Leitartikel

Gemeinsamer Geist

Über die Frage, was Österreicher, Deutsche und auch Schweizer unterscheidet, ist schon viel geredet, geschrieben und gewitzelt worden. Da ist mal mit mehr, mal mit weniger Augenzwinkern von Schadenfreude oder gar Häme die Rede - auf Seiten der Österreicher -, von zu direkter Kommunikation und mangelnder Lockerheit - bei den Deutschen - und einer Portion Gemütlichkeit geprägt mit außerordentlichem Stolz auf Erreichtes - in der Schweiz. In der Bankenwelt ist das Verhältnis zwischen den Nachbarn im Alpenraum derweil ebenfalls nicht unbelastet. Stichwort Hypo Alpe Adria und das Sondergesetz der österreichischen Regierung, das unter anderem die Bayerische Landesbank viel Geld kosten könnte und die österreichischen Unternehmen das Vertrauen internationaler Investoren.

Doch sowohl im privaten als auch im öffentlichen Leben mag ein Blick der Piefkes über den nationalen Tellerrand hinaus durchaus erhellend sein. Bei der ersten Betrachtung wirken die Verhältnisse gerade in den Finanzverbünden Österreichs gelinde gesprochen belastet. Da ist aktuell die Gewinnwarnung der Erste Bank Gruppe, die für 2014 mit erhöhten Risikokosten insbesondere in Ungarn und Rumänien rechnet. Von den entsprechenden Verwerfungen könnte - trotz Dementi - auch die Raiffeisenbank International betroffen sein. Sowohl Erste als auch Raiffeisen haben im Verlauf der Finanzkrise Staatshilfen in Anspruch nehmen müssen, diese wurden aber bereits zurückgezahlt. Daneben sorgen nicht nur die Abwicklung der Hypo Alpe Adria für Gesprächsstoff, sondern auch die Probleme der ÖVAG, gestütztes und teilverstaatlichtes Zentralinstitut der österreichischen Volksbanken, und damit verbunden die Neustrukturierung dieses Sektors, stehen im Blickfeld der Öffentlichkeit.

Bei einem näheren Blick auf die Strukturen der Finanzverbünde zeigen sich aber mittel- bis langfristig durchaus gegenläufige und lehrreiche Tendenzen: Während sich die Finanzverbünde in Österreich noch vielfältiger tummeln als in Deutschland, so ist doch in ihrem Inneren eine stärkere Konzern- und Kapitalmarktorientierung erkennbar als bei Sparkassen und Genossenschaftsbanken hierzulande. Die Grund idee dabei leuchtet ein: In einem engen und langsam wachsenden Markt mit hohem Wettbewerb arbeiten die österreichischen Verbundorganisationen daran, das Beste aus zwei Welten, die Kleinteiligkeit der Organisation im Kundengeschäft und die Effizienz und strategische Geschlossenheit einer Konzernorganisation zu nutzen. Dieses Bemühen ist bereits seit Jahren bei der Ersten Group erkennbar. Nach einer regelrechten Welle von Fusionen unter den Sparkassen und mit der Ersten Bank sind inzwischen die 48 österreichischen Sparkassen über Stiftungskonstruktionen oder direkt bei der Erste Group Bank AG aufgehängt. Die kommunale Eigentümerschaft und damit eine gemeinwohlorientierte Geschäftspolitik auf der Primärebene bleibt so zumindest in Teilen erhalten - gepaart mit einem börsennotierten, auch international orientierten Überbau.

Auch die größte genossenschaftliche Gruppe in Österreich, die der Raiffeisenbanken, ist bei der Entwicklung tragfähiger Verbundstrukturen vorangeschritten. Bei ihr sticht als Besonderheit vor allem das Beharren auf einer dreistufigen Struktur des Sektors heraus: Zwischen den Raiffeisenbanken als Primärstufe und der Raiffeisen Zentralbank (RZB) stehen die Raiffeisenlandesbanken. Diskussionen über eine Verflachung der Strukturen wurden und werden freilich geführt, insbesondere als die Gruppe jüngst gehalten war, institutionelle Sicherungssysteme, sogenannte Institution Protection Schemes auszuarbeiten. Mit deren Ausgestaltung sowohl auf Landes- wie auch auf Bundesebene ist eine Entscheidung zugunsten der dreistufigen Struktur vorerst aber auch formal festgehalten worden. Vielerorts werden die Raiffeisenlandesbanken offenbar als Klammer empfunden, die die Primärstufe stärkt beziehungsweise sie davor schützt, von der Zentralbank absorbiert zu werden.

