Aufsätze

Die Liko-Bank: ein Nachruf

Die Liquiditäts-Konsortialbank (Liko-Bank) wird zum 31. Juli 2014 aufgelöst und anschließend abgewickelt. Das hat die Gesellschafterversammlung des Spezial-Kreditinstituts am 4. April dieses Jahres beschlossen. Was sind die Hintergründe für den Auflösungsbeschluss? Warum kam die Liko-Bank während der jüngsten Krise nicht zum Einsatz, obwohl sie 1974 eigens mit dem Ziel gegründet wurde, in Liquiditätsnöte geratene Banken zu unterstützen? Und warum erfolgt der Auflösungsbeschluss zu einem Zeitpunkt, in dem die aktuelle Bankenkrise noch nicht vollständig überwunden scheint?

Liquiditätshilfen an solvente Institute

Die Liko-Bank wurde 1974 als Reaktion auf die Herstatt-Insolvenz auf Initiative der Deutschen Bundesbank und mit Unterstützung der Bundesregierung gegründet. Die Herstatt-Bank hatte sich durch verfehlte Devisenspekulationen überschuldet. Der damit ausgelöste Vertrauensschwund hatte im Jahr 1974 auch Auswirkungen auf andere Banken und führte bei einer Reihe von kleineren und mittelgroßen Banken zu Abzügen von Einlagen. Für einen solchen Fall sollte eine Liquiditätshilfe für Banken, die wirtschaftlich gesund sind, aber durch plötzliche Einlagenabzüge in Liquiditätsnöte geraten, eingerichtet werden.

Daher erhielt das neue Institut die Aufgabe, bonitätsmäßig einwandfreien Kreditinstituten bei vorübergehenden Liquiditätsschwierigkeiten zu helfen, um die bankmäßige Abwicklung des Zahlungsverkehrs im Inland und mit dem Ausland zu gewährleisten. Auf diese Weise sollte sie dazu beitragen, Runs auf Banken zu vermeiden und deren Zusammenbruch zu verhindern. Bei Solvenzproblemen durfte die Bank nicht eingreifen. Zudem gehörte es nicht zu ihren Aufgaben, systemische Krisen zu lösen. Die Liko-Bank verfügte über ein Stammkapital in Höhe von 200 Millionen Euro, das zuletzt von 93 Gesellschaftern mit Stammeinlagen zwischen 20 000 Euro und 60 Millionen Euro gehalten wurde. Größter Gesellschafter war die Deutsche Bundesbank mit 30 Prozent des Stammkapitals.

Die übrigen Anteile hielten zuletzt 92 überwiegend deutsche Kreditinstitute aus allen Bankengruppen. Die Gesellschafterversammlung konnte über den Betrag der Stammeinlagen hinaus die Einforderung von weiteren Einzahlungen bis zu einem Betrag von einer Milliarde Euro beschließen. Für die Liquiditätshilfekredite standen somit zunächst Eigenmittel in Höhe von 1,2 Milliarden Euro zur Verfügung. Im Falle eines darüber hinausgehenden Refinanzierungsbedarfs konnte auf eine Sonderrediskontlinie der Deutschen Bundesbank in Höhe von 562 Millionen Euro zurückgegriffen werden. Insgesamt konnte die Liko-Bank somit zuletzt etwa 1,8 Milliarden Euro zur Liquiditätshilfe mobilisieren.

Neben der Gesellschafterversammlung als zentralem Gremium der Liko-Bank war der Verwaltungsrat für die Prüfung des Jahresabschlusses und die Überwachung der Geschäftsführung zuständig. Der Verwaltungsrat bestand aus acht Mitgliedern und wurde aus den Repräsentanten der an der Liko beteiligten Bankengruppen gebildet. Der Verwaltungsrat wiederum wählte den vierköpfigen Kreditausschuss. Für eine Kreditbewilligung war die Zustimmung aller Mitglieder des Kreditausschusses erforderlich. Das Antragsverfahren und die technische Abwicklung der Kredite waren in den Kreditrichtlinien der Bank geregelt. Der formlos einzureichende Kreditantrag sollte bestimmte Mindestangaben, zum Beispiel eine Eigenauskunft des Antragstellers und eine Erläuterung der Gründe für die Liquiditätsschwierigkeiten sowie eventuell bereits eingeleitete Maßnahmen, enthalten. Grundsätzlich sollten Sicherheiten gestellt werden. Die Liko-Bank behielt sich außerdem ausdrücklich vor, sich zur Bonitätsprüfung der Mitglieder der Prüfungsverbände der einzelnen Bankengruppen zu bedienen.

