Aufsätze

Investmentgesetz: neuer Schwung für deutsche Spezialfonds?

Voraussichtlich im September 2007 wird der Deutsche Bundestag eine erneute Novellierung des Investmentgesetzes verabschieden, die diesmal den etwas spröden Titel "Investmentänderungsgesetz" trägt. Dieses Vorhaben reiht sich ein in die nun ein halbes Jahrhundert währende Weiterentwicklung der Rahmenbedingungen für Investmentfonds in Deutschland.

Nachdem die deutsche Investmentfondsgesetzgebung aus dem Jahr 1957 lange Zeit nur behutsam modernisiert worden war, hat sich die Innovationsgeschwindigkeit in Folge der OGAW-Investmentrichtlinie aus dem Jahr 1985 deutlich erhöht. Nach vier Finanzmarktförderungsgesetzen von 1990 bis 2002 war der bislang letzte Schritt das Investment-Modernisierungsgesetz 2004.

Große Bedeutung von Investmentfonds

Wie schon ihre Vorgänger, hat auch die derzeit im Finanzausschuss des Bundestages erörterte Überarbeitung des Investmentgesetzes das Ziel, den Investmentstandort Deutschland zu stärken. Insbesondere sollen die Wettbewerbsfähigkeit der deutschen Investmentbranche gegenüber Anbietern konkurrierender Standorte erhöht, Produktinnovationen gefördert und der Anlegerschutz verbessert werden. Die Förderung des Investmentstandorts ist ein überaus lohnendes Ziel, denn Investmentfonds sind für moderne Volkswirtschaften von großer Bedeutung und ein zentrales Element eines erfolgreichen Finanzplatzes.

Dabei sind die in der Investmentbranche zirka 12 000 direkt bei Kapitalanlagegesellschaften und rund 300 000 bis 400 000 mittelbar im Fondsvertrieb Beschäftigten ein wichtiger Faktor, aber nur ein Teil der ökonomischen Betrachtung, denn Investmentfonds erfüllen eine Reihe von überaus wichtigen Aufgaben. Beispielsweise führen Investmentfonds als Kapitalsammelstellen das Kapitalangebot von über 15 Millionen Privatanlegern und tausender institutioneller Anleger in Deutschland mit der Kapitalnachfrage von Unternehmen und Staaten zusammen. Dadurch ermöglichen Investmentfonds privaten wie institutionellen Investoren den Zugang zu allen nationalen und internationalen Aktien-, Renten- und Immobilienmärkten und versorgen auf der anderen Seite Wirtschaft und öffentliche Hand mit Kapital.

Auch ermöglichen Kapitalanlagegesellschaften den Anlegern bereits mit relativ geringen Beträgen die Teilnahme an den Chancen der Aktien-, Zins- und Immobilienmärkte (Losgrößentransformation). Dies ist nicht nur für private Haushalte, sondern auch für institutionelle Anleger von großer Bedeutung.

Wettbewerb der Fondsdomizile

Vor diesem Hintergrund ist der Regierungsentwurf insgesamt positiv zu bewerten. Eine Vielzahl der geplanten Neuregelungen ist tatsächlich geeignet, unter Wahrung der Interessen der Anleger zu einer Deregulierung beizutragen und unnötigen Bürokratieaufwand abzubauen. Der Blick ins Ausland, vor allem nach Luxemburg, zeigt aber auch, dass das Ziel, den Investmentstandort Deutschland im europäischen Vergleich zu stärken, mit dem vorliegenden Entwurf noch nicht im wünschenswerten und möglichen Ausmaß erreicht wird. Denn der Entwurf enthält einerseits noch immer einige Regelungen, die die von der EU gesetzten Mindeststandards überschreiten.

Andererseits wird außerhalb des Geltungsbereichs der EU-Richtlinie noch nicht ausreichend von der Möglichkeit Gebrauch gemacht, nationale Handlungsspielräume auch im Anlegerinteresse zu nutzen, um im europäischen Wettbewerb noch besser bestehen zu können.

