Aufsätze

Messung und Überwachung von Konzentrationsrisiken in Kreditsicherheitenportfolios

Die Besicherung von Kreditpositionen hat in den letzten Jahren zunehmend an Bedeutung gewonnen - sowohl aus Business Sicht als auch für die Eigenmittelberechnung, da der neue Basel II Akkord Banken vermehrt die Möglichkeit eröffnet, Sicherheiten zur Reduktion ihrer Eigenmittelanforderungen für Kreditrisiken anzurechnen, mit der Konsequenz einer erheblichen Reduktion der erforderlichen Eigenmittel in bestimmten Geschäftsbereichen, insbesondere bei besicherten Kredittransaktionen wie Repo-ähnliche Geschäfte sowie Lombardkredite.

Überwachung der Sicherheitenportfolios

Aus Sicht der täglichen Kreditrisikokontrolle hat die Überwachung der Sicherheitenportfolios in Bezug auf Konzentrationsrisiken dadurch massiv an Bedeutung gewonnen, das heißt, mangelnde Diversifikation in Sicherheitenportfolios muss im internen Risikomanagement von Banken erkannt werden können, um auf zu geringe Diversifikation in einem Sicherheitenportfolio reagieren zu können, entweder durch Erhöhung der Haircuts auf die Sicherheiten (das heißt Reduktion des Belehnungswertes) oder durch Einforderungen zusätzlicher Sicherheiten von der Gegenpartei. Sowohl für die Erfüllung der regulatorischen Anforderungen als auch für das interne Risikomanagement ist die Implementierung einer automatischen, methodenbasierten Überwachung zweckmäßig, um eine umfassende und konsistente Überwachung sämtlicher Sicherheitenportfolios einer Bank sicherzustellen.

Im Folgenden wird kurz der Begriff des Konzentrationsrisikos definiert, bevor verschiedene existierende Methoden zur Überwachung von Diversifikation sowie deren Nachteile aufgezeigt werden. Im Anschluss wird ein neuer, verallgemeinerter Ansatz vorgestellt, welcher die Nachteile bestehender Ansätze vermeidet und für das methodenbasierte interne Risikomanagement geeignet ist.

Definition von Konzentrationsrisiken

Ein Sicherheitenportfolio unterliegt sowohl Markt- als auch Kreditrisiken, und dessen Wertschwankungen können durch mathematisch komplexe Modelle beschrieben werden, auf welche hier nicht näher eingegangen wird. Prinzipiell kann man bei Portfolios jedoch zwei Risikotypen unterscheiden:

- Systematische Risiken, welche zum Beispiel verursacht werden durch Veränderungen von Marktindizes und Ausfallwahrscheinlichkeiten und welche selbst ein perfekt diversifiziertes Portfolio beeinflussen.

- Unsystematische Risiken, welche durch mangelnde Diversifikation hervorgerufen werden. Beispiel: Ein sehr gut diversifiziertes Bond-Portfolio mit über alle Positionen sowie zeitlich konstanter Ausfallwahrscheinlichkeit von p Prozent pro Jahr erzeugt genau p Prozent Verluste pro Jahr (= Gesetz der großen Zahlen), während ein nicht diversifiziertes Portfolio, bestehend aus einem einzigen Bond mit Ausfallwahrscheinlichkeit p entweder ausfällt oder nicht, wodurch eine Positions-Volatilität erzeugt wird. Schwankungen der Ausfallwahrscheinlichkeit p wären hingegen den systematischen Risiken zuzuordnen. Als Schlussfolgerung kann festgehalten werden, dass die Messung der Diversifikation eines Portfolios gleichbedeutend ist mit der Messung von unsystematischen Risiken (das heißt den Risiken, welche sich "wegdiversifizieren" ließen).

Vier Einflussfaktoren für unsystematische Risiken

Basierend auf dieser Definition von Konzentrationsrisiken lassen sich vier Einflussfaktoren für unsystematische Risiken identifizieren:

Portfoliogranularität: Unsystematische Risiken entstehen, wenn die Anzahl der Positionen im Sicherheitenportfolio klein ist und/oder wenn Klumpen im Portfolio existieren.

Kreditrisiken (Ausfallwahrscheinlichkeiten): Höhere Ausfallwahrscheinlichkeiten von Sicherheiten erhöhen unsystematische Risiken.

Marktrisiken (Preis-Volatilität): Höhere Preisschwankungen erhöhen das Risiko. Korrelationen zwischen Sicherheiten - sowohl Ausfallkorrelationen als auch Korrelationen in Bezug auf Marktschwankungen.

