Sparkassenverbund 2012 - Interview

Redaktionsgespräch mit Johannes Werner "Wir suchen nach Anlagevehikeln mit Risiken, die wir für beherrschbar halten"

Wie fühlen Sie sich derzeit als Chef einer großen Sparkasse in Hauptstadtnähe? Überwiegen die Standortvorteile im Speckgürtel einer Metropole wie Berlin, oder leiden Sie eher unter dem Wettbewerbsdruck in einem Ballungsraum?

Die Mittelbrandenburgische Sparkasse hat ein landschaftlich und vor allem wirtschaftlich reizvolles Geschäftsgebiet, das hervorragende Geschäftsmöglichkeiten bietet. Es umfasst fünf Landkreise und zwei kreisfreie Städte nördlich, westlich und südlich um Berlin herum. Dementsprechend fühle ich mich trotz aller Herausforderungen sehr gut. Bis an die Stadtgrenzen Berlins und natürlich auch mit Kundschaft aus Berlin sind wir in diesem Markt seit vielen Jahren in allen Geschäftsfeldern erfolgreich unterwegs und müssen aus einer Position der Stärke keinen Konkurrenten fürchten.

Welche Wettbewerber machen Ihnen zu schaffen? Insbesondere die Volksbank?

Nein. Im Privatkundenbereich sind derzeit eindeutig die Auslands- und Internetbanken mit ihren Kampfkonditionen im Einlagengeschäft die stärksten Wettbewerber. Im Kleingewerbe und mittleren Gewerbe ist es die Berliner Volksbank. Und im Großgeschäft mit Unternehmenskunden spüren wir die Konkurrenzsituation wenig oder gar nicht. Natürlich sind die Deutsche Bank und andere Institute vertreten, aber wir können uns auf diesem wie auf anderen Feldern gut behaupten, zumal es bei unserem Potenzial eine Kreditklemme nicht geben kann.

Sie spielen auf das vergleichsweise hohe Einlagenvolumen an ...

Ja, die Sparkasse mit ihrer derzeitigen Bilanzsumme von rund 9,7 Milliarden Euro hat ein Einlagenvolumen von etwas über acht Milliarden Euro und ein Kreditvolumen von 3,8 Milliarden Euro. Das heißt: Anders als viele westdeutsche Sparkassen haben wir damit ein sehr großes Delta zwischen dem Einlagen- und dem Kreditvolumen. Wir sind für Wachstum entsprechend offen.

Welche Dimensionen hat das Depot-A-Geschäft Ihres Hauses?

An den Eigenanlagen gemessen dürften wir mit rund 6,5 Milliarden Euro nach der Haspa die zweitgrößte deutsche Sparkasse sein.

Ihr Haus zählt zu den ertragsstärksten deutschen Sparkassen. Insofern dürfte Sie das gewichtige Depot-A-Geschäft bei der derzeitigen Zinssituation nur bedingt beglücken ...

Im Gegenteil, auch dieses Geschäftsfeld macht uns noch Freude. Die Ertragslage der Sparkassen gerät derzeit aufgrund des Zinsumfeldes zwar in der Tat unter Druck - wegen der Zinsstrukturkurve, wegen der geringeren Beiträge der Fristentransformation und nicht zuletzt wegen der Kampfkonditionen der ausländischen Banken im Einlagengeschäft. Doch unser Haus hat glücklicherweise im Depot-A mit einer entsprechenden Anlagestrategie rechtzeitig reagiert. Gleichzeitig sinken auf der Einlagenseite wegen des tendenziell kurzfristigen Anlageverhaltens der Kunden die Zinsen. Im Schnitt erwirtschaften wir damit zurzeit zumindest eine kleine Verbesserung des Zinsüberschusses.

Trägt das auch im Rest des zweiten Halbjahres?

