Aufsätze

"Ein freier Markt und ein starker Staat bedingen einander! "

"Der Staat und die Banken": Dieses Thema ist hochaktuell, denn es richtet den Blick auf wichtige Standortbestimmungen, die über den Tag hinaus als Folge der Finanzkrise notwendig sind. Die letzten drei Jahre haben gezeigt: Staat und Banken stehen zueinander in einem viel symbiotischeren Verhältnis, als dies viele in der Kreditwirtschaft sich selbst und anderen in der Vergangenheit zugestanden haben.

Es geht dabei um drei wesentliche Komplexe: Erstens um den Staat als Regelsetzer und Schiedsrichter: Wo sind Notwendigkeit, aber auch Grenzen von Regulierungen, die der Staat den Banken nach der Finanzkrise auferlegen sollte? Zweitens müssen wir uns über den Staat als direkten Akteur im Bankenmarkt klarwerden: Lehrt uns die Finanzkrise, dass der Staat selbst stärker tätig werden sollte - oder gilt eher das Gegenteil? Und drittens haben wir den Staat in der Finanzkrise in einer ganz neuen Rolle kennengelernt, nämlich als Lender of Last Resort, also als letzte Instanz. Wir werden uns damit beschäftigen müssen, was diese fundamentale Lehre für die Zukunft bedeutet.

Der Staat als Regulierer

Einer der geistigen Väter der Sozialen Marktwirtschaft, Alexander Rüstow, hat deren Konzept auf einen prägnanten Nenner gebracht: "Freie Wirtschaft, starker Staat". Konzeptionell basiert die Soziale Marktwirtschaft darauf, dass Marktteilnehmer, also auch Banken, prinzipiell ungehindert ihren Wettbewerbsinteressen nachgehen können.

Der Staat hat allerdings mit starker Hand den Ordnungsrahmen zu garantieren, Wettbewerb zu sichern und übermäßige Marktmacht zu verhindern. Ein freier Markt auf der einen und ein starker Staat auf der anderen Seite sind also keine Widersprüche. Sie bedingen einander!

Noch vor einigen Jahren hat auch bei dieser Tagung ein Repräsentant der deutschen Kreditwirtschaft die Auffassung vertreten, nur durch weitere Deregulierungen könne der Markt seine volle Effizienz entfalten. Man konnte das Plädoyer so verstehen, dass die Märkte durch optimalen Kapitaleinsatz angeblich besser als die Politik in der Lage seien, wirtschaftlichen Fortschritt und damit Wohlstand zu organisieren. Tatsächlich hat vor allem in den achtziger und neunziger Jahren eine breite Deregulierungswelle in der Finanzwirtschaft stattgefunden. Ohne das alles hier detailliert darzustellen, sollen beispielhaft nur die Stichworte Kreditverbriefungen, Tätigkeit von Hedgefonds oder steuerfreie Veräußerungen von Beteiligungen genannt werden.

Das ist durch Vertreter unserer Branche massiv befördert worden. Als Druckmittel wurden mehr oder minder offen Drohungen mit Gewinn- oder gar Sitzverlagerungen an weniger regulierte Finanzplätze genutzt. Die Informationstechnologien und der globalisierte Finanzmarkt haben dazu schon früh alle Möglichkeiten geboten. Dadurch ist ein weltweiter Wettlauf um Deregulierungen entstanden, der sich bis weit in die EU hinein erstreckt hat. Im weltweit tätigen Finanzsektor sah man eine Zukunftsbranche mit hohen Wachstumsraten und Gewinnchancen. Man hoffte, damit Schwächephasen traditioneller Industrien ausgleichen zu können.