Operative Tätigkeiten ausgelagert

Die Liko-Bank hatte die laufenden operativen Tätigkeiten auf die AKA (AKA Ausfuhrkredit-Gesellschaft mbH) ausgelagert. Die AKA ist als Spezial-Kreditinstitut ihren Gesellschafterbanken in der Außenhandelsfinanzierung behilflich. Mitarbeiter der AKA übernahmen auf der Grundlage eines Gestionsvertrags Geschäftsführung und Geschäftsbetrieb der Liko-Bank. Die AKA stellte Büroräume und sonstige Einrichtungen zur Verfügung. Dafür erhielt sie eine jährliche Pauschalvergütung.

Seit ihrer Gründung erhielt die Liko-Bank neun Anträge auf Gewährung von Liquiditätshilfe. In vier Fällen kam es zur Bereitstellung von Krediten, wobei die eingeräumten Kreditlinien zwischen 35 Millionen DM und 315 Millionen DM lagen. Diese wurden jedoch nie ausgereizt. Die höchste Inanspruchnahme lag bei 250 Millionen DM. Die letzte Liquiditätshilfe wurde zwischen 1983 und 1985 eingeräumt.

Heute verzichtbar

Der Verwaltungsrat der Liko-Bank hatte im Rahmen der Gesellschafterversammlung im April dieses Jahres die ordentliche Auflösung vorgeschlagen. Nach einer grundsätzlichen Analyse war er zu der Auffassung gelangt, dass sie als Bestandteil des nationalen Bankensicherungssystems verzichtbar geworden war. Welche Argumente sprachen nun dafür? Zuletzt war sie vor knapp 30 Jahren in Anspruch genommen worden. In der aktuellen Krise seit 2007 kam sie nicht zum Einsatz, da ihr Hilfspotenzial mit rund 1,8 Milliarden Euro zu gering war. Hinzu kam, dass nach dem Gesellschaftsvertrag das Verfahren zur Einforderung der Nachschusspflicht umständlich und zeitaufwendig war. Nachdem ein Kreditantrag gestellt wurde und ein entsprechender Verwaltungsratsbeschluss vorlag, war eine Mindestfrist von einer Woche für die Einberufung der Gesellschafterversammlung einzuhalten. Erst diese konnte dann mit einfacher Mehrheit über die Einforderung der Nachschüsse entscheiden. Im Ergebnis war die Liko-Bank durch das begrenzte Hilfspotenzial nur für Hilfen an kleinere und mittlere Institute geeignet; faktisch kamen nur wenige Banken überhaupt für eine Hilfe infrage.

Im Zuge der Euro-Einführung startete die Deutsche Bundesbank eine Initiative zur signifikanten Erhöhung des Hilfspotenzials der Liko-Bank. Konkret zielte der Vorstoß auf eine Erhöhung der Nachschusspflicht auf zehn Milliarden Euro ab. Gleichzeitig war die Bundesbank bereit, ihre Refinanzierungslinie von 562 Millionen Euro auf fünf Milliarden Euro zu erhöhen. Die Bankenverbände unterstützten die Initiative nicht einhellig. Man verwies unter anderem darauf, dass die Liko-Bank eine einmalige nationale Einrichtung sei und es nicht zielführend sei, eine solche Institution im europäischen Währungsgebiet im nationalen Alleingang zu stärken.

Auch eine andere Entwicklung hat das Institut inzwischen ersetzbar scheinen lassen. Seit ihrer Gründung haben sich der nationale und der internationale Rechtsrahmen grundlegend geändert. Die Bestrebungen zur Harmonisierung des europäischen Aufsichts- und Abwicklungsrechts ließen sie letztlich nicht mehr zeitgemäß erscheinen. Als Konsequenz aus der Finanzmarktkrise sind umfassende Gesetze und Einrichtungen zur Finanzmarktstabilisierung in Kraft getreten. So wurde im Oktober 2008 die Bundesanstalt für Finanzmarktstabilisierung (FMSA) gegründet. Mit Inkrafttreten des Restrukturierungsgesetzes verwaltet die FMSA neben dem Sonderfonds Finanzmarktstabilisierung (SoFFin) seit Jahresbeginn 2011 den Restrukturierungsfonds, der mit seinem Instrumentarium zur Vermeidung beziehungsweise Bewältigung künftiger Bankenkrisen beitragen soll.