Wenn in den nächsten Monaten die Entwicklung des Zinsumfeldes und der Fälligkeiten der Depot-A-Strukturen nicht völlig anders verlaufen als es derzeit absehbar ist, werden wir für dieses Jahr in absoluter Größenordnung das beste Ergebnis der Sparkasse zeigen können. Wir rechnen mit über 120 Millionen Euro als Ergebnis nach Steuern, nachdem wir schon für das Berichtsjahr 2011 über 100 Millionen Euro ausgewiesen haben. Damit liegen wir an der Spitze der deutschen Sparkassen.

Womit hängen die traditionell guten Ergebnisse der MBS zusammen?

Die gute Ertragslage hat einerseits mit der Arbeit meines Vorgängers Walter Schubert zu tun. Die Tugenden Sparsamkeit, Bescheidenheit, Effizienz und Fleiß spielen in der Grundphilosophie unseres Hauses seit jeher eine große Rolle. Das fängt bei dem bewusst funktionsgerecht gehaltenen Bau der Zentrale an und reicht bis hin zu schlanken Prozessen.

Zudem gibt es traditionell ein ausgeprägtes Risikobewusstsein, das die Sparkasse in die Lage versetzt hat, ein gutes Eigenkapitalpolster von über 1,2 Milliarden Euro zu bilden. Und darüber hinaus haben wir noch stille Reserven. An bestimmten Engagements mit ihren vergleichsweise hohen Risiken haben wir uns in der Vergangenheit nicht beteiligt und waren folglich auch nicht von Abschreibungen betroffen. Das stabilisiert natürlich dieses Institut. Wir haben eine Solvabilitätskennziffer jenseits von 34 Prozent. Hinsichtlich der Eigenkapitalanforderung kann uns Basel III damit nicht schrecken. Und ansonsten auch nicht.

Gibt es in Ihrem Geschäftsgebiet eine Gemengelage mit anderen Sparkassen?

Im klassischen Sinne nicht. Wie es in unserer Satzung steht, betreiben wir keine Filialen in Berlin. Umgekehrt unterhalten die Landesbank Berlin beziehungsweise die Berliner Sparkasse keine Filialen in Brandenburg, wenngleich die LBB Berlin und Brandenburg als ihr Geschäftsgebiet ansieht. Aber natürlich haben wir Kundschaft aus Berlin, angefangen vom Einlagengeschäft bis hin zur Wohnungsbaufinanzierung. Das ist nicht anders als in anderen Ballungsräumen.

Die Landesbank könnte also hier Filialen eröffnen?

Ja, aber beide Häuser legen es nicht auf Konfrontation an. Wir betreiben unsererseits auch keine Geldautomaten in Berlin. Unsere Tochter Weberbank ist dort als selbstständige Bank 1949 gegründet worden und hat vor drei Jahren über die Bankgesellschaft Berlin und die WestLB zu uns gefunden - seinerzeit nach der Anordnung der EU zum Verkauf und mit der Zustimmung der Sparkassenvertreter im Aufsichtsrat der WestLB.

Zurück zu der großen Bedeutung von Depot-A-Geschäft und Treasury: Hat Ihr Haus auf diesen Feldern besondere Kompetenz aufgebaut?

Bei Amtsantritt war ich von der Struktur des Depot-A-Geschäftes und von der Professionalität und dem Weitblick, mit dem es gemanaget wird, überrascht. Denn ich fand eine Breite des Portfolios vor, die ich aus meinen Stationen bei anderen Sparkassen nicht gewohnt war. Hier waren und sind beispielsweise seit Jahren Produkte wie dänische und niederländische Pfandbriefe und auch viele Derivate im Einsatz. Mit ihrer breiten Aufstellung in diesem Geschäftsfeld hat die Sparkasse in der Vergangenheit sehr gute Ergebnisse erzielt. Und sie hatte und hat aus einer Position der Stärke heraus die Möglichkeit, jene Assetklassen, die im Zuge der Finanzkrise in den Blickpunkt gerieten, zu überprüfen und bei Bedarf deutlich zu reduzieren. In diesem Sinne haben wir in den vergangenen Jahren die Qualität des Portfolios im Lichte der Entwicklungen der Finanzkrise noch deutlich erhöht. Konkret haben wir durch den rechtzeitigen Abbau derivativer Strukturen sowie von Staatsanleihen aus Griechenland, Italien und Spanien ohne große Verluste Risiken herausgenommen.

