Kreditwesen aktuell

Neuordnung der Bankenaufsicht in Österreich

"Jetzt wächst zusammen, was zusammengehört" - übertragen auf die Bankenaufsicht charakterisieren diese Worte wohl am besten die wesentliche Zielrichtung der in Österreich geplanten und vorbehaltlich der Beschlussfassung durch den Gesetzgeber ab 1. Jänner 2008 in Kraft tretenden Finanzmarktaufsichtsreform. In organisatorischer Hinsicht ist zwar eine Beibehaltung des - ähnlich wie in Deutschland seit 2002 bestehenden - dualen Aufsichtssystems durch Finanzmarktaufsicht (FMA) und Oesterreichische Nationalbank (OeNB) geplant; in materieller Hinsicht sollen mikro- und makroprudentielle Bankenaufsicht jedoch stärker verschränkt werden, sodass es zur Verschiebung von Aufsichtskompetenzen hin zur OeNB und damit insgesamt zu einer neuen - stärkeren - Form der Zusammenarbeit zwischen FMA und OeNB kommt. Last but not least ist auch eine Ausweitung des Mandats der OeNB im Bereich der Finanzmarktstabilität vorgesehen.

Doppelgleisigkeiten und Graubereiche in der Verantwortungsabgrenzung

Was sind nun die Hintergründe dieser Reform? Zur Erörterung dieser Frage ist es hilfreich, sich zunächst die Entwicklung der Aufsichtsorganisation in Österreich im letzten Jahrzehnt zu vergegenwärtigen. Traditionell war die Bankenaufsicht im Bundesministerium für Finanzen angesiedelt, verbunden mit einer sukzessive zunehmenden Einbindung der OeNB. Ende der neunziger Jahre wurde vor dem Hintergrund von Reformen in anderen Ländern begonnen, alternative Aufsichtsmodelle zu evaluieren, um entsprechend den internationalen Standards eine operativ unabhängige und zudem möglichst effektive Finanzmarktaufsicht zu etablieren.

Entgegen der ursprünglichen Absicht, die Bankenaufsicht in die OeNB zu verlagern, erfolgte schließlich mit dem im Spätsommer 2001 beschlossenen Finanzmarktaufsichtsgesetz die Gründung einer von der OeNB separaten Allfinanzaufsichtsbehörde, der FMA. Gleichzeitig wurde jedoch die Einbindung der OeNB im Bankenaufsichtsbereich weiter verstärkt, um die aufgebaute Expertise und Synergien zu nutzen. So wurde insbesondere die verpflichtende Beauftragung der OeNB mit Vorort-Prüfungen im Bereich des Markt- und Kreditrisikos gesetzlich verankert, der OeNB wurden diverse Anhörungsrechte eingeräumt und Gutachterfunktionen übertragen, sie behielt die Zuständigkeit zur Durchführung des Meldewesens und führte in der Praxis auch die technische Einzelbankanalysen durch. Zudem waren auch Mitteilungspflichten der OeNB über bedeutende oder grundsätzliche Entwicklungen im Bereich des Bankwesens vorgesehen.

In der aufsichtlichen Praxis der folgenden Jahre zeigte sich, dass mit der 2001/2002 durchgeführten Reform der Finanzmarktaufsicht einerseits ein wichtiger und für den österreichischen Finanzplatz richtungsweisender Schritt gesetzt worden war, andererseits jedoch das neue Modell auch einige inhärente Schwächen aufweist, die sich trotz aller Kooperationsbemühungen nicht gänzlich beseitigen lassen. Anzuführen sind hier vor allem im Prüfungs- und Analysebereich auftretende Doppelgleisigkeiten sowie gewisse Graubereiche in der Verantwortungsabgrenzung.

