Gespräch des Tages

Kreditgenossenschaften - Präsidenten-Schicksal

Es gibt sicherlich einfachere und gemütlichere Posten als den des Präsidenten des Bundesverbandes der deutschen Volksbanken und Raiffeisenbanken. Das liegt zum einen daran, dass die Willensbildung mit mehr als 3 000 tief dezentralen, eigensinnigen und mitunter störrischen Verantwortlichen der Primärbanken ausgesprochen kräftezehrend ist. Das liegt aber vor allem daran, dass ausgeprägter als in anderen Bankengruppen bei den Kreditgenossen persönliche Interessen, Intrigen, Zwietracht, offene Rechnungen und handfeste Auseinandersetzungen eine Rolle im täglichen Miteinander spielen. Trotzdem hat sich Christopher Pleister vor fast neun Jahren entschieden, den angenehmen Vorstandsposten bei der DG Bank auf Kosten dieses Feuerstuhls aufzugeben. Das hätte er nicht tun müssen. Er wollte es aber tun. Sein Abgang nun kommt überraschend und ist selbst für die genossenschaftliche Bankengruppe grob. Erstmals in der Geschichte wurde der Vertrag eines Präsidenten während der Laufzeit aufgekündigt (kurz vor Redaktionsschluss dieser Ausgabe) statt diesen - wie sonst üblich - zähneknirschend auslaufen zu lassen. Ob den Genossen der von Pleister bereits begonnene Wahlkampf für eine weitere Amtsperiode über 2009 hinaus zu früh und zu vehement erschien? Ob ihnen die Fusion von DZ und WGZ Bank, die aufgrund der vorherrschenden Spannungen zwischen dem Verbandspräsidenten und dem WGZ-Chef Böhnke mit Pleister sicherlich sehr viel schwieriger geworden wäre, wirklich wichtiger ist, als der Präsident Pleister? Ob sie tatsächlich glauben, dass die in der Pressemitteilung des Verbandsrates betonte "strukturelle Weiterentwicklung" unter einem neuen Präsidenten einfacher wird?

In seinen acht Jahren an der Verbandsspitze musste Christopher Pleister stets viel kämpfen. Er tat das mit der ihm eigenen Art und war dabei keineswegs immer bequem. Dass er sich dabei keineswegs nur Freunde gemacht hat, ist klar. Denn er stand für seine Ideen und Überzeugungen auch gegen Widerstände ein. Dabei hat er einiges erreicht. So konnte die DG Bank Anfang des Jahrtausends dank seiner Moderation ein Joint Venture mit der Rabobank starten, das dann aber doch schnell wieder scheiterte. Von der damals schon geforderten Europa-Strategie des Spitzeninstituts, dessen Aufsichtsratsvorsitzender der BVR-Präsident war, fehlt daraufhin bis heute jede Spur. Pleister begleitete die Fusion von DG und GZ-Bank. Er reformierte die Sicherungseinrichtung des Verbandes, spreizte die Beiträge für gute und schlechte Banken und führte ein Klassifizierungssystem für die Ortsbanken ein. Und unter seiner Führung wurden Anfang des Jahrtausends die sieben Projekte zur Kräftebündelung auf den Weg gebracht. In seiner Amtszeit sank die Zahl der Mitgliedsinstitute von 1 815 auf 1 233.

Vieles hat Pleister aber auch nicht geschafft. Das von ihm geforderte und durchgesetzte Fachrätekonzept hat sich bislang als keineswegs so schlagkräftig erwiesen wie erhofft. Die vielen unter dem Vorwand der Strategieführerschaft des BVR erarbeiteten Konzepte verpufften meist wirkungslos, da dem Verband die Durchgriffsmöglichkeiten auf die Volks- und Raiffeisenbanken fehlen. Und vor allem: Der Verband hat keine Antworten auf die schon 2000 von Pleister immer wieder betonten Ertragsprobleme und Marktanteilsverluste der Gruppe gefunden. Damals sprach der Präsident von einer "schlechten Ertragslage", die sich "am unteren Rand" der notwendigen Spannen befinde. Ein Zinsergebnis von 2,42 Prozent der durchschnittlichen Bilanzsumme würden heute alle Banken als auskömmlich erachten, wo sich doch Institute schon mit Werten unter 2 herumschlagen müssen. Das mag dem Präsidenten nun zum Verhängnis geworden sein, denn am Ende des Tages muss die Vorstände der Kreditgenossenschaften vor allem eines interessieren - die eigene Gewinn- und Verlustrechnung.

Eines aber muss allen Beteiligten "nach Pleister" nun klar sein. Der Druck, der nach dieser Vorleistung fortan auf ihnen allen lastet, ist enorm. So wird ein nochmaliges Scheitern der Fusion der beiden Zentralbanken nicht einfach weggewischt und ohne (personelle) Konsequenzen bleiben können. Ein Jahr Zeit, wie kommuniziert, wird den beiden Verhandlungspartnern sicherlich nicht bleiben. Auch ob allein dieser Zusammenschluss samt der hintanhängenden Bündelung der drei Hypothekenbanken und zwei Rechenzentren wirklich die großen Vorteile für die Gruppe bringt, wird man genau beobachten müssen - reine Kostensynergien reichen nicht mehr aus, das Problem liegt auf der Ertragsseite. Von daher sind auch die Kreditgenossen landauf landab in der Pflicht und müssen einem neuen Präsidenten ihr Vertrauen schenken und ihm samt des gesamten BVR nicht mehr mit dieser permanenten Abwehrhaltung gegenüberstehen. Ein Heilsbringer gegen schwindende Zinsmargen wird aber auch der neue Präsident nicht sein können. Neue Ideen, neue Gemeinsamkeiten sind nötig, aber eine eindeutige Antwort auf all die Probleme gibt es nicht.

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