Gespräch des Tages

Geldpolitik - Houston! In the blind!

Die Makroökonomie macht zunehmend einen Eindruck von Hilflosigkeit - ohne es sich oder der Politik bislang einzugestehen: Kurz vor dem diesjährigen Jackson Hole Symposium der Zentralbanker wurde eine Aufsatzsammlung unter dem Titel "Secular Stagnation/Facts, Causes and Cures" veröffentlicht.1) Larry Summers, der den Terminus 2013 wieder in Umlauf gesetzt hatte, übernahm ihn bewusst und explizit von Alvin Hansen, dem berühmten Keynes-Verdeutlicher. Das ist eher bizarr. Denn was Summers in seiner untrüglichen Intuition erspürt hatte, hat mit Konjunkturzyklik gar nichts zu tun. Warum daher geldpolitische Maßnahmen oder fiskalisches Defizit Spending bei strukturell bedingten Wachstumshindernissen Abhilfe zu schaffen geeignet sein sollen, ist unplausibel.

Nicht unähnlich war dann der Ablauf des Jackson Hole Symposiums, wohlgemerkt einer Veranstaltung für Zentralbanker aus aller Welt, die sich in diesem August ausgerechnet das Thema "Re-evaluating labor-market dynamics" gewählt hatten,2) zu dem sie allenfalls etwas zu sagen hätten, wenn es einen belegbaren, weiter wirksamen funktionalen Zusammenhang zwischen Geldpolitik und Beschäftigung beziehungsweise Wachstum gäbe. Es traten anerkannte Arbeitsmarktexperten auf, welche auf die brutalen Auswirkungen der Demografie hinwiesen, unter anderem auf die strukturverändernden Auswirkungen des technischen Fortschritts (mehr Zeitarbeit, mehr Jobs mit Projektcharakter statt Karrieren fürs ganze Arbeitsleben). Diese Einsichten haben in die Modelle der Makroökonomen bisher aber keinen Eingang gefunden. Als gegen Ende des Symposiums namhafte Zentralbanker ein Fazit zu "Labor Markets and Monetary Policy" zu ziehen versuchten, konnten sie nur recht lahm konstatieren, dass die alten Hebel wie die Phillips-Kurve nicht mehr wirken. EZB-Präsident Mario Draghi war allerdings intellektuell redlich genug, darauf hinzuweisen, dass der Wachstumsstau primär strukturelle Ursachen habe, welche die EZB und auch ein bloßes fiskalisches Defizit Spending nicht beheben könnten, und er durch monetäre Erleichterungen allenfalls Zeit für geeignete Strukturreformmaßnahmen der Politik kaufen könne.

In einem Kommentar vom 25. August, also kurz nach Jackson Hole, sah sich Pimco Ex-Chef Mohamed A. El-Erian an den Weltraum-Thriller "Gravity" erinnert, in welchem die Astronautin mit dem Notruf "Houston! In the blind!" der Bodenstation zu signalisieren versucht, dass die Kommunikation zusammengebrochen ist. Gleichwohl, so El-Erian, bewegen sich die Märkte weiter so, "as if central bankers had all the answers needed."3) Das heißt, dass sich die Aktienmärkte - wenn auch mit zunehmender Volatilität aufgrund der Ukraine-Krise und anderer geopolitischer Risiken - weiter stramm nach oben bewegen. Was passiert, wenn absehbar wird, dass sich Fed und Bank of England in der entgegengesetzten Richtung zur EZB bewegen müssen, ist ein Thema, an das weder die Märkte noch die Politik erinnert werden möchten.

Der vom nicht immer besonders originellen Zeitgeist bei dieser grundsätzlichen Orientierungslosigkeit hervorgebrachte Fokus auf Infrastrukturfinanzierungen ist nicht gänzlich abwegig, aber mit den auch in Deutschland dräuenden Strukturproblemen kommt man damit nicht weiter. Vielleicht empfiehlt sich eine Denkpause größerer intellektueller Demut bei den Möchtegern-Physikern in der Zunft der Ökonomen. Michael Altenburg, Luzern

Fußnoten:

1) Download unter: http://www.voxeu.org/article/ secular-stagnation-facts-causes-and-cures-new-vox-ebook

2) Download der Symposium Proceedings unter: http://www. kc.frb.org/publications/research/escp/escp-2014.cfm

3) Siehe: http://www.bloombergview.com/articles/2014-08-25/what-made-this-summer-different

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