Frage an ...

... Raimond Maurer - bAV in Deutschland – kann die Politik zufrieden sein?

Weite Teile der deutschen Bevölkerung fühlen sich einer Wirtschafts- und Gesellschaftsordnung verbunden, die als Soziale Marktwirtschaft untrennbar mit Ludwig Erhard verbunden ist, dem ersten Wirtschaftsminister der Bundesrepublik und späteren Bundeskanzler. Es lohnt sich in seinem 1957 verfassten Werk "Wohlstand für Alle" nachzuschlagen, um sich in Erinnerung zu rufen, was für ihn wichtige Kernelemente der Sozialen Marktwirtschaft waren:1) Zum einen postuliert er unter der Überschrift "Alle müssen am Erfolg teilhaben" seine Überzeugung, [..] daß nur über den freien Wettbewerb die Kräfte lebendig werden, die dahin wirken, daß jeder wirtschaftliche Fortschritt und jede Verbesserung in der Arbeitsweise sich nicht in höheren Gewinnen, Renten oder Pfründen niederschlagen, sondern daß alle diese Erfolge an den Konsumenten weitergegeben werden. Das ist der soziale Sinn der Marktwirtschaft, daß jeder wirtschaftliche Erfolg wo immer er entsteht, daß jeder Vorteil aus der Rationalisierung, jede Verbesserung der Arbeitsleistung dem Wohle des ganzen Volks nutzbar gemacht werden und einer besseren Befriedigung des Konsums dient" (Erhard 1957, Seite 169). Des Weiteren führt er zum Zusammenspiel zwischen einer freien Wirtschaftsordnung und dem Aspekt der "Sozialen Sicherung" aus: "Eine freiheitliche Wirtschaftsordnung kann auf die Dauer nur dann bestehen, wenn und solange auch im sozialen Leben der Nation ein Höchstmaß an Freiheit, an privater Initiative und Selbstvorsorge gewährleistet ist" (Erhard 1957, Seite 246). bAV und freiheitliche Sozialpolitik Ausgehend von diesen beiden Kernelementen - Teilhabe am wirtschaftlichen Erfolg aller durch freiheitlichen Leistungswettbewerb flankiert durch eine möglichst freiheitliche Sozialpolitik - soll nun ein Blick auf die hier im Fokus stehende betriebliche Altersversorgung (bAV) in Deutschland geworfen werden. Um eine betriebliche Altersversorgung handelt es sich nach §1 des Betriebsrentengesetzes, wenn "einem Arbeitnehmer Leistungen der Alters-, Invaliditäts- oder Hinterbliebenenversorgung aus Anlass seines Arbeitsverhältnisses vom Arbeitgeber zugesagt" werden. Schon aus dem Wortlaut wird deutlich, dass die betriebliche Altersversorgung ein wichtiges Instrument zur Absicherung der finanziellen Konsequenzen zentraler Lebensrisiken breiter Bevölkerungsschichten darstellen soll. Sie ist damit neben den staatlich organisierten Sozialversicherungssystemen und der privaten Selbstvorsorge ein integraler Bestandteil des Systems der sozialen Sicherung. Da die betriebliche Altersversorgung, im Gegensatz zur umlagefinanzierten und auf Zwangsmitgliedschaft basierenden staatlichen Sozialversicherung, freiwillig ist und auf dem Prinzip der Kapitaldeckung beruht, ist sie auch Ausdruck einer auf Eigeninitiative ausgerichteten freiheitlichen Sozialpolitik. Es ist daher folgerichtig, dass der Gesetzgeber die betriebliche Altersversorgung steuerlich fördert. Hierzu müssen die Beteiligten, also Arbeitgeber, Arbeitnehmer und Produktanbieter die Regeln des Betriebsrentengesetzes einhalten, insbesondere die dort aufgeführten Durchführungswege. Wie ist es nun um die tatsächliche Bedeutung der bAV in der sozialen Sicherung bestellt? Ist es gelungen durch freien Leistungswettbewerb möglichst alle Bürger daran teilhaben zu lassen? Der Blick auf die Zahlen ist ernüchternd. So führt die unter der Federführung