Gespräch des Tages

Internationaler Währungsfonds - Natürliche Gewichtszunahme

Den IWF und die Weltbank als Krisengewinner zu bezeichnen, ist vielleicht ein wenig zu plakativ. Jedenfalls ist die weltwirtschaftliche Lage immer noch viel zu ernst, um euphorisch mit dem Bild von strahlenden Siegern zu operieren. Nüchtern betrachtet wird man aber gleichwohl nicht abstreiten können, dass beide Adressen gut ein Jahr nach der Lehman-Pleite mit einem deutlich gestärkten Selbstbewusstsein in ihre traditionelle Herbsttagung gehen konnten. Das im üblichen dreijährigen Turnus wieder außerhalb Washingtons - diesmal in Istanbul - stattfindende Treffen bot dem IWF die Gelegenheit, sich, anders als bei einigen der vorangegangenen Zusammenkünfte, offensiv zu präsentieren. Auch wenn noch weiter um die richtige Aufgabenverteilung zwischen nationalen und internationalen Instanzen zu ringen sein wird, musste speziell der IWF bei der Jahrestagung 2009 in den Bereichen Kreditvergabe, Überwachung und Beratung längst nicht mehr um seine bloße Existenzberechtigung werben, sondern wartete gar mit Anregungen zu einem "erweiterten Mandat" auf - bis hin zum Vorschlag, die Weltwährungsreserven zu managen.

So seltsam das klingen mag, Grund für das bessere Standing ist einfach die Finanz- und Wirtschaftskrise. Mehr denn je ist in den vergangenen zwei Jahren der akuten Krisenbewältigung deutlich geworden, wie verflochten die weltweiten Kapitalmärkte und auch die globale Wirtschaftsentwicklung sind und wie schnell sich krisenhafte Wirkungen ausbreiten. Mindestens ebenso klar hat sich dabei gezeigt, dass die Strukturen des internationalen Krisenmanagements nicht gut genug funktioniert haben, fatale Fehlentwicklungen eindeutig zu erkennen. Aber selbst wenn das der Fall gewesen wäre, hätten die Eingriffsmöglichkeiten nicht ansatzweise ausgereicht, um Verwerfungen dieses Ausmaßes hinreichend schnell und gesamtheitlich koordiniert zu begegnen. So haben letztlich auf (wirtschafts- und finanz-)politischer Ebene stets die Nationalstaaten handeln müssen, um die existenziellen Gefahren für das Finanzsystem abzuwenden und das Ausmaß der Belastungen für die Realwirtschaft zu dämpfen. Zwar wurden dabei die in allen großen Wirtschaftsnationen geschnürten Rettungspakete von Regierungen und Zentralbanken durchaus zeitnah und in großer Betriebsamkeit untereinander beraten und wenn möglich auch koordiniert. Aber niemand hat das Mandat für ein wirklich abgestimmtes Handeln. All die erschrockenen Einsichten, es künftig besser machen zu wollen, mussten im wirklichen Ernstfall in ihrer Umsetzung erst einmal auf die Zeit nach den schlimmsten Wogen der Krise vertagt werden.

Bei aller Gefahr von ernsthaften Rückschlägen ist diese Phase der Akutbehandlung inzwischen vorbei. Mehr und mehr rückt die Bewältigung der Folgen der Wirtschaftskrise in den Vordergrund. Schon in der Zeit der massiven staatlichen Rettungsaktionen und der entschlossenen Handlungen der Notenbanken hat dabei die begleitende Ursachenanalyse immer wieder deutlich werden lassen, dass es an einer wirklich funktionierenden Makroaufsicht über die weltweiten Finanzmärkte fehlt. Und damit rückte der Internationale Währungsfonds im Verlauf der vergangenen zwei Jahre nahezu zwangsläufig in eine stärkere Rolle bei der Krisenbewältigung und der Krisenprävention. Am sichtbarsten werden die neue Verantwortung und das neue Selbstbewusstsein des IWF an der Entwicklung seiner Kreditvergabe. Waren die ausgereichten Kredite bis zum Beginn der Finanzkrise auf eine Größenordnung gesunken, die angesichts schrumpfender Zinseinnahmen eine Verkleinerung des Mitarbeiterstabs und einen Verkauf von Gold notwendig machte, so sind im Zuge der Krise wieder Milliardensummen an Staaten mit akuten Zahlungsbilanzkrisen ausgezahlt worden, angefangen von Island, dessen Volkswirtschaft zu kollabieren drohte, bis hin zu Mexiko, Polen, Ungarn und Pakistan.

Ermöglicht wurden diese neuen IWF-Aktivitäten durch die G20-Länder. Schon im April dieses Jahres hatten diese auf ihrem Gipfel in London kurzfristig eine Aufstockung der Finanzmittel des IWF auf 500 Milliarden US-Dollar beschlossen und später gar 750 bis 1 000 Milliarden Euro in Aussicht gestellt. Dass sich die wachsende Einbindung der sogenannten aufstrebenden Länder in die Finanzierung wie auch das koordinierte Krisenmanagement für die Finanzmärkte auch auf die ohnehin laufenden Verhandlungen um die Revision der Kapitalanteile und Stimmrechte beim IWF niederschlagen würde, war damit greifbar. Insofern war die Absichtserklärung des Pittsburgher Weltwirtschaftsgipfels zur Umverteilung der Quoten des IWF und der Weltbank zugunsten der auf strebenden Länder kurz vor der Istanbuler IWF-Tagung ebenso ein Ventil zur Dokumentation der neuen Machtverhältnisse wie die endgültig vollzogene Aufwertung der G20 zulasten der G7 beziehungsweise G8.

Die herkömmliche Quotendiplomatie, so wurde nicht erst in Istanbul deutlich, reicht indes nicht mehr aus. Der IWF und andere internationale Gremien, müssen sich dringlich mit dem Umbau der Strukturen und der globalen Ungleichgewichte beschäftigen. Aber bei aller Einsicht in ein geordnetes Ausstiegsszenario wird dem aktuellen Eindruck nach in einem Mischszenario mit höherer Arbeitslosigkeit, überschaubaren Wachstumsraten und geringer Konsumneigung zu klären sein, wie lange die Staaten noch die Nachfrage stärken müssen. Und weil das allesamt Szenarien sind, die ambitionierte Politiker nicht gerade antreiben, einen harten Kurs des Schuldenabbaus zu beschreiten, wird das auch auf absehbare Zeit die entscheidende Streitfrage bleiben.

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