Gespräch des Tages

Großbanken - Vertrauensbildung mit Restrisiko

Wie begierig die Anlagemärkte nach positiven Nachrichten aus der (Kredit-)Wirtschaft suchen, hat Ende der dritten Januarwoche 2012 einmal mehr die Aktienkursentwicklung der Commerzbank gezeigt. Mit der Ankündigung der Bank, die von der europäischen Bankenaufsicht bis Ende Juni dieses Jahres eingeforderte Schließung der Eigenkapitallücke von 5,3 Milliarden Euro aus eigener Kraft und ohne staatliche Hilfe stemmen zu wollen, schoss der Kurs um mehr als 30 Prozent binnen drei Tagen nach oben.

Die Aktivitäten zur Zielerreichung, angefangen von den bereits einbehaltenen Gewinnen aus dem vierten Quartal 2011, einer Rückführung der Risikoaktiva um 17 Milliarden Euro, der geplanten Erfüllung individueller variabler Vergütungsansprüche für das Jahr 2011 in Aktien der Commerzbank AG sowie nicht zuletzt den RWA-Maßnahmen vermochten offensichtlich die Märkte zu überzeugen. Dass ein Teil der Kapitalstärkung aus einer Anpassung der Input-Parameter der internen Modelle zur RWA-Ermittlung kommt, findet dabei in der Öffentlichkeit naturgemäß breite Beachtung. Solche Effekte per se als kreative Gestaltung der aufsichtsrechtlichen Anforderungen zu werten, wird der Sache dabei nicht gerecht. Wieso jedenfalls sollen solche Änderungen, die unter dem Blick der deutschen Aufsicht über die Auswertung der Kredithistorie der vergangenen Jahre erfolgen, weniger sachgerecht sein als so manche Vorgabe der EBA?

Dass es für die gelbe Bank nun kontinuierlich aufwärts geht, ist indes längst nicht ausgemacht. Denn bei aller selbstbewussten Bestimmtheit, mit der Martin Blessing und sein noch bis zur Hauptversammlung amtierender Finanzchef Eric Strutz das Konzept vortrugen, steht das zugrunde liegende Szenario zur Realisierung der angestrebten Kapitalausstattung unter Unwägbarkeiten und Vorbehalten. Zum einen bedarf der Maßnahmenplan noch der aufsichtsrechtlichen Zustimmung von Bundesbank/BaFin sowie der EBA. Und zum anderen basiert er zwangsläufig auf gewissen Rahmenbedingungen, die sich allen Erfahrungen der vergangenen Jahre nach schlagartig ändern können.

Das keinesfalls besonders innige Verhältnis zwischen der Londoner EBA und der Commerzbank hatte sich schon vor der Ergebnisverkündung des jüngsten EBA-Stresstests gezeigt, als die besagte Eigenkapitallücke von 5,3 Milliarden Euro bereits in der Öffentlichkeit kursierte - aus Londoner Kreisen gesteuert, wie in der deutschen Finanzbranche auch außerhalb der Commerzbank mit Verärgerung registriert wurde. Genutzt haben die öffentlichen Missmutsäußerungen offensichtlich wenig. Denn zu den nun vorgesehenen Kapitalmaßnahmen waren aus London einmal mehr Kommentare unterwegs, bevor der Plan auf dem offiziellen Weg über die nationalen Aufsichtsbehörden dort eingereicht war. Bei der Präsentation der aktuellen Eigenkapitalagenda vor der Presse konnte sich Martin Blessing deshalb einen erneuten bissigen Hinweis auf solche Ursachen der atmosphärischen Störungen im Verhältnis zur EBA nicht verkneifen.

Die anderen Widrigkeiten sind freilich mindestens ebenso gravierend, betreffen sie doch drohende Marktentwicklungen. Das gesamte Konzept ist nämlich darauf abgestellt, dass sich die europäische Staatsschuldenkrise nicht grundlegend verschärft. Nur dann hat der vorgeschlagene Maßnahmenkatalog aus Sicht des Commerzbank-Managements "das Potenzial" - auch hier also eine bewusst vorsichtige Formulierung - "das harte Eigenkapital um bis zu 6,3 Milliarden Euro zu stärken", sprich gegenüber den offiziellen Anforderungen noch einen ordentlichen Puffer aufzubauen.

Konkret rechnet das Institut von den 5,3 Milliarden Euro an zusätzlichem Eigenkapitalbedarf des EBA-Szenarios lediglich 400 Millionen Euro dem Kerngeschäft zu, der weit überwiegende Teil von 4,8 Milliarden Euro betrifft das Staatsanleiheportfolio der Eurohypo. Dieses enthält seinerseits zu 60 Prozent italienische Staatsanleihen. Und deren Wertentwicklung hängt wiederum maßgeblich davon ab, wie gut es Italien in den kommenden Wochen und Monaten gelingt, seine Staatsfinanzierung zu sichern. Die vertrauensbildende Botschaft der Commerzbank wirkt überzeugend, hat jedoch noch Restrisiken. Aber das gehört ja zum Bankgeschäft.

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