Aufsätze

Private Banking in der Sparkasse - Erfahrungen und Ambitionen in Potsdam

Die hohe Bedeutung der vermögenden Privatkundschaft ist unter deutschen Kreditinstituten weitgehend unumstritten; dieses Marktsegment wird im Allgemeinen unter dem Namen Private Banking bearbeitet. Was sich genau dahinter verbirgt, hängt von der jeweiligen Definition des einzelnen Kreditinstitutes ab. Wichtig ist in erster Linie die Abgrenzung zu den darunter liegenden Segmenten - nicht selten ausgedrückt durch eine Mindestvermögenshöhe, die den Zugang in dieses Marktsegment ermöglicht. Sofern es sich beim jeweiligen Private-Banking-Angebot nicht bloß um eine der Mode folgende, andere Art der Kundenkommunikation handelt, kommen ein gegenüber den anderen Privatkundensegmenten erweitertes Leistungsangebot mit einer intensiveren Kundenbetreuung sowie ein abweichender Vertrieb zur Anwendung.

Vermögensanlagegeschäft im Blick

Die Andersartigkeit der Marktbearbeitung folgt dabei der Nachfrage: Mit dem Vermögen steigt dessen qualitative und quantitative Komplexität. Auf die daraus folgenden Kundenbedürfnisse haben sich Anbieter einzustellen in Bezug auf Mitarbeiterkompetenz und Dienstleistungspalette. Hinzu kommen eine mit dem Vermögen ansteigende Verhandlungsmacht der Kunden hinsichtlich der Preisgestaltung sowie ein vermeintliches oder tatsächliches Anspruchsdenken bezüglich des Ambientes, in dem sie beraten werden.

Für die Mittelbrandenburgische Sparkasse in Potsdam (MBS) bedeutet Private Banking das Angebot umfassender Bankdienstleistungen für vermögende Privatkunden, in dessen Zentrum das Vermögensanlagegeschäft steht. Die damit verbundene intensivere Betreuung lässt sich in der Regel ab einem liquiden Kundenvermögen von 250 000 Euro rechtfertigen - entsprechender Beratungsbedarf vorausgesetzt. Alternativ wird eine Kombination aus dem Lebensalter des Kunden und seinem Einkommen herangezogen, um ihn beim Vermögensaufbau zu begleiten.

Ertragreiches Marktpotenzial

Im Umfeld des Private Banking findet man zudem noch teils subsumierbare, teils missverständliche Begriffe wie Vermögensverwaltung, Vermögensberatung oder Family Office (konkrete Dienstleistungen), Individualkundenberatung oder gehobenes Privatkundengeschäft (insbesondere Abgrenzung zum Mengengeschäft), ganzheitliche Beratung (Angebotsbreite) oder Private Wealth (bei weiterer Segmentierung innerhalb des Private Banking die intensivere Beratung der vermögenderen Kunden).

Die Attraktivität des Private Banking aus Sicht der Kreditinstitute hat im Wesentlichen drei Ursachen: Erstens die geringe Eigenkapitalbelastung aufgrund der Vorrangstellung des Vermögensanlagegeschäftes, das keiner bilanziellen Risikotragfähigkeit bedarf. Zweitens die relativ gute Prognostizierbarkeit der Erträge - insbesondere in der Vermögensverwaltung sind im Schnitt ein Prozent Vermögensverwaltungsgebühr kalkulierbar. Dieser Wert sinkt allerdings mit ansteigendem Kundenvermögen beziehungsweise ansteigender Verhandlungsmacht und wird zudem von den Marktentwicklungen beeinflusst. Vor allem aber drittens die relativ hohen, aus der jeweiligen Kundenverbindung insgesamt generierbaren Erträge, die trotz des höheren anbieterseitigen Aufwandes inzwischen das Interesse aller Bankengruppen auf sich gezogen haben.

