Gespräch des Tages

IWF Herbsttagung - Umstrittene Therapie

Wirklich überraschend kommt die Botschaft des World Economic Outlook nicht. Die Weltwirtschaft zeigt im Herbst 2012 deutliche Schwächetendenzen, und die weitere Entwicklung birgt erhebliche Unsicherheiten. Für europäische Ohren klingt die traditionelle Analyse des IWF zum Auftakt der diesjährigen Herbsttagung insofern noch einigermaßen ausgewogen als die Identifikation der Ursachen und der weiteren Gefahrenherde keineswegs bei der Euro-Schuldenkrise Halt macht, sondern ebenso heftig die Haushaltskonsolidierung in den USA und im Gastgeberland Japan anmahnt und die Risiken der Ölpreisentwicklung im Blick hat.

Zumindest zwiegespalten dürfte man hierzulande allerdings die Empfehlung der IWF-Ökonomen registrieren, als wichtigsten Motor für die Forcierung der Wachstumskräfte weiter auf eine lockere Geldpolitik zu setzen und dabei kontrolliert eine stetige Haushaltskonsolidierung sowie die Sanierung der Banken fortzuführen. Aus dem Blickwinkel eines weltweiten Beobachters mag es dem IWF mit seiner umfangreichen Datensammlung aus der wirtschaftspolitischen Überwachung der Mitgliedsländer leicht fallen, einigen Regierungen mit geringerer Staatsverschuldung sogar eine Konsolidierungspause nahe zu legen beziehungsweise die ins Auge gefassten Anpassungsmaßnahmen zeitlich zu strecken. Aber er verharrt dabei sehr auf dem theoretisch Wünschenswerten und blendet großzügig aus, dass die Legitimation für ein solches Handeln zumindest in demokratischen Ländern einem politischen Prozess standhalten muss. Wie soll man es mit speziellem Blick auf Deutschland und seiner Rolle in Europa dem hiesigen Wahlvolk glaubwürdig erklären, eine vom IWF empfohlene weltweite Balance des kontrollierten Abbaus der Defizite und Ungleichgewichte betreiben zu wollen? Politisch Verantwortliche entwickeln an dieser Stelle einfach ein anderes Gespür für das Machbare. Ganz ähnlich sieht das auch die Deutsche Bundesbank. Sie begrüßt zwar grundsätzlich die im Juli dieses Jahres verabschiedete Anpassung der wirtschaftspolitischen Überwachung der globalen Wirtschaft durch den IWF. Sie lobt auch ausdrücklich den übergeordneten Blick durch die Integration von bilateraler wie multilateraler Überwachung. Aber sie artikuliert auch ebenso offen ihre Kritik an den vom IWF geforderten Maßnahmen zur geldpolitischen Lockerung.

Bei den übrigen Themen der IWF-Geschäftspolitik kann die Bundesbank vergleichsweise entspannt auftreten. Das gilt angesichts ihrer immer noch hinreichend großen Quote bei dem neuen Verfahren zur Bestellung oder Wahl der 24 Exekutivdirektoren des IWF ebenso wie bei der Überprüfung der Quotenformel, die sie nach wie vor an klaren ökonomischen Kriterien ausgerichtet wissen will. Und es betrifft nicht zuletzt die Fortschritte bei der Ressourcenaufstockung des IWF. Dieser kann nun zumindest teilweise auf eine sogenannte Notfallreserve (NKV-Mittel) zurückgreifen, die von finanzstarken Mitgliedern zugesagt wurde. Zwar konnte in Tokio angesichts des unterschiedlichen Stands der nationalen Genehmigungsprozeduren nicht das gesamte NKV-Budget von 456 Milliarden US-Dollar abgerufen werden, das dem IWF zugesagt wurde. Doch wenn die Signale im Vorfeld nicht völlig trügen, dürften dem IWF nun zusätzliche 286 Milliarden US-Dollar (davon rund 54 Milliarden aus Deutschland) zur Verfügung stehen, die der Fonds bei einem Absinken der gesamten verfügbaren Mittel unter den dafür vereinbarten Schwellenwert von 100 Milliarden Sonderziehungsrechten einsetzen könnte.

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