Aufsätze

Private Banking in Deutschland in Zeiten der Finanzkrise

Das profitable Private-Banking-Geschäft, das in Deutschland in den letzten Jahren mit jährlich zirka sechs bis acht Prozent gewachsen ist, befindet sich derzeit wie die gesamte Bankenindustrie in der Krise. Massive Wertverluste über fast alle Anlageklassen hinweg ließen die angelegten Vermögen im Private-Banking-Segment (ab 0,5 Millionen Euro Anlagevolumen) bei den Banken und Vermögensverwaltern von 2007 auf 2008 um ein Viertel auf 480 Milliarden Euro sinken.

Massive Auswirkungen der Finanzkrise

Die Ergebnisse einer aktuellen und breit angelegten Marktuntersuchung der internationalen Strategie-Beratung Booz & Company zeigen, dass die Auswirkungen der Krise von den Banken in diesem Ausmaß nicht erwartet wurden und daher auch kaum Vorkehrungen getroffen wurden. Gegenwärtig rechnen die Banken nicht mit einer Erholung der Finanzmärkte vor 2010.

Die teilweise schlummernden Probleme im Private Banking, die durch die Finanzkrise aufgedeckt wurden, können in drei wesentliche Bereiche unterteilt werden:

- Vertrauensverlust der Kunden in die Kompetenz der Banken, der Berater und die Produkte.

- Druck auf das Geschäftsmodell als Folge des massiven Ertragseinbruchs durch die Abwertung der Anlagevolumina, Abflüsse von Kundeneinlagen und Umschichtung der Vermögensanlagen in margenarme Produkte.

- Weitergehende regulatorische Auflagen, die zusätzliche Kosten verursachen und die Geschäftspraktiken verändern werden.

Das Vertrauen der Kunden in die Banken und das Geschäftsmodell des Private Banking ist erschüttert. Viele Kunden folgten vertrauensvoll den Empfehlungen ihrer Berater und haben in der Krise relevante Teile ihres Vermögens verloren. Die unvermeidbaren Kundenabwanderungen und die unterschiedlich großen Wertverluste der Anlagen haben zu einer deutlichen Verschiebung der Marktanteile zwischen den Bankensektoren geführt (Abbildung 1).

Gleichzeitig haben viele Kunden aufgrund der großen Unsicherheit und der realisierten Wertverluste ihr Anlageportfolio massiv umgeschichtet und in einfache und transparente, aber dadurch margenarme Produkte, investiert. Des Weiteren ist die gesunkene Nachfrage nach diskretionären Vermögensverwaltungsmandaten zugunsten von Beratungsmandaten ein deutlicher Beweis für den Vertrauensverlust in die herkömmliche Vermögensverwaltung.

Bekanntermaßen ist der Aufbau von Vertrauen ein langer Prozess, und so müssen nun die Banken und Kundenbetreuer zur Rückgewinnung des Vertrauens eine Reihe von Maßnahmen ergreifen. Kurzfristig müssen die Kundenbetreuer durch systematische und regelmäßige Kommunikation mit ihren Kunden mögliche Ängste der Kunden erkennen und adressieren. Insbesondere müssen die veränderten Bedürfnisse der Kunden verstanden und diese mit ihnen hinsichtlich einer Neuausrichtung der Anlagestrategien gemeinsam neu analysiert und dann umgesetzt werden. Hierzu bedarf es gut vorbereiteter, intensiver persönlicher Gespräche mit den Kunden als vertrauensbildende Maßnahme. Zu überprüfen sind auch das regelmäßige Reporting und die regelmäßigen Kundeninformationen, damit diese flankierend zu den Kundengesprächen die richtigen Inhalte und Empfehlungen enthalten. Alles in allem ist dies eigentlich nichts Neues, sondern genau das, was ein Private-Banking-Kunde ohnehin von seiner Bank erwarten darf.

Weg von der Betonung des Vertriebs

Bankenintern muss eine umfassende Kommunikation mit den Kundenberatern stattfinden, um einen einheitlichen Auftritt im Markt und eine einheitliche Meinung zu den aktuellen Entwicklungen sicherzustellen. Als flankierende Maßnahme ist es erforderlich, diese Kommunikation durch effektive Prozesse und Tools zu unterstützen sowie durch eine Stärkung der Compli-ance-Prozesse.