des Ministeriums für Arbeit und Soziales Baden-Württemberg initiierte PROSA-Kommission in ihrem Abschlussbericht aus2): "In westdeutschen Unternehmen mit mehr als 200 Beschäftigten können fast alle der versicherungspflichtigen Mitarbeiter mit einer Betriebsrente rechnen, in ostdeutschen Unternehmen sind es zwischen 87 und 95 Prozent. Mit sinkender Mitarbeiterzahl nimmt die Verbreitung der betrieblichen Altersversorgung ab. Bei Kleinstbetrieben mit bis zu vier Mitarbeitern erwirbt nur jeder Vierte westdeutsche und lediglich jeder fünfte ostdeutsche Arbeitnehmer einen Anspruch auf eine betriebliche Zusatzversorgung." Stärkung des Leistungswettbewerbs Die betriebliche Altersversorgung ist damit bei den kleinen und mittleren Unternehmen, dem Motor der deutschen Volkswirtschaft, bei dem rund 70 Prozent der Arbeitnehmer beschäftigt sind, noch nicht genügend angekommen. Berücksichtigt man weiter, dass weit über 50 Prozent der Deckungsmittel der betrieblichen Altersversorgung im Durchführungsweg der Direktzusage gebunden sind, die vor allem Vorstände, Geschäftsführer und leitende Angestellte erreicht, dann ist klar: Die Teilhabe am wirtschaftlichen Erfolg möglichst aller ist im Bereich der betrieblichen Altersversorgung noch nicht realisiert. Die Politik kann und darf damit nicht zufrieden sein. An was liegt dieser unbefriedigende Zustand und wie lässt er sich verbessern? Zunächst ist festzuhalten, dass der Gesetzgeber seit Beginn des neuen Jahrtausends mit verschiedenen Reformen einiges zur Verbesserung der gesetzlichen Rahmenbedingungen unternommen hat (etwa Rechtsanspruch des Arbeitnehmers auf bAV, Vereinheitlichung der Förderung). Der Mittelstand wurde damit allerdings nicht erreicht. Um dieses Dilemma zu überwinden, könnte man die Erhöhung der steuerlichen Förderung für die bAV fordern, was jedoch aufgrund der Situation der öffentlichen Haushalte wohl nur sehr geringe Realisierungschancen hat. Schließlich könnte man an eine verpflichtende betriebliche Altersversorgung denken. Allerdings würde ein solches Obligatorium die betriebliche Alterssicherung in gefährliche Nähe zu den staatlichen Zwangsversicherungssystemen rücken und stünde konzeptionell nicht im Einklang mit einer freiheitlichen Sozialpolitik. Im Sinne der eingangs aufgezeigten Auffassung von Sozialer Marktwirtschaft bleibt daher die Intensivierung des Leistungswettbewerbs, um die Attraktivität der betrieblichen Altersversorgung zu erhöhen. Mit den bisherigen Durchführungswegen der bAV ist es bislang nicht gelungen, die Arbeitnehmer und Arbeitgeber bei den kleinen und mittleren Unternehmen zu erreichen. Es wäre daher nur konsequent, einen neuen Weg in der bAV zu beschreiten, der versucht, bestimmte Schwächen für mittelständische Unternehmen (unter anderem Portabilität, Flexibilität, administrativer Aufwand, Haftungsfragen) der traditionellen Durchführungswege zu überwinden.3) Zusätzlicher Durchführungsweg Schon in der PROSA-Kommission wurde mit ausdrücklicher Sympathie des Ministeriums für Arbeit und Soziales - in Erwägung gezogen, im Betriebsrentengesetz einen zusätzlichen Durchführungsweg auf der Basis von Investmentfonds zu etablieren.4) Dieser Vorschlag würde auch vom damaligen Ministerpräsidenten Oettinger aufgegriffen.5) Konzeptionell basiert dieser Durchführungsweg auf folgenden Elementen: 1) Einer Kapitalansammlungsphase in der der Arbeitgeber (geeignet separiert vom Betriebsvermögen) für den Arbeitnehmer Investmentfondsanteile