Übertriebene Deregulierungseuphorie

Spätestens die Finanzkrise hat nun deutlich gezeigt, dass die Deregulierungseuphorie und die Hoffnung in die Finanzwirtschaft als neuer Wachstumstreiber weit übertrieben waren und eine Blase ausgelöst haben. Es ist deutlich geworden, dass Wachstum in der Finanzwirtschaft nicht gleichbedeutend ist mit Mehrung volkswirtschaftlichen Wohlstands. Und es ist klar, dass sich die Finanzwirtschaft in ihren Wachstums- und Gewinnaussichten nicht ohne Inkaufnahme erheblicher Stabilitätsrisiken von der übrigen Volkswirtschaft abkoppeln kann.

Die Finanzwirtschaft muss nach diesen Erfahrungen akzeptieren, dass sie jetzt Gegenstand umfassender Regulierungsvorhaben auf allen Ebenen ist. Hier schlägt auf unsere Branche die Welle zurück, die zumindest einige von uns in den letzten zwei Jahrzehnten in umgekehrter Richtung ausgelöst haben.

Allerdings müssen Staat und Kreditwirtschaft jetzt gemeinsam darauf achten, dass das Pendel nicht ebenso übertrieben in die andere Richtung, hin zu einer Überregulierung, ausschlägt. Die Grundkonzeption der Sozialen Marktwirtschaft gibt zwei wichtige Maßstäbe vor, die beachtet werden müssen:

- Es muss einen besonderen Grund geben, die Wirtschaftsfreiheit zu reglementieren. Grundlage kann nicht das allgemeine Gefühl sein, die Finanzwirtschaft irgendwie einschränken zu müssen.

- Und notwendige, zweckmäßige Einschränkungen müssen wettbewerbskonform sein, also möglichst wenig an den von den Akteuren selbst im Wettbewerb erarbeiteten Ausgangslagen verändern. Das bedeutet konkret: Grundsätzlich muss es Sache eines jeden Kreditinstituts - im Einvernehmen mit seinen Eigentümern - sein, ob und in welchem Maße es sich Risiken zumutet. Eine Rechtfertigung für das Eingreifen von Regulierern ergibt sich dann, wenn aus diesen geschäftspolitischen Entscheidungen übermäßige Gefahren für Dritte erwachsen - für andere Marktteilnehmer, für Kunden oder sogar für die Stabilität der Finanzmärkte insgesamt.

Ein Wettlauf um die schärfsten Regulierungen

Es ist deshalb richtig, dass sich die G20 seit Pittsburgh auf zwei wichtige Zielsetzungen konzentriert haben: Erstens sollten hoch spekulative Geschäfte eingedämmt werden, von denen eine Gefahr für die Stabilität der Finanzmärkte ausgeht. Und zweitens sollten die Kunden und die Steuerzahler besser als bisher vor Schieflagen systemrelevanter Banken geschützt werden.

- Eine dritte, vor allem in Deutschland diskutierte Zielsetzung sei hinzugefügt: Angesichts der existenziellen Bedeutung von Vermögensanlagen müssen Kunden besser als bisher vor Falschberatungen und Verlusten bewahrt werden.

Alle drei Zielsetzungen sind nach wie vor richtig. Inzwischen besteht allerdings die Gefahr, dass im Regulierungseifer unterschiedlicher staatlicher Ebenen die richtigen Zielsetzungen etwas aus dem Blick geraten. Es entsteht ein Wettlauf um die schärfsten Regulierungen, nicht alles passt mehr zusammen, und manches erweist sich auch als schlicht nicht effektiv oder sogar kontraproduktiv.

Abbau von Risikoaktiva

Dazu wenige Beispielen zur Illustration: Ursprünglich wurde die Frage diskutiert, wie das Problem des "too big to fail" vermieden werden kann. Es hieß, keine Bank dürfe so groß sein, dass sie den Staat und damit die Steuerzahler zu Hilfestellungen erpressen könne. Dafür wurde sogar in Erwägung gezogen, zu große Banken zwangsweise zu zerlegen.