Umfassender Diskussionsprozess

Im Anfang 2007 beschlossenen Programm der österreichischen Bundesregierung für die neue Legislaturperiode wurde daher eine Evaluierung der Finanzmarktaufsicht mit dem Ziel ankündigt, "die Finanzmarktaufsicht schlagkräftiger und effizienter zu gestalten und dabei Doppelgleisigkeiten und Schnittstellenprobleme zu vermeiden". Politisch umstritten war allerdings zunächst, auf welche Art und Weise diese Zielsetzungen erreicht werden sollten.

Daher setzte vor dem Hintergrund eines parlamentarischen Untersuchungsauschusses, der sich vor allem mit der politischen Verantwortlichkeit rund um die im Frühjahr 2006 erforderlich gewordene Garantiebereitstellung an die BAWAG P. S. K. Österreichs zu diesem Zeitpunkt viertgrößte Bank - befasste, ein umfassender Diskussionsprozess ein. Auch der Rechnungshof erstellte einen Bericht, in dem er zur Lösung der ebenfalls kritisierten Schnittstellenproblematik zwischen FMA und OeNB mehrere Modelle, einschließlich Maximalvarianten, evaluierte und sich schließlich für eine organisatorische Zusammenlegung der jeweiligen bankaufsichtlichen Bereiche aussprach; insbesondere empfahl er die Zusammenlegung der Zuständigkeiten für Vorort-Prüfungen und die Konzentration der bankaufsichtlichen Analyse in einer Institution.

Zeitnahe Handlungsfähigkeit in Krisensituationen

Seitens der OeNB wurde vor diesem Hintergrund die Position vertreten, dass zur Erreichung der im Regierungsprogramm angesprochenen Zielsetzungen idealerweise eine Weiterentwicklung der Aufsichtsorganisation in Richtung des - auf einer funktionalen Aufgabentrennung zwischen prudentieller Aufsicht und Verhaltensaufsicht beruhenden - sogenannten "Holländischen Modells" beziehungsweise zumindest die Übertragung der gesamten Bankenaufsicht (Behördenfunktion, Analysekompetenz und Vorort-Prüfungszuständigkeit) auf die OeNB erfolgen sollten. Von besonderer Relevanz war für uns jedoch, dass die OeNB erstens weiterhin in der Lage ist, im Interesse des österreichischen Finanzplatzes ihren Finanzmarktstabilitätsauftrag effektiv wahrzunehmen, und dass zweitens in der Bankenaufsicht die in der Realität der Märkte nicht zu trennende Verbindung von Einzelinstituts- und Systemaufsicht entsprechend berücksichtigt wird.

Was Ersteres betrifft, so entspricht es unserer Erfahrung, dass als Voraussetzung für eine effektive Wahrnehmung des Finanzmarktstabilitätsauftrags der Eurosystem-Notenbanken notwendigerweise auch Einzelbankenanalysen vorzunehmen sind. Wie sollen ohne Verständnis für die Vorgänge in den Bankbilanzen eine effektive Krisenprävention oder ein effektives Krisenmanagement möglich sein? Aus eigener Erfahrung kann ich zudem bestätigen, dass eine zeitnahe Handlungsfähigkeit in Krisensituationen, insbesondere auch die Entscheidung über die Notwendigkeit der Gewährung von Notfallsliquidität, ohne hausinterne Detailkenntnisse über Einzelbanken beziehungsweise diesbezügliche Analyseerfahrung kaum vorstellbar ist.

Konsequenz daraus ist, dass - bei Zuweisung der Analysekompetenz für Zwecke der Einzelbankenaufsicht an eine andere Institution - die OeNB diese Analysen aus dem Titel der Finanzmarktstabilität hätte fortführen müssen, was unter Effizienzgesichtspunkten sicher eine fragwürdige Lösung bedeutet hätte. Die Alternative wäre ein inhaltliches Leerlaufen des Finanzmarktstabilitätsauftrags, was angesichts der Bedeutung des Bankensektors für die österreichische Volkswirtschaft jedenfalls vermieden werden sollte.

