Aufsätze

Die genossenschaftliche Verbandsprüfung heute

Die genossenschaftliche Verbandsprüfung gilt als umfassendste Prüfung in Deutschland. Während der in den zurückliegenden Jahren lebhaft geführten Diskussion um die Qualität der handelsrechtlichen Jahresabschlussprüfung wurde häufig auf die Vorbildfunktion der genossenschaftlichen Verbandsprüfung verwiesen. In zahlreichen gesetzlichen Neuerungen wurden inhaltliche Anleihen im genossenschaftlichen Prüfungswesen genommen. So belegen beispielsweise Untersuchungen, die im Zusammenhang mit dem im Jahr 1998 verkündeten Gesetz zur Kontrolle und Transparenz im Unternehmensbereich (Kon TraG) vorgenommen wurden, dass die genossenschaftliche Verbandsprüfung eine ganze Reihe der damals neu in das HGB eingefügten Vorschriften zur Steigerung der Qualität der Abschlussprüfung bereits antizipiert.1)

Prüfung im genossenschaftlichen Finanzverbund

Der Finanzverbund der genossenschaftlichen Bankengruppe besteht aus selbstständigen Finanzunternehmen. Hierzu gehören die genossenschaftlichen Banken sowie die Verbundunternehmen, deren Stamm- oder Gesellschaftskapital voll oder zu einem maßgeblichen Teil in den Händen der 1 253 selbstständigen Kreditgenossenschaften2) liegt. Um den Kreditgenossenschaften ein wettbewerbsfähiges Allfinanzangebot anbieten zu können, treten die Zentralbanken und die Spezialanbieter in einer klar geordneten, dezentral und subsidiär geprägten Gruppenstruktur auf. Sie sind Leistungserbringer und Unterstützer für die dezentralen Einheiten. Jede einzelne Kreditgenossenschaft legt ihre Geschäftspolitik individuell fest. Für die spezifische Marktbearbeitung wird bei Bedarf auf Produkte und Dienstleistungen im Finanzverbund zurückgegriffen.

Die Verbundstrukturen im genossenschaftlichen Prüfungswesen sind wie beim genossenschaftlichen Finanzverbund dezentral und subsidiär angelegt. So werden die Kreditgenossenschaften in der Regel durch die sieben regionalen Prüfungsverbände beziehungsweise durch die zwei Fachprüfungsverbände (Abbildung) geprüft.

Der Deutsche Genossenschafts- und Raiffeisenverband e. V. (DGRV) ist in der Genossenschaftsorganisation der Spitzenverband im Sinne des Gesetzgebers. Er ist Prüfungsverband und Standardsetter in Fragen der Rechnungslegung, Prüfung und prüfungsnahen Beratung. Der Verband wird durch die vier spartenbezogenen Bundesverbände, durch die Regionalverbände und Fachprüfungsverbände sowie durch zahlreiche Zentralunternehmen und Spezialinstitute aus der Genossenschaftsorganisation getragen.3) Er übernimmt im Rahmen der Subsidiarität die Aufgabe, das genossenschaftliche Prüfungswesen auf Bundesebene zu vertreten. Als Spitzenverband im Sinne des § 56 Abs. 2 GenG führt er auch selbst Prüfungen durch. Er wird beispielsweise aktiv, wenn das Prüfungsrecht eines regionalen Prüfungsverbandes im Falle einer personellen Verflechtung von Vorstandsmitgliedern des regionalen Verbandes mit der zu prüfenden Kreditgenossenschaft ruht.

Eine gruppeneigene Wirtschaftsprüfungsgesellschaft

Neben dem DGRV bildet die "DGR Deutsche Genossenschafts-Revision Wirtschaftsprüfungsgesellschaft GmbH" (DGR) eine weitere zentrale Einrichtung des genossenschaftlichen Prüfungswesens. Die DGR ist die Wirtschaftsprüfungsgesellschaft insbesondere für den genossenschaftlichen Finanzverbund. Sie verfügt über Spezialkenntnisse im Bereich der Finanzdienstleistungen und der Informationstechnologie. Als kompetenter Partner prüft, berät und analysiert sie allerdings auch Unternehmen unterschiedlicher Rechtsformen außerhalb des Finanzsektors.