Davon ist heute keine Rede mehr. Heute geht es nur noch darum, für solche Banken möglichst gute Sicherungsnetze aufzuspannen. Assistiert wird dies durch Äußerungen von kreditwirtschaftlichen Vertretern, die große Banken schon wieder als Ziel einer Volkswirtschaft wie Deutschland propagieren.

Wenn es schon nicht gelingt, Banken in eine für die Existenz einer Volkswirtschaft ungefährlichere Größenordnung zu führen, so muss man ihnen doch wenigstens abverlangen, dass sie durch eigene Vorsorge die Gefahr der Inanspruchnahme der Steuerzahler verringern. Das sollte durch Abbau von Risikoaktiva geschehen. Es sollte aber vor allem durch erhöhte Eigenkapitalpuffer erfolgen. Die Definition, wer in diesem Sinne systemrelevant ist, ist sicher schwierig. Sie sollte aber nicht danach erfolgen, wem man eine solche Eigenvorsorge wirtschaftlich zutraut.

Zweites Beispiel: Es ist nicht zu erwarten, dass die Basler Eigenkapitalanforderungen noch einmal grundsätzlich in Frage gestellt werden. Und die Sparkassen werden die Hürde ja auch nehmen. Bei den Landesbanken werden die Voraussetzungen dafür zu schaffen sein. Es ist aber nicht richtig, dass künftig ein und dieselben Eigenkapitalanforderungen für alle Kreditinstitute gelten sollen. Dies berücksichtigt nicht, dass von der Art der Geschäfte unterschiedliche Risiken für die Gesamtwirtschaft ausgehen. In anderen Teilen der Welt wird deutlich unterschieden: Nach allen bisherigen Erklärungen werden die USA die Eigenkapitalvorschriften nach Basel III für kleinere, regional tätige Institute nicht anwenden.

Daraus leite ich nicht die Forderung ab, die Anwendung von Basel III für Sparkassen und Genossenschaftsbanken auszusetzen. Wir werden uns aber bei der Umsetzung in europäisches Recht schon noch mit der Frage beschäftigen müssen, wie die generellen Kapitalanforderungen bezogen auf unterschiedlich große Institute zu verstehen sind. Das betrifft vor allem die vorgesehenen Puffer.

Wirkung entgegen der ursprünglichen Zielrichtung

Drittes Beispiel: Die vorgesehene Leverage Ratio legt ein Verhältnis von Eigenkapital und Engagements fest. Sie differenziert aber nicht nach dem Risikogehalt der getätigten Geschäfte. Damit wird ein Anreiz entstehen, solche Engagements abzubauen, die geringe Margen versprechen - das ist vor allem die Finanzierung der öffentlichen Hand. Nun haben Bund und Länder andere Möglichkeiten der direkten Refinanzierung an den Märkten. Zum Schluss bleibt das Problem also an den Kommunen hängen. Hatten wir unter der Zielsetzung, risikoreiche Geschäfte stärker zu regulieren, tatsächlich den Kommunalkredit im Kopf? Natürlich nicht. Das ist ein Beispiel, dass gut gemeinte Regulierungen zuweilen den ursprünglichen Zielsetzungen völlig entgegenwirken.

Viertes Beispiel: Einige aus unserer Branche haben in den letzten Monaten das deutsche Vorgehen beim Verbot von ungedeckten Leerverkäufen und ungedeckten Kreditversicherungen heftig kritisiert. Natürlich kann man die Frage stellen, wie effizient ein Alleingang auf Dauer sein kann. Die Beurteilung hängt sicherlich von der Frage ab, ob es gelingt, andere zu gleichen Maßnahmen zu motivieren. Man sollte dabei zugestehen, dass es keinerlei nachvollziehbare Gründe gibt, weshalb jemand verbriefte Kreditversicherungen kaufen oder verkaufen sollte, der mit dem zugrunde liegenden Kredit wirtschaftlich nichts zu tun hat. Ich würde sogar noch weiter gehen: Es müssen deutlich mehr Anstrengungen unternommen werden, jegliche Schattengeschäfte, sogenannte OTC-Geschäfte, aus dem Dunkel herauszuholen und an Börsen zu verlagern. Transparenz ist das Mindeste, was nötig ist.