Gerade der Wettbewerb der Fondsdomizile in Europa ist außerordentlich stark. Dabei ist es insbesondere Luxemburg gelungen, sich als Standort für grenzüberschreitend vertriebene Produkte zu positionieren. Die Gründe für diesen Erfolg sind weder steuerlicher Natur noch sind die Produktionskosten- und Arbeitskosten dort geringer. Vielmehr ist die positive Entwicklung Luxemburgs als Investmentfondsstandort in erster Linie durch eine moderne, innovationsfreundliche und flexible Gesetzgebung sowie die unbürokratische und dienstleistungsorientierte Aufsichtspraxis bedingt. Bei Publikumsfonds Trend nach Luxemburg

Auch wenn der Standort Deutschland durch das Investment-Modernisierungsgesetz 2004 wieder etwas Boden gutmachen konnte, zeigt bei der Auflage von Publikumsfonds seit vielen Jahren der Trend nach Luxemburg. Monat für Monat führen Luxemburger Investmentfonds die Tabelle der Nettomittelzuflüsse aller europäischen Fondsdomizile mit großem Abstand an.

Viele Produkte für den deutschen Markt werden in Luxemburg über die dortigen Tochtergesellschaften deutscher Anbieter auf den Markt gebracht und anschließend nach Deutschland exportiert, weil der dortige Regulierungsrahmen für flexibler gehalten wird oder - wie bis vor kurzer Zeit für Garantiefonds zutreffend - entsprechende Fonds in Deutschland nicht zugelassen werden. Im laufenden Jahr flossen bis Ende Mai 2007 aus den deutschen Wertpapier-Publikumsfonds 3,8 Milliarden Euro ab, während die in Luxemburg aufgelegten Produkte für den deutschen Absatzmarkt Nettomittelzuflüsse in Höhe von 25,3 Milliarden Euro verbuchen konnten.

Luxemburg: Spezialfonds entdeckt

Die beschriebene Entwicklung war bisher auf Publikumsfonds beschränkt, während der Spezialfondsmarkt mit seinem Volumen von 700 Milliarden Euro (Stichtag: 31. Mai 2007) bisher eine deutsche Domäne geblieben ist. Damit das so bleibt, muss aber einiges getan werden, denn Luxemburg hat nun auch den Spezialfonds "entdeckt" und stellt seit einigen Monaten mit einem neuen Spezialfondsgesetz einen weiten und flexiblen Rahmen für die individuelle Vermögensanlage in der Rechtsform des Investmentfonds zur Verfügung.

Bis auf das Gebot der Risikostreuung müssen praktisch keine Anlagevorschriften beachtet werden, und anders als in Deutschland können auch Privatpersonen Spezialfonds auflegen lassen, sofern Sie "gut informiert" sind (wofür regelmäßig schon durch einen entsprechend hohen Anlagebetrag Beweis geführt werden kann).

Gerade der letztgenannte "Spezialfonds für Privatanleger" hat in jüngster Zeit für Diskussionen gesorgt. In der Tat dürfen natürliche Personen in Deutschland keinen Spezialfonds auflegen, sondern dafür ist mindestens eine BGB-Gesellschaft erforderlich. Daher erscheint es wünschenswert, diese Möglichkeit auch in Deutschland zu eröffnen, um bei entsprechender Nachfrage die Wertschöpfung im Segment der Betreuung größerer privater Vermögen in Deutschland halten zu können.

Weitere Deregulierung bei Spezialfonds

Auf der anderen Seite sollte die Bedeutung dieser Frage auch nicht überbewertet werden; Wohl und Wehe des deutschen Spezialfonds hängen davon nicht ab. Denn die maßgeblichen Nutzer von Spezialfonds werden fraglos institutionelle Investoren wie Versicherungen, Altersvorsorgeeinrichtungen, Banken und Industrieunternehmen bleiben.

Für die Wettbewerbsfähigkeit deutscher Spezialfonds sind daher andere Aspekte maßgebend. Die Herausforderung für deutsche Kapitalanlagegesellschaften im internationalen Wettbewerb liegt vor allem in der Konzeption innovativer Spezialfondsprodukte, die als für den jeweiligen Kunden maßgeschneiderte Lösungen sämtliche neuen Möglichkeiten auch im Bereich der Derivate und alternativer Investments nutzen können.

Der aktuelle Entwurf des Investmentänderungsgesetzes greift diese Herausforderung in hohem Maße auf. Spezialfonds werden in einem Umfang dereguliert, der noch vor einigen Jahren undenkbar schien. Damit wird der bisher weitgehende Regulierungsgleichlauf mit Publikumsfonds fast völlig aufgegeben. Dies ist konsequent, denn sinnvoller Anlegerschutz hat danach zu fragen, wie schutzbedürftig der Anleger ist.

