Leitartikel

IWF: Bekräftigung der ursächlichen Aufgaben

Es hat für das Selbstverständnis des Internationalen Währungsfonds sicher schon schwierigere Herbsttagungen gegeben als das jüngste Treffen in Washington. Wurde vor fünf Jahren noch heftig diskutiert, ob die Finanzierungsaktivitäten des IWF nicht grundsätzlich den Marktmechanismus der Kapitalmarktfinanzierung unterminieren, sind die Finanzmittel des Fonds als Folge der Krise deutlich aufgestockt worden. Ging es Mitte der ablaufenden Dekade angesichts knapper Finanzierungsanfragen und der damit verbundenen schwierigen Lage des IWF-Haushalts zeitweilig um eine spürbare Eindampfung der Ressourcen, angefangen von einer Verkleinerung des Mitarbeiterstabes bis hin zum Verkauf von Goldreserven, sindseit der Zuspitzung der Krise längst wieder Milliardensummen an Staaten mit Zahlungsbilanzschwierigkeiten ausgezahlt worden von Island und Mexiko bis nach Ungarn und Pakistan. War schon im April vergangenen Jahres als Folge des verstärkt in Gang gekommenen G20-Prozesses kurzfristig eine Aufstockung der Finanzmittel des IWF auf 500 Milliarden US-Dollar mit Aussicht auf Erhöhung auf 750 Milliarden US-Dollar und mehr beschlossen worden, rückte der Fonds im Frühjahr dieses Jahres mit der Einbindung in die Griechenland-Hilfe zusammen mit den EU-Partnern noch stärker in die Geberrolle - wenn auch nach kontroversen Diskussionen und anfänglichen Vorbehalten der Bundesbank.

Ausgeräumt waren die bekannten Bedenken gegen eine ungebremste Ausweitung der Aufgabenbereiche auch auf der Herbsttagung von IWF und Weltbank damit keineswegs. Hatten Länder wie die Bundesrepublik im August dieses Jahres noch die Erweiterung des IWF-Instrumentariums durch eine Modifikation der Darlehensprogramme der sogenannten flexiblen Kreditlinie (Flexible Credit Line - FCL) und der vorsorglichen Kreditlinie (Precautionary Credit Line - PCL) mitgetragen, geht ihnen der IWF-Vorschlag eines Globalen Stabilisierungsmechanismus (Global Stabilization Mechanism - GSM) für in Liquiditätsschwierigkeiten geratene Länder entschieden zu weit - auch wenn er innerhalb der G20 von Korea offensiv unterstützt wird und selbst europäische Länder wie Frankreich und Großbritannien Sympathie bekunden. Das Bundesfinanzministerium jedenfalls hat im offiziellen Statement zum 22. Treffen des International Monetary and Financial Commitee (IMFC) den diskutierten GSM klar abgelehnt. Neben den generellen Vorbehalten gegen die beispiellose Ausweitung der Rolle des IWF in Finanzierungsfragen, erinnert das BMF zu Recht an den zumindest verbal so stark verdammten Moral Hazard und will die Anstrengungen zur Krisenprävention sowie ein angemessenes Risikomanagement im Prinzip bei den einzelnen Staaten angesiedelt sehen. Und wie sollen für einen ständigen Hilfsmechanismus, den der IWF nicht wie bei sonstigen Darlehensprogrammen auf Nachfrage einzelner Länder, sondern aktiv ganzen Staatengruppen anbieten will, die Finanzierungszusagen sichergestellt werden? Solches Ansinnen muss seitens der einer autonomen Geldpolitik verpflichteten Bundesbank geradezu als unvertretbarer Eingriff gesehen werden. In der Sache kompromissbereiter hat sich die deutsche Delegation in den Fragen der Quoten- und Governance-Reform des IWF präsentiert. An der Positionierung in Teilfragen lässt sich aber ablesen, was ihr wichtig ist. So hat sie sich für eine Beibehaltung der derzeit 24 Sitze im Exekutivdirektorium des IWF stark gemacht und für das vom IMFC sowie der G20 gesetzte Ziel einer Umverteilung der Quoten in Höhe von rund fünf Prozentpunkten zugunsten aller unterrepräsentierten als auch der dynamischen Schwellen- und Entwicklungsländern plädiert. Dass sie mit dieser Haltung eine stärkere Repräsentanz von Schwellenländern im IWF Board unterstützt, bringt gleich zwei Vorteile. Zum einen erhöht das die Wahrscheinlichkeit, einen eigenen Sitz zu behalten. Und zum anderen kann das Spielraum bei der anstehenden Quotenverteilung schaffen. Eine weitere Manövr iermasse zur Sicherung der eigenen Interessen ist und bleibt die Bereitschaft zur Abkehr von dem auf Regionalproporz zwischen Europa und den USA beruhenden Ernennungsverfahren für die Chefs von IWF und Weltbank zugunsten einer offenen Nominierung, wie sie auch im Schlusskommuniqué des IMFC angedeutet wird.