Das verschafft uns weiteres Potenzial, den Herausforderungen des Marktes einschließlich der demografischen Entwicklung erfolgreich zu begegnen.

Das Thema Demografie ist eher in ländlichen Regionen zu vermuten, aber nicht rund um Berlin ...

In unserem Geschäftsgebiet gibt es neben dem Ballungsraum Berlin durchaus ländliche Regionen in Brandenburg, auch wenn sich unser Geschäftsstellennetz natürlich besonders stark an den Stadtgrenzen Berlins konzentriert. Im Großraum Berlin registrieren wir dabei in der Tat Zuzüge. Aber in den Randbereichen müssen wir bei der Bevölkerungsentwicklung in den nächsten Jahren durchaus mit einem Minus von über 15 Prozent rechnen, gekoppelt mit einer Überalterung der verbleibenden Bevölkerung. Auf diese beiden demografischen Entwicklungen stellen wir uns ein, beispielsweise mit Konzepten zur Sicherstellung einer flächendeckenden Versorgung und zur Neukundengewinnung. Wir sind dabei bestrebt, die Filialstruktur weitestgehend aufrechtzuerhalten, müssen aber gleichzeitig die Ressourcen wahren, um die Marktpotenziale im Ballungsgebiet Berlin zu erschließen. Das ist eine gleichermaßen spannende wie herausfordernde Aufgabe.

Woher könnte die Bedrohung der bisher so guten Ertragslage kommen?

Früher trug gerade Fristentransformation zu Erträgen bei Sparkassen bei. Momentan gibt die Zinsstrukturkurve am Markt fast kein Geschäft mehr her. Vielmehr spielt derzeit die Bonitätskurve die entscheidende Rolle. Das heißt, die Sparkassen müssen künftig stärker als bisher Bonitätsrisiken schultern, beispielsweise auch Länderrisiken. Banken wie etwa Santander nehmen derzeit in Deutschland Gelder vergleichsweise billig für 2,5 Prozent auf und legen sie am Heimatmarkt zu fünf Prozent wieder an. Allein damit haben sie schon ein Geschäft gemacht.

Ähnliches gilt im Allgemeinen für die Passivseite der Banken. Wer eine positive Performance erzielen will, muss die Einlagen veredeln. Wir als MBS haben zurzeit eine Zinsmarge von 2,58 Prozent. Andere große Sparkassen liegen bei 1,60 bis 1,65 Prozent. Das heißt: Mit Blick auf die derzeitigen Zinsverhältnisse ist unsere Zinsmarge nicht annähernd aufrechtzuerhalten, ohne gewisse Risiken zu fahren. Wer den Kunden 1,5 Prozent an Einlagenzinsen zahlt und 2,5 Prozent verdienen will, muss irgendwie Kreditgeschäft machen. Institute, die kein so ausgeprägtes Kreditgeschäft haben, müssen sich überlegen, wie sie ihren Ertrag in Zukunft sicherstellen wollen.

Das wird spätestens dann akut, wenn die noch günstige Struktur des Depot-A-Geschäftes verloren geht ...

Richtig, momentan und auch im nächsten Jahr profitieren wir noch von niedrigen Fälligkeiten auf der Anlageseite, die uns einen leicht rückläufigen, aber noch vergleichsweise stabilen Ertrag bringen. Aber parallel suchen wir nach Anlagevehikeln mit Risiken, die wir für unser Haus für beherrschbar und damit akzeptabel halten. Unsere solide Ausstattung mit Eigenkapital verschafft uns eine Risikotragfähigkeit, die andere Institute nicht haben. Dabei versetzt uns die gute Kostenstruktur mit einer Cost Income Ratio von 45 Prozent in die Lage, vorübergehend eine gewisse Verengung bei den Erträgen verkraften und behutsam an einer Veredelung der Geschäfte arbeiten zu können. Hätten wir beispielsweise 70 Prozent als Cost Income Ratio, wie das bei einigen Häusern der Fall ist, würde alleine das einen Unterschied von 50 Millionen Euro ausmachen.