Um die vier genannten Einflussfaktoren in der Messung von Diversifikation zu berücksichtigen, könnte man ein komplexes Value-at-Risk Portfolio-Modell einsetzen, welches Markt- und Kreditrisiken inklusiver vorhandener Korrelationen abbildet. Dies würde jedoch einen erheblichen Aufwand sowohl bei der Modellierung als auch in der täglichen Risikoüberwachung bedingen. Für praktische Risikosysteme, welche eine große Anzahl von Sicherheitenportfolios täglich (oder gar intra-day) überwachen müssen, sind deshalb kompaktere Methoden von Vorteil, welche zudem den Business-Managern anschaulich Aufschluss über die für die Portfoliodiversifikation kritischen Positionen in einem Sicherheitenportfolio geben können.

Für die folgenden Diskussionen wird ein Sicherheitenportfolio betrachtet, dessen Positionen sich in N Gegenpartei Sub-Portfolios i =1.. N gruppieren lassen mit jeweiligem Marktwert Ei (konkret werden alle Positionen etwa in Aktien und Bonds aggregiert, welche das Gegenparteirisiko der Gegenpartei i tragen, in dem Sub-Portfolio mit Marktwert Ei, analog zur Aggregation von Positionen für das regulatorische Reporting von Klumpenrisiken). Positionen, welche keine Gegenparteirisiken beinhalten, (zum Beispiel Goldpositionen) werden jeweils durch ein eigenes Sub-Portfolio dargestellt. Das heißt jedes Sub-Portfolio, welches das Gegenparteirisiko der Partei i trägt, besteht aus einer oder mehreren Positionen Eij:

Formel 1

Granularitätsbasierte Ansätze

Im Folgenden wird angenommen, dass die Positionen Ei als Prozentzahlen des Gesamtportfolios definiert sind, das heißt, die Ei addieren sich zu eins.

Die meisten momentan in der Praxis eingesetzten Verfahren zur Überwachung von Portfolio-Diversifikation stützen sich nur auf die Portfoliogranularität eines Sicherheitenportfolios ab, das heißt, nur Kriterium 1 wird berücksichtigt. Die bekanntesten Verfahren sind:

- Der einfachste Ansatz erwartet eine sortierte Liste von Positionen im Sicherheitenportfolio E1 > E2 > E3 ... und definiert eine Serie von zulässigen Limiten T1 < T2 < T3 < ... Tm für die maximal zulässige kumulative Exposition der ersten i Positionen. Falls die Anzahl der Positionen N < m ist, so werden zusätzliche "leere" Positionen eingefügt. Konkret bedeutet dies also, dass ein Portfolio als nicht-diversifiziert eingestuft wird, falls (E1 > T1) oder (E1 + E2 > T2) oder ... oder (E1 + E2 + ... + Em > Tm). Auch wenn dieser Ansatz intuitiv sehr einfach zu verstehen ist, bedingt er jedoch erhebliche Nachteile: Es wird eine sortierte Liste von Positionen benötigt. Nur die Portfoliogranularität wird gemessen, das heißt Kriterium 1. Markt- und Kreditrisiken sowie Korrelationen bleiben unberücksichtigt. Der Ansatz liefert ein binäres Resultat - diversifiziert oder nicht diversifiziert, anstatt eines kontinuierlichen Diversifika-tions-Maßes.

Lorenzkurve und Herfindahl-Index

- Der bekannte Ansatz der Lorenzkurve zur Messung der Diversifikation benötigt ebenfalls eine sortierte Positionsliste. Konkret wird die Lorenzkurve der kumulierten Positionsgrößen im Sicherheitenportfolio aufgetragen (Abbildung 1). Als Ergebnis erhält man eine diagonale Gerade (wenn alle Positionen die gleiche Größe haben) oder eine Kurve, welche je weiter nach oben gekrümmt ist, je "klumpiger" das Portfolio ist. Der bekannte Gini-Koeffizient misst nun das Verhältnis aus der Fläche zwischen der Kurve und der Diagonalen und der Dreiecksfläche unterhalb der Diagonalen und gibt Werte zwischen null (diversifiziert) und eins (ein einziger Klumpen im Portfolio) an.