Die Marktuntersuchung hat auch ergeben, dass einige Banken in dem Kundensegment bis 0,5 Millionen oder eine Million Anlagevolumen zu stärker vertriebsfokussierten Modellen übergegangen sind, die schon Komponenten des bei Versicherungen üblichen Strukturvertriebs enthalten. Dies passt nicht in das Private-Banking-Geschäft und Banken müssen zurück zu "Client-Centric"-Beratungs- und Betreuungsmodellen. Dabei müssen die Gründe für den Vertrauensverlust und die wahren Kundenbedürfnisse besser analysiert und verstanden werden. Auf dieser Basis sollten die Kundensegmentierung und die Prozesse für die Erarbeitung von Kundenbedürfnis- und Risikoprofilen überarbeitet werden und daraus Erkenntnisse zur Anpassung der künftigen Produkt- und Serviceangebote abgeleitet werden.

All dies erfordert eine hohe Qualifikation der Mitarbeiter, der nicht alle Banken im Aufschwung und Wachstum den nötigen Stellenwert gegeben haben. Da trotz der größeren Liquidität auf dem Private-Ban-king-Arbeitsmarkt die Möglichkeiten begrenzt sind, da die topqualifizierten Kundenberater nicht wechselbereit sind, müssen zur Erhöhung der Mitarbeiterqualität interne Maßnahmen genutzt werden: fokussierte Weiterentwicklungsprogramme, Verbesserung der Führungssysteme und zielorientierte Kompensationsmodelle - und all dies passend zur Kultur des Hauses.

Die Marktstudie zeigt auch deutlich, die gewachsene Bedeutung des Risikomanagements. Deshalb müssen die zukünftigen Produktangebote unter dem Aspekt Risiko-Rendite-Management grundsätzlich überdacht werden, insbesondere hinsichtlich einer flexiblen und schnellen Reaktion auf sich ändernde Marktsituationen. Dazu gehört auch der Ausbau des Kunden-Risiko-Managements, zum Beispiel Risiko-Simulationen und Risiko-Reporting, als Teil des Produkt- und Serviceangebots.

Ertragseinbruch

Durch den Wertverfall des Anlagevolumens (AuM) bei gleichzeitigem Margenrückgang sind die Erträge im Private Banking in 2008 um ein Fünftel auf 3,9 Milliarden Euro gesunken. Ein Bündel von Ursachen steckt hinter diesem Ertragseinbruch: höhere Preissensibilität der Kunden, höherer Wettbewerb der Anbieter, höhere Transparenz der Preise durch MiFID, Umschichtung in Produkte mit geringeren Margen, Abnahme des Anteils der Vermögensverwaltungsmandate sowie weniger Transaktionen bei den Beratungsmandaten. Für das Jahr 2009 lässt sich aus den aktuellen Entwicklungen für das Private-Banking-Geschäft in Deutschland ein ähnlich massiver Ertragseinbruch prognostizieren (Abbildung 2).

Die Ergebnisse der Studie zeigen weiter, dass die Kundenakzeptanz von neuen Preismodellen (wie zum Beispiel Beratungshonorar und Performance Fee) - zumindest in der gegenwärtigen Marktlage mittelfristig niedrig sein wird und dass Preismodelle keinen Differenzierungsfaktor im Wettbewerb darstellen (im Gegensatz zur Beratungsqualität, Performance und Marke).

Die Studie verdeutlicht ebenfalls, dass das Private-Banking-Geschäft von Banken oft noch als "Blackbox" betrieben wird, was durch die historisch hohe Profitabilität und das kontinuierliche Wachstum in den letzten Jahren begründet werden kann - "es rechnet sich doch sehr gut". Die Treiber für Kosten und Profitabilität werden vielfach nicht differenziert nach Kundensegmenten, Produkten, Berater/Beraterteams und Regionen berechnet und deshalb auch zu wenig aktiv gesteuert. Die durch den Ertragseinbruch massiv gefallene, teilweise sogar negative Profitabilität muss differenziert analysiert werden, um die richtigen Maßnahmen zur schnellen und nachhaltigen Ausrichtung des Geschäftsmodells zu finden. Basis hierfür muss ein differenziertes Verständnis von Kosten, Preismodellen, Erträgen für einzelne Kunden- und Produktsegmente sein. Wichtig ist dabei auch zu verstehen, wie sich Kundenverhalten und Nachfrageverschiebungen auf das Geschäftsmodell auswirken, auch um eine effektive Ressourcenplanung durchführen zu können, denn Personalkosten sind der größte Kostenblock im Geschäftsmodell Private Banking.