in Form von Altersvorsorgesondervermögen gemäß §§ [87]ff. InvG erwirbt. Diese speziell für die Altersvorsorge konzipierten Fonds dürfen nur im Rahmen bestimmter Höchst-/Mindestgrenzen in verschiedene Anlageklassen (Aktien, Zinstitel, Immobilien) investieren (etwa maximal 75 Prozent in Aktien), müssen Währungsrisiken begrenzen und erlauben derivative Finanzinstrumente nur zu Absicherungszwecken. Die Anlagegrenzen gewährleisten eine substanzwertorientierte Anlage, erzwingen die Diversifikation über Assetklassen hinweg und stellen eine antizyklische Anlagepolitik sicher. Damit weisen diese Fonds eine hohe Eigensicherheit auf und vermeiden prinzipielle Fehler in der Vermögensanlage. Weiterhin müssen die Produktanbieter garantieren (und gegebenenfalls mit Eigenkapital unterlegen), dass zu Beginn der Auszahlungsphase mindestens die eingezahlten Beiträge zur Verfügung stehen. Schließlich ist dem Gedanken des Lebenszykluskonzepts folgend ein Umschichtungsmechanismus einzuhalten, der riskante Anlagen mit zunehmendem Lbaeletnesr abbaut. 2) Einer Auszahlungsphase, in dem das aufgebaute Altersversorgungskapital analog zur Riester-Rente in von Produktanbieter garantierte lebenslange Zahlungen umgewandelt wird. Diese weitreichenden Sicherungsmaßnahmen rechtfertigen, dass die AS-Investmentrente analog zur Direktversicherung von Zahlungen des Arbeitgebers an den Pensionssicherungsverein befreit wird, wenngleich über die Einrichtung eines speziellen Sicherungsfonds durch die Produktanbieter selbst durchaus nachzudenken ist. Berechnungen zeigen, dass die AS-Investmentrente ein guter Kompromiss zwischen Stabilität einerseits und langfristiger attraktiver Rentabilität der Wertentwicklung darstellt (Abbildung). Daran ändert auch die jüngste Finanzkrise nichts. Schub durch die Wirtschaftsminister Im Juni 2010 erfuhr die Idee neuen Schub. Auf Initiative des hessischen Wirtschaftministeriums wurde von der Wirtschaftsministerkonferenz der Bundesländer die Einführung der AS-Investmentrente als neuer Durchführungsweg in der bAV aktiv gefordert. Die Konferenz ließ sich auch nicht von ablehnenden Reaktionen aus gewissen Bundesministerien beirren und bestärkte im Dezember 2010 diesen Vorschlag erneut.6) Man darf nicht vergessen, dass auch Ludwig Erhard mit der Idee der Sozialen Marktwirtschaft auf anfängliche Skepsis gestoßen ist; er hat sich zum Wohle aller jedoch durchgesetzt. Fußnoten: 1) Ludwig Erhard (1957): "Wohlstand für Alle", Düsseldorf (Jubiläumsausgabe 2000). 2) Siehe PROSA (2007): Bericht des Landesbeirats PRO-SA - Pro Sicherheit im Alter, Ministerium für Arbeit und Soziales Baden Württemberg, Stuttgart, S. 58. 3) Vgl. hierzu Maurer, R. (2007), "Betriebliche Altersversorgung und Mittelstand - die wissenschaftliche Sicht", Kreditwesen 20-2007, S. 1070-1076. 4) Vgl. PROSA (2007), S. 114-119. 5) Vgl. Oettinger, G. H. (2007), "Vorreiterrolle bei der Stärkung der betrieblichen Altersversorgung", Kreditwesen 20-2007, S. 1069; und Laux, M./Siebel, R., Altersvorsorge Sondervermögen - Der Pensionsfonds für jedermann, Fritz Knapp Verlag, 1999, S. 113-121. 6) Vgl. Beschlusssammlung der Wirtschaftministerkonferenz in Göhren-Lebbin am 17./18. Juni 2010 sowie am 9./10. Dezember in Cottbus. Siehe www.bun-desrat.de/DE/gremien-konf/fachministerkonf/wmk/Sitzungen/10-06-17-18-WMK sowie www.bundesrat. de/DE/gremien-konf/fachministerkonf/wmk/Sitzungen/10-12-09-10-WMK (7.12.2010).

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