Fünftes und letztes Beispiel: Anlegerschutz. Ich teile uneingeschränkt die Auffassung, dass Anleger besser vor Falschberatungen geschützt werden müssen. Dazu gehört Transparenz auf Seiten der Anbieter, auch über die Empfehlungen, die einem Kunden im Wertpapierbereich gegeben worden sind. Ich wende mich deshalb nicht generell gegen ein Beratungsprotokoll bei Wertpapierberatungen. Aber ich mache darauf aufmerksam, dass mit zusätzlichen Anforderungen nur diejenigen Kreditinstitute belastet werden, die Beratung anbieten. Angesichts der wirtschaftlichen und bürokratischen Belastungen entsteht für die Institute, aber auch für die Berater selbst ein Anreiz, keinerlei Empfehlungen mehr auszusprechen oder Kunden in einen Online-Vertriebsweg abzudrängen.

Verteuerung guter Beratung

Die Regelung erreicht deshalb vor allem, dass diejenigen Vertriebswege für Institute und für Kunden aus Kostengründen attraktiver werden, wo keine Beratung erfolgt. Das muss man sich wirklich klarmachen: Das Ziel ist mehr und bessere Beratung. Und zu diesem Zweck bevorzugt man diejenigen, die keine Beratung anbieten. Ich habe damit ein logisches Problem. Wir wollen deshalb, dass die bestehende Wettbewerbsverzerrung beseitigt wird. Das kann durch Lockerung von Anforderungen bei beratenden Instituten oder durch Auflagen bei nicht beratenden Instituten erreicht werden.

Ein besonderes Problem stellt in diesem Zusammenhang das Anlegerschutzgesetz dar. Danach sollen alle Anlageberater der Kreditinstitute in einem Register erfasst werden. Jeder Wechsel in den Aufgaben oder der Geschäftsstellenzugehörigkeit soll dokumentiert werden. Das betrifft in der deutschen Kreditwirtschaft schätzungsweise 300 000 Personen, allein bei den Sparkassen über 100 000. Gleichzeitig lässt man freie Finanzvermittler nahezu ungeregelt durch den Markt turnen und unterwirft sie lediglich einer Gewerbeaufsicht wie jede Spielhalle.

Die Schrauben und damit der Aufwand werden so wiederum dort angezogen, wo heute nach allen Erfahrungen ein höheres Qualitätsniveau unterstellt werden kann. Nicht belastet werden wiederum die Bereiche, wo eher Zweifel angebracht sind. Gute Beratung wird so durch staatliche Auflagen immer teurer gemacht. Eigentlich müsste es umgekehrt sein: Es müssten diejenigen entlastet werden, die gute Beratung anbieten. Und die Regulierung müsste dort ansetzen, wo ohne Beratung oder ohne ausreichende Qualität einfach verkauft wird. Diese Beispiele zeigen, dass nicht die Regulierung an sich schon das Ziel sein kann. Vielmehr sollte sich der Gesetzgeber stärker um Differenzierung, Notwendigkeit und Effektivität seiner Maßnahmen bemühen.

Der Staat als Akteur im Bankenmarkt

Nun zum zweiten großen Thema - der Staat als Akteur im Bankenmarkt. Aus Kreisen der deutschen Finanzwirtschaft ist in diesen Wochen inzwischen wieder die Meinung zu hören, vor allem durch die öffentliche Hand beeinflusste Kreditinstitute hätten in der Krise ein Problem dargestellt. Unbeeindruckt von den Erfahrungen der letzten drei Jahre knüpfen einige mit dieser Auffassung wieder an ihren Überzeugungen an, die sie schon vor der Finanzkrise vertreten haben.