Zum wichtigsten Thema der diesjährigen Herbsttagung sind indes die Wechselkursfragen geworden. Schon weit im Vorfeld der Washing-toner-Beratungen hatten viele Beteiligte ihre Sorge um die großen Ungleichgewichte in den Zahlungsbilanzen geäußert und ihre Positionen deutlich abgesteckt. So war aus den USA in den vergangenen Monaten von verschiedenen Kreiseneinschließlich der Politik wiederholt eine deutliche Aufwertung des Renminbi angemahnt worden, wobei Größenordnungen von bis zu 40Prozent als wünschenswert bezeichnet wurden. Auch beim turnusmäßigen ASEM-Gipfel der europäischen und asiatischen Regierungschefs Anfang Oktober in Brüssel hatte die europäische Seite China zur Aufwertung seiner Währung angehalten und allgemein vor Protektionismus gewarnt. Und als dann zum Auftakt der Washingtoner Gesprächsrunden rund um die Jahresberichte von IWF und Weltbank auch die protektionistischen Anwandlungen von Japan und Brasilien mit in die Debatte kamen, wurde in teils heftigen Appellen die Abwendung eines Währungskrieges beschworen.

Mit Blick auf die konkreten Beschlüsse der Herbsttagung mag wieder eine gewisse Ernüchterung eintreten. Denn mehr als vage Festlegungen sind dem Abschlusskommuniqué des IMFC nicht zu entnehmen. Selbst bei der künftigen Rolle des IWF in Wechselkursfragen besteht noch Interpretationsspielraum, inwieweit es sich wirklich um ein hartes Mandat handelt. Viele Delegationen einschließlich der G7-Finanzminister und ihrer Notenbankgouverneure wollen jedenfallsdarauf hinwirken, dass sich in den Wechselkursen auch künftig die wahren Marktverhältnisse widerspiegeln.

Die Kür der anstehenden Entscheidungen bleibt somit in nahezu allen Bereichen des internationalen Finanzgefüges dem G20-Prozess vorbehalten. Schon Ende Oktober könnten sich dabei die Finanzminister und Notenbankchefs in ihren vorbereitenden Sitzungen den konkreten Regeln in der Quoten- und Governancefrage annähern. Und in vielen anderen Fragen, von den Eigenkapitalregelungen bis hin zu der grundsätzlichen Beurteilung der weltwirtschaftlichen Risikopotenziale durch wirtschaftliche Ungleichgewichte ist dann zwei Wochen später in Seoul das diplomatische Geschick und/oder die Kompromissbereitschaft der Staats- und Regierungschefs und ihrer Delegationen gefragt.

Der G20-Prozess, so hat auch Washington wieder gezeigt, wird stärker denn je zum Impulsgeber. Aber IWF und Weltbank haben ihren gebührenden Platz im konstruktiven Austausch der Positionen. In seiner ursächlichen Aufgabe, nämlich der gründlichen Analyse der weltwirtschaftlichen Bedingungen, der Beobachtung und Überwachung des Währungsgefüges, einem Dialog zur Krisenprävention und der sachkundigen wie neutralen Schlichtung in Währungsfragen ist die Mitwirkung des IWF gefragt. Aber als Mittel zur Umsetzung gewonnener Erkenntnisse bleibt ihm nur die Argumentation und die sachliche Überzeugungsarbeit.

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