Aufsätze

Private Banking in der Genossenschaftsgruppe - Imitation oder echte Marktlücke?

Die Frage nach den Potenzialen im Geschäft mit vermögenden Privatkunden ist längst beantwortet. Keine genossenschaftliche Bank kann sich hier eine Angebotslücke leisten. Zu attraktiv sind die Chancen, mit Ankerprodukten und über Cross-Selling Kunden zu gewinnen oder zu binden. Eine Bank, die mit serviceorientierter Individualkundenbetreuung überzeugt - und sei es auch nur in einer Spezialfrage - hat beste Karten, die gesamte Kundenbeziehung zu übernehmen. Einer Bank, die hier die Segel streichen muss, weil sie etwa keine Antworten auf komplexe Vermögensstrukturen geben kann, entgeht mehr als nur der Ertrag für eine Finanzplanung.

Nicht "mehr vom Gleichen" - Einzigartigkeit überzeugt

Wer im Wettbewerb um vermögende Privatkunden relevante Marktanteile gewinnen will, braucht nicht nur eine gute Strategie und ein überzeugendes Geschäftsmodell. Mehr vom Gleichen ist der falsche Ansatz in dem existierenden Verdrängungswettbewerb. Den Kunden überzeugt Einzigartigkeit. Was ist der einzigartige Konkurrenzvorteil der Genossenschaftsbanken im Private Banking wodurch zeichnen sie sich besonders aus?

Notwendige Bedingung im genossenschaftlichen Finanzverbund ist die Subsidiarität des Kooperationsmodells. Wichtig ist für die Banken, ein umfassendes Angebot offerieren zu können - die Entscheidung trifft der Kunde nach seinen eigenen Bedürfnissen. Subsidiarität steht gerade hier im Zentrum. Die Ortsbank macht selbst, was sie selber machen will. Aber sie findet auch Unterstützung, wo Eigeninvestitionen nicht effizient sind. Und sie bleibt Manager der Kundenbeziehung im Rahmen einer eigenen, aktiven Geschäftsfeldplanung.

Der Finanzverbund hat eine gute Ausgangslage im Geschäftsfeld Private Banking. An den wichtigen Finanzzentren Schweiz und Luxemburg sind die DZ Privatbank Schweiz und die DZ Bank International seit vielen Jahren traditionell vertreten. Neu ist im Jahr 2006 die DZ Bank International Singapur als gemeinsame Tochter der beiden Private-Banking-Einheiten dazugekommen. Die Kompetenz im Research und Portfolio Management wird einerseits von diesen Einheiten selbst, andererseits im Sinne einer Synergienutzung in der Gruppe abgedeckt: Union Investment und DZ Bank sind international vernetzte Kompetenzcenter. Das Spezial-Know-how für die Vermögensverwaltung und darüber hinausgehende Bedürfnisse von Kunden mit komplexen Vermögensverhältnissen halten die Private-Banking-Einheiten in Zürich, Luxemburg und Singapur vor. Jeder Standort hat dabei spezifische, insbesondere auch aus Kundensicht relevante Vorteile.

Freiwilligkeit der Kooperation und Verbindlichkeit aus Überzeugung sind wichtige Eckpfeiler des Finanzverbundes. Einem möglichst vollständigen, aber betriebswirtschaftlich sinnvollen Allfinanzangebot stehen 1 200 eigenständige, höchst unterschiedliche Banken gegenüber. Sie haben die dezentrale Markt- und Vertriebshoheit. Jenseits der Produktebene sind daher standardisierte Lösungen nicht bedarfsgerecht. Große Banken in Ballungszentren haben eigene Private-Banking-Einheiten aufgebaut, manche sogar eigene Sub-Marken. Sie suchen Unterstützung in Spezialthemen, beim Offshore-Banking oder der Produkterstellung. Viele kleinere Banken können und wollen nicht selber investieren, haben aber durch ihre Marktnähe und lokale Verwurzelung erhebliche Potenziale im Private Banking. Sie brauchen auch in Vertrieb, Beratung und Betreuung Kooperationspartner in der Gruppe.

Flexible Kooperationsmodelle

Die Antwort sind flexible Kooperationsmodelle je nach Bankenbedarf. Diese Modelle variieren hinsichtlich des eigenen Wertschöpfungsbeitrags und haben entsprechende Konsequenzen unter anderem für Investitionen, Ressourcen, Kompetenzanforderungen und das Beratungsrisiko. Gleichzeitig steigt oder sinkt konsequenterweise der Grad der Inanspruchnahme subsidiärer Private-Banking-Partner und damit der Outsourcing-Grad.

Jede Bank kann sich bei der Marktbearbeitung zwischen vollständiger Selbsterstellung, vollständiger Kooperationslösung oder Zwischenmodellen entscheiden (make or/and buy). Die Entscheidung ergibt sich aus der Analyse der eigenen strategischen Aufstellung (Standortbestimmung) und der Umfeldsituation (Marktattraktivität). Für ein komplettes Kompetenzangebot einer Genossenschaftsbank im Private Banking ist eine vollständige Eigenerstellung und ein gänzlicher Verzicht auf die Kompetenzcenter des Verbundes nicht sinnvoll.