Allerdings hat die Finanzkrise eine Reihe ganz anderer Erkenntnisse erbracht. Weltweit gibt es zahlreiche private Kreditinstitute, die durch die Finanzkrise in Schieflage geraten sind und staatliche Hilfestellungen benötigten. Noch nie zuvor dürfte der Staat in diesem Maße an privaten Kreditinstituten beteiligt gewesen sein wie heute - auch in Deutschland. Und es gibt öffentlichrechtliche Institute, Sparkassen und auch einzelne Landesbanken, die praktisch völlig unbeschädigt die Finanzkrise überstanden haben.

Ich gebe zu - das ist nur die eine Seite. Die andere Seite ist, dass wir private Großbanken sehen, die die Finanzkrise glänzend überstanden haben. Und es gibt Landesbanken oder öffentlich dominierte Hypothekenfinanzierer in den USA, die größere Schwierigkeiten hatten. Was lernen wir aus diesen Befunden? Die Gleichung öffent-lich-rechtlich gleich krisenanfällig ist offensichtlich zu schlicht. Das gilt besonders, wenn man sich vergegenwärtigt, dass in Deutschland private Banken in der Summe und im Einzelfall mehr staatliche Unterstützung benötigt haben als etwa die Landesbanken.

Tatsächlich hängt doch die Betroffenheit ursächlich nicht mit der Rechtsform oder der Eignerstruktur, sondern mit dem verfolgten Geschäftsmodell zusammen. Regional tätige und vor allem auf reale Kunden ausgerichtete Kreditinstitute - mögen sie öffentlich-rechtlich oder privatrechtlich sein - haben die Krise vergleichsweise gut überstanden. Stärker auf internationale Finanzmärkte ausgerichtete Institute - mit oder ohne Staatsbeteiligung - hatten tendenziell größere Probleme.

Aber auch diese Erkenntnis bildet die Wirklichkeit noch nicht vollständig ab. Schließlich gibt es global tätige, fast ausschließlich auf Kapitalmarktprodukte ausgerichtete Institute, die die Krise sehr gut überstanden haben. Hat dies vielleicht auch damit zu tun, dass einige in ihren Geschäftsmodellen eher als Arrangeure strukturierter Kapitalmarktprodukte, andere eher als Investoren tätig geworden sind? Könnte es etwas mit unterschiedlichem Wissen um die Werthaltigkeit von modernen Finanzprodukten zu tun gehabt haben?

Es gibt gute Gründe für eine solche Annahme. Jedenfalls richten sich die Blicke heute zu Unrecht ausschließlich auf die Institute, bei denen letztlich die Wertverluste angefallen sind. Das sind teilweise auch solche mit staatlichen Eigentümern. Viel zu wenig wird hinterfragt, wer diese offensichtlich nicht werthaltigen Produkte in den Markt gebracht hat und welches Wissen die Beteiligten dabei hatten. Die Formel, "das waren alles Profis, die wissen mussten, was sie tun", greift dabei zu kurz. Denn sie wird der aus unterschiedlichem Wissen erwachsenden Verantwortung nicht gerecht. Eine Erfahrung, wonach staatlich beeinflusste Kreditinstitute krisenanfälliger wären und der Staat sich aus diesem Grunde aus dem Finanzsektor zurückziehen sollte, gibt es jedenfalls nicht.

Eigentumsrechte erhalten

Nun zeigt allerdings die Erfahrung der Finanzkrise, dass sich der Staat als Eigner von Kreditinstituten verantwortlicher gezeigt hat als viele Private. Ich kenne - mit Ausnahme der DZ Bank - keinen Fall, wo private Eigner in der Krise Kapital nachgeschossen oder zusätzliche Haftungen übernommen hätten. Die Bundesländer und auch die Sparkassen aber haben derartige Leistungen als Eigentümer von Landesbanken erbracht. Nun wendet mancher ein, das mache zu Staatshilfen doch keinen Unterschied, schließlich handele es sich auch um Steuergeld. Es gibt einen wichtigen Unterschied: Für diese Mittel haben die Länder jeweils Eigentumsrechte erhalten oder neu hinzugewonnen. Dies war bei Staatshilfen an private Institute nicht selbstverständlich.