Der Gesetzgeber hat mit dem Restrukturierungsgesetz die notwendigen gesetzlichen Instrumente geschaffen, um künftig in Schieflage geratene systemrelevante Banken zu sanieren, zu reorganisieren und gegebenenfalls die nicht systemrelevanten Teile abzuwickeln. Im Rahmen des Restrukturierungsgesetzes steht dem Restrukturierungsfonds ein umfangreicher Instrumentenkasten zur Verfügung. Durch den Restrukturierungsfonds hat der Gesetzgeber einen Paradigmenwechsel vollzogen, was die Maßnahmen zur effektiven Sanierung von Kreditinstituten angeht. Die Finanzindustrie wird durch die Finanzierung des Restrukturierungsfonds über die Bankenabgabe an zukünftigen Stützungsmaßnahmen beteiligt.

Mit dem Aufbau des Restrukturierungsfonds und der damit verbundenen Beteiligung der Finanzindustrie an den Kosten der Sanierung von in Schieflage geratenen Banken relativiert sich auch die ordnungspolitische Funktion der Liko-Bank. Die Vergabe von Liquiditätskrediten an solvente Banken zur Überbrückung gilt nämlich gemeinhin als Aufgabe der Notenbank. Durch die gesellschaftsrechtliche Konstruktion der Liko-Bank existierte dagegen eine wirksame Auffanglinie vor den Toren der Notenbank. Das Bewusstsein in der Finanzindustrie für die Krisenanfälligkeit des Systems war vorhanden und der Selbsthilfegedanken spiegelte sich durch die 70-prozentige Beteiligung des Bankgewerbes wider. Durch die Beteiligung der Deutschen Bundesbank in Höhe von 30 Prozent wurde eine teils staatliche, teils privatwirtschaftliche Institution geschaffen. Das Bankensystem war institutionell in die Liquiditätsvergabe eingebunden. So wurde für die Bundesbank die Lender-of-Last-Resort- und Moral-Hazard-Problematik zu einem guten Teil entschärft. Diese Auffanglinie erscheint aus heutiger Sicht nicht mehr notwendig. Mit dem Restrukturierungsfonds wurde die Grundlage geschaffen, dass der Staat beziehungsweise die Notenbank in Zukunft nicht zur Rettung systemrelevanter Banken beitragen muss. Letzteres ist aus den Erfahrungen der aktuellen Finanzkrise eine unabdingbare Voraussetzung, um das Vertrauen in das Finanzsystem zu stärken. Risiken aus Bankgeschäften dürfen in Zukunft nicht mehr vergemeinschaftet werden, sondern müssen von denen getragen werden, die auch die Gewinne vereinnahmen.

Vorgaben für Notfall-Liquiditätshilfen im Eurosystem

Die Bereitstellung von Notfall-Liquiditätshilfe für vorübergehend illiquide Banken gilt - wie oben erwähnt - als Aufgabe der Notenbank. Innerhalb des Eurosystems liegt die Verantwortung für die Gewährung von Emergency Liquidity Assistance (ELA) bei der jeweiligen nationalen Zentralbank, die auch alle daraus resultierenden Kosten und Risiken zu tragen hat. Der EZB-Rat kann jedoch die Notfall-Liquiditätshilfen beschränken, wenn er der Auffassung ist, dass diese Operationen nicht mit der einheitlichen Geldpolitik des Eurosystems vereinbar sind. Um dem EZB-Rat eine entsprechende Bewertung zu ermöglichen, müssen die nationalen Zentralbanken gegenüber dem Rat umfassende Informationspflichten erfüllen. Wäre die Deutsche Bundesbank bei der Gewährung von ELA in etwaige Liquiditätshilfen der Liko-Bank eingebunden gewesen, etwa durch Leistung von Nachschüssen oder den Rückgriff auf die Bundesbank-Refinanzierungslinie, hätten die Vorgaben des EZB-Rats beachtet werden müssen. Im Ergebnis wäre eine solche Liquiditätshilfe noch komplexer geworden.

Die Auflösung der Liko-Bank ist eine richtige Entscheidung. Aufgrund des geringen Hilfspotenzials kamen faktisch nur noch wenige Kreditinstitute für Liquiditätshilfen infrage. Außerdem ist für nationale Sonderregelungen im Hinblick auf Bestrebungen zur Harmonisierung des europäischen Aufsichts- und Abwicklungsrechts nur noch wenig Spielraum. Letztlich war die Konstruktion der Liko-Bank daher nicht mehr zeitgemäß.

Dr. Joachim Nagel , Präsident , Deutsche Bundesbank, Frankfurt am Main
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