Muss das Depot-A-Geschäft bei der MBS gut laufen, damit die Sparkasse sich die Ertragsstärke in den kommenden zehn Jahren erhalten kann?

Das Depot-A-Geschäft ist für uns ein sehr stabilisierender Faktor. Dennoch reduzieren wir es, um mehr Kreditgeschäft machen zu können. Wie gesagt verbessern wir darüber sogar die Margen.

Wir hatten lange Zeit rund fünf Prozent an Einlagenzuwachs im Jahr. Bei acht Milliarden Einlagen sind das 350 bis 400 Millionen Euro. Wenn auf der anderen Seite das Kreditgeschäft von 3,5 Milliarden Euro gut zehn Prozent Zuwachs hat, sind das auch gut 350 Millionen Euro. Diese Liquidität für die Refinanzierung des Kreditgeschäftes muss bei einem geringen Wachstum des Einlagenbestandes irgendwo herkommen. Wenn man in einer solchen Situation Fälligkeiten aus dem Depot-A herausnehmen kann, die bei einer Wiederanlage ins Bodenlose sinken würden, hat man einen idealen Weg, das Geschäft auf der Ertragsseite zu stabilisieren. Aber wir wollen dabei natürlich unsere Marktanteile nicht verlieren. Vielmehr gilt es, die Krise zu nutzen, um aus ihr erstärkt hervorzugehen. In diesem Sinne hat die Sparkasse sehr wohl erkannt, dass sie Marktpotenzial für die Zukunft suchen muss.

Welche Beispiele fallen Ihnen ein?

Das betrifft beispielsweise das weite Feld der Altersvorsorge, das Versicherungsgeschäft, das Private Banking oder auch die Neukundengewinnung. Sehr viele Kunden ziehen von Berlin in das Umland, also unser Geschäftsgebiet. Natürlich müssen diese nicht zwingend die Bankverbindung wechseln, aber wir müssen sie gleichwohl gezielt ansprechen.

Ähnliches Potenzial haben wir seinerzeit auch im Private Banking gesehen. Wenngleich wir in diesem Geschäftsfeld mit einer hauseigenen Geschäftseinheit in einer schönen Villa in einem noblen Potsdamer Stadtteil schon aktiv waren, haben wir die Möglichkeit genutzt, die Weberbank zu erwerben. Denn wir haben seinerzeit in einer Marktanalyse klar feststellen müssen, dass wir bei den vermögenden Privatkunden in unserem Geschäftsgebiet bei Weitem nicht die gewünschten Marktanteile hatten. Das Angebot der Weberbank kam uns insofern gerade recht. Die sehr interessanten Kundenstrukturen und Wachstumsmöglichkeiten in diesem Segment haben uns dann letztlich bewogen, das Risiko der Übernahme zu schultern.

Hat sich der Kauf der Weberbank aus heutiger Sicht gelohnt?

Absolut, schon im ersten Jahr hat das Engagement uns einen positiven Ergebnisbeitrag gebracht. Unter Kapital- und Renditegesichtspunkten hat es sich schon gerechnet. Und es macht uns immer noch viel Freude. So können wir unseren Kunden Produkte und Dienstleistungen anbieten, die wir so zuvor nicht hatten. Dazu gehören beispielsweise eine zuverlässige und kompetente Vermögensverwaltung genauso wie fundierte Expertise im Bereich von Stiftungen, Erbschafts-, Steuerfragen und dem Family Offices. Das alles hatte die Weberbank schon.

Wie sehen Sie die Weberbank in das Private-Banking-Konzept der Sparkassenorganisation eingebunden? Haben Sie bundesweite Ansprüche?

Weit bevor der DSGV das Thema Private Banking für die Sparkassenorganisation entdeckt hat, war die Weberbank schon Vermögensverwalter wohlhabender Berliner Familien, von Stiftungen und von Pensionsfonds. Als wir diesen Markt für unser Haus gesehen haben, wollten wir nicht darauf warten, bis ein Verband dieses Geschäftsfeld entdeckt und vorantreibt.

