Leitartikel

Zusammen geht nichts mehr

"Jetzt ist das Eisen heiß, jetzt sollte es auch geschmiedet werden! " Oder auch "Zu diesem Zusammenschluss gibt es betriebswirtschaftlich keine Alternative." Und weiter:

"Die Fusion halten wir für notwendig." Man könnte beliebig weitere Textstellen zitieren. Selten war sich die genossenschaftliche Finanzgruppe so einig, angefangen vom Bundesverband der deutschen Volksbanken und Raiffeisenbanken, über die Regionalverbände bis hin zu Vertretern von Ortsbanken aus Nord, Süd und Ost. Vielleicht waren auch einige aus West dieser Meinung, doch beim Großteil der Platzbanken aus dem WGZ-Stammgebiet überwog die Sorge vor möglichen Belastungen nach erfolgter Fusion von DZ und WGZ Bank. Und das war letztendlich wohl der Grund für den erneuten und vermutlich endgültigen Rückzieher von WGZ-Chef Werner Böhnke. Denn es ist wahrlich nur schwer vorstellbar, dass es mit ihm einen sechsten Anlauf für die Konsolidierung der verbliebenen beiden Zentralbanken geben wird.

Man konnte noch verstehen, dass der WGZ-Chef Sorge vor einem Dreierbündnis hatte. Das war 2001 bei der Rettungsfusion für die angeschlagene DG Bank mit der GZ-Bank. Zu unsicher erschien dem sicherlich tüchtigen Bankkaufmann Böhnke damals die Zukunft einer zusammengewürfelten neuen Spitzenbank. Man mag verstehen, dass immer wieder mal stattfindende Sondierungsgespräche selten über ein lautes Nachdenken über mögliche Vorteile eines eventuellen Zusammenschlusses hinauskamen. Man mag auch noch verstehen, dass Indiskretionen einen Zusammenschluss im Jahr 2006 zum Scheitern gebracht haben. Wer verhandelt schon gerne über die Zeitungen - auch wenn bis heute keineswegs geklärt ist, wer der böse Bube war. Unzweifelhaft ist, dass die Rolle des damaligen BVR-Präsidenten Christopher Pleister nicht so tadellos war, dass sie unangreifbar gewesen wäre. Das mündete bekanntlich in einen präsidentenlosen Sommer 2008 und war mit der klaren "Erwartung einer strukturellen Weiterentwicklung der genossenschaftlichen Organisation" durch die Wiederaufnahme der Sondierungsgespräche zwischen DZ Bank und WGZ Bank verbunden. Man kann deshalb nicht mehr verstehen, dass nun kurz vor Toresschluss wieder ein Rückzieher gemacht wird.

Die Vorarbeiten ließen ein erneutes Scheitern des Zusammenschlusses eigentlich nicht mehr zu: Mit Christopher Pleister wurde zum ersten Mal in der Geschichte ein Präsident während der laufenden Amtszeit zum vorzeitigen Ausscheiden gezwungen. Die beiden WGZ-kritischen DZ-Bank-Vorstände Heinz Hilgert und Dietrich Voigtländer verließen das Spitzeninstitut in Richtung WestLB. Der Posten Voigtländers ist bis heute unbesetzt, er wurde freigehalten für den WGZ-Kollegen Thomas Ullrich. Michael Fraedrich verließ die WGZ Ende vergangenen Jahres, da für ihn in einem fusionierten Institut kein Platz zu sein schien. Und da war er sicherlich nicht der einzige. Die Führungsebenen "nach Fusion" waren schon besetzt, das führte natürlich hier wie dort zu nicht mehr zu heilenden Enttäuschungen. Die Aufbauorganisation, an der die Gespräche in den vergangenen Jahren scheiterten, war nach den Vorstellungen der WGZ - der Steuerungsholding über einem die operativen Säulen umfassenden Betrieb ebenfalls vereinbart. Die Due Diligence ergab ein Austauschverhältnis von einem DZ-Bank-Anteil zu drei WGZ-Anteilen. Und Berater haben sich ein goldenes Näschen verdient.

Dass all das nicht gereicht haben soll, ist lächerlich. Nein, man kann diese Genossen bei allem Verständnis für Menschen nicht mehr für voll nehmen. Wolfgang Kirsch kann man in dieser Fusion kaum einen Vorwurf machen. Er ist bis an die Grenzen des Machbaren gegangen, manchem gingen seine Zugeständnisse schon zu weit. Und dass er nun nicht mehr bereit war, dem Partner sozusagen einen Blankoschein für künftige Entwicklungen auszustellen, ist verständlich. Jede Fusion birgt Risiken. Wenn man die Fusion aber tatsächlich will, muss man dies akzeptieren und an gemeinsamen Lösungen arbeiten. Genau das hat Werner Böhnke nicht getan. Er hat die latenten - also im wörtlichen Sinne schlummernden, unbemerkten, unerkannten, unmerklichen, unterschwelligen, verborgenen - Risiken bei der DZ Bank zum Anlass genommen, zunächst im Aufsichtsrat für Wirbel zu sorgen und so seine Mitgliedsbanken erst recht zu verunsichern. Schließlich scheiterte daran der Zusammenschluss.