Auch hier muss man wieder eine minimale Anzahl von Positionen im Portfolio annehmen, gegebenenfalls durch Hinzufügen von "leeren" Positionen. Der Vorteil des Ansatzes liegt darin, dass Diversifikation im Gegensatz zum vorherigen Ansatz auf einer kontinuierlichen Skala gemessen wird, die restlichen Nachteile des vorherigen Ansatzes sind jedoch auch beim Einsatz der Lorenzkurve vorhanden.

- Der Herfindahl-Index vermeidet einen weiteren Nachteil der vorher diskutierten Ansätze, da er keine sortiere Positionsliste benötigt. Er berechnet ausgehend von den Positionsgrößen folgendes Diversifikationsmaß:

Formel 2

Der Herfindahl-Index (2) liefert Indexwerte zwischen null (für ein sehr granulares Portfolio) und eins (für eine einzige Position).

Neben der Einfachheit der Berechnung (keine sortierte Liste erforderlich) hat der Ansatz den Vorteil, im Gegensatz zu den vorher diskutierten Methoden theoretisch fundiert zu sein, da theoretische Kreditportfoliomodelle (vergleiche Vasicek 2003) den Herfindahl-Index als einen Indikator für unsystematische Risiken in einem homogenen Kreditportfolio (das heißt alle Positionen sind Kredite oder Bonds mit gleicher Ausfallwahrscheinlichkeit) identifizieren. Die Einsetzbarkeit in der Praxis wird jedoch durch folgende Nachteile limitiert: In der Praxis sind Sicherheitenportfolios nicht (immer) homogen (das heißt nicht alle Sicherheiten sind Kredite oder Bonds mit gleicher Ausfallwahrscheinlichkeit). Marktrisiken (Preisschwankungen) der Sicherheiten werden vernachlässigt. Korrelationen bleiben unberücksichtigt.

Fortschrittliche Ansätze

Die im vorherigen Abschnitt vorgestellten Ansätze basieren einzig auf der Granularität des Sicherheitenportfolios und können somit Klumpen in einem Portfolio identifizieren, ohne jedoch erkennen zu können, wie risikoreich etwaige Klumpen aus Sicht Kredit- und Marktrisiken sind. Fortschrittliche Ansätze berücksichtigen deshalb nicht nur die Portfoliogranularität, sondern auch das individuelle Risikoprofil (Ausfallwahrscheinlichkeiten und Marktpreisvolatilität) von Positionen im Sicherheitenportfolio sowie etwaige Korrelationen.

Moody's Diversity Score: Ein moderner Ansatz zur Beurteilung von Diversifikation in einem CDO-Sicherheitenportfolio ist der von Moody's entwickelte "Diversity Score" (Duffie 2003). Die zugrunde liegende Idee ist zu einem zu beurteilenden Sicherheitenportfolio ein zweites, virtuelles Portfolio zu generieren, welches aus M uniformen Positionen besteht, das heißt, alle Positionen in dem virtuellen Portfolio haben die gleiche Größe und gleiche Ausfallwahrscheinlichkeit. Das virtuelle Portfolio hat den gleichen durchschnittlichen Verlust (Expected Loss) und die gleiche Verlustvolatilität wie das ursprüngliche Portfolio.

Die Anzahl von uniformen Positionen M, mit der sich diese Bedingungen erfüllen lassen, ist ein Maß für die Diversifikation des zu beurteilenden Sicherheitenportfolios - große Werte von M bedeuten, dass das Portfolio die Risikocharakteristik eines gut diversifizierten Portfolios trägt, kleine Werte von M deuten auf Konzentrationsrisiken hin. Dieser Ansatz ist ein risikosensitiver Ansatz zur Beurteilung von unsystematischen Kreditrisiken in einem Sicherheitenportfolio, da die Ausfallcharakteristika des Portfolios neben der Granularität in die Berechnung einfließen. Zur Beurteilung eines allgemeinen Sicherheitenportfolios, welches nicht nur Bonds und Kredite enthält (welche eine relativ kleine Preisvolatilität aufweisen im Vergleich zu Aktien oder Gold) ist der Ansatz weniger geeignet, da er Marktpreisvolatilitäten unberücksichtigt lässt.