Der zweite Punkt, die notwendige Verbindung von mikro- und makroprudentiellen Gesichtspunkten in der Bankenaufsicht, wurde meines Wissens in seinem vollen Bedeutungsgehalt erstmals im Jahr 2000 in einer grundlegenden Rede von Sir Andrew Crockett (damaliger Generaldirektor der BIZ und Vorsitzender des Financial Stability Forums) angesprochen. In dieser Rede forderte er, dass "... in order to build most productively on past achievements in the pursuit of financial stability, we should strive for a better marriage between the micro-prudential and macro-prudential dimensions of the task". Auf diese Weise soll der Beobachtung, dass die größten - und für die Realwirtschaft teuersten - Finanzkrisen typischerweise nicht durch in Schwierigkeiten geratene Einzelinstitute, sondern durch das gemeinsame Exposure gegenüber makroökonomischen Risiken ausgelöst wurden, Rechnung getragen und auch die zunehmende Komplexität des Finanzsystems - einschließlich der dadurch erhöhten Ansteckungsrisiken und Systemimplikationen - entsprechend berücksichtigt werden.

Zentrales Argument für eine "Better Marriage" ist meines Erachtens zudem der Umstand, dass auch die Qualität der Einzelbankenaufsicht auf diese Weise verbessert wird, da Einzelbankendaten ohne entsprechende Berücksichtigung des makroökonomischen Umfeldes nur bedingt aussagekräftig sind. Dass dieser Punkt gerade für die österreichischen Banken, die sehr stark in Zentral- und Osteuropa exponiert sind, von Bedeutung ist, benötigt wohl keiner weiteren Erklärung.

Gemeinsames Informationsniveau sicherstellen

Welche Regelungen sind nunmehr in der Anfang November beschlossenen Regierungsvorlage enthalten? Zum einen sieht diese vor, dass die Behördenfunktion im Bereich der Bankenaufsicht weiterhin bei der FMA als unabhängiger und weisungsfreier Allfinanzaufsichtsstelle belassen wird, während gleichzeitig der OeNB die Zuständigkeit für sämtliche Vorort-Prüfungen und die gesamte Einzelbankanalyse übertragen werden soll. Korrespondierend zur Übertragung der Analysekompetenz ist eine Verpflichtung der OeNB vorgesehen, der FMA alle Analyseergebnisse und relevanten Informationen zur Verfügung zu stellen und diese unverzüglich zu informieren, wenn eine wesentliche Veränderung der Risikolage besteht oder ein Verdacht auf Verletzung von bankaufsichtsrechtlichen Bestimmungen vorliegt; auf Ersuchen der FMA müssen zudem zusätzlich bestimmte Einzelbankanalysen erstellt beziehungsweise weitere Erläuterungen zu den Analyseergebnissen gegeben werden.

Weiters ist als Grundlage für die Einzelbankanalyse vorgesehen, dass seitens der OeNB eine gemeinsame Datenbank betrieben wird, in die diverse Meldedaten, relevante Informationen der FMA aus ihrer bankaufsichtlichen Tätigkeit sowie Analysedaten und -ergebnisse der OeNB einzustellen sind. Neben Effizienzüberlegungen soll auf diese Weise insbesondere auch ein laufendes gemeinsames Informationsniveau sichergestellt werden, was für eine reibungslos funktionierende Schnittstelle zwischen Prüfungs- und Analyseergebnissen einerseits und behördlichen Entscheidungen andererseits unabdingbar ist.

Im Außenverhältnis soll der neuen Kompetenzverteilung schließlich dahingehend Rechnung getragen werden, dass der - aus verfassungsrechtlichen Gründen seitens des Bundesministers für Finanzen vorzunehmende - Abschluss von Memoranda of Understanding nunmehr auf Basis eines gemeinsamen Vorschlags von FMA und OeNB erfolgen soll. Im Ergebnis wird somit die Rolle der OeNB in der Bankenaufsicht - und damit auch ihre diesbezügliche Verantwortung - weiter gestärkt.