Schätzungen zufolge gibt es in Deutschland rund 1,4 Millionen Haushaltsverbünde mit einem liquiden Vermögen oberhalb von 250 000 Euro. Das aggregierte Vermögen wird auf knapp eine Billion Euro geschätzt, mit einem Wachstumspotenzial von vier Prozent pro Jahr und einem für Kreditinstitute generierbaren Gesamtertrag von 16 Milliarden Euro.1)

Sparkassen und Private Banking Mit ihrer breiten Angebotspalette und ihren Kernkompetenzen insbesondere im Zahlungsverkehr, dem Kreditgeschäft und dem standardisierten Anlagegeschäft folgen die deutschen Sparkassen ihrem öffentlichen Auftrag, regional verwurzelt Bankdienstleistungen für alle Bevölkerungsgruppen bereitzuhalten, und erzielen dabei bemerkenswerte Erfolge: Sie besitzen mit 97 Prozent die mit Abstand bekannteste Marke im Finanzsektor2) und genießen das größte Vertrauen unter allen Wirtschaftsunternehmen in Deutschland.3) Ihre Reichweite liegt bei 60 Prozent der Bevölkerung, das gilt auch für Private-Banking-Kunden, bei denen die Sparkassen allerdings im originären Private-Banking-Geschäft nur auf zehn Prozent Marktanteil kommen.

Somit haben bis zu 50 Prozent der Private-Banking-Kunden im jeweiligen Geschäftsgebiet eine Kontoverbindung zur örtlichen Sparkasse, nutzen jedoch im Private Banking die Wettbewerber. So überrascht es nicht, dass der Report "Elite der Vermögensverwalter 2010" unter 32 ausgezeichneten deutschen Anbietern mit der Hamburger Sparkasse nur eine Sparkasse zählt4), der man zudem eine Sonderstellung attestieren kann. Wenngleich die Intentionen des öffentlichen Auftrages sicher nicht primär auf Vermögende abzielen, könnte man den Sparkassen beim Private Banking sogar noch einen Nachholbedarf bescheinigen.

Kompetenzanforderungen

Auf die nur schwer zu quantifizierenden Fragen nach der Kompetenzvermutung oder gar nach dem Image der Sparkassen und dessen Bedeutung im Geschäft mit vermögenden Privatkunden soll hier nicht näher eingegangen werden. Die sich allein aus dem Besitz eines hohen Vermögens ergebenen Konsequenzen für die Kunden bedeuten bereits Herausforderungen auf Seiten der Sparkassen, die über das bankbetriebliche Kerngeschäft hinausgehen:

Immobilien: Den größten Teil ihres Vermögens haben die Deutschen in Immobilien investiert.5) Je mehr Vermögen Kunden insgesamt besitzen, desto geringer ist die Bedeutung von Immobilien zur Eigennutzung. Stattdessen werden Immobilien zur Anlageklasse wie Aktien oder Renten.

Steuern: Anlageentscheidungen im Private Banking werden grundsätzlich unter Berücksichtigung der Steuern getroffen, insbesondere bei der Übertragung auf die nächste Generation und der Ausnutzung von Gestaltungsspielräumen.

Stiftungen: Immer mehr Vermögende errichten Stiftungen, Tendenz steigend, insbesondere nach dem "Gesetz zur weiteren Stärkung der bürgerschaftlichen Engagements" im Jahre 2007, das vor allem Steuererleichterungen beinhaltete. Bei der mitunter komplizierten Stiftungsgründung benötigen Kunden Unterstützung. Zudem sind Stiftungen auch jenseits des Private Banking als institutionelle Kunden begehrt.

Vermögensverwaltung: Eine eigene Vermögensverwaltung (Mandatsverwaltung) ist zwar prinzipiell als Teil des bankbetrieblichen Kerngeschäfts zu betrachten, jedoch nur selten Teil der Angebotspalette einer Sparkasse. Gleichwohl ist die Vermögensverwaltung eine der zentralen Dienstleistungen im Private Banking.

Betriebswirtschaftlich sinnvoll?

