werden die Erfahrungen mit dieser Regulierung ausgewertet werden. Da die Palette der angebotenen Zertifikate immer fantasievoller und schillernder und dieser Marktbereich immer weniger überschaubar werden, hat diese Prüfung besonderes Gewicht.

Axel Troost

"Zertifikate-Wildwuchs stoppen, Hedgefonds-Risiken eindämmen!"

Dr. Axel Troost, MdB, Sprecher für Finanzpolitik, Fraktion DIE LINKE., Berlin

Aus Sicht der Fraktion Die Linke. sind sowohl bei Hedgefonds als auch bei Zertifikaten anspruchsvollere Regulierungen von Nöten. Hedgefonds verfolgen riskante Geschäftsstrategien und arbeiten wenig transparent. Fonds-Anleger und -Kreditgeber können daher ihre - erheblichen - Risiken nicht zutreffend beurteilen und keine angemessene Risikovorsorge treffen. Sie können deswegen selber in Schwierigkeiten geraten, wenn ein größerer Hedgefonds ausfällt. Das ist besonders problematisch, wenn Banken oder Pensionsfonds beziehungsweise Versicherungen als Gegenpart eines Hedgefonds betroffen sind: Gerät eine Versicherung beziehungsweise ein Pensionsfonds in Schwierigkeiten, drohen für deren Kunden existenzielle Notlagen. Gerät eine Bank in Schwierigkeiten, ist die Gefahr einer systemweiten Finanzkrise besonders groß.

Freiwillige Fonds-Ratings unzureichend

In ihrem Bericht "Large EU Banks' Exposures to Hedge Funds" bestätigt die EZB: Es ist fraglich, ob den Banken Informationen über die komplette Portfoliostruktur der Hedgefonds stets rechtzeitig zur Verfügung stünden und ob sie diese ausreichend berücksichtigten.

Freiwillige Fonds-Ratings allein lösen diese Probleme nicht, weil Marktakteure ein Interesse an Intransparenz haben können. Daher ist grundsätzlich eine direkte Regulierung von Hedgefonds durch die Finanzaufsichtsbehörden erforderlich, die auch Transparenz-Vorschriften umfassen muss. Solange dies auf internationaler beziehungsweise EU-Ebene nicht umgesetzt ist, sind Hedgefonds in den skizzierten besonders problematischen Bereichen indirekt zu regulieren - also im Rahmen der existierenden internationalen Regelwerke für Banken und Pensionsfonds beziehungsweise Versicherungen.

In den Basler Eigenkapitalvorschriften für Banken sind Forderungen von Banken gegenüber Hedgefonds mit einem deutlich erhöhten Mindestkapital-Faktor zu gewichten, um dem besonderen Risikocharakter dieser Forderungen Rechnung zu tragen. Hierzu ist auf europäischer Ebene eine De-tail-Änderung in der Bankenrichtlinie beziehungsweise der Kapitaladäquanzrichtlinie vorzunehmen, die auf nationaler Ebene in der Solvabilitätsverordnung umzusetzen ist. In der EU-Richtlinie über Einrichtungen der betrieblichen Altersversorge - in Deutschland noch nicht in nationales Recht umgesetzt - ist Pensionsfonds zu verbieten, Geschäfte mit Hedgefonds einzugehen.

Bei Hedgefonds besteht zudem Regulierungsbedarf, weil sie in der jüngeren Vergangenheit durch einen aggressiven "shareholder activism" aufgefallen sind: Hedgefonds kaufen sich in börsennotierte Unternehmen ein und nehmen - auf Kosten der Nachhaltigkeit der Geschäftsstrategien - aktiv Einfluss auf Management-Entscheidungen mit dem Ziel kurzfristiger Kurs- und Ertragssteigerungen für die Anteilseigner. Um dies einzudämmen, sind positive Diskriminierungen einer langfristigen Wertpapierhaltung (zum Beispiel Doppelstimmrecht, Einsatz des Stimmrechts erst nach einem Jahr) einzuführen. Die entsprechenden Regulierungen können sinnvoll auch auf nationaler Ebene verankert werden, zum Beispiel im GmbH- und Aktiengesetz.

Zertifikate: nicht der gefährliche Kredithebel

Im Gegensatz zu Hedgefonds gehen von Zertifikaten keine unmittelbaren Bedrohungen für das internationale Finanzsystem aus. Zwar sind Zertifikate in Deutschland das Boom-Produkt, dessen Investmentvolumen mittlerweile auf zirka 100 Milliarden Euro beziffert wird, es handelt sich jedoch (noch) um kein Produkt, das auf globaler Ebene einen nennenswerten Umfang erreicht. Darüber hinaus existiert bei Zertifikaten im Unterschied zu vielen

Hedgefonds nicht der gefährliche Kredithebel.

Trotzdem ist das Produkt nicht unproblematisch. Zum einen laden Zertifikate zu Gestaltungen ein, die der Steuergerechtigkeit entgegenstehen. Werden Zertifikate auf Indizes oder Wertpapiere gebildet, in deren Wertentwicklung auch Dividenden und Zinszahlungen eingehen, so sind diese Dividenden bislang steuerfrei. Eine Änderung wird sich allerdings ergeben, wenn die Pläne der Bundesregierung umgesetzt werden, Veräußerungsgewinne zu besteuern.

Für Europa gibt es solche übergreifenden Regelungen bislang etwa in der EU-Quellensteuer nicht. Hier besteht Handlungsbedarf. Zum anderen machen es Zertifikate möglich, in unerwünschte Produkte "durch die Hintertür" zu investieren (Zertifikate auf Hedgefonds, die nicht zugelassen sind). Die Politik muss der Praxis Einhalt gebieten, Zertifikate auf Wertpapiere, die selbst keine Zulassung bekommen würden, zu emittieren.

Total Expense Ratio als Orientierung

Zertifikate sind darüber hinaus auch aus Anlegerschutz- beziehungsweise Verbraucherschutzgesichtspunkten problematisch: Aufgrund der großen Komplexität der Auszahlbedingungen wird es Anlegern unmöglich festzustellen, wie groß der Aufschlag des Emittenten auf die einzelnen Bausteine des Zertifikates ist. Aktuelle Untersuchungen zeigen, dass der Aufschlag der Emittenten auch bei kurz laufenden Zertifikaten häufig über zehn Prozent liegt. Hier ist mehr Transparenz vonnöten. Eine Orientierung könnte die bei Fonds geläufige Total Expense Ratio sein. Bislang haben Banken als Emittenten faktisch eine Preissetzungsmacht, die von der Politik bisher überhaupt noch nicht problematisiert wurde.

Zugleich macht die Vielzahl der Papiere insgesamt existieren 100 000 verschiedene, die täglich vermehrt werden - eine effiziente Regulierung und Kontrolle unmöglich. Die Passivität der Bundesregierung bei der Eindämmung dieses Wildwuchses schlägt sich hier einseitig zum Vorteil der Banken und zum Nachteil der Kleinanleger nieder. Die Emission muss also anspruchsvoller gestaltet werden, das heißt, die Aufsichtsbehörden müssen genauer prüfen, die Prospekte müssen individuell zugeschnitten und viel verständlicher als bisher sein. Risiken der jeweiligen Papiere müssen präziser gefasst und aufbereitet werden. Der bisherige Wildwuchs sollte durch qualitätsorientierte Klassenbildung eingedämmt werden.

Die Zwischenüberschriften zu den Stellungnahmen der Politiker sind jeweils von der Redaktion eingefügt.

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