Regulierung nach dem Schutzbedürfnis der Anleger

Die Regulierung von Produkten sollte nach dem Schutzbedürfnis des Anlegers ausgerichtet werden und nicht nach der formalen Rechtshülle des jeweiligen Anlageprodukts. Institutionelle Investoren bedürfen als professionelle Marktteilnehmer eines wesentlich geringeren Schutzes als Privatanleger. Hier sollte der Grundsatz der Vertragsfreiheit gelten. Die wichtigsten Deregulierungsmaßnahmen im aktuellen Gesetzentwurf sind:

- Aufhebung der Anlagegrenzen, sofern eine angemessene Risikomischung gewahrt ist;

- Aufhebung der Höchstanlegerzahl (bisher 30);

- konzernzugehörige Unternehmen gelten als ein Anleger;

- Zulässigkeit des Erwerbs von Anteilen an anderen Spezial-Sondervermögen;

- Aufhebung des Verbots von Sacheinlagen;

- weitgehende Streichung von Bekanntmachungs- und Meldepflichten sowie Verzicht auf zahlreiche bisher erforderliche Angaben in den Vertragsbedingungen.

Wettbewerbsfähige deutsche Anbieter

Kann der deutsche Spezialfonds mit dieser weitgehenden Deregulierung künftig gegenüber der Luxemburger Konkurrenz bestehen? Was die Wettbewerbsfähigkeit der deutschen Anbieter angeht, ist Optimismus angebracht: Der deutsche Spezialfondsmarkt ist effizient organisiert mit einer Vielzahl von hervorragenden Anbietern, die sich in den vergangenen Jahren immer stärker spezialisiert haben.

Gut 40 Prozent des Volumens liegt inzwischen bei den Master-KAGs, die als Experten für Administration und Reporting bereits durch den nationalen Wettbewerb so gestählt sind, dass sie ausländische Konkurrenz gewiss nicht fürchten müssen.

Zudem dürfte es neuen Anbietern aus dem Ausland schwerfallen, sich im Bereich der administrativen Dienstleistungen in das sehr kompetitive Preisgefüge des deutschen Marktes einzufinden, das zu einem guten Teil auf Größenvorteilen beruht.

Ausweichbewegung möglich

Dennoch könnte es, wie schon bei den Publikumsfonds, zu Ausweichbewegungen deutscher Anbieter nach Luxemburg kommen, wenn der deutsche Regulierungsrahmen deutlich hinter dem zurückbliebe, was in Luxemburg geboten wird. Daher muss aus Sicht des BVI das neue Luxemburger Spezialfondsgesetz die Benchmark für die Überarbeitung des Investmentgesetzes sein. Legt man diesen Maßstab an, ist trotz der bereits sehr weitgehenden Deregulierung noch einiger Handlungsbedarf zu erkennen. Denn nach dem aktuellen Entwurf bleiben - unnötigerweise - einzelne Anlagegrenzen, insbesondere für Derivate beziehungsweise Kreditaufnahmen, bestehen (§ 91 Abs. 3 Nr. 4 InvG-E).

Auch bei anderen Bestimmungen, etwa dem Erfordernis, die vorgegebenen Arten von Sondervermögen (Fondstypen) beizubehalten (91 Abs. 2 InvG-E), bleibt der Entwurf noch zu sehr dem traditionellen Denken verhaftet. Institutionelle Investoren bedürfen jenseits ihrer speziellen branchenspezifischen Anlagebestimmungen keines allgemeinen Schutzes durch investmentrechtliche Anlagegrenzen. Daher sollte der eingeschlagene Weg der Deregulierung noch konsequenter verfolgt und lediglich auf das Prinzip der Risikomischung im Sinne einer "prudent man rule" abgestellt werden. Spezialfonds sollten künftig weder hinsichtlich der verschiedenen Fondstypen, noch bezüglich der erwerbbaren Vermögensgegenstände oder einzelner Anlagegrenzen den für Publikumsfonds geltenden Beschränkungen unterliegen.

Der Gesetzgeber sollte daher in den nächsten Wochen die entsprechenden Justierungen vornehmen, um dem deutschen Spezialfonds dauerhaft wettbewerbsfähige Rahmenbedingungen zu sichern. Selten kann auf aktuelle Herausforderungen so zeitnah regiert werden, wie in einem bereits laufenden Gesetzgebungsverfahren. Diese Chance sollte genutzt werden.

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