Soweit zur Innensicht. Was aber spricht den Kunden an, was ist anders als bei anderen Banken? Was können Volks- und Raiffeisenbanken besser? Welche Marktlücke wird besetzt? Eine der Antworten liefert die Finanzkrise: Die Branche erlebt die Renaissance einfacher, solider Lösungen - Lösungen, die jeder versteht, die vielleicht etwas langweilig, dafür aber berechenbar und transparent sind. Angesichts der Auswüchse der Finanzmarktkrise kehren die Kunden zurück zu den Wurzeln. Vermeintlich altmodische Ideen wie die der Genossenschaft sind aktueller denn je. Volks- und Raiffeisenbanken konnten im Zuge der Krise ihre Imagewerte bei den Verbrauchern erheblich verbessern und stehen an der Spitze der Vertrauensskala.

Das wirkt auch im Private Banking. Die Kombination von lokaler Verwurzelung, Kundennähe und Vertrauen aus der bekannten Betreuungssituation heraus mit den Möglichkeiten eines nationalen und internationalen Kompetenznetzwerkes ist einzigartig. "Privat seit 200 Jahren" ist heute wieder ein Wert, der viele Anleger anspricht. Dezentrale und flexible Strukturen, die gleichzeitig Internationalität und starke Netzwerke liefern, sind selten. Exklusive, aber nicht elitäre Dienstleistungen und Services - "Private Banking mit Bodenhaftung" - passen nicht nur ins bürgernahe Image der Gruppe, sondern grenzen positiv ab.

Die traditionelle Mittelstandsnähe der Volks- und Raiffeisenbanken bringt Positionierungs- und Wettbewerbsvorteile beim Zugang zu einer besonders attraktiven Kundengruppe: Nachfolgeregelungen und Firmenverkäufe erzeugen bei alteingesessenen Genossenschaftskunden neue Bedarfslagen. Der Firmenkunde wird zum vermögenden Privatkunden. Der Mittelständler, dessen langjährige Kreditlinie auch in schwierigen Zeiten hält, ist auch im Falle eines Unternehmensverkaufs ansprechbar. Genossenschaftliches Private Banking positioniert sich so in einem klar definierten Segment - und bietet hier eine echte Alternative zu Global Playern und etablierten Privatbanken.

Private Banking im Ausland oder grenzüberschreitend

Im Kundenbestand der Volks- und Raiffeisenbanken schlummern hohe Potenziale. Die Differenz zwischen der Kundenreichweite im Retailgeschäft und den realisierten Marktanteilen im gehobenen Privatkundengeschäft liegt im dreistelligen Euro-Milliardenbereich. Dabei geht es in allererster Linie um die Vermögensteile, die aus Zweit- oder Nebenbankverbindungen oder aus Firmenkundenbeziehungen zu aktivieren sind. Es klingt ganz einfach: Die Kontakte sind da - man muss sie nur noch nutzen.

Durch die Integration in einen leistungsstarken Verbund kann jede der 1 200 Volksbanken/Raiffeisenbanken mit ihren mehr als 14 000 Bankstellen ein vollständiges Private-Banking-Angebot aufweisen. Je nach Wunsch und Wahl des Kunden kann er über die Bank vor Ort bei der DZ Bank International oder bei der DZ Privatbank Schweiz internationale Vermögensverwaltungskompetenz abrufen. Oder er wählt das klassische Inlands-Angebot des Finanzverbunds, also mit Depotführung in Deutschland, dabei ist jede Genossenschaftsbank selbst eine Privatbank. Sie ist Buchungsstelle, Beziehungsmanager und oft auch Private-Banking-Kompetenzcenter. Hier unterstützen, wenn die Bank und der Kunde das wünschen, die subsidiären Verbundpartner, ohne die zugrunde liegende Kundenbeziehung zu kappen. Der Effizienz-Grundsatz der dezentralen Marktverantwortung bei zentraler Kompetenzerstellung wird hier fortgesetzt.

Nachhaltigkeit als einzigartiger Konkurrenzvorteil

Der genossenschaftliche Ansatz der Nachhaltigkeit ist zeitgemäßer denn je. Daraus ergibt sich auch die Marktlücke für das genossenschaftlichen Private Banking. Hier liegt kein kultureller Widerspruch vor, ebenso wenig wie Reichtum gesellschaftliche Verantwortung ausschließt. Vermögende Privatkunden haben nicht nur viel Geld, sondern auch das "Vermögen", etwas Verantwortungsvolles damit zu tun. Der Transfer von Reichtum in "Vermögen" ist ein ganz konkretes Beispiel für genossenschaftliches Private Banking: Etwa wenn ein in der Region verankerter mittelständischer Unternehmer mit Hilfe einer über die örtliche Genossenschaftsbank gegründeten Stiftung gesellschaftliches Engagement verwirklicht.

Der einzigartige Konkurrenzvorteil liegt also weniger in den einzelnen Dienstleistungen - hier ist die Gleichartigkeit von Angeboten kaum zu vermeiden. Vielmehr liegt er in der Kundennähe, im gewachsenen Vertrauen, in der speziellen Beziehung zu wichtigen Zielgruppen. Denn ohne Vertrauen funktioniert das auf Verantwortungs- und oft auch Entscheidungsdelegation beruhende Modell nicht. Das ist die Marktlücke, die einen offensiven Marktantritt der Genossenschaftsbanken im Private Banking nicht nur rechtfertigt, sondern geradezu fordert.

Noch keine Bewertungen vorhanden


X