In Sachen Rückbesinnung auf den Verbund ist die Raiffeisen-Gruppe dem zweiten genossenschaftlichen Verbund, den Volksbanken, einen Schritt voraus: Die RZB hat 2010 das nationale Geschäft als Dienstleister des Raiffeisen-Sektors von anderen Bereichen abgetrennt und zu ihrem Kerngeschäft erklärt. Wesentliche Teile ihres damaligen operativen Geschäfts - vor allem das Firmenkundengeschäft, die Produktbereiche und das Investmentbanking - wurden abgespalten und mit der Raiffeisen International verschmolzen. Daraus ist die nunmehr börsennotierte Raiffeisen Bank International, die RBI AG hervorgegangen, an der die RZB aktuell etwa 60,7 Prozent hält.

Als Sonderfall und treffendes Beispiel für das- nicht immer glücklich ausgestaltete - Spannungsfeld von Verbund und Konzern, dürfen derweil die österreichischen Volksbanken gelten. Beim Spitzeninstitut, der ÖVAG, stehen die Zeichen auf Abwicklung. Die Auseinandersetzung darüber, wer die Strukturen dieses Finanzverbundes dominiert, ist vorerst aber durch den Staat beziehungsweise die EU-Kommission vorgezeichnet worden. Nach einer Teilverstaatlichung der ÖVAG sind die Volksbanken mit ihr einen Haftungs- und Liquiditätsverbund eingegangen, in dem das Spitzeninstitut gewisse Weisungsrechte gegenüber der Primärstufe hat. Obwohl die schlagenden Probleme auf der Ebene der Zentralbank entstanden sind, hat diese ihren Einfluss auf die Primärbanken damit ausgebaut. Die österreichischen Volksbanken zahlen nun teuer für die Rettung ihres Spitzeninstitutes, der Verbund soll nach dem Vorbild der niederländischen Rabobank umgebaut werden. Durch ein Zusammenschrumpfen der Primärbanken von derzeit 46 auf dann neun - eines pro Bundesland - kann dabei Tafelsilber verwertet und Effizienz geschaffen werden. Dass Pläne dieser Art allerdings die DNA eines genossenschaftlichen Verbundes sprengen können, steht außer Frage.

Die Idee von Sparkassen und Genossenschaftsbanken, insbesondere ihre regionale Verbundenheit und die Gemeinwohlorientierung beziehungsweise Mitgliederförderung ist diesseits und jenseits der Alpen gut und tragfähig. Die Ausprägungen aber in den Strukturen der Finanzverbünde unterscheiden sich enorm. Gerade in Österreich ist - sicherlich auch oftmals aus der Not heraus - seit Jahren eine größere Offenheit als hierzulande spürbar für neue Ideen und Konstrukte. Es zeigt sich dort mehr Beweglichkeit im Spannungsfeld zwischen Kleinteiligkeit und Konzernstrukturen, eine Eigenschaft, mit der sich die Nachbarn in Deutschland deutlich schwerer tun. Doch die regulatorischen und bankenaufsichtlichen Anforderungen dürften hierzulande in den kommenden Jahren dem "Zusammenrücken" in den Verbünden einen neuerlichen Schub verleihen.

Dass im Zuge dieser Tendenz eine Konzentration - und Beschränkung - der zentralen Institute auf ihre Dienstleistungsfunktion für die jeweilige Bankengruppe Not tut, scheinen die Deutschen im Verlauf und beim Abarbeiten der Krise bereits verstanden zu haben. In Österreich sind die Risiken aus einer Fehlentwicklung auf der höchsten Ebene der Verbünde derweil noch virulent: Wenn Verbundstrukturen und Überbauten, die ihre Daseinsberechtigung aus einer dienenden Funktion gegenüber der Primärstufe ableiten, sich über die Gruppe erheben, lauern enorme Gefahren. In Österreich wurden konzernartige Strukturen und der Kapitalmarktzugang in den Finanzverbünden häufig dafür genutzt, das internationale Engagement der jeweiligen Gruppe zu befördern. Dass hierbei der Fokus meist auf Osteuropa gelegt wurde, bringt nun viele Risiken für die Bankengruppen. Und darunter leiden insbesondere die Primärbanken. Daher gilt: Das nationale Geschäft mag nicht einfacher werden, die Verbünde müssen diese Herausforderung aber annehmen.

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