Ähnlich haben wir uns im Übrigen in der Diskussion um eine Direktbank verhalten, wir haben seinerzeit MBS direkt gestartet und betreiben das bis heute. Eine hauseigene Gesellschaft für den mobilen Vertrieb haben wir hingegen wieder eingestellt, weil wir einige Fehler gemacht hatten. Manchmal gehen Investitionsentscheidungen halt nicht auf. Wer gar keine Entscheidungen trifft, lebt am teuersten.

Aber zurück zur Weberbank: Die Grundsatzentscheidung zum Betreiben des Geschäftsfeldes Private Banking war schon gefallen, als die Bank zum Verkauf stand. Inzwischen haben wir die Strategie der Weberbank in Richtung Sparkassenorganisation ergänzt. Die DSGV-Philosophie wurde aufgenommen, indem wir über die Weberbank den Sparkassen, die Private Banking betreiben, die Dienstleistung Vermögensverwaltung anbieten. Damit können die Sparkassen ihre Dienstleistungspalette im Vermögensanlagegeschäft komplettieren.

Wie sehen Sie die Sparkassenorganisation insgesamt in diesem Feld aufgestellt?

Es gibt in diesem Bereich mehrere Ansätze in der Organisation. Das ist grundsätzlich gut so. Dazu gehört die Deka mit ihrer fondsgebundenen Vermögensverwaltung, die Frankfurter Bankgesellschaft, die die Private-Banking-Kunden der Sparkassen entsprechend übernimmt. Und es gibt den Ansatz der Weberbank, die Kunden bei den Sparkassen zu belassen und diesen die Vermögensverwaltung anzubieten. Durch eine intelligente Lösung auf Basis der gemeinsamen IT-Plattform disponieren die Experten der Weberbank in der Vermögensverwaltung, ohne dass die Bestände die jeweilige Sparkasse verlassen - vom Kauf und Verkauf der Assets bis hin zum Reporting.

Die Sparkasse kann die Kunden also weiter an sich binden. Unser Haus war Testsparkasse für dieses Modell, bevor wir es dann für die gesamte S-Gruppe live geschaltet haben. Zurzeit werden viele Gespräche mit interessierten Sparkassen geführt.

Sind Sie mit der Struktur und der Aufstellung der öffentlichen Versicherer zufrieden?

Das ist zweifellos zusammen mit der Altersvorsorge und den Landesbausparkassen ein wichtiger Bereich für eine Kräftebündelung. Bei den Bausparkassen scheint mir das freilich am einfachsten umzusetzen, weil die Namensgleichheit schon gegeben ist.

Bei einer Fusion der öffentlichen Versicherer stellen sich einige zentrale Fragen. Was passiert mit den Namen beziehungsweise der eingeführten Marken in den verschiedenen Regionen? Wie organisiert man die riesige Herausforderung EDV? Aus meiner früheren Funktion als Aufsichtsrat bei öffentlichen Versicherungen weiß ich, dass eine technische Migration sehr aufwendig ist. Ohne eine gemeinsame EDV gibt es aber ständig Doppelarbeiten. Das gilt selbst vor dem Hintergrund, dass die Schaffung eines gemeinsamen IT-Dienstleisters auf Sparkassenebene gelungen ist. Zudem unterscheiden sich die öffentlichen Versicherer nicht nur in der Qualität ihrer Organisation, im Kostenmanagement und in unterschiedlichen Performanceaussichten im Vertrieb, sondern sie haben auch ganz unterschiedliche stille Reserven. Kurzum: Solche Fusionen sind naheliegend und wünschenswert, aber in der Praxis nicht leicht zu realisieren.

Müssen die S-Regionalverbände ebenfalls gebündelt werden?

Es wird zwar immer wieder darauf hingewiesen, dass die Verbände auch als Lobbyisten bei ihren Landesregierungen unterwegs sind und deshalb auch dort beheimatet sein sollten, aber die beiden Ausnahmen von dieser Regel funktionieren allem Eindruck nach nicht schlechter.