Erweiterung um Gewichtungsfaktoren Risiko-adjustierter Herfindahl-Index: Um den oben vorgestellten Herfindahl-Index risikosensitiv in Bezug auf die in einem Sicherheitenportfolio vorhandenen Kreditrisiken zu gestalten, wird vorgeschlagen (vergleiche Bonti 2005), den Herfindahl-Index um Gewichtungsfaktoren zu erweitern, wobei jede Position mit ihrer Ausfallwahrscheinlichkeit pi gewichtet wird:

Formel 3

Die Index-Formel (3) hat eine sehr anschauliche Interpretation, da sie ein Maß für unsystematische Kreditrisiken im Zähler ins Verhältnis setzt zum erwarteten Kreditverlust (Expected Loss) im Nenner, welchen Banken typischerweise bereits im Pricing als Risikopuffer einkalkuliert haben.

Nachteile bei der Beurteilung von Sicherheitenportfolios

Der Index berücksichtigt sowohl die Portfoliogranularität als auch das individuelle Kreditrisiko einer Position, ähnlich dem Diversity Score von Moody's. Der Anwendung zur allgemeinen Beurteilung von Sicherheitenportfolios stehen jedoch folgende Nachteile im Weg:

- Die Marktpreisvolatilität von Positionen (das heißt Marktrisiken) bleiben unberücksichtigt, was vor allem bei volatilen Positionen wie Aktien oder Gold zur Unterschätzung von Risiken führt.

- Ratings oder Ausfallwahrscheinlichkeiten, welche als Gewichte in die Indexberechnung (3) einfließen, existieren nicht für alle Positionen, noch nicht einmal für alle Positionsklassen (wie zum Beispiel Edelmetalle).

Giese-Herfindahl-Index

Zur Vermeidung der Nachteile des risikosensitiven Herfindahl-Indexes wird vorgeschlagen, die positionsspezifischen Haircuts wi (entweder basierend auf dem internen Haircut-System, welches im Rahmen der Belehnungswertmethodik verwendet wird, oder dem regulatorischen Haircut-System von Basel II zur Eigenmittelberechnung) als Gewichte zur Indexberechnung (3) zu verwenden, anstatt der Ausfallwahrscheinlichkeiten pi. Der Vorteil der Verwendung des Haircut-Systems ist, dass diese (zum Beispiel das Basel II System des Standardansatzes) sowohl Kreditrisiken (durch Unterscheidung verschiedener Sicherheitstypen sowie Verwendung von Ratings) berücksichtigt als auch Marktrisiken (die Haircuts werden typischerweise über eine Volatilitätsanalyse hergeleitet). Zudem kann hierdurch jeder verwendeten Sicherheit ein Haircut zugeordnet werden, was für Ausfallwahrscheinlichkeiten nicht der Fall ist.

Verwendet man wie vorgeschlagen Haircuts wi als Gewichte, so erhält der Index (3) eine sehr anschauliche Interpretation: Er misst das Verhältnis aus unsystematischen Risiken UR=i wi Ei2 und dem durch die Applizierung von Haircuts sichergestellten Risikopuffer P=i wi Ei. Folglich deutet ein hoher Indexwert darauf hin, dass der durch die Haircuts sichergestellte Sicherheitspuffer ungenügend ist, um die aus mangelnder Diversifikation entstehenden unsystematischen Risiken zu absorbieren.

Es entsteht jedoch ein zusätzlicher Aufwand bei Verwendung von Haircuts als Gewichte: Die Berechnung des Indexes (3) wird komplizierter, wenn jedes Sub-Portfolio (welches das Ausfallrisiko von Gegenpartei i trägt) aus mehreren Sicherheiten Eij mit unterschiedlichem Haircut wij besteht. In diesem Fall muss für dass Sub-Portfolio i ein durchschnittlicher Haircut wi berechnet werden. Gleichzeitig soll, wie vorab diskutiert, der Nenner des Indexes den Kapitalpuffer darstellen, welcher durch die Anwendung der Haircuts sichergestellt wird. Somit wird die Index-Formel (3) erweitert zu

Formel 4

wobei im Nenner gerade der Risikokapital-Puffer durch Anwendung der Haircuts wij auf Einzelpositionsebene steht und im Zähler die durchschnittlichen Haircuts der Sub-Portfolios der Gegenparteien, welche noch definiert werden müssen.