Skaleneffekte nicht nachweisbar

Weder in der Analyse von Booz & Company, noch in anderen Private-Banking-Studien, konnte ein Skaleneffekt nachgewiesen werden. Die großen Anbieter haben nicht, wie man erwarten möchte, durch eine Skalierbarkeit ihres Geschäftsmodells profitiert, einige haben in Erwartung weiteren Wachstums teure, groß dimensionierte Infrastruktur und Systemplattformen für Produktentwicklung, Port- folio-Management, Kunden-Management aufgebaut. Außerdem wurden auch viele Funktionen ressourcenseitig gut ausgestattet. Mancher Business Case rechnet sich mit der veränderten Marktsituation nicht wie geplant - aufgrund der damit ungünstigen Position auf der Skalenkurve, bei der die wegbrechenden Erträge die hohen Fixkosten nicht mehr ausreichend decken können.

Die aufgezeigten Profitabilitätsprobleme werden insbesondere die großen Player dazu zwingen, nach vielen ertragreichen Jahren oft zum ersten Mal, ihre Kosten deutlich und nachhaltig zu optimieren. Aber auch kleinere Anbieter müssen ihr Geschäftsmodell überdenken und anpassen. Bei der noch bestehenden Vielfalt und der überwiegend geringen Größe der Anbieter erwarten Experten in den nächsten Jahren eine (weitere) Konsolidierung der Angebotsseite im Private Banking, die auch zu einer höheren Professionalisierung führen wird - Gewinner sind dann hoffentlich auch die Kunden.

Neben kurzfristigen Maßnahmen, wie die Streichung nicht-notwendiger Ausgaben, eine mit dem Geschäftsvolumen einhergehende Mitarbeiterreduktion sowie die Korrektur von Einstellungsfehlern, das heißt Abbau von Low-Performern sowie eine situative Anpassung der Vergütungssysteme, sind auch tief greifende Maßnahmen bis hin zu einer Überprüfung und Neuausrichtung des Geschäftsmodells notwendig. Hierzu gehören eine kundensegmentspezifische Optimierung des Produkt-/Ser-vice-Portfolios sowie die richtige Dimensionierung des Betreuungsansatzes, die Optimierung/Standardisierung der Prozesse sowie die Anpassung der Support-Funktionen. Eine grundsätzliche Fragestellung der Ausrichtung des Geschäftsmodells ist, welche Zielkundensegmente die Bank mittel- bis langfristig bedienen will. Entsprechend gilt es segmentspezifisch das Geschäftsmodell entlang der Wertschöpfungskette hinsichtlich Spezialisierung versus Skalenstrategien auszurichten. Dies erfolgt beispielsweise auf Basis von Make-or-Buy-Entscheidungen für Produkte, Produktion und Abwicklung oder auch ob Skalen zugekauft beziehungsweise mit anderen geteilt (Outsourcing) werden sollen.

Es wird erwartet, dass die Optimierung der Geschäftsmodelle auch zu einer Konsolidierung in der Private-Banking-Industrie führen wird.

Regulatorischer Druck

Die Finanzkrise wird nach Einschätzung der Experten zu einer Ausweitung der Regulierung führen. Insbesondere durch die neue Rolle des Staates als Eigentümer von Banken und die durch Bankinsolvenzen und komplexe Produkte entstandenen Schäden bei Endkunden sieht sich der Regulator gefordert, den Kunden besser zu schützen. Erwartet werden deshalb erhöhte Beratungs- und Dokumentationsanforderungen, höhere Transparenz im Berichtswesen, Umkehr der Beweislast, Beraterhaftung und Ausweitung von Verjährungsfristen.