Wie verbundtreu sind Sie eigentlich?

Ausgesprochen verbundtreu. Wir machen unsere Geschäfte innerhalb der Sparkassenorganisation. Eine Besonderheit ist allenfalls die Neue Leben im Bereich der Versicherungen.

Wie sehen Sie die Zusammenarbeit mit der Helaba als neuer zuständiger Landesbank?

Die brandenburgischen Sparkassen selbst sind an keiner Landesbank und auch an keiner Versicherung beteiligt und können insofern diese Fragen vergleichsweise entspannt sehen. Eine direkte Kapitalbeteiligung haben wir nur an der Neuen Leben, mit der wir im Übrigen sehr zufrieden sind. Nachdem die WestLB das Geschäft abgegeben hat, ist die Helaba für unser Haus zuständig. Und wir werden mit Blick auf die neue Verbundbank auch weiterhin verbundtreu bleiben, wobei wir neben der Helaba zum Teil auch auf andere Landesbanken zurückgreifen. Für unseren Depot-A-Bereich orientieren wir uns hin und wieder an den Angeboten am Markt.

Mit Blick auf die Deka-Bank und die LBB werden in der Organisation Forderungen einer Zusammenführung von Aktivitäten laut. Wie wichtig ist dieses Thema für die Primären?

Das ist für uns Sparkassen von sehr hohem Interesse. Wir wollten eine Sparkasse kaufen, um keine sparkassenfreie Zone in Berlin zu haben und haben eine Landesbank mit einer angeschlossenen Sparkasse bekommen. Die Verluste in der Vergangenheit kamen allerdings nicht aus dem Bereich der Sparkasse, sondern aus dem Kapitalmarktgeschäft der Landesbank. Die LBB ist eigentlich als Sparkasse gefordert, in einer Landesbank Berlin sehe ich keinen Sinn. Insofern ist uns sehr daran gelegen, die Landesbank Berlin auf ihre Sparkassenfunktion zurückzuführen und die anderen Teile zu verkaufen.

In dem Zusammenhang spielt natürlich auch die Deka eine Rolle und möglicherweise auch Landesbanken, die verschiedene Bereiche der LBB übernehmen könnten. Das würde der Berliner Sparkasse die Möglichkeit eröffnen, eine ausreichende Ertragskraft zu entwickeln und damit den Kapitaldienst für die dann noch offenen Beträge der Sparkassen zu erwirtschaften. Welches Potenzial da zumindest annähernd besteht, zeigt ein Blick auf unser Haus. Wir erwirtschaften in einem Geschäftsgebiet mit 1,1 Millionen Menschen über 100 Millionen Euro nach Steuern. Zum Vergleich: Berlin hat 3,5 Millionen Menschen.

Was erwarten Sie von der Deka-Bank?

Der Fondsanbieter der S-Gruppe hat unter seinem neuen Chef noch eine große Strecke vor sich. Denn die Sparkassen erwarten ein Produktangebot, das bei Performancevergleichen im oberen Quartil liegt und sich mit den besten Angeboten im Markt messen kann. Aus meiner Sicht befindet sich die Deka aber auf einem guten Weg.

Haben Sie Ideen und Konzepte, wie man das traditionell verhaltene Kreditgeschäft Ihres Hauses forcieren kann?

Das Kreditgeschäft ist uns enorm wichtig, wir haben es deutlich belebt und erreichen derzeit auf Privat- wie Firmenkundenseite Nettozuwächse von zwölf bis 14 Prozent. Das resultiert zum einen aus einem Plus an Unternehmensdarlehen, das in Teilen in Zusammenhang mit dem Bau des neuen Hauptstadtflughafens steht. Trotz der ärgerlichen Verschiebung, die uns aber derzeit weder von der Risikoseite noch wirtschaftlich allzu hart trifft, bietet er ein interessantes Umfeld.