Zwei Berechnungsmöglichkeiten

Im Folgenden wird der verallgemeinerte Index (4) als GH-Index (Giese-Herfindahl-Index) bezeichnet. Es werden zwei Berechnungsmöglichkeiten für die Durchschnitts-Haircuts wi unterschieden. Im einfachsten Fall werden die Haircuts wi als gewichteter Durchschnitt der Haircuts auf die Einzelpositionen berechnet:

Formel 5

Wie weiter unten gezeigt wird, entspricht dies der konservativen Annahme, dass alle Sicherheiten in einem Sub-Portfolio i perfekt korreliert sind - dadurch werden mögliche Diversifikationseffekte in Bezug auf Marktrisiken innerhalb des Sub-Portfolios i nicht berücksichtigt. Möchte man hingegen annehmen, sämtlichen Sicherheiten im Sub-Portfolio i sind in Bezug auf Marktrisiken unkorreliert, so würde man den Durchschnitts-Haircut zur Berechnung des Index (5) folgendermaßen berechnen:

Formel 6

Kombinationen von (5) und (6) sind ebenfalls möglich, je nach vorhanden Korrelationen in Bezug auf Marktrisiken in einem Gegenpartei Sub-Portfolio.

Zur täglichen Überwachung von Konzentrationsrisiken in den Sicherheitenportfolios eines Finanzinstituts kann man eine Limite T definieren, welche den maximal erlaubten GH-Index in einem Sicherheitenportfolio angibt. Wird dieser Grenzwert überschritten, so werden sämtliche in diesem Sicherheitenportfolio applizierten Haircuts um einen Faktor (1+h) aufskaliert (das heißt der Belehnungswert des Portfolios wird entsprechend reduziert), bis der sich ergebende GH-Index wieder unterhalb der Limite T liegt, das heißt, bis gilt:

Formel 7

Folglich wäre das maximale Diversifikationsrisiko aller Sicherheitenportfolios einer Bank nach oben hin durch eine Limite begrenzt.

Eigenschaften des Giese-Herfindahl-Indexes

Die Risikosensitivität des Giese-Herfindahl-Indexes lässt sich anhand einiger Beispiele zeigen:

Beispiel 1: Betrachtet wird ein Portfolio, welches nur aus einer einzigen Sicherheit E =100 Prozent mit Haircut w > 0 besteht. In diesem Fall liefert der GH-Index (4) das Ergebnis GH =1, unabhängig vom Typ der Sicherheit beziehungsweise dem Wert des Haircut. Auf den ersten Blick erscheint dies ein Widerspruch, da beispielsweise eine einzelne AAA-Staatsanleihe (Basel II Haircut zwei Prozent) ein viel kleineres unsystematisches Risiko erzeugt als eine einzige Hauptindex-Aktie (Basel II Haircut 15 Prozent). Jedoch ist der Kapitalpuffer wE der Staatsanleihe proportional kleiner als bei der Aktie. Somit lässt sich begründen, dass das Verhältnis aus unsystematischem Risiko und Kapitalpuffer jeweils eins ergibt, unabhängig vom Haircut. Der zusätzliche Sicherheitsbedarf durch Skalierung des Haircuts mit einem Faktor (1+h) ist somit in beiden Fällen gleich groß.

Beispiel 2: Als nächstes wird ein Portfolio betrachtet, welches aus zwei Bonds gleichen Marktwertes E1 = E12 = 50 Prozent des gleichen Emittenten besteht, jedoch mit verschiedenen Haircuts w1= drei Prozent und w12= fünf Prozent. Da es sich bei beiden Positionen um die gleiche Sicherheitenklasse handelt, empfiehlt sich die konservative Annahme von perfekt korrelierten Marktschwankungen der beiden Bonds - das heißt Korrelation 1, gemäß Gleichung (5) -, sodass der GH-Index wiederum GH =1 beträgt. Das heißt, nimmt man perfekt korrelierte Sicherheiten an, erhält man das gleiche Ergebnis wie bei einer einzigen Sicherheit gemäß Beispiel 1, was auch der Intuition entspricht.

Beispiel 3: Verändert man das Portfolio aus Beispiel 2, indem von einem Portfolio mit einer Aktie (Haircut w1=15 Prozent) und einem Bond (Haircut w12= fünf Prozent) gleichen Marktwertes E1 = E12= 50 Prozent desselben Emittenten ausgegangen wird. Trifft man in diesem Fall die Annahme, dass die Marktpreisschwankungen der Aktie und des Bonds (nahezu) unkorreliert sind, so beträgt der durchschnittliche Haircut nach Formel (6) und der GH-Index gemäß Gleichung (4)

Formel

Im Unterschied zu Beispiel 2 zeigt sich hier also eine Diversifikation zwischen der Aktie und dem Bond bezüglich Marktrisiken, während bezüglich des Emittenten immer noch ein Klumpenrisiko besteht.