Die genossenschaftlichen Prüfungsverbände fallen als Träger einer Prüfung neben den Wirtschaftsprüfungsgesellschaften und den natürlichen Personen auch in den Anwendungsbereich der im Jahr 2005 neu gefassten Richtlinie über die Prüfung des Jahresabschlusses und des konsolidierten Abschlusses (8. EU-Richtlinie). Diese Richtlinie verfolgt das Ziel, in Europa einheitliche Regelungen für alle gesetzlichen Abschlussprüfungen einschließlich der genossenschaftlichen Pflichtprüfungen zu schaffen. Die Prüfungsverbände werden unmittelbar von der Definition des Begriffs "Prüfungsgesellschaft" in Art. 2 Nr. 3 erfasst. Außerdem bestimmt Art. 3 Nr. 3b der Richtlinie, dass die Mitgliedstaaten in Bezug auf die Stimmrechtsregelungen für die Pflichtprüfung von Genossenschaften eigene Bestimmungen erlassen können. Damit ist auch auf europäischer Ebene die Gleichwertigkeit der genossenschaftlichen Prüfungsverbände mit den Wirtschaftsprüfungsgesellschaften bestätigt worden.

Besonderheiten der genossenschaftlichen Prüfungen

Unabhängige Prüfung durch den zuständigen Prüfungsverband: Nach § 54 GenG muss jede Kreditgenossenschaft einem Verband angehören, dem das Prüfungsrecht verliehen ist. Diese Mitgliedschaft ist Bedingung sowohl für das Entstehen als auch für das Bestehen einer Kreditgenossenschaft. Bei der Wahl des Prüfungsverbandes ist jede Genossenschaft frei. Mit dem Beitritt zu einem Verband mit Prüfungsrecht ist automatisch der zuständige Prüfungsträger bestimmt. Recht und Pflicht zur Vornahme der Prüfung ergeben sich unmittelbar aus dem Mitgliedschaftsverhältnis. Ein besonderer Prüfungsvertrag für ordentliche und außerordentliche Prüfungen ist nicht erforderlich.

Der Verband ist Träger der Prüfung und bedient sich zum Prüfen der bei ihm angestellten Prüfer, die im genossenschaftlichen Prüfungswesen ausreichend vorgebildet und erfahren sind. Die zu prüfende Kreditgenossenschaft hat wegen ihrer Verbandszugehörigkeit einen Rechtsanspruch darauf, dass der zuständige Prüfungsverband die Prüfung selbst durchführt. Durch diese Konstruktion nehmen die Prüfungsverbände eine relativ unabhängige Stellung gegenüber ihren Mandanten ein. Frei von Einflüssen und Interessen Dritter müssen sie weder ihre Abwahl als Prüfer noch den Verlust des Mandats befürchten.

Im Zusammenhang mit der Frage nach der Unabhängigkeit des handelsrechtlichen Abschlussprüfers wird in mehr oder weniger regelmäßigen Abständen vorgeschlagen, ein Aktien- oder Prüfungsamt als staatliche Behörde einzurichten, die entweder die Verteilung der Prüfungsmandate übernimmt oder gleich selbst das Prüfungsrecht ausübt. Mit der Einrichtung solcher staatlichen Aktien- oder Prüfungsämter soll eine möglichst weitgehende Unabhängigkeit der Prüfungsträger bei der handelsrechtlichen Abschlussprüfung erreicht werden. Die genossenschaftliche Verbandsprüfung erreicht dieses Ziel ohne jeglichen staatlichen Dirigismus: Sie ist vom Gesetzgeber aufgrund ihrer mitgliedschaftlichen Struktur so angelegt, dass sie ein weitgehendes Maß an Unabhängigkeit des Prüfers gewährleistet, ohne zusätzliche Bürokratie zu schaffen.

Umfassender Prüfungsgegenstand nach § 53 GenG: Bei jedem Kreditinstitut sind aufgrund des betriebenen Geschäftszweiges nach § 340k Abs. 1 HGB der Jahresabschluss und der Lagebericht Gegenstand einer jährlichen Prüfung. Dabei sind auch die wirtschaftlichen Verhältnisse des Instituts zu prüfen (§ 29 KWG). Kreditgenossenschaften haben darüber hinaus aber auch noch rechtsformspezifische Vorgaben in § 53 GenG zu beachten. Aus der im GenG vorgeschriebenen Pflichtprüfung leitet sich der umfassendste Prüfungsauftrag im deutschen Prüfungswesen ab, der von den Prüfungsgegenständen her weiter gefasst ist als die Abschlussprüfung nach § 317 HGB. Gemäß § 53 Abs. 1 GenG hat der Prüfungsverband bei dem ihm angeschlossenen Kreditgenossenschaften die wirtschaftlichen Verhältnisse und die Ordnungsmäßigkeit der Geschäftsführung festzustellen. Dazu hat er die Einrichtungen, die Vermögenslage und die Geschäftsführung einer Kreditgenossenschaft zu prüfen.