Darüber hinaus nehmen wir auch in dem Speckgürtel um Berlin herum bei Unternehmensfinanzierungen gerne unsere Chancen wahr. Und nicht zuletzt gehen deutliche Impulse von der Immobilienfinanzierung aus. Der Hype aus der boomenden Metropole Berlin macht sich positiv bemerkbar, zumal Berlin und Brandenburg wirtschaftlich eine Einheit bilden. Diese Wachstumsraten beleben klar unser Kreditgeschäft und gleichen die momentane Stagnation bei den Einlagenbeständen aus, die angesichts der Vollkaskomentalität bei der Einlagensicherung leider zu erheblichen Wettbewerbsverzerrungen insbesondere durch ausländische Wettbewerber führt.

Was meinen Sie damit?

Die Einlagen sollen gesichert sein, darüber sind wir uns einig. Aber das Sicherungssystem darf nicht zu Wettbewerbsverzerrungen führen, indem zu Kampfkonditionen Kundengelder eingeworben werden, ohne dass die Solidität der jeweiligen Bank von Bedeutung wäre. Hier wäre es hilfreich, wenn durch einen Selbstbehalt des Anlegers von zum Beispiel zehn Prozent dieser angehalten wird, sich mit der Bonität seiner Bank zu befassen.

Das ist aber neu in der Diskussion ...

Wir haben in Deutschland funktionierende Einlagensicherungssysteme bei den Sparkassen und Genossenschaftsbanken. Die ausländischen Banken gehen mit diesem System aber sehr fordernd um und verweisen gegenüber den deutschen Kunden auf die Sicherung ihrer Einlagen. Nun will die europäische Politik dafür einen Fonds schaffen, der insbesondere einlagenstarke Banken und Sparkassen belastet. Das kann politisch nicht gewollt sein.

Wie soll ein Politiker das vermitteln?

Das ist eine berechtigte Frage. Hier gilt es in der Tat, ein dickes Brett zu bohren. Aber zugleich ist es mir ein Dorn im Auge, dass Banken mit seriöser Geschäftspolitik für die anderen haften sollen.

Wie sind Sie mit dem neuen DSGV-Präsidenten Georg Fahrenschon zufrieden?

Er hat einen hervorragenden Start und ist dabei frei von Ballast und unverkrampft an die schwierigen Aufgaben in Brüssel herangegangen. Die Bestellung des neuen Chefs der Deka-Bank hat er sehr professionell gemacht. Ähnliche zufriedene Resonanz höre ich auch aus Sparkassen, die er in der Zwischenzeit besucht hat. Ich bin sicher, dass er auch alle Verbandspräsidenten hinter sich bringen wird.

Welche Herausforderungen haben die Sparkassen noch vor sich?

Im europäischen Kontext müssen wir stärker in Brüssel Flagge zeigen. Dort haben die Sparkassen eindeutige Defizite. Wir müssen aktiv mit viel mehr Leuten in den Behörden und in den Ausschüssen mitarbeiten. Brüssel muss unser starkes Prinzip der regionalen Banken viel besser verstehen. Es muss verdeutlicht werden, was die deutsche Sparkassenorganisation so stark gemacht hat. Was in der Krise fest war, sollte man als Exportschlager zu bewahren suchen. Bankenunion, Einlagensicherung, Bankenaufsicht und Regelwerk sind ganz wichtige Themen. Intern sind wir Sparkassen schon hervorragend aufgestellt, aber es gilt nun, die nach wie vor vorhandenen Potenziale systematisch zu heben.

Wie beurteilen Sie die vorgesehene Europäische Bankenaufsicht?

An dieser Stelle bin ich sehr skeptisch. Es wird nicht besser, wenn man die europäische Bankenaufsicht fernab der Regionen und ohne die Kompetenz der nationalen Behörden bündelt und organisiert. Hat es nicht Vorteile, wenn wir eine regionale Aufsicht haben, die viel besser auf die örtlichen Gegebenheiten von Banken und Sparkassen eingehen kann? Eine Krise darf nicht dazu führen, alles infrage zu stellen und nicht mehr zu differenzieren, was sich bewährt hat und was nicht.

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