Die Finanzmarktaufsichtsreform wurde darüber hinaus auch zum Anlass genommen, um den ersten "Lessons learned" aus den jüngsten - durch die US-Subprime-Hypothekenkrise ausgelösten - Finanzmarktturbulenzen Rechnung zu tragen. Die österreichischen Finanzintermediäre sind zwar aus heutiger Sicht nur relativ gering von diesen Auswirkungen betroffen, doch wurde deutlich, dass angesichts der zunehmenden Globalisierung, des Einsatzes komplexer Finanzprodukte, Finanzierungsstrukturen und Risikotransfermechanismen künftig verstärkt ein gesamtheitlicher Ansatz bei den Finanzmarktstabilitätsanalysen erforderlich ist. Voraussetzung dafür ist jedoch der Zugang zu entsprechenden Daten und Informationen.

In diesem Sinne sieht die Regierungsvorlage vor, dass die OeNB künftig nicht nur die in der erwähnten gemeinsamen Datenbank eingestellten bankaufsichtlichen Daten in gesamtwirtschaftlicher Hinsicht auswerten kann, sondern es sind ihr auch die für Finanzmarktstabilitätszwecke erforderlichen Daten von sämtlichen anderen Unternehmen der Finanzbranche (insbesondere Versicherungen) sowie der Pensionskassen zur Verfügung zu stellen.

Finanzmarktstabilitätsauftrag wesentlich gestärkt

Damit verbunden erhält die OeNB den ausdrücklichen Auftrag, im öffentlichen Interesse das Vorliegen all jener Umstände zu beobachten, die für die Sicherung der Finanzmarktstabilität in Österreich von Bedeutung sind, und sie wird verpflichtet, diesbezügliche Feststellungen grundsätzlicher Art oder von besonderer Bedeutung dem BMF und der FMA mitzuteilen. Insofern wird der Finanzmarktstabilitätsauftrag wesentlich gestärkt.

Erwähnen möchte ich in diesem Zusammenhang auch noch die als Novität geplante Regelung, wonach die OeNB im Bankenbereich künftig berechtigt sein soll, Vorort-Prüfung aus "makroökonomischen Gründen" (zum Beispiel Prüfung systemrelevanter Institute) aus eigener Initiative, das heißt ohne Prüfungsauftrag der FMA, durchzuführen. Damit erhält die OeNB ein weiteres Instrument für die Erfüllung ihres Finanzmarktstabilitätsauftrags.

Was bedeutet diese geplante Reform nun im Gesamtergebnis? Ich denke, dass sie für die OeNB, vor allem aber für den österreichischen Finanzplatz ein gutes Ergebnis darstellt. Zahlreiche Schnittstellen und Doppelgleisigkeiten werden bereinigt und eine internationale "Best Practice" entsprechende Verbindung von mikro- und makroprudentieller Analyse gewährleistet. Zudem ist für mich auch ganz entscheidend, dass die gemeinsame Verantwortung von FMA und OeNB weiter gestärkt wird.

Verstärktes Zusammenwachsen von FMA und OeNB

Zugegebenermaßen mag diese These einer verstärkten Zusammengehörigkeit aufgrund klarer Kompetenz-Trennlinien auf den ersten Blick als Paradoxon erscheinen. Ihre Berechtigung erhält sie meines Erachtens jedoch dadurch, dass im Zuge der neuen Kompetenzverteilung nicht nur eindeutig klargestellt werden sollte, welche Institution für welche Aufgaben zuständig ist, sondern künftig beide Institutionen im Zuge ihrer jeweiligen Aufgabenerfüllung noch stärker aufeinander angewiesen sind und intensiv kooperieren müssen.

Ungeachtet dessen, dass die Reform in organisatorischer Hinsicht nicht den Idealvorstellungen der OeNB entspricht, bin ich daher zuversichtlich, dass die laufende Aufsichtstätigkeit von einem verstärkten Zusammenwachsen von FMA und OeNB geprägt sein wird und auf diese Weise ein effizienter und effektiver Aufsichtsprozess erreicht werden wird.

Die Zwischenüberschriften sind von der Redaktion eingefügt.

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