Beispiel 4: Es wird wiederum von dem Portfolio mit einer Aktie und einem Bond gemäß Beispiel 3 ausgegangen, diesmal jedoch sind die Aktie und der Bond von unterschiedlichen Emittenten. Der resultierende GH-Index gemäß Gleichung (4) beträgt:

Formel

Der GH-Index Wert hat sich im Vergleich zu Beispiel 3 reduziert, da die Aktie und der Bond nun nicht nur aus Marktrisikosicht, sondern auch aus Kreditrisikosicht diversifiziert sind.

Zusammenfassend lässt sich feststellen, dass der GH-Index (4) alle der vier genannten Kriterien zur Beurteilung von Diversifikation berücksichtigt, die Granularität des Portfolios (im Wesentlichen durch Quadrieren der einzelnen Positionsgrößen), die Diversifikation bezüglich Markt- und Kreditrisiken und Korrelationen.

Berücksichtigung bereits diversifizierter Sicherheiten

Eine wichtige verbleibende Frage ist, wie bereits diversifizierte Sicherheiten wie zum Beispiel Fonds oder Zertifikate bei der Berechnung des GH-Indexes (4) berücksichtigt werden sollen. Die genaueste Methode wäre, diese Sicherheiten in ihre Einzelkomponenten zu zerlegen und diese dann wie alle anderen Sicherheiten in die Berechnung des Indexes in Gleichung (4) einfließen zu lassen. Falls die genaue Zusammensetzung des Produkts jedoch nicht bekannt ist, muss man mit vereinfachenden Annahmen arbeiten, zum Beispiel das Produkt pauschal in eine gewisse Anzahl von Teilpositionen ähnlicher Größe aufspalten und in die Berechnung einfließen lassen.

Zusammenfassend lässt sich sagen: Eine quantitative Beurteilung von Konzentrationsrisiken in einem Sicherheitenportfolio ist gleichbedeutend mit der Messung unsystematischer Risiken unter Berücksichtigung der Portfoliogranularität sowie des individuellen Risikoprofils von Positionen sowie Korrelationen zwischen Sicherheiten.

Mathematisch komplexe Value-at-Risk Modelle können all diese Einflussfaktoren bei der Berechnung von Konzentrationsrisiken abbilden, bedingen aber einen erheblichen Aufwand, sowohl bei der Modellierung als auch in der täglichen Risikoüberwachung. Um eine praktikable Überwachung von einer großen Anzahl von Sicherheitenportfolios auf täglicher Basis (oder sogar intra-day) zu gewährleisten, ist eine einfache Berechnungsmethode von Vorteil, die dennoch die wesentlichen Einflussfaktoren von Konzentrationsrisiken berücksichtigt. Die vorgestellte Methode basiert auf der von Banken verwendeten Haircut-Systematik (entweder der regulatorischen Haircut-Systematik von Basel II oder den internen Haircuts gemäß der internen Belehnungspolitik), wobei jede Sicherheit in der Berechnung des Giese-Herfindahl-Indexes mit ihrem Haircut gewichtet wird. Der Vorteil dieser Methode liegt darin, dass zum einen jede zugelassene Sicherheit innerhalb eines Finanzinstituts einen eindeutigen Haircut besitzt und zudem Haircut-Systeme typischerweise unter Berücksichtigung von Markt- und Kreditrisiken entwickelt werden.

Der vorgestellte GH-Index bietet zudem den Vorteil, eine Limite zur Begrenzung von Konzentrationsrisiken definieren zu können. Bei Überschreitung der Limite werden die Haircuts der Sicherheiten in dem entsprechenden Portfolio mit einem Faktor aufskaliert, um zusätzlichen Risikopuffer zu schaffen - dieses Verfahren lässt sich für die interne Belehnungswertüberwachung einführen.

Literatur

O. Vasicek: Loan portfolio value. Credit Risk Modelling: The Cutting-edge Collection - Technical Papers published in Risk 1999-2003 by Michael Gordy (Editor), Risk Books, April 30, 2003.

G. Bonti, M. Kalkbrenner, C. Lotz, G. Stahl: Credit Risk Concentrations under Stress, October 2005. Conference paper available at http://www.bis.org/bcbs/events/rtf05prog.htm.

Basel Committee on Banking Supervision: International Convergence of Capital Measurement and Capital Standards, June 2006.

R. Martin, T. Wilde: Unsystematic Credit Risk, Risk November 2002.

D. Duffie, K. J. Singleton: Pricing, Measurement, and Management, Princeton University Press, 2003.

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