Erweiterte regulatorische Anforderungen werden zu einer Erhöhung der Kosten führen, die das Private-Banking-Geschäft insbesondere für kleinere Anbieter erschweren wird. Dies führt zu einer Änderung der Geschäftspraktiken, wie beispielsweise eine Beratung zu Produkten mit niedrigeren Risiken beziehungsweise eine stärkere Präferenz zur Empfehlung von Vermögensverwaltungsmandaten, um direkte Kundeninteraktionen zu reduzieren.

Wichtig ist hier, durch eine intelligente Integration der neuen Regulierung in den Beratungsprozess eine Verbesserung der Beratungsqualität zu erzielen. Wenn also ein Ergebnis erreicht wird, das "wirkliche" Risiko-Rendite-Profil des Kunden zu bestimmen und ihm das dafür passende Pro-dukt-Service-Angebot zu verkaufen, dann kann man den als eher lästig empfundenen regulatorischen Anforderungen etwas Positives abgewinnen - ein Gewinn für alle Beteiligten einen zufriedenen, gut beratenen Kunden, ein gutes Geschäft für die Bank und die Erfüllung der Rolle des Regulators.

Chancen für die Onshore-Märkte

Eine weitere regulatorische Entwicklung ist die Lockerung des Bankgeheimnisses in den Offshore-Märkten, auch eine Folge der Finanzkrise und ein Tribut der Banken in den typischen Offshore-Ländern. Hieraus ergeben sich Chancen für die Onshore-Märkte, denn es wird erwartet, dass mittelbis langfristig durch den OECD-Druck die Bedeutung des traditionellen Offshore-Geschäfts abnehmen wird. Dadurch werden sich die Offshore-Banken stärker durch spezielle "Declared Offshore"-Services differenzieren müssen, wie beispielsweise länderspezifische Steuerreports, überdurchschnittliche steueroptimierte Performance, Transaction Banking, steuerehrliche Diversifikation in verschiedenen Ländern und Buchungszentren.

Gleichzeitig wird je nach Ausgestaltung der Steueramnestie ein teilweiser Rückfluss von Offshore-Vermögen nach Deutschland erwartet - die Höhe der zu erwartenden Rückflüsse ist bei den Experten genauso strittig wie die Höhe des vorhandenen Off-shore-Vermögens. Hilfreich wäre es, eine weitgehende Regelung zu finden, um einen Schlussstrich unter das Kapitel Steuerflucht zu ziehen. Als Reaktion auf die Aussicht Offshore-Anlagen zu verlieren, gehen einige Anbieter der Offshore-Märkte mit "Going Onshore"-Strategien in die Gegenoffensive, wie dies zum Beispiel für Privatbanken aus der Schweiz zu beobachten ist. Diese Banken stehen allerdings erst einmal vor der Herausforderung neue Kunden zu akquirieren und setzen primär auf ihre starke Brand und aggressive Konditionen. Treu der Devise "Wettbewerb belebt das Geschäft", kann der Kunde hierbei nur gewinnen.

Die gegenwärtige Finanzkrise hat das Geschäftsmodell Private Banking unter Druck gebracht und stellt die Banken vor neue Herausforderungen. Die Agenda ist klar umrissen. Der Kunde bestimmt mit seiner Entscheidung für die "Region", die Bank und die Art des Mandats und die Wahl der Produkte wohin die Erträge fließen. Deshalb ist eine "Customer-Centric"-Ausrichtung des Geschäftsmodells die vorrangige Aufgabenstellung im Private Banking, gefolgt von der Gestaltung des Angebots und der Optimierung der Wertschöpfungskette. Steigender Wettbewerb, höhere Transparenz, besseres Risikomanagement und bessere Performance bringen Vorteile für die Private-Banking-Kunden. Insgesamt ist zu erwarten, dass die aufgezeigten Entwicklungen zu einer verstärkten Konsolidierung in der Private-Banking-Industrie führen werden. Letztlich werden diejenigen Private-Banking-Anbieter erfolgreich sein, die sich schnell und nachhaltig auf die veränderten Rahmenbedingungen ausrichten und sich dadurch erfolgreich für die Zeit nach der Krise aufstellen.

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