Warum verhalten sich private und öffent-lich-rechtliche Eigentümer so unterschiedlich? Natürlich gibt es dafür rechtliche Rahmenbedingungen. Der private Aktionär ist eben nicht zum Nachschuss verpflichtet. Es scheint aber auch ein wesentlicher Grund zu sein, dass es sich der Staat als Eigentümer nicht leisten kann, eine tatsächliche oder vermeintliche Eigentümerpflicht nicht zu erfüllen. Diese Erkenntnis ist für die Länder sicher ein guter Grund, die aus der Eigentümer- beziehungsweise Trägerschaft resultierenden Risiken deutlich zu reduzieren.

Gleiche Wettbewerbsbedingungen

Nun wird dies nicht dadurch erfolgen können, dass solche Risiken auf die Sparkassen als zweite Eigentümergruppe verschoben werden. Und es ist auch offen, ob es gelingen kann, kurzfristig zu angemessenen Preisen private Investoren zu finden. Deshalb gibt es gute Gründe für Sparkassen und Länder, Kapazitäten und Risikoaktiva bei Landesbanken deutlich zu reduzieren. Das geschieht teilweise bereits durch Vorgaben der EU.

Dabei könnten aber auch Fusionen von Landesbanken helfen. Denn sie ermöglichen, Funktionen gänzlich abzubauen, die jedes einzelne Haus für sich in einem gewissen Mindestumfang erhalten müsste. Nun sollte aber hier niemand so tun, als sei der angemessene Ausstieg des Staates aus Bankrisiken nur ein Thema des öffentlichrechtlichen Bankensektors. Diese Frage stellt sich auch bei betroffenen privaten Großbanken in gleicher Weise.

Auch dort wird sich zeigen, dass ein Ausstieg des Staates zu angemessenen Bedingungen mittelfristig nur sehr schwer möglich sein wird. In der Zwischenzeit sollten allerdings gleiche Wettbewerbsbedingungen herrschen. Für uns ist es jedenfalls schwer erträglich, wenn einem privaten Institut an sich fällige Zinszahlungen in Milliardenhöhe durch den Staat praktisch geschenkt werden. Das darf sich 2010 nicht wiederholen.

Der Staat als letzte Instanz

Der letzte Punkt bezieht sich auf den Staat als letzte Instanz. Wir alle haben in der Finanzkrise die Erfahrung gemacht, dass es für Banken unterschiedliche letzte Instanzen gibt. Ist ein Institut zu klein, tritt es vor Gott, größere haben den Finanzminister als letzte Instanz. Das mag einige in unserer Branche zuerst erschreckt haben. Besonders solche, die ihre Staatsferne immer auf den Lippen getragen haben. Inzwischen entdecken einige für sich den Charme der Situation. Zu groß zum Untergang zu sein, heißt ja auch, seinen Kunden eine besondere Sicherheit versprechen zu können. Wer hätte vor wenigen Jahren gedacht, dass gerade systemrelevante private Institute in den Genuss einer Art Anstaltslast und Gewährträgerhaftung kommen würden.

Dieses System wird jetzt mit der Bankenabgabe und dem daraus gespeisten Restrukturierungsfonds in die Zukunft fortgeschrieben. Aus diesem Fonds werden künftig nur systemrelevante Finanzinstitute Hilfestellungen für die Abwicklung oder den Erhalt wichtiger Bankbereiche erhalten können. Feststehen dürfte, dass eine einzelne Sparkasse oder Genossenschaftsbank daraus keine Unterstützung wird erhalten können. Dennoch sollen auch Sparkassen und Genossenschaftsbanken zum Mittelaufkommen beitragen. Es ist sicher richtig, dieses nochmals politisch zu hinterfragen. Das geschieht derzeit.