Prüfung der Geschäftsführung

Die Prüfung der Geschäftsführung erstreckt sich insbesondere auf die Geschäftsführung als Institution und Organisation, auf das Geschäftsführungsinstrumentarium sowie auf die Geschäftstätigkeit. Im Rahmen der Prüfung des Geschäftsführungsinstrumentariums wird traditionell auch untersucht, ob ein geeignetes Risikomanagementsystem eingerichtet ist.4) Eine vergleichbare branchenunabhängige Prüfungspflicht wurde erst 1998 mit dem Gesetz zur Kontrolle und Transparenz im Unternehmensbereich (Kon TraG) in die Regelungen zur handelsrechtlichen Abschlussprüfung börsennotierter Aktiengesellschaften aufgenommen. Insoweit kommt auch hier der genossenschaftlichen Verbandsprüfung eine Vorbildfunktion zu.

Der subsidiäre Aufbau des genossenschaftlichen Prüfungswesen hilft dabei, den umfassenden Prüfungsauftrag aus § 53 GenG zu erfüllen. Seinem Selbstverständnis als Standardsetter in Fragen der Prüfung folgend, betreut der DGRV in seiner Funktion als Spitzenverband insbesondere die zentrale Entwicklung einer bundeseinheitlichen Prüfungssoftware und eines bundeseinheitlichen Musterprüfungsberichts. Diese zentral erstellten Dienstleistungen entlasten die regionalen Prüfungsverbände und damit auch die angeschlossenen Kreditgenossenschaften und sorgen gleichzeitig für eine einheitlich hohe Qualität in der Prüfung. Die genossenschaftliche Verbandsprüfung wird damit gleichermaßen hohen Qualitäts- und Effizienzansprüchen gerecht.

Genossenschaftliche Verbandsprüfung als Betreuungsprüfung: Der Gesetzgeber hat in § 63b Abs. 4 GenG unterschiedliche Aufgaben für die genossenschaftlichen Prüfungsverbände vorgesehen. Neben der obligatorischen Prüfungstätigkeit kann ein Verband seinen Mitgliedern beispielsweise auch Beratungs- und Betreuungsleistungen in betriebswirtschaftlichen, rechtlichen und steuerlichen Fragen anbieten. Die Prüfungsverbände machen von dieser Möglichkeit, die Beratung und Betreuung ihrer Mitglieder in ihrem Dienstleistungsangebot zu integrieren, regelmäßig Gebrauch. Dabei beschränken sie sich darauf, Handlungsmöglichkeiten und die daraus folgenden Konsequenzen aufzuzeigen, während die Umsetzungsentscheidung selbstverständlich den Beratenen vorbehalten bleibt. Darüber hinaus räumen die Prüfungsverbände ihren Mitgliedern auch die Möglichkeit ein, ihre Mitgliedschaft im Verband auf die Prüfungstätigkeit zu begrenzen.

Betreuungsprüfung

Aufgrund der Regelungen in § 63b Abs. 4 GenG wird die genossenschaftliche Verbandsprüfung traditionell als Betreuungsprüfung begriffen. Ihr Ziel ist es, nicht nur den in der Vergangenheit liegenden Prüfungszeitraum zu bewerten, sondern auch Erkenntnisse für die Fortentwicklung der Kreditgenossenschaft zu generieren. Sie hat somit nicht nur Prüfungsfunktion, sondern auch eine zukunftsgerichtete Beratungsfunktion. Für diese Beratungsfunktion ist der mitgliedschaftliche Aufbau eines Prüfungsverbandes von wesentlicher Bedeutung. Er schafft die Möglichkeit einer fruchtbaren Wechselbeziehung zwischen Verband und Kreditgenossenschaft. Die Mitgliedschaft anderer Kreditgenossenschaften im Verband stellt beispielsweise sicher, dass dieser einen Überblick über die wirtschaftliche Entwicklung der Gruppe der Kreditgenossenschaften gewinnt. Damit können die Verbände Vergleiche innerhalb dieser Gruppe anstellen, die den Blick für bestimmte, über das einzelne Institut hinausgehende Entwicklungen und deren Gefahren schärfen.

Die Verbände sind damit prädestiniert für die Funktion als Berater und Betreuer ihrer Mitglieder. Dieser Vorteil wird im Rahmen der Betreuungsprüfung direkt an die Kreditgenossenschaften weitergegeben. Mittelbar profitieren davon selbstverständlich auch die über 15 Millionen Mitglieder der Kreditgenossenschaften, indem mit der Betreuungsprüfung auch der Bestand des einzelnen Instituts gesichert wird. Dies entspricht auch dem erklärten Willen des Gesetzgebers, der der Verbandsprüfung eine am genossenschaftlichen Unternehmenszweck orientierte, sowohl unterstützende als auch betreuende Förderfunktion beimisst.