Für alle genannten Aspekte gilt, dass es unter Kostenaspekten zum Bereithalten der jeweiligen Expertise einer entsprechend häufigen Kundennachfrage bedarf. Träger der erforderlichen Expertise sind mitunter hoch zu entlohnende Spezialisten für Im-mobilen-, Steuer- und Stiftungsfragen sowie Kapitalmarktanalysten. Dazu kommt eine begleitende Geschäfts- und Prozessausstattung. In Abhängigkeit der konkret vorliegenden Markt- und Ertragspotenziale im jeweiligen Geschäftsgebiet kann es somit für eine Sparkasse betriebswirtschaftlich sinnvoll sein, auf ein Engagement im Private Banking zu verzichten.

Generell jedoch folgen aus der oben genannten Lücke zwischen hoher Reichweite auch in die Private-Banking-Klientel hinein und noch geringem Marktanteil im eigentlichen Private Banking erhebliche Potenziale für Sparkassen in diesem Segment. Zudem locken Festigung und Ausbau der Kundenverbindung, die Chance auf Neukunden durch ein erweitertes Angebot und die Abschottung gegenüber dem Wettbewerb.

Hemmnisse für Sparkassen

Ein qualitativ hochwertiges Private Banking als Sparkasse in Eigenregie anzubieten heißt, vorher die konkret vorliegenden Rahmenbedingungen im Geschäftsgebiet zu prüfen, um zu einer betriebswirtschaftlich sinnvollen Lösung zu kommen. Folgende Hemmnisse sind dabei zu berücksichtigen:

- Ohne eigene Vermögensverwaltung fehlt eine Ankerdienstleistung im Private Banking.

- Gegebenenfalls bedarf es teurer Mitarbeiter mit spezieller Private-Banking-Expertise.

- Private Banking im Rahmen der Sparkas-sen-Markenwelt kann von einem Imageproblem belastet sein - unabhängig davon, wie berechtigt oder unberechtigt entsprechende Vorbehalte sein mögen.

- Hohe Reichweite im Firmenkundengeschäft bedeutet nicht automatisch hohes Akquisitionspotenzial im Hinblick auf das Privatvermögen der Unternehmer oder der leitenden Angestellten: Die meisten Unternehmer meiden für ihr Privatvermögen die Hausbank des Unternehmens, um ungewollte Transparenz zu vermeiden.6)

Stark in der inneren Akquisition

Im Bewusstsein der genannten Markt- und Ertragspotenziale hat die MBS im Jahre 2007 die Entscheidung getroffen, ein eigenes Private Banking aufzubauen. Dazu hat sie eine separate Vertriebseinheit aufgestellt mit anspruchsvoll gestalteten Geschäftsräumen in einer See-Villa in der Berliner Vorstadt in Potsdam - in unmittelbarer Nähe zu den Wohnorten der anvisierten Kunden. Insgesamt vier Privatkundenberater, zwei Unternehmenskundenberater sowie Assistenten stellen eine ganzheitliche Beratung sicher, wobei der Schwerpunkt naturgemäß auf dem Wertpapiergeschäft liegt. Um die Fläche im gesamten MBS-Geschäftsgebiet abzudecken, dienen zudem die neun Marktdirektoren als Relationship Manager. Eine eigene Vermögensverwaltung wird nicht angeboten.

Schon nach relativ kurzer Zeit zeichneten sich für die MBS zwei wesentliche Erkenntnisse aus dem eigenen Private Banking ab: erstens moderate Neukundenzahlen, zweitens erfreuliches Einwerben von neuem Geld. Mithin ist es gelungen, über eine intensivere Betreuung die Geschäftsverbindung zu den schon vorhandenen Kunden auszuweiten, während die Akquisition von Neukunden hinter den Erwartungen zurückblieb. Ein bestimmter Teil des Marktpotenzials im Private Banking bleibt allerdings verschlossen.

Die Übersicht 1 zeigt die Dreiteilung der Private-Banking-Klientel aus Sicht einer Sparkasse. Danach haben sich eigene Pri-vate-Banking-Aktivitäten in erster Linie auf die Festigung der Geschäftsbeziehung zu den vorhandenen vermögenden Privatkunden zu konzentrieren. In zweiter Linie gilt es, auch Vermögensanlagegeschäfte mit jenen Kunden zu tätigen, die zwar Sparkas-sen-Kunden sind, jedoch im Private Banking bislang den Wettbewerb vorziehen. Die dritte Gruppe, Vermögende ohne Bindung zur Sparkasse, ist nach den Erfahrungen der MBS nur sehr schwierig zu akquirieren.