Zusätzliche Absicherung für größere Banken

Niemand wird aber bestreiten können, dass damit eine Art staatlicher Haftungszusage zumindest für systemrelevante Teile großer Banken verbunden ist. Solche Institute können sich deshalb nicht darüber beschweren, wenn sie wesentliche Teile des Fonds aufbringen müssen. Wichtiger scheint aber für die Zukunft das mit dem Fonds verfolgte Grundanliegen zu sein, bestimmte Banken oder Bankteile nicht ohne Weiteres untergehen zu lassen. Genau dies ist auch das Anliegen von Institutssicherungssystemen, wie sie die Genossenschaftsbanken und die Sparkassen institutionell betreiben. Und wie sie die privaten Banken - nebenbei bemerkt - praktisch über alle Jahre hinweg bis zum Fall Lehman Deutschland praktiziert haben.

Wenn systemrelevante große Banken eine zusätzliche Staatsabsicherung erhalten, sollten kleinere auch die Chance haben, für ihr eigenes System wichtige Institute aus eigener Kraft sichern zu können. Diese Möglichkeit ist für deutsche Sparkassen und Genossenschaftsbanken wichtig. Sie könnte aber auch in anderen Teilen Europas wichtig werden. Und sie könnte auch im Interesse kleinerer Privatbanken liegen.

Wir setzen uns deshalb in Brüssel dafür ein, gleichberechtigt neben der Einlagensicherung ein Institutssicherungssystem in Europa zu erhalten, das durch frühzeitige Intervention Insolvenzen von Kreditinstituten und damit Einlagensicherungsfälle vermeidet. Wir meinen, dass ein solches System die Anforderungen der EU-Kommission an Einlegerschutz in mindestens gleicher Weise wie ein Einlagensicherungssystem erfüllen kann. Dabei akzeptieren wir, dass vorgegebene Qualitätsstandards erfüllt werden und die wirtschaftliche Leistungsfähigkeit zweifelsfrei vorliegen muss. Unter solchen Rahmenbedingungen sollten europarechtliche Regelungen unterschiedliche Ausprägungen von Sicherungssystemen in Europa zulassen. Solche Systeme sichern nicht nur die Einlagen der Kunden, sondern zugleich auch deren Kredit- und andere Leistungsbeziehungen zum Kreditinstitut.

Vor rund zwei Jahren, Anfang Oktober 2008, haben sich die Bundeskanzlerin und der damalige Bundesfinanzminister veranlasst gesehen, in einer bis dahin beispiellosen Erklärung alle Spareinlagen in Deutschland staatlich zu garantieren. Der Staat ist hier als letzte Instanz für die deutschen Sparer aufgetreten. Wir sollten alles dafür tun, dass eine solche Lage nie wieder eintritt. Dazu gehört, möglichst glaubwürdige und umfassende Sicherungseinrichtungen zu erhalten und zu stärken. Dazu können wir, lieber Herr Kollege Schmitz, einen großen Beitrag leisten, indem wir - bei aller Unterschiedlichkeit die Leistungsfähigkeit unserer jeweiligen Systeme anerkennen. Wir sollten gemeinsam das Ziel verfolgen, allen unseren Kunden einen möglichst umfassenden Schutz zu geben und damit das Vertrauen in die deutsche Kreditwirtschaft insgesamt zu erhalten oder - wo nötig - zu stärken. Die Finanzkrise war eine Vertrauenskrise. Unsere Aufgabe ist es, Vertrauen zu stärken, um den Staat zu entlasten.

Der Beitrag basiert auf einer Rede des Autors bei der 56. Kreditpolitischen Tagung der ZfgK am 5. November 2010. Die Zwischenüberschriften sind von der Redaktion eingefügt.

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