Aktuelle Entwicklungen in der genossenschaftlichen Verbandsprüfung

Neuerungen in der Qualitätskontrolle bei genossenschaftlichen Prüfungsverbänden: Die genossenschaftlichen Prüfungsverbände sind nach § 63g Abs. 2 GenG in das System der Qualitätskontrolle der Wirtschaftsprüferkammer integriert. Mit dem Euro-Bilanzgesetz aus dem Jahr 2001 wurden die genossenschaftlichen Prüfungsverbände in das System der externen Qualitätssicherung unter dem Dach der Wirtschaftsprüferkammer einbezogen. Mit dem Hinweis auf die Besonderheiten des genossenschaftlichen Prüfungswesens hat der Gesetzgeber die Vorgaben zur Qualitätskontrolle aus der Wirtschaftsprüferordnung allerdings nicht unmittelbar auf die genossenschaftlichen Prüfungsverbände übertragen. In den §§ 56, 63e ff. GenG wurde eine verbandsspezifische Lösung gefunden, die dem Qualitätskontrollsystem der Wirtschaftsprüferordnung gleichwertig ist.

Mit der Genossenschaftsrechtsnovelle vom 14. August 2006 haben sich einige wichtige Änderungen ergeben, die in Bezug auf die Prüfung des Qualitätssicherungssystems der genossenschaftlichen Prüfungsverbände von Bedeutung sind. Eine Änderung betrifft beispielsweise den Umfang der in das System der Qualitätskontrolle fallenden Prüfungen.5) Neuerdings sind die gesetzlich vorgeschriebenen Begutachtungen des Verbandes wie beispielsweise Verschmelzungsgutachten ebenso von der Qualitätskontrolle ausgenommen wie freiwillige Prüfungen.

Unabhängigkeitsregelungen nach § 340k Abs. 2 S. 3 HGB: Der mit dem Bilanzrechtsreformgesetz modifizierte § 340k Abs. 2 HGB regelt die Ausschlussgründe wegen Besorgnis der Befangenheit bei der Prüfung von Kreditgenossenschaften.6) Er verweist hierzu auf die §§ 319 Abs. 2 und 3, 319a HGB. Die dort festgelegten Unabhängigkeitsanforderungen gelten allerdings nicht für den gesamten Prüfungsverband, sondern nur noch für die bei der jeweiligen Abschlussprüfung vom Verband eingesetzten Prüfer und für sämtliche Personen, die das Ergebnis der Prüfung beeinflussen können. Der Verband als Träger der Prüfung und alle dort nicht mit der Prüfung befassten Personen sollen nicht erfasst werden.

Der Kreis der Personen, die das Ergebnis der Prüfung beeinflussen können, umfasst damit die gesetzlichen Vertreter des Prüfungsverbandes, die Mitglieder des Prüfungsteams und weisungsberechtigte Vorgesetzte. Die Prüfungsverbände stellen für den definierten Personenkreis die Trennung von Prüfung und Beratung durch organisatorische, rechtliche und personelle Vorkehrungen (Safeguards) sicher. Sie implementieren die erforderlichen Schutzmaßnahmen zur Vermeidung beziehungsweise Reduzierung der allgemeinen Unabhängigkeitsrisiken.

Die Unabhängigkeitsregelungen nach § 340k Abs. 2 S. 3 HGB berücksichtigen die Besonderheiten der genossenschaftlichen Prüfungsverbände insoweit, als sie deren fehlendes wirtschaftliches Eigeninteresse sowie deren verschiedene Organisationseinheiten und Einrichtungen beachten. Der Gesetzgeber hat mittlerweile die Regelungen in § 340k Abs. 2 S. 3 HGB in § 55 Abs. 2 GenG übernommen und damit weitgehend einheitliche Unabhängigkeitsregelungen für die Prüfung aller Genossenschaften geschaffen.

Stabilitätssicherung

Die genossenschaftliche Verbandsprüfung hat sich als umfassendste Prüfungsinstitution in Deutschland bewährt. Dem ihr obliegenden Auftrag, die Stabilität im Genossenschaftswesen im Allgemeinen und im genossenschaftlichen Finanzverbund im Besonderen zu gewährleisten, ist sie in den zurückliegenden Jahrzehnten auf eindrucksvolle Art und Weise gerecht geworden. Die Tatsache, dass die eingetragene Genossenschaft seit Jahrzehnten die insolvenzsicherste Rechtsform in Deutschland darstellt, ist hierfür ebenso ein Indiz wie die Vorbildfunktion, die das genossenschaftliche Prüfungswesen regelmäßig bei Reformen der handelsrechtlichen Abschlussprüfungen einnimmt.

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