Kooperation mit einem Private-Banking-Partner

Da sich das Marktpotenzial für die MBS teilweise nicht erschließen ließ, das Marktsegment unverändert als lukrativ angesehen wurde und sich zudem die Gelegenheit bot, fiel im Jahre 2009 die Entscheidung zum Erwerb der Weberbank Actiengesellschaft, einer im Private Banking mehrfach ausgezeichneten Privatbank. Mit der renommierten Marke - der einzigen innerhalb der S-Finanzgruppe in Deutschland samt lukrativem Kundenstamm sowie den Vertriebsspezialisten konnte die MBS vorhandene Lücken im Private Banking schließen. Der Privatbankcharakter der Weberbank bleibt dabei erhalten und findet im Rahmen einer Zwei-Marken-Strategie seine Würdigung. Die von der Weberbank abgedeckte, komplementäre Erweiterung der Sparkassen-Dienstleistungspalette steht zudem auch anderen Sparkassen bei Bedarf zur Verfügung.

Durch die Zusammenarbeit mit der Weberbank werden Sparkassen ihr Angebot um das Private Banking ergänzen können. Beispielhaft sei hier die Vermögensverwaltung erwähnt, bei der die Kundendepots in der jeweiligen Sparkasse verbleiben, während die Experten der Weberbank dank einer gemeinsamen EDV-Plattform entsprechend ihrer Marktsicht und den Kundenvorgaben disponieren können. Damit besitzen Sparkassen eine zentrale Dienstleistung, um diejenigen Kunden anzusprechen, die ihre Vermögensanlage bei Wettbewerbern tätigen, und Mehrerträge zu generieren. Zugleich erhalten Sparkassen nunmehr Zugang zu Instrumenten, die geeignet sind, abwanderungsgefährdete Gelder zu halten.

Neben der Potenzialabschöpfung innerhalb der bestehenden Sparkassenkundschaft eröffnet die Kooperation mit der Weberbank auch den Zugang zur bislang verschlossenen Kundengruppe, deren Mitglieder einer Sparkasse aufgrund ihrer Verwurzelung in der Region in der Regel bekannt sind. Das umfasst auch das Privatvermögen von Firmenkunden, die aus Transparenzgründen Wert auf eine Trennung von Privat- und Unternehmenssphäre legen. Entsteht aus dem von der Sparkasse vermittelten Kontakt eine Geschäftsverbindung zur Weberbank, profitiert die vermittelnde Sparkasse praktisch aufwandslos von den aus der neuen Verbindung generierten Erträgen und erhöht das von der S-Finanzgruppe betreute Vermögen.

Mit der Weberbank bringt die MBS Pri-vate-Banking-Kompetenz in die S-Finanzgruppe, die das Dienstleistungsangebot der Sparkassen am oberen Rand des Privatkundengeschäftes komplettiert und Sparkassen den Zugang zu einem Marktsegment öffnet, das bislang nur den Großbanken, Privatbanken und ausländischen Instituten vorbehalten blieb.

Fußnoten

1) zeb/rolfes.schierenbeck.associates: Private-Bank-ing-Studie 2008.

2) IPSOS 2008.

3) Forsa 2009.

4) Elite Report Edition/Handelsblatt (Hrsg.): Die Elite der Vermögensverwalter im deutschsprachigen Raum (2010), S. 63.

5) 81,4 Prozent des Gesamtnettovermögens gemäß DIW Berlin, Wochenbericht Nr. 4/2009, Seite 60; andere Quellen setzen die Quote des Immobilienvermögens niedriger an (zum Beispiel Bundeszentrale für politische Bildung mit Verweis auf Bundesbankzahlen 2006: 46,3 Prozent gegenüber 43,6 Prozent Geldvermögen).

6) ebs/PFI-Studie 2008.

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