Klar und eindeutig nachvollziehbar ist die Düsseldorfer Entscheidung gegen eine Fusion auch nicht anhand der IFRS-Abschlüsse. Denn unabhängig von der anderen Geschäftsstruktur mit den großen Verbundunternehmen weist die DZ Bank mit ihrer Bilanzsumme von 427,1 Milliarden Euro eine andere Größenordnung auf als die WGZ Bank. Letztere erreicht mit ihren 92,7 Milliarden Euro im Konzern lediglich 21,7 Prozent des Volumens. Und an dieser Relation gemessen klingen die minus 46,4 (plus 28,9) Millionen Euro des WGZ-Bank-Konzerns im Ergebnis aus Finanzanlagen und insbesondere die minus 542,1 (minus 54,8) Millionen Euro im Handelsergebnis nach IFRS auch nicht viel besser als die minus 640,1 (minus 103) Millionen Euro beziehungsweise minus 1,167 Milliarden (minus 247 Millionen) Euro der DZ Bank. In Frankfurt kommt zwar noch das sonstige Bewertungsergebniss aus Finanzinstrumenten von minus 659 (minus 35) Millionen Euro hinzu, aber in der Gesamtbetrachtung dieser drei Komponenten liegen die beiden Häuser unter Berücksichtigung der Größenunterschiede so weit gar nicht auseinander. Und das Wertaufholungspotenzial lässt sich ohnehin hier wie dort kaum verlässlich einschätzen.

Ob Böhnke den Zusammenschluss zwischen Frankfurt und Düsseldorf wirklich gewollt hat, ist folglich schwer zu sagen. Zu selten waren Äußerungen in Richtung Fusion, zu zaudernd und abwartend präsentierte sich der WGZ-Chef. Ein klares Bekenntnis, wie es sein Frankfurter Kollege anlässlich der Bilanz-Pressekonferenz verlauten ließ, war zumindest öffentlich nie zu vernehmen. Zum Vorwurf muss man Böhnke machen, dass er wieder mal das Beharrungsvermögen der Volks- und Raiffeisenbanken in Nordrhein-Westfalen unterschätzt hat. Damit wurde der Gruppe der Kreditgenossenschaften nachhaltig Schaden zugefügt.

Denn man kann nun, auch wenn das beide Häuser betonen, nicht zur Tagesordnung übergehen. Ein einfaches "Weiter so" kann und darf es nicht geben. Dem "Zusammen geht mehr" aus dem DZ-Bank-Schriftzug ist ein deutliches "Nichts" hinzuzufügen. Ob personelle Konsequenzen mit diesem Fall verbunden sein werden, haben in erster Linie die Anteilseigner der DZ Bank in der Hand. Denn mit einfacher Mehrheit könnte Böhnke sein Amt als Aufsichtsrat der DZ Bank auf der kommenden Hauptversammlung verlieren. Damit wäre dann zumindest das sicherlich schwierige Miteinander von Vorstandschef Kirsch und Aufsichtsratsmitglied Böhnke bei aller Professionalität der beiden Akteure vermieden. Inwieweit die Kooperation beider Häuser künftig fortgeführt oder gar ausgebaut werden wird, wird man abwarten müssen. Im Hause DZ wird es aber sicherlich einiges an Bedenken gegen die Düsseldorfer Kollegen geben.

Nein, das Geschehene hat dem Finanzverbund wahrlich nicht geholfen! Im Gegenteil: Ein Zusammenschluss der Rechenzentren ist nun ebenso unwahrscheinlich wie eine baldige Annäherung der beiden Hypothekenbanken DG Hyp und WL Bank. Eine weitere Konzentration der regionalen Prüfungsverbände wäre unter einer Zentralbank sicherlich ebenfalls einfacher gewesen, als nun mit derer zwei. Dabei wären die Kostenersparnisse und Effizienzvorteile, die auch den Primärgenossenschaften zugute gekommen wären, dem Verbund in schwieriger Zeit gerade recht. Mehr als 140 Millionen versprach Kirsch allein aus der Fusion DZ und WGZ. Das entspräche mehr als einem Prozent der im vergangenen Jahr bei allen 1 197 Kreditgenossenschaften in Deutschland angefallenen Verwaltungsaufwendungen und mehr als drei Prozent der gesamten Sachkosten.

Denn um Kosteneinsparungen werden die Primären in naher Zukunft nicht umhin kommen. Nicht umsonst wirbt Präsident Fröhlich derzeit landauf landab für mehr Outsourcing - mit wenig Erfolg bislang. Die Ertragslage, die sich 2008 noch relativ stabil gezeigt hat (Zinsüberschuss 13,19 nach 13,21 Milliarden Euro und Provisionsüberschuss 4,05 nach 4,14 Milliarden Euro) wird im laufenden Jahr keine großen Sprünge machen können. Das Bewertungsergebnis wird sich angesichts verschlechterter Rahmenbedingungen beim Mittelstand angesichts einer anhaltenden Rezession ebenfalls nicht zum Besseren wenden. Da wird abzuwarten bleiben, ob die Kreditgenossen unter dem Strich weiterhin so deutlich vor Deutschlands größten Banken liegen werden. Die Deutsche Bank präsentierte für 2008 im Segment Private and Business Clients nach IFRS einen Jahresüberschuss vor Steuern von rund 1,1 Milliarden Euro, die Sparkassen von 1,3 Milliarden Euro. Die Volks- und Raiffeisenbanken wiesen dagegen nach HGB 1,93 Milliarden aus - nach 2,87 Milliarden Euro im Vorjahr. Der Weg ist keinesfalls frei, er ist steinig und holprig, und nicht jeder wird bis